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Unternehmerinnen, Manager und Führungskräfte erhalten mit diesem Buch Inspirationen, um bessere Mitarbeiter:innen zu finden, besser zu führen und Talente langfristig zu binden. Sie bekommen sofort umsetzbare Anregungen, ohne durch die Unternehmensbürokratie gebremst zu werden, Organisationsstrukturen ändern oder große Budgets beantragen zu müssen. Der Autor bietet 394 kleine, simple, aber unglaublich effektive Kniffe und Tricks für erfolgreiches Recruiting, Leadership, Mitarbeitendenmotivation und -bindung direkt für die Praxis. Vom Employer Branding über den Auswahlprozess bis hin zu Kultur und schließlich zum Offboarding - für jeden Schritt gibt es Anregungen für sofortige Veränderungen mit starker Wirkung. Alle Hacks können einfach und schnell im Team oder im Unternehmen eingesetzt werden. So können Sie die richtigen Leute für das Unternehmen begeistern, sie besser führen und länger mit ihnen zusammenarbeiten. Inhalte: - Talente finden: Employer Branding, Active Sourcing, Recruiting, Auswahlprozess, Networking, Social Recruiting - Talente führen: Onboarding, Motivation, Führung, Agile Prozesse - Talente binden: Teambuilding, Kultur, Benefits - Talente gehen lassen: Trennung, Offboarding - Neu in der 2. Auflage: neue Hacks zu Sichtbarkeit durch Content, LinkedIn-Strategien und Performance RecruitingDie digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - E-Book direkt online lesen im Browser - Persönliche Fachbibliothek mit Ihren BüchernJetzt nutzen auf mybookplus.de.
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Haufe Lexware GmbH & Co KG
[6]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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ISBN 978-3-648-16654-3
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ISBN 978-3-648-16656-7
Bestell-Nr. 14135-0151
Michael Asshauer
Der Mitarbeiter-Magnet
2. Auflage, Oktober 2022
© 2022 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
www.haufe.de
Bildnachweis (Cover): Miriam Bundel (https://bundel.de/)
mit Illustrationen designed by Freepik
Produktmanagement: Anne Rathgeber
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Dirk Kreuter
Lieber Leser,
wir verlieren Aufträge nicht an bessere Produkte, an bessere Preise oder bessere Verkäufer. Wir verlieren Aufträge, weil wir nicht sichtbar sind.
Im Vertrieb geht es darum, dass der Kunde in dem Moment, in dem er Bedarf hat an meinem Produkt oder meiner Dienstleistung, sofort an mich denkt, also dass ich sichtbar bin. Wer mich nicht kennt, kann nichts bei mir kaufen. Wer mich nicht kennt, vertraut mir nicht und dementsprechend wird er nichts bei mir kaufen. Das ist der Blick durch meine Brille als Verkaufstrainer. Doch Michael Asshauer hat eine andere Brille auf, nämlich die Brille, um die richtigen Mitarbeiter zu finden und zu halten. Die Prinzipien sind gleich.
Weiß deine Zielgruppe, also die potenziellen Mitarbeiter, dass es dich gibt?
Bist du sichtbar für die Talente, die du gerne anziehen möchtest?
Wissen diese Talente, dass es dich gibt, und wissen sie, dass du gerade Bedarf hast?
Wissen sie, dass du gerade Mitarbeiter suchst, und vertrauen sie dir?
Hast du in der Sichtbarkeit Vertrauen aufgebaut und dich nicht nur als Produkt oder Dienstleistungsmarke positioniert, sondern auch als Arbeitgebermarke?
Sagst du deiner Zielgruppe, am besten jeden Tag, dass es dich gibt und dass du sie suchst?
Bis vor ein paar Jahren haben wir unsere Mitarbeiter (aktuell habe ich ein Team von etwa 50 Angestellten) sehr gut über bezahlte Online-Stellenanzeigen rekrutiert. Doch irgendwann war die Mischung aus Quantität und Qualität nicht mehr das, was wir brauchten. Es ging nicht mehr darum, Leute einzustellen, die einen Job suchten, sondern es ging darum und geht noch heute darum, die richtigen Talente zu finden, die bei uns arbeiten wollen. Nicht irgendeinen Job, nicht irgendeine Karrierestufe, sondern ausdrücklich jemanden für unser Team. Das hat über Stellenanzeigen nicht funktioniert. Online Stellenanzeigen, sorgen dafür, dass sich die bewerben, die wechseln wollen. Die suchen zumeist einfach nur einen Job und sie werden auch bei uns wieder wechseln.
