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Nur eine einzige Nacht voller Leidenschaft, aber der Milliardär Gervais Reynaud kann die schöne Erika nicht vergessen. Plötzlich steht sie vor seiner Tür - um ihm mitzuteilen, dass er Vater wird. Ist sie nur deshalb gekommen? Oder spürt auch sie dieses heiße Begehren?
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Seitenzahl: 187
IMPRESSUM
Der Milliardär, der mich küsste erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2016 by Catherine Mann Originaltitel: „His Pregnant Princess Bride“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 383 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Silke Schuff
Umschlagsmotive: NeonShot / Getty Images
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733738853
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Ich muss gestehen, dass ich mir aus Football eigentlich überhaupt nichts mache.“
Prinzessin Erikas Bemerkung kam für Gervais Reynaud ziemlich überraschend. Immerhin saßen sie seit vier Stunden in einer privaten Zuschauerlounge des Wembley-Stadions. Dort würde sein Team in zwei Monaten zu einem Freundschaftsspiel antreten.
Als Besitzer der New Orleans Hurricanes hatte Gervais eigentlich Wichtigeres zu tun, als sich an der Gesellschaft dieser vornehmen nordischen Prinzessin zu erfreuen. Sie saß auf dem Platz neben ihm, während sie sich ein Fußballspiel anschauten. Diese Sportart hatte allerdings herzlich wenig mit dem amerikanischen Football zu tun. Dennoch fand er das Spiel bis jetzt ungeheuer spannend, und er hatte gedacht, der Prinzessin ginge es ebenso. Schließlich stammte sie aus königlichem Haus und diente ihrem Land beim Militär. Da hätte er schon erwartet, dass sie sowohl sportlich als auch sportbegeistert wäre.
In ihrer schlichten grauen Uniform mit den Goldlitzen und Orden wirkte sie zwar durchtrainiert, aber von dem Fußballspiel auf dem grünen Rasen dort unten war sie sichtlich gelangweilt.
Auch wenn Gervais europäischem Fußball längst nicht so viel abgewinnen konnte wie amerikanischem Football, so nötigten ihm die sportlichen Leistungen, die die beiden erstklassigen Mannschaften zeigten, Bewunderung und Respekt ab. Diese Athleten zählten zu den besten der Welt.
Gervais’ eigentliche Aufgabe heute bestand darin, sich mit den Örtlichkeiten des Stadions vertraut zu machen, damit er sein Team darauf vorbereiten konnte. Mit dem Erwerb der New Orleans Hurricanes hatte er seinen geschäftlichen Ruf aufs Spiel gesetzt. Sämtliche Finanzberater hatten ihm von diesem Schritt vehement abgeraten. Natürlich gab es Risiken. Aber Gervais war noch nie vor einer Herausforderung zurückgeschreckt. Das lag nicht in seiner Natur. Und jetzt hing seine Karriere vom Erfolg der Hurricanes ab. Wegen seines illustren Familiennamens war die Presse seit jeher an ihm interessiert. Aber seit er Eigentümer des Teams geworden war, hatte das überhandgenommen.
Sein Aufenthalt in Großbritannien, um sich mit dem Wembley-Stadion vertraut zu machen, bot ihm eine willkommene Pause von der Belästigung durch neugierige Reporter. Das Interesse an amerikanischem Football war hierzulande nicht besonders groß. Daher konnte er sich unbefangen bewegen und das Spiel genießen, ohne ein Blitzlichtgewitter befürchten zu müssen.
Allerdings wünschte er sich, er könnte die Hurricanes heute spielen sehen. Die Leitung des Trainerteams hatte er einem seiner Brüder anvertraut. Ein anderer Bruder spielte auf der Position des Quarterbacks. Etliche Sportreporter daheim waren der Meinung, dass er mit dieser Besetzung einen großen Fehler begangen hatte.
Sie warfen ihm gar Vetternwirtschaft vor. Aber da kannten sie die Reynauds schlecht.
