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Major Kelvin Ward, ist von der britischen Indien-Armee ausgeschieden, um sich um seine Mutter zu kümmern und um eine neue Karriere im Handel anzufangen, damit er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Sein Onkel, der Herzog von Uxbridge, der für seinen Geiz bekannt ist, weigert sich ihm ein Darlehen zu geben. Kelvin wird von Sir Erasmus Malton, einem Industriemagnaten, kontaktiert, der ihn mit seinen Schulden und dem Versprechen auf finanzielle Unterstützung unter Druck setzt, um seine sehr junge bildhübsche Tochter Seraphina zu heiraten. Sir Erasmus plant alles im Detail voraus und hatte mehrere Heiratskandidaten für seine Tochter lange recherchiert. Seraphina fürchtet sich erst vor Kelvin, da dieser sehr erzürnt ist, in eine solch prekäre Lage und finanzielle Abhängigkeit gebracht worden zu sein. Auf ihrer Überfahrt mit dem Schiff nach Indien kommen sich die beiden langsam näher und Seraphina beweist sehr großen Mut. Wird Seraphina Kelvin ganz für sich gewinnen und wird aus der sich langsam entwickelnden Freundschaft echte Liebe wachsen? Wird Kelvin seinen Stolz in Bezug auf seine finanzielle Abhängigkeit von seiner Frau überwinden, und Seraphina, die große Intelligenz, Einfühlungsvermögen und Mut beweist, an sich herankommen lassen?
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Seitenzahl: 208
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Der bestaussehendste Mann der britischen Indien-Armee. Doch seine Sportlichkeit und Eleganz entschädigen nicht für seinen chronischen Geldmangel.
Onkel von Kelvin Ward, ein ausgeprägter Geizkragen, ist überall unbeliebt. Für seinen Neffen hat er nicht einen Pfennig übrig.
Einer der reichsten Männer Englands zur Zeit Königin Viktorias, verfügt über grenzenlose Macht. Er dirigiert Menschen wie Marionetten.
Bildhübsche Tochter von Sir Erasmus, ist vollständig von ihrem Vater abhängig. Sie würde nie wagen, gegen seinen Willen zu handeln.
Bevor ich diesen Roman schrieb, habe ich 1974 eine meiner schönsten Reisen durch Indien gemacht.
Ein besonders großes Erlebnis war Udaipur - die Stadt der Träume die zweifellos zu den romantischsten Städten unserer Welt gehört. Der ,See-Palast’ ist heute ein Hotel, aber Marmor, Jade, Bernstein und kostbare Mosaikfußböden erinnern noch immer an seine glanzvolle Vergangenheit.
Die jetzige Maharani -, die ,Sonne der Hindus’ -, eine ungewöhnlich schöne, charmante Frau, übergab mir bei meinem Besuch die klassische Geschichte von Rajasthan aus dem Jahre 1835, deren Verfasser, Oberstleutnant James Todd, politischer Repräsentant des westlichen Rajput-Staates war. Dieses historische Werk benutzte ich als Quelle für meinen Roman.
„Nein“, sagte der Herzog von Uxbridge bestimmt.
In Londons blassem, winterlichem Licht, das durch die Fenster seines Hauses fiel, wirkte er sehr alt, verhutzelt, fast zwergenhaft.
„Bitte, hören Sie mich an, ehe Sie Ihre Entscheidung treffen“, sagte der Mann, der ihm gegenüber Platz genommen hatte. Er war ein ganz anderer Typ als sein Gesprächspartner.
Major Kelvin Ward war in der ganzen britischen Armee für seine Sportlichkeit und Eleganz berühmt. Er hatte breite Schultern und ein gut geschnittenes Gesicht. Heute trug er Zivilkleidung und keine Uniform, die übrigens sonst seine straffe Erscheinung noch betonte.
„Wenn Sie darauf bestehen, will ich mir anhören, was Sie zu sagen haben, aber ich bleibe bei meiner Entscheidung.“
„Ich möchte Ihnen meine Lage erklären, Sir“, sagte Kelvin Ward. „Sie wissen, dass die lange Krankheit meiner Mutter und ihre Operation mehr als fünftausend Pfund gekostet haben. Um diese Summe zu beschaffen, musste ich mich an Geldverleiher wenden.“
„Sie nehmen doch wohl nicht an, dass ich dafür hätte aufkommen müssen?“ bemerkte der Herzog mürrisch.