Deswegen haben wir vor einiger Zeit unsere Strategie im Recruiting geändert. Wir haben uns als Arbeitgebermarke positioniert. Wir ziehen mittlerweile über Initiativbewerbungen sowohl qualitativ als auch quantitativ die richtigen Leute an. Wir können auswählen.
[10]Wie schaffen wir das?
Sichtbarkeit. Dazu nutzen wir in erster Linie die Social-Media-Kanäle.
Wir sagen der Zielgruppe regelmäßig, wen wir für was suchen. Auch über Social-Media-Posts. Beispielsweise: YouTube Videos, die dann als Bewegtbild auf allen Kanälen gepostet werden – LinkedIn, Instagram IGTV, Twitter, Facebook und Co.
Ein klares und interessantes Profil. Wen suchen wir und wen suchen wir nicht? Gerade zu unseren Social-Media-Posts darüber, wen wir nicht suchen, bekommen wir natürlich auch negative Kommentare. Aber das zeigt dann nur, dass die Stellenanzeige klar ist und der negative Kommentarschreiber einfach nicht auf diese Position passt. Damit haben wir viel Zeit und Arbeit im Recruiting gespart.
Ein ungewöhnliches Profil. Paintball spielen auf der Weihnachtsfeier, mit einem eigenen Teambus zu unseren Events fahren, grenzenloser Nachschub von Red Bull im Büro oder das schönste, höchste, modernste Bürogebäude im Ruhrgebiet. All das sorgt dafür, dass wir ein scharfes Profil haben und damit auch wahrgenommen werden.
Mit diesen und anderen Maßnahmen sorgen wir dafür, dass wir genau die richtigen Kandidaten erreichen und die sich dann bei uns bewerben.
Michael hat noch viel mehr Ideen für dich in seinem Buch hier zusammengefasst. Es ist eine Pflichtlektüre für jeden Unternehmer, Selbstständigen mit Mitarbeitern und jede Führungskraft.
Ich wünsche dir viel Spaß damit, viele gute Ideen und vor allem Dingen die richtigen Mitarbeiter, die langfristig bleiben.
Ich freue mich auf ein persönliches Kennenlernen auf einem meiner Events und vorab schon spannende Einblicke auch zum Thema Recruiting in meinem Podcast und You-Tube Kanal.
Dein Dirk Kreuter
www.dirkkreuter.de
[11]Bernd Geropp
Viele Unternehmen behaupten immer noch, sie suchen kreative, mitdenkende Mitarbeiter, die auch »Out of the Box« denken können. Tatsächlich ist das aber in den meisten Firmen gar nicht gewünscht. Die Mitarbeiter sollen sich vielmehr strikt an Prozesse halten, die alles im Detail regeln.
Neue Ideen? Ja gerne, aber bitte nicht rumspinnen. Wenn überhaupt, dann nur an kleinen Schrauben drehen, um die Effizienz zu verbessern. Kreativität und Mitdenken? Das wird zwar in der Stellenausschreibung gewünscht, in der Realität aber in den meisten Unternehmen nicht wirklich geschätzt.
Das muss sich in Zeiten von Digitalisierung und Disruption ändern. Alle Unternehmen, die an ihren lieb gewordenen Prozessen und verkrusteten Strukturen krampfhaft festhalten, kommen jetzt schon mehr und mehr in Bedrängnis.
Alles, was in der Vergangenheit erfolgreich funktioniert hat, muss nun auf den Prüfstand. Dabei geht es nicht einfach nur darum, bestehende Prozesse zu digitalisieren. Vielmehr müssen Geschäftsmodelle hinterfragt, verändert und neu gedacht werden. Es braucht Querdenker, die den Mut und die Kreativität haben, neue Marktchancen zu erkennen, und die helfen, das eigene Unternehmen daran auszurichten.
Um diese Querdenker und High-Performer werden sich die Unternehmen bemühen müssen, sonst wird es nichts mit der Neuausrichtung. Wer es nicht schafft, solche Mitarbeiter für sein Unternehmen zu gewinnen und zu halten, der wird von der Bildfläche verschwinden. Wie kann es also gelingen, solche Talente für sich zu gewinnen?