Niemals hätte er Familienmitglieder ausgewählt, wenn sie nicht die besten für den Job gewesen wären. Vor allem deshalb nicht, weil er als Eigentümer des Teams endlich Gelegenheit hatte, seinen eigenen Weg zu gehen. Er hatte es satt, nur ein Rädchen im Getriebe des großen Familienimperiums aus Schiffsmogulen und Footballstars zu sein.
Doch um erfolgreich zu sein, musste er das politische Spiel mit ebenso geschickter Strategie beherrschen wie das Spiel auf dem Feld. Als Clubbesitzer war er das Gesicht der Hurricanes. Das bedeutete auch, mit dieser temperamentvollen Prinzessin höfliche Konversation zu betreiben. Auch wenn sie nicht verstanden hatte, dass sein Footballteam nicht zu den Mannschaften gehörte, die sich gerade im Wembley-Stadion ein spannendes Match lieferten. Vermutlich war ihr das ziemlich egal.
Er lehnte sich auf dem weißen Ledersofa zurück und warf spielerisch einen ledernen Football von Hand zu Hand. Er war ein Geschenk eines PR-Mannes des Londoner Fußballclubs, der Gervais willkommen geheißen und ihm seinen Platz gezeigt hatte. Die Zuschauerlounge leerte sich allmählich, denn das Spiel war beendet. Die Londoner Mannschaft hatte das andere britische Team im Kampf um die Landesmeisterschaft knapp geschlagen. „Liegt es am Ball?“, fragte er. „Mögen Sie den nicht?“
Mit einer anmutigen Handbewegung strich sie sich über das sorgfältig hochgesteckte weißblonde Haar. „Oh nein, das ist es nicht. Vielleicht ist mein Englisch nicht so gut, wie ich es mir wünschen würde“, antwortete sie mit einem kaum wahrnehmbaren Akzent. Offensichtlich hatte sie eine gute Erziehung genossen. Ihre Englischkenntnisse schienen ausgezeichnet, und ihre Aussprache war ziemlich sexy. Allerdings bemerkte sie nicht, dass der Ball, den Gervais in den Händen hielt, im Gegensatz zu dem runden Ball auf dem Spielfeld oval war. „Mir gefällt das Spiel nicht. Das Fußballspiel.“
„Dann würde mich interessieren, warum Ihr Land ausgerechnet Sie als Repräsentantin zum Endspiel entsandt hat.“ Verdammt, sie war viel zu schön, um wahr zu sein, und ihre maßgeschneiderte Uniform füllte sie genau an den richtigen Stellen aus. „Hat man Sie ausgesucht, um Sie für einen unerhörten Verstoß gegen die Regeln des Königshauses zu bestrafen?“
Wenn sie das alles nicht interessierte, warum ging sie dann nicht, jetzt da das Spiel zu Ende war? Was hielt sie hier noch, um an ihrem Champagnerglas zu nippen und sich mit ihm zu unterhalten? Und viel wichtiger, was hielt ihn selbst noch hier? Immerhin hatte er für heute Abend einen Rückflug gebucht.
„Zunächst einmal gehöre ich nicht zu einem regierenden Königshaus.“ Sie setzte das Glas ab und blickte ihn aus eisblauen Augen an. Eisblau wie das kalte Land, dem sie entstammte. „Seit über fünfundvierzig Jahren sind wir keine Monarchie mehr. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, bin ich nur die jüngste von fünf Töchtern. Es spielt keine Rolle, ob mir diese Sportart gefällt oder nicht. Mir scheint, Sie und ich haben ganz einfach verschiedene Interessen.“
„Bleibt immer noch die Frage, warum Sie hier sind.“ Er war neugieriger, als er sein sollte.
Zum Beginn des Spiels waren sie einander nur kurz vorgestellt worden. Und seitdem wünschte er sich, mehr über diese faszinierende, wenn auch ziemlich zugeknöpfte Frau zu erfahren.