Das Unternehmen muss sich konsequent am Kundennutzen ausrichten und nicht nur am Shareholder Value. Es muss die Frage beantworten: Warum gibt es uns? Warum sollte ein Querdenker und High-Performer sich für uns entscheiden?
Wenn Geld und Boni die Antwort auf diese Frage sein sollte, dann wird das nichts. Die Talente, die heutige Unternehmen suchen, lassen sich nicht durch Geld kaufen. Denen geht es um Gestaltungsspielraum. Die wollen an einer Sache arbeiten, die sie für sinnvoll erachten.
Wer solche Talente finden und halten will, benötigt Führungskräfte, die mehr führen und weniger managen. Es braucht Menschen mit hervorragenden Führungs-Skills, die Querdenker und High-Performer für das Unternehmen begeistern können und wissen, wie sie die dann auch halten können. Die Unternehmen brauchen Führungskräfte, die als »Mitarbeiter-Magnet« wirken.
[12]Michael Asshauer hat in seinem Buch 394 Hacks für genau solche Führungskräfte zusammengefasst. Dabei geht es nicht um theoretische Ideen oder Konzepte, sondern um erprobte Praxistipps, die er selbst in seinem Start-up getestet und für gut befunden hat.
Ich kann diese Fundgrube an Hacks und Ideen jedem empfehlen, der wissen will, wie er die besten Leute anzieht und sie erfolgreich hält. In meiner Zeit als Manager hätte ich mir ein solches Buch gewünscht.
Bernd Geropp
www.mehr-fuehren.de
Meine Erfahrungen als Unternehmer und Führungskraft
Es ist Frühjahr 2007. Während meines Zivildienstes in einer der größten Jugendherbergen Deutschlands bin ich zur Schicht an der Rezeption eingeteilt. Es kommen gerade neue Gäste an die Rezeption zum Einchecken, schwer beladen mit Koffern und erschöpft vom langen Flug. Gleichzeitig klingelt das Telefon auf dem Schreibtisch hinter dem Tresen. Ich muss in diesem Moment eine Entscheidung treffen. Gehe ich ans Telefon und lasse die Gäste erst einmal warten? Oder bediene ich die Gäste und lasse das Telefon im Hintergrund einfach klingeln? Ich entscheide mich dafür, die neuen Gäste sofort zu bedienen und das Telefon nicht weiter zu beachten. In diesem Moment treffe ich als Mitarbeiter proaktiv die Entscheidung für die Zufriedenheit unserer Gäste vor Ort.
Plötzlich kommt der Chef der Jugendherberge aus seinem Büro hinter der Rezeption gestürmt und schreit mich wutentbrannt vor den Gästen an der Rezeption und allen anderen Mitarbeitern mit hochrotem Kopf an: »Was fällt dir ein, das Telefon einfach klingeln zu lassen? Es könnten neue Reservierungen reinkommen!« Auf meinen schüchternen Hinweis, dass ich mich dazu entschieden habe, zuerst die Gäste zu bedienen, reagiert er mit noch lauterem Rumgebrülle und der Drohung, mir ein Disziplinarverfahren an den Hals zu jagen. Ich solle gefälligst ans Telefon gehen. Ich bin total perplex. Die Gäste an der Rezeption würden am liebsten umdrehen und wieder gehen. Ich bin mir in diesem Moment zu 100% sicher: Hätte ich anders entschieden, also wäre ich ans Telefon gegangen und hätte die Gäste warten lassen, dann hätte es das gleiche Theater gegeben – nur andersherum. Ich hätte mir dann anhören müssen: »Wie kannst du, verdammt nochmal, die Gäste an der Rezeption einfach so warten lassen, nur weil das Telefon klingelt?!«
Als ich einige Wochen vor diesem kuriosen Ereignis in der Jugendherberge anfange zu arbeiten, meinen Dienst als Zivi antrete, kommen mir einige Sachen irgendwie komisch vor. Mir fällt auf, dass unter den Kollegen, sowohl den Zivis als auch den Festangestellten, eine eigenartige Stimmung aus Misstrauen und Schweigsamkeit herrscht. Ich merke, dass die Mitarbeiter sich nicht mit ihrem täglichen Job in der Herberge identifizieren. Ihr größtes Ziel ist morgens schon, so schnell wie möglich den Dienst hinter sich zu bringen und endlich wieder »raus hier« zu sein. Dabei hatte ich das in anderen Jugendherbergen, in denen ich vorher gearbeitet hatte, anders erlebt: Meist gibt es dort eine unglaublich schöne Stimmung von Herzlichkeit und Weltoffenheit, es können ein tolles Gemeinschaftsgefühl und eine familiäre Atmosphäre herrschen.