„Meine Mutter war nicht besonders glücklich mit meiner Entscheidung, eine Militärlaufbahn einzuschlagen. Wäre ich ein Mann, hätte sie das niemals hinterfragt. Aber sie macht sich Sorgen darüber, dass ich nicht genug am gesellschaftlichen Leben teilnehme und unverheiratet bleibe. Mein Wert scheint für sie nur davon abzuhängen, wie viele Kinder ich bekomme.“ Sie verdrehte missbilligend die Augen und schlug die langen schlanken Beine übereinander. „In Anbetracht der Tatsache, dass ich meinen Lebensunterhalt ganz allein bestreite, finde ich das einfach lächerlich. Außerdem sind fast alle meiner älteren Schwestern verheiratet und vermehren sich wie die Waschbären.“
„Wie die Kaninchen.“
Sie hob die blonden Augenbrauen. „Wie bitte?“
„Sich vermehren wie die Kaninchen, so lautet die Redensart“, erklärte er und unterdrückte ein breites Grinsen.
„Merkwürdig“, meinte sie und runzelte die Stirn. „Kaninchen sind süß und flauschig, Waschbären dagegen weniger niedlich. Ich finde, Waschbären passen besser“, stellte sie fest, als ob sie nur durch ihre Bemerkung den Sprachgebrauch ändern könnte.
„Mögen Sie Kinder nicht?“, hörte er sich fragen. Er hätte jetzt auch aufstehen und sie hinausbegleiten können. Damit wäre den gesellschaftlichen Umgangsformen Genüge getan.
Aber wann hatte er das letzte Mal mehr als ein paar Worte mit einer Frau gewechselt? Abgesehen von geschäftlichen Besprechungen? Es schadete bestimmt nichts, wenn er sich noch ein paar Minuten mit ihr unterhielt.
„Ich glaube nicht, dass man ein Dutzend Erben produzieren muss, um eine Monarchie zu stabilisieren, die gar nicht mehr existiert.“
Ein gutes Argument und eine unerwartete Antwort. „Also muss ich nicht befürchten, dass Sie sich den Spielern an den Hals werfen?“
Er deutete zum Spielfeld, auf dem sich die siegreiche Mannschaft gerade selbst feierte.
„Auf keinen Fall“, erwiderte sie so schnell und energisch, dass er lachen musste.
Es war erfrischend, eine Frau kennenzulernen, die zur Abwechslung einmal kein Sportgroupie war.
„Was genau tun Sie denn beim Militär?“, fragte er und stellte verwundert fest, dass sein Rückflug vorübergehend in Vergessenheit geraten war.
„Eigentlich bin ich Krankenschwester. Aber beim Militär sind meine Sprachkenntnisse gefragt. Ich arbeite als diplomatische Dolmetscherin.“
Er hob erstaunt die Augenbrauen. „Wie bitte?“
„Was ist daran so schockierend? Haben Sie den Eindruck, als ob es mir an Intelligenz mangeln würde?“
Daran mangelte es ihr gewiss nicht. Und auch nicht an gutem Aussehen. Sie war unglaublich sexy.
„Sie sind wunderschön und sehr wortgewandt. Sie sprechen fließend Englisch. Natürlich sind Sie intelligent.“
„Und Sie sind ein Schmeichler“, erwiderte sie vorwurfsvoll. „Ich bin zwar im Moment Dolmetscherin, aber meine Dienstzeit ist bald zu Ende. Ich habe vor, meinen eigentlichen Beruf durch eine Zusatzqualifikation zu ergänzen. Ich werde eine Zusatzausbildung in Aromatherapie machen. Ich bin besonders daran interessiert, wie sich Düfte auf die menschliche Psyche auswirken. Zum Beispiel, um Stress zu bewältigen, das Immunsystem zu stärken, Allergien zu bekämpfen oder den Energiehaushalt zu regulieren.“
„Und wo wird diese Ausbildung stattfinden?“
„Ich habe einen Platz in einem Ausbildungsprogramm hier in London bekommen. Ich hatte gehofft, ich könnte beim Militär als Krankenschwester arbeiten, um Erfahrungen zu sammeln. Aber meine Vorgesetzten hatten da andere Pläne mit mir. Und ich möchte mein Berufsleben nicht als Dolmetscherin verbringen.“
„Ich bin beeindruckt“, sagte er und nickte anerkennend mit dem Kopf.
„Vielen Dank“, erwiderte sie, während sie sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr strich. „Und jetzt erklären Sie mir bitte, was ich wissen muss, um bei meiner Rückkehr nach Hause einen intelligenten Kommentar über all diese Muskelmänner auf dem Spielfeld da unten abzugeben.“
Er erhob sich und streckte einen Arm aus, um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein. „Leider weiß ich nur wenig über europäischen Fußball, Prinzessin. Die Sportart, die mein Team zu Hause betreibt, unterscheidet sich wesentlich davon.“
Sie erhob sich mit der Anmut einer Frau, die eher in Ballsälen glänzte als bei Ballsportarten. Und dennoch hatte sie sich dafür entschieden, einen Beruf zu ergreifen und ihrem Land beim Militär zu dienen.
Prinzessin Erika Mitras hatte den Rang eines Hauptmanns inne und entsprach so gar nicht seinen Erwartungen. Als er ihren Namen auf der Gästeliste entdeckt hatte, war ein ganz anderes Bild vor seinem geistigen Auge entstanden. Er hatte sich die ausländische Würdenträgerin entweder als arrogante Diva vorgestellt oder aber als Fußballgroupie, die auf eine Gelegenheit erpicht war, die Spieler kennenzulernen.
Bis jetzt hatte er noch nicht viele Leute getroffen, die es wagten, ihm zu sagen, dass sie Football nicht mochten. Sei es nun europäischer oder amerikanischer. Tatsächlich gab es nicht viele Menschen in seinem Leben, die sich nichts aus Sport machten. Schiffe mochten die Quelle des Reichtums der Familie sein, aber Football war seit jeher ihre Leidenschaft.
Daher schien es ihm seltsam, dass Erikas Desinteresse an Sport sie noch anziehender für ihn machte. Sie löste ein Verlangen in ihm aus, das er bisher noch für keine Frau empfunden hatte.
Vermutlich hatte seine heftige Begierde auch mit der Tatsache zu tun, dass er hier nicht unter den wachsamen Augen der amerikanischen Presse stand. Wenn er sich geschickt anstellte, konnte er möglicherweise seinen Impulsen nachgeben, ohne irgendwelche Konsequenzen für seine Familie oder sich selbst fürchten zu müssen.
Er trat einen Schritt näher und legte eine Hand der Prinzessin in seine Armbeuge. Dabei stieg ihm ihr zimtartiger Duft in die Nase. „Während ich das tue, könnten wir zusammen London unsicher machen. Essen gehen, Theater oder was immer Sie möchten. Nur wir zwei. Was sagen Sie dazu?“
Flüge konnte man schließlich umbuchen.
Sie blickte zu ihm auf und studierte mit ihren strahlend blauen Augen für einen Moment sein Gesicht, bis sich die Andeutung eines Lächelns um ihre Mundwinkel abzeichnete. „Aber nur, wenn wir nach Ihrer kurzen und hoffentlich aufschlussreichen Erläuterung über die Unterschiede zwischen diesen Ballsportarten kein Wort mehr über Sport verlieren.“
„Versprochen“, erwiderte er feierlich.
„Dann bin ich dabei.“
Er lächelte in sich hinein. Wer hätte gedacht, dass Zimt so aufregend sein konnte?
Zweieinhalb Monate später
New Orleans, Louisiana
Prinzessin Erika Birgitta Inger Freya Mitras von Holsgrof wusste, wie man einen wahrhaft königlichen Auftritt hinlegte. Ihre Mutter hatte sie in dieser Hinsicht ausführlich unterwiesen.
Dafür war Erika ihr dankbar, während sie ihren Mut sammelte, um das Trainingsfeld zu überqueren, auf dem sich eine Schar hünenhafter Männer tummelte. Noch mehr Mut und Selbstvertrauen verlangte es ihr ab, einem ganz bestimmten Mann auf diesem Feld gegenüberzutreten: dem Anführer dieser vor Testosteron strotzenden Truppe und Eigentümer dieser hochmodern ausgestatteten Trainingsanlage.
Spieler in schwarz-goldenen Trikots rannten über den Rasen und ließen ihre großen Schulterpolster aneinanderkrachen. Die Luft war erfüllt von zornigen Ausrufen, Grunzlauten und Flüchen. Trainer liefen neben den Spielern her und bellten Anweisungen oder pfiffen auf schrillen Trillerpfeifen.