[14]Mit der Zeit wird mir klar: Der Chef der Jugendherberge sorgt durch seinen Führungsstil dafür, dass alle seine Mitarbeiter ausschließlich ihre Dienstzeit absitzen und versuchen, so wenig wie möglich mit ihm in Kontakt zu kommen. Es herrscht eine Stimmung der Angst, des Misstrauens und des Missmutes. Auch tut sich der Chef sehr schwer damit, neue Mitarbeiter für seine Jugendherberge zu finden – geschweige denn, dafür zu sorgen, dass die bestehenden Mitarbeiter lange motiviert bleiben. Das erklärt für mich dann auch, warum der Betrieb der Herberge hauptsächlich von einem Dutzend Zivildienstleistenden aufrechterhalten wird – und damit ein Großteil des Teams im Rhythmus von neun Monaten automatisch immer wieder neu besetzt wird.
Es ist gut vier Jahre später. In der Zwischenzeit habe ich mein Studium der Volkswirtschaftslehre abgeschlossen. Ich habe eine Zeit lang International Business in Australien studiert und Erfahrung als ganz kleiner Fisch in Konzernen wie Sixt und Philips gesammelt. Im Frühling 2011 beginnt nun meine Zeit beim Start-up etventure1.
Hier komme ich zum ersten Mal in Berührung mit neuartigen Konzepten der Teamführung und Mitarbeitermotivation. Einer der Gründer, Philipp, kommt gerade von der Stanford University im Silicon Valley zurück nach Deutschland und bringt von dort Methoden der modernen Team-Zusammenarbeit und des Design Thinking mit. Der andere Mitgründer, ebenfalls Philipp, ist einer dieser Menschen, die ich als eine »positive natürliche Autorität« bezeichnen würde. Ein scheinbar geborener Leader, dem die Menschen an den Lippen hängen und der es schafft, durch sein Auftreten, sein Charisma, seine Art mit anderen zu interagieren und kommunizieren, Menschen mitzureißen, sein Team zu Bestleistungen zu befähigen und jedem Einzelnen den Sinn und Zweck seiner Arbeit jeden Tag aufs Neue intrinsisch spüren zu lassen.
Für mich sind das die ersten Gehversuche in der Technologie- und Start-up-Szene. Ich bin fasziniert davon und lerne in diesen wenigen Monaten bei etventure viel darüber, was es heißt, eine Firma von vornherein mit einer klaren Vision, einer motivierenden Mission und einer klaren strategischen Zielrichtung aufzubauen, sodass das gesamte Team an einem Strang zieht und gemeinsam die eine große Sache erreichen will.
Es sind nicht nur dieser ausgeprägte Teamgeist und der Start-up-Spirit, die mich begeistern. Ich bemerke auch, dass hier beim Thema der Mitarbeiterakquise etwas signifikant anders läuft, als ich es bei Sixt, Philips oder in der Jugendherberge erlebt hatte.
Im Laufe meiner recht kurzen Zeit bei diesem Start-up wird auch mein Unternehmergeist geweckt. Ich konsumiere die Gründerszene-Videos von Joel Kaczmarek, in [15]denen er deutsche Digital-Gründer interviewt, rauf und runter. Wir beschäftigen uns viel mit neuen Produkten im Online- und Mobile-Bereich und analysieren, welche Produkte wir auf den Markt bringen könnten. Es ist die Zeit der Goldgräberstimmung im Bereich der Smartphone-Apps. Viele der Apps, die wir heute jeden Tag nutzen, sind damals noch unbekannt. Von Instagram gibt es noch keine Android-Version und es gehört noch lange nicht zu Facebook.
Irgendwann lese ich einen Artikel darüber, dass es in den USA bereits sehr populär ist, dass Familienmitglieder untereinander ihren Standort über ihr Smartphone teilen. Dass man als Eltern also auf dem Handy sehen kann, ob das Kind gut in der Schule angekommen ist oder die Kinder sehen können, dass Papa noch bei der Arbeit ist. Ich finde diese Idee so genial wie einfach und mache mich sofort schlau, ob es ein solches Produkt bereits in Europa gibt. Das gibt es noch nicht! Gleichzeitig denke ich mir: Wie cool wäre es, wenn ich meiner Oma nicht mehr per Anruf Bescheid geben müsste, nachdem ich sie besuche und wieder gut bei mir zu Hause angekommen bin? Welch eine Erleichterung wäre das für uns beide, wenn sie einfach automatisch darüber Bescheid bekommen würde. Die Idee für unser eigenes Start-up Familonet2 war geboren.
In einem Gründungsseminar in der Uni lerne ich meinen Mitgründer Hauke kennen. Über einen Freund kommen wir in Kontakt mit unserem dritten Mitgründer David, den wir glücklicherweise für uns und unser Produkt begeistern können. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch nicht, als welch großer Vorteil sich der Fakt, dass wir mit David einen visionären Mathematiker und Software-Programmierer im Gründerteam haben, entpuppen wird – insbesondere wenn es später um den Aufbau unseres Teams aus hoch qualifizierten Software-Engineers geht. David ist auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass unsere Firma stets eine Technologiefirma mit einem hohen Anteil von Forschung und Entwicklung bleiben wird – und keine reine marketinggetriebene Verkaufsmaschine, was ich bei vielen Start-ups beobachte. Für uns wird es immer eine Stärke sein, auch über unser Produkt und unsere Technologie die besten Leute sowie große Partner und potenzielle Käufer unserer Firma anzuziehen.
Es sind wilde Zeiten am Anfang unserer Gründung. Wir drei arbeiten jeden Tag mindestens 12 Stunden, sieben Tage die Woche im Lager der Firma eines befreundeten Gründers.
Abb. 1: Meine Mitgründer David und Hauke in den ersten Tagen unseres Start-ups Familonet
Als wir es tatsächlich schaffen, allein mit einer PowerPoint-Präsentation den ersten Business Angel von unserer Idee für Familonet zu überzeugen, sammeln wir die ersten 50 Tausend Euro Investment-Kapital ein. Wir drei Gründer zahlen uns natürlich noch kein Gehalt, sondern nutzen das Startgeld dafür, unsere ersten Mitarbeiter einzustellen.
Während unser erster Mitarbeiter anfängt, die erste Version unserer App zu programmieren, wird das Geld bei uns Gründern immer knapper. Bei David kommt es sogar so weit, dass er seine Wohnung kündigen muss und es sich nachts auf einer Matratze im Schlafsack unter dem Tisch des Konferenzraumes unseres ersten Büros gemütlich macht.
Mit dem ersten Prototyp unserer App können wir weitere Investoren überzeugen und damit auch weitere Mitarbeiter einstellen. Unser Team wird also langsam immer größer. Zum ersten Mal muss ich mich als CPO damit auseinandersetzen, mit welchen Prozessen wir unser wachsendes Team dazubekommen, gemeinsam ein gutes Produkt zu bauen. In dieser Zeit mache ich auch zum ersten Mal die Erfahrung, einen Mitarbeiter entlassen zu müssen. Es geht mir jetzt noch durch Mark und Bein, wenn ich mich an diesen schwierigen, traurigen und gleichzeitig sehr befreienden Moment erinnere.
Viele Dinge im Sinne von Teamführung, agilen Prozessen und Produktentwicklungsstrategien machen wir damals, komplett grün hinter den Ohren, gerade noch als Stu[17]denten in der Uni gesessen, gehörig falsch. Wir fallen mit vielen Sachen böse auf die Nase. Aber: Wir ziehen unsere Lehren daraus. Die meisten unserer Fehler passieren uns nur ein einziges Mal.
Die Familonet App geht erst über ein Jahr nach Gründung unserer Firma live. In der Retrospektive werkeln wir viel zu lange an der ersten Version unseres Produktes herum, bevor wir es auf den Markt bringen. Dennoch: Wir hätten uns nicht träumen lassen, mit was für einem riesigen Knall der öffentlichen Aufmerksamkeit unser Baby das Licht der Welt erblickt. Wir schaffen es tatsächlich – ohne jegliche PR-Agentur im Hintergrund – dass am Tag ihres Launches RTL in den Mittags- und Abendnachrichten sowie n-tv stündlich über unsere App berichten. Und das am 22. September, dem Tag der Bundestagswahl 2013. Bei Bild.de gibt es direkt auf der Startseite einen prominenten Bericht über unser Produkt. Auch wenn uns an diesem Tag die Server vor Last zusammenbrechen, weil zehntausende Menschen gleichzeitig versuchen, sich anzumelden – für unser Team und uns Gründer ist es ein großartiger Moment, die harte Arbeit des letzten Jahres ausgiebig gemeinsam zu feiern.