Vor einem Monat hatte Erika ihre militärische Laufbahn beendet. Die Hoffnung, ihrem Land auch in Kampfeinsätzen dienen zu können, hatten ihre Eltern zunichtegemacht. Dank deren Einflussnahme hatte man ihr einen Schreibtischjob in Aussicht gestellt und eine Position, die vor allem repräsentative Pflichten umfasste. Das war auch der Grund, warum sie schon während ihres Besuchs im Wembley-Stadion so frustriert gewesen war. Frustriert, zornig, haltlos und leichtsinnig.
Viel zu leichtsinnig. Dieser Leichtsinn hatte zu einem ebenso genussreichen wie leidenschaftlichen Wochenende geführt. Und er hatte sie jetzt hierher gebracht. Nach New Orleans. Zu Gervais.
Ihre Absätze versanken im weichen Gras des Trainingsplatzes der New Orleans Hurricanes. Eigentlich hatte sie vermutet, diese amerikanische Sportart würde auf Kunstrasen ausgetragen. Doch Vermutungen waren etwas, das sie während ihres Abenteuers hier unbedingt vermeiden musste.
Nach seiner Abreise aus Großbritannien hatte sie nicht beabsichtigt, Gervais wiederzusehen. Ihr gemeinsames Wochenende voller Leidenschaft und atemberaubendem Sex war eine Flucht gewesen. Eine Flucht vor den Regeln und protokollarischen Vorschriften, die ihr Leben sonst so sehr beschränkten. Zwar hatte es in ihrer Vergangenheit Beziehungen gegeben, aber die jeweiligen Partner waren immer von ihren Eltern ausgewählt und sorgfältig überprüft worden. Gervais war der erste Mann, den sie sich selbst ausgesucht hatte.
Und wie sich herausstellte, war ihre Wahl auf einen Mann gefallen, den sie so leicht nicht vergessen konnte.
Über das Spielfeld hinweg spürte sie seinen Blick wie eine Berührung. Vermutlich hatte er sie wegen der plötzlich eingetretenen Stille bemerkt. Die Spieler hielten in ihren Bewegungen inne, und es war kein Geräusch mehr zu hören.
Alles andere um sie herum nahm Erika nur noch schemenhaft wahr, als sie die Augen auf Gervais richtete. Er stand bei den Tribünen. Er wirkte groß und durchtrainiert, auch wenn er weniger muskulös war als die Sportler auf dem Feld. Sie wusste, dass er in seiner Jugend und während des Studiums selbst Football gespielt hatte. Dann hatte er eine andere Laufbahn eingeschlagen und im Reedereiunternehmen seiner Familie gearbeitet. Bis er sich entschloss, das Team der New Orleans Hurricanes zu kaufen. Mittlerweile kannte Erika den Unterschied zwischen amerikanischem Football und europäischem Fußball. Sie wusste auch, dass Gervais mit seiner Entscheidung große Aufmerksamkeit in der Presse erregt hatte.
Er hatte ihr nicht viel über sich erzählt. Aber vor ihrer Reise nach New Orleans war es ihr ein Bedürfnis gewesen, möglichst viele Informationen über ihn und seine Familie zu sammeln. Es war erstaunlich, was eine kurze Internetrecherche zutage fördern konnte.
Die Familie stammte von französischen Einwanderern ab und hatte ihr Vermögen in der Schifffahrt verdient. Gervais’ Großvater Leon hatte die Firma zu einem florierenden Kreuzfahrtunternehmen ausgebaut. Auch die Sportbegeisterung der Familie hatte er in einen erfolgreichen Geschäftszweig verwandelt, indem er ein texanisches Footballteam kaufte. Die Anteile vermachte er seinem ältesten Sohn Christophe, der sie sofort verkaufte und stattdessen ein Baseballteam erwarb. Ein Affront, der zu einem tiefen Zerwürfnis in der Familie führte.
Seinen Enthusiasmus für Football gab Leon an seinen jüngeren Sohn Theo weiter. Dessen vielversprechende Karriere als Quarterback in Atlanta geriet jedoch durch eine Verletzung in Gefahr. Theos exzessiver Lebenswandel nach der Scheidung von einem gefeierten Supermodel tat sein Übriges, und so kam die Karriere bald zu einem Ende.
Drei Söhne stammten aus dieser Ehe, Gervais, Henri und Jean-Pierre. Außerdem gab es da noch Dempsey, ein Sohn aus einer früheren Affäre. Alle seine Söhne hatten die väterliche Leidenschaft für Football geerbt, am College gespielt und galten nun als aussichtsreiche Kandidaten für die nationale Footballliga. Während die beiden älteren Söhne sich dafür entschieden, ihren Geschäftssinn in das noch recht neue Team der Hurricanes einzubringen, setzten die beiden jüngeren ihre aktive Laufbahn auf dem Spielfeld fort.
Die Reynaud-Brüder waren vor allem in Louisiana bekannt. Ihre sportlichen Heldentaten wurden ebenso diskutiert wie die Frauen in ihrem Leben. In der Lobby ihres Hotels hatte Erika genug Gesprächsfetzen aufgeschnappt, um sich zu fragen, ob auch sie Gegenstand solcher Unterhaltungen sein würde, wenn ihre Bekanntschaft mit Gervais an die Öffentlichkeit gelangte. Es gab wohl kaum einen Weg, sich in dieser Footballwelt auf Dauer zu verstecken.
Football. Eine Sportart, aus der sie sich noch immer nicht viel machte. Damit hatte Gervais sie während ihres Wochenendes in London mehr als einmal aufgezogen. Ein Wochenende, das sie überwiegend unbekleidet verbracht hatten. Vor ihrem geistigen Auge erschien das verführerische Bild seines muskulösen Körpers. Sie erschauerte, während sie an ihre leidenschaftlichen Umarmungen dachte.
Der eindringliche Blick aus seinen dunklen Augen heizte ihre Erinnerungen noch mehr an, als er auf sie zuging. Mit seinen langen Beinen bewältigte er die Entfernung in kurzer Zeit. Sein Jackett und die Kakihose deuteten darauf hin, dass er sich mitten in einem Arbeitstag befand. Als er vor ihr anhielt, blendeten seine breiten Schultern die Sonne aus. Sein attraktives Gesicht lag im Schatten, aber sie musste es nicht deutlich sehen, um zu wissen, dass sein markantes Kinn mit Bartstoppeln bedeckt war. Bereits Sekunden, nachdem er sich rasiert hatte, schienen sie nachzuwachsen. Das leichte Kratzen seiner Bartstoppeln auf ihrer nackten Haut hatte sich unauslöschlich in Erikas Gedächtnis eingebrannt.
Plötzlich fiel es ihr schwer zu atmen.
Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Willkommen in den Vereinigten Staaten, Erika. Ich wusste nichts von deinem Besuch. Ich dachte, du machst dir nichts aus Sport.“
„Und trotzdem bin ich hier.“ Sie hatte das dringende Bedürfnis nach Privatsphäre. Sie brauchte einen Ort jenseits der gleißenden Sonne Louisianas und der neugierigen Blicke des gesamten Footballteams, um ihm den Grund für ihre Reise über den Atlantik in diesen schwülen sumpfigen Staat zu erklären. „Das ist kein offizieller Besuch“, fügte sie hinzu.
„Und du bist nicht in Uniform.“ Sein Blick glitt über ihr leichtes Wickelkleid.
„Meine Dienstzeit ist beendet. Jetzt werde ich mich wieder meiner Ausbildung widmen.“ Weit weg vom Militär und von ihren Eltern, die immer noch eine Position als übersetzendes Aushängeschild für sie vorsahen. „Ich bin hier wegen einer Fachtagung zum Thema Aromatherapie.“ Ihr Interesse an diesem Thema entsprach der Wahrheit, ganz im Gegensatz zu der Tagung, die ein frei erfundener Vorwand für ihren Aufenthalt hier war.