Im Laufe der Jahre berichten immer wieder große Massenmedien über uns. Grundsätzlich bauen wir ein Endkonsumenten-Produkt mit Familien als Zielgruppe. Dennoch behalten wir uns stets einen klaren Fokus auf Forschung und Entwicklung zu unserer eigenen Technologie, die unter der Haube unseres Produktes arbeitet.
Dadurch machen wir uns nicht nur in der breiten Masse, sondern auch in der Technologie- und Experten-Szene einen gewissen Namen. Auch wenn wir nur ein kleines Start-up mit einem gemütlichen Office im Hamburger Schanzenviertel sind, so schärfen wir damit als Nebeneffekt bereits unsere Arbeitgebermarke. Der Begriff Employer Branding ist uns damals natürlich noch völlig fremd.
Wir schaffen es von Anfang an, in unserem Team, in unserer Firma eine eigene Firmenkultur – vielleicht sogar einen Kult – zu etablieren. Es geht sogar so weit, dass sich eine Art eigene Sprache mit teilweise eigenen, neu geschöpften Begriffen und Vokabeln entwickelt. Es wird zum Running Gag, dass jeder neue Familonet Mitarbeiter zum Start erst einmal vom Rest des Teams ein Training in »Familo-Talk« bekommt, um mitreden zu können. Das spricht sich herum in der Technologie-Szene. Es sorgt für Sympathie für unsere Firma und für die Mitglieder unseres Teams bei den Experten der Szene. Wir erarbeiten uns den Ruf, dass man bei uns auf höchstem professionellen Niveau miteinander arbeitet und gleichzeitig der Spaß und das Gemeinschaftsgefühl nicht zu kurz kommen.
Mit der Zeit werden immer öfter große Unternehmen und potenzielle Partner auf uns aufmerksam. So sorgt Bosch zum Beispiel dafür, dass unsere App in Autos von Jaguar und Land Rover serienmäßig in den Bordcomputern eingebaut wird. Die Deutsche Te[18]lekom installiert unsere App auf Tablets vor. Apple und Google werden zu Promotion- und Technologie-Partnern von uns.
Wir sind immer stärker auch in der internationalen Technologie- und Start-up-Szene integriert und vernetzt. Wir treffen die größten Venture Capitalists der Welt im Silicon Valley und in New York. Wir sind in den großen Tech-Hubs unterwegs, wie in Tel-Aviv, London und Dublin. Wir knüpfen wertvolle Kontakte zu anderen Unternehmern, Gründern und Leadern in aller Welt.
Dabei lernen David, Hauke und ich einige essenziell wichtige Dinge darüber, was Transparenz und Kommunikation gegenüber unserem Team angeht, wenn wir in aller Welt unterwegs sind und nicht in unserem kleinen, schönen Office im Hamburger Schanzenviertel bei unseren Leuten sein können.
In dieser Zeit fange ich so langsam an zu verstehen, was es wirklich bedeutet, Teil dieses weltweiten War for Talent zu sein und als Unternehmen zu versuchen, die besten Experten für sich zu begeistern. Ich fange an, all die Ideen, die Inspirationen, die Tipps, die Tricks und Impulse zu sammeln, die ich überall auf unseren Reisen von anderen Unternehmern, Gründern und Führungskräften aufschnappe. Wie kann ich die besten Leute für mich und meine Firma begeistern? Wie führe ich meine Leute gut? Wie bleiben sie lange bei mir? Wie werden sie zu Mitunternehmern, statt zu einfachen Söldnern?
Alles, was ich in persönlichen Gesprächen und Treffen, auf Konferenzen höre und lerne, notiere ich mir oder verankere es in meinem Kopf. Vieles davon probiere ich in unserem Start-up in Hamburg sofort aus. Ich erinnere mich zum Beispiel an Situationen mit dem Gründer von Mindspace in Tel Aviv, an ein spannendes Gespräch bei Foursquare in New York oder an Workshops an der Stanford Uni, wo ich wertvolle Hacks erfahre, die ich jetzt in diesem Buch an andere Unternehmer, Manager und Führungskräfte weitergeben darf.