„Ich erinnere mich. Düfte zur Heilung. Könntest du meinen Spielern nicht ein paar wirkungsvolle Deodorants empfehlen? Sie hätten es dringend nötig.“ Ein Lächeln umspielte seinen sinnlichen Mund.
Erika schloss kurz die Augen. Sie war müde wegen des langen Flugs und nicht in der Verfassung, Höflichkeiten auszutauschen. Geschweige denn, sich Sticheleien über ihre beruflichen Interessen anzuhören. „Können wir uns irgendwo unter vier Augen unterhalten?“
Kurz studierte er ihr Gesicht, dann warf er einen Blick über die Schulter. „Ich befinde mich mitten in einem Treffen mit Sponsoren. Wie wäre es mit einem gemeinsamen Abendessen?“
„Ich bin nicht gekommen, um dich zu verführen“, sagte sie – hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen.
Er hob erstaunt die Augenbrauen. „Ich hatte eigentlich eine kulinarische Spezialität des Staates Louisiana im Sinn, nicht Sex. Aber da wir gerade von Sex reden …“
„Das tun wir nicht“, unterbrach sie ihn. „Bring deine Besprechung zu Ende, wenn es nötig ist. Aber ich muss wirklich dringend mit dir sprechen. Unter vier Augen. Es sei denn, du möchtest, dass unsere Privatangelegenheiten vor dem ganzen Team diskutiert werden.“
Sie selbst war jedenfalls nicht bereit, die Tatsache, dass sie mit dem nächsten Erben der Familie Reynaud schwanger war, hier in aller Öffentlichkeit darzulegen.
Sie war tatsächlich da. Erika, die verführerische Prinzessin, die seit ihrem Abschied vor drei Monaten seine Träume belebt hatte. Obwohl er seine gesamte Aufmerksamkeit der Verhandlung mit den Sponsoren hätte widmen sollen, konnte er die Augen nicht von ihr abwenden. Von ihren aufregenden Kurven und dem platinblonden Haar, das ihr ein fast überirdisches Aussehen verlieh.
Er sollte sich aufs Geschäft konzentrieren. Aber sie war einfach zu faszinierend. Und viel zu sexy.
Offenbar war jedes Mitglied des Teams auf dem Spielfeld derselben Meinung. Die Blicke der Männer hingen wie gebannt an ihr.
Nachdem Gervais sich mit Erika für den Abend verabredet und sie eingeladen hatte, sich das Training von der Tribüne aus anzusehen, kehrte er zu den Sponsoren zurück. Für deren Unterhaltung hatte zwischenzeitlich Beau Durant gesorgt, der mit den personellen Angelegenheiten des Teams betraut war. Beau war ein alter Freund aus Collegetagen und teilte Gervais’ Begeisterung dafür, ein Footballteam zu leiten. Er verstand es, seinen Enthusiasmus mit kühlem Geschäftssinn zu paaren, und leistete neben seiner Tätigkeit in dem Konzern seiner Familie für die Hurricanes hervorragende Arbeit.
„Gervais, ich würde gern noch bleiben, aber wir haben noch eine andere Verabredung. Ich melde mich bei dir“, verabschiedete sich Beau.
„Danke, Beau. Bis später“, sagte Gervais und erwiderte den festen Händedruck seines ehemaligen Zimmergenossen.
Beau warf einen neugierigen Blick auf die Prinzessin, aber er stellte keine Fragen. Er war ein geschäftstüchtiger Mann, der die Privatsphäre seiner Mitmenschen respektierte. Schließlich wolle er ja auch nicht, so pflegte er zu sagen, dass andere Leute ihre Nase in seine Angelegenheiten steckten.
Beau war nicht der Einzige, dessen Blick auf Erika ruhte – das gesamte Team starrte sie an. In Gervais erwachte der Beschützerinstinkt.
„Dempsey, haben die Jungs nicht was Besseres zu tun, als herumzustehen und wie pubertierende Teenager ein hübsches Mädchen anzuglotzen?“, rief er seinem Halbbruder zu.
Dempsey grinste. „Alles klar, Männer. Macht mit dem Training weiter. Fürs Herumstehen und Gaffen werdet ihr schließlich nicht bezahlt. Kommt schon, bewegt euch.“