Wie alle Unternehmen weltweit, die von Top-Experten und brillanten Fachkräften als Mitarbeiter abhängig sind, sehen natürlich auch wir uns der großen Herausforderung gegenüber, die besten Leute für uns zu begeistern, unser Team zu Bestleistungen zu befähigen, die Leute zu motivieren und sie langfristig bei uns zu halten.
Ich bin kein Personaler oder gelernter HRler. Ich bin einfach Gründer meiner Start-ups und beschäftige mich dennoch etwa 70 % meiner Zeit mit People-Themen. Unsere Firma ist davon abhängig, dass wir die besten Leute für uns gewinnen und dementsprechend sind wir auch ständig auf der Suche nach guten Leuten.
Wir bauen unser Netzwerk stets weiter aus. Nach und nach gelangen wir immer tiefer in die Experten-Szene, wodurch wir einerseits neue Menschen für uns begeistern und [19]andererseits unser bestehendes Team so führen und motiviert halten können, dass die Leute uns lange erhalten bleiben.
Die Hacks in diesem Buch sind deshalb vor allem eigene Erfahrungen, die meine Gesprächspartner und ich in der Praxis gesammelt haben. Es sind größtenteils keine in wissenschaftlichen Studien untersuchten oder validierten Konzepte. Es sind vielmehr Taktiken, Ideen und Inspirationen, die ich aus Unterhaltungen und Treffen mit anderen Unternehmern und Führungskräften mitgenommen habe. Dinge, die ich irgendwann, irgendwo einmal in Artikeln gelesen habe. Ideen, die ich in Podcasts gehört habe – vielleicht in einem ganz anderen Zusammenhang – und die ich dann aufs Thema Mitarbeiter finden, führen und binden übertragen und mit meinen Teams ausprobiert habe. Es sind Anregungen dabei, die ich in meiner Mastermind-Gruppe bei der Entrepreneurs Organisation aufgeschnappt habe. Impulse, die ich auf Networking-Veranstaltungen, Events, Konferenzen oder in persönlichen Gesprächen erfahren habe. Dort, wo ich die Quelle eindeutig zuordnen kann, habe ich sie angegeben.
Über die Jahre kommen wir immer wieder in die Situation, dass größere Unternehmen und Konzerne Interesse zeigen, unser Start-up zu übernehmen. Wir haben regelmäßig Gespräche mit potenziellen Käufern und Exit-Partnern. Darunter zum Beispiel ein großes Sicherheitstechnologie-Unternehmen aus dem Silicon Valley sowie ein großes deutsches Medienhaus.
Aus unglücklichen Zufällen platzen diese Übernahmen jedes Mal ganz kurz vor dem geplanten Notartermin. Im Falle der geplatzten Übernahme durch das Medienhaus führt dies dazu, dass wir im Sommer 2016 einen großen Teil unseres Teams entlassen müssen.
Von uns drei Gründern ist in dieser hoch emotionalen und für das gesamte Team schwierigen Situation starkes Krisenmanagement gefragt. Wir müssen unsere Firma um 360 Grad wenden und schnellstmöglich profitabel machen, weil uns zu diesem Zeitpunkt nur noch 14 Tage bis zur Insolvenz bleiben.
Wir entscheiden uns dafür, zwei weitere Geschäftszweige zu eröffnen, mit denen wir schnell signifikante Umsätze generieren können. Mit unserem Software-Lizenzprodukt Closely vertreiben wir ab sofort unsere hauseigene Smartphone-Ortungs-Technologie an andere Unternehmen mit mobilen Produkten. In unserer Agentur onbyrd bauen wir fortan digitale Produkte für Geschäftskunden mit unserem Team.
Dieser Schwenk vom eigenen B2C-Produkt zum B2B-Projektgeschäft bringt ganz neue Herausforderungen für uns mit sich, was die Motivation und das Recruiting unserer Teammitglieder angeht. Unseren Investoren versprechen wir, dass wir innerhalb von sechs Monaten profitabel sein werden. Dank der unglaublichen Leistung, des großen [20]Zusammenhaltes und der tiefen Loyalität unseres gesamten Teams, jedes einzelnen Mitglieds, schaffen wir es sogar, innerhalb von nur drei Monaten unsere Firmen auf einen profitablen Erfolgskurs zu bringen.
Ein Jahr später klopft Daimler bei uns an. Nach einigen Monaten der Verhandlungen werden alle drei Geschäftszweige im August 2017 von der Daimler-Tochter moovel