„Sie war Ihre Schwägerin, die Frau Ihres einzigen Bruders.“
„Wenn mein Bruder nur einen Funken Verstand besessen hätte, wäre er nicht so unvorsichtig gewesen, sich eine Frau und Kinder anzuschaffen. Er konnte sie ja gar nicht ernähren.“
Kelvin Ward biss sich auf die Lippen. Es kostete ihn große Überwindung, sich nicht mit dem Onkel zu streiten, sondern ihm weiter das vorzutragen, was er auf dem Herzen hatte.
„Wie Sie wissen, wurde mein Bruder im folgenden Jahr in eine unglückliche Angelegenheit verwickelt“, fuhr er fort.
„Als Betrüger und Fälscher“, sagte der Herzog schneidend.
„Das war Geoffrey nicht! Er war nur schwach und geriet in die Hände gewissenloser Männer, die ihn zum Glücksspiel überredeten.“
„Ein Narr sein Geld nicht lang behält“, zitierte der Herzog und rang sich ein müdes Lächeln ab.
„Ich gebe zu, dass Geoffrey schließlich, wie ein Narr handelte“, sagte Kelvin Ward. „Er fälschte den Scheck eines Offiziers aus seinem Regiment. Wäre der Betroffene ein Gentleman gewesen, dann hätte er das Geld von mir angenommen und kein Wort darüber verloren.“
„Stattdessen hat er Sie erpresst, was?“ Der Herzog lachte ohne den geringsten Humor.
Kelvin Ward ließ sich indes nicht aus der Ruhe bringen. „Der ganze Zwischenfall hat mich mehr als zehntausend Pfund gekostet. Damals bat ich Sie um Hilfe, wie Sie sich erinnern werden, aber Sie schlugen sie mir ab.“
„Natürlich tat ich das!“ Der Herzog war ärgerlich. „Meinen Sie etwa, ich hätte nichts Besseres zu tun, als mein gutes Geld meinen Verwandten nachzuwerfen? Verwandte, die obendrein in ihrem Verhalten nicht die geringste Spur von Anstand und Ehrenhaftigkeit an den Tag legen.“
„Schließen Sie mich in dieses Verdammungsurteil ein?“ fragte Kelvin Ward.
„Ich habe mich vor einem Monat mit Ihrem Befehlshaber unterhalten. Er war voll des Lobes.“
„Das freut mich“, sagte Kelvin Ward und deutete eine Verbeugung an.
„Der Mann wusste augenscheinlich nicht, dass Sie Ihr Regiment verlassen wollten.“
„Aber was hätte ich sonst tun sollen?“ entgegnete Kelvin Ward. „Ich habe Ihnen doch gerade erst erklärt, dass sich meine Schulden auf fünfzehntausend Pfund belaufen, Sir. Außerdem ist es heutzutage sogar in Indien für einen Offizier unmöglich, nur mit seinem Sold auszukommen.“
„Das wussten Sie doch, als Sie zehntausend Pfund zum Fenster hinauswarfen, um Ihren verkommenen Bruder vor dem Gefängnis zu bewahren, in das er gehört hätte.“
„Geoffrey fiel als tapferer Soldat bei einem Angriff an der Nord-West-Front in Indien. Warum sein Andenken entehren?“
Als der Herzog statt einer Entgegnung nur verächtlich schnaubte, redete Kelvin Ward unbeirrt weiter.
„Jedenfalls bin ich froh darüber - und werde es immer sein - dass seine Torheit nur wenigen Leuten bekannt wurde, wie zum Beispiel Ihnen. Es war wirklich nicht mehr als Torheit. Der Name der Familie wurde nicht befleckt, weder zu Hause noch beim Regiment.“
„Das sind doch nur hochtrabende Redensarten! Aber mit schönen Worten kann man nicht leere Taschen füllen. Zu diesem Schluss sind Sie ja auch selbst gekommen.“
„Die Lage ist so . . .“ fing Kelvin Ward von neuem an. Er sprach ruhig und nüchtern wie ein Mann, der fest entschlossen ist, sich nicht provozieren zu lassen. Mit seinen grauen Augen in dem von der Sonne gebräunten Gesicht betrachtete er seinen Onkel mit kalter Herausforderung; sonst verriet nichts, dass er in diesem Augenblick um seine Zukunft kämpfte.
„Ich bin nicht nur aus dem Regiment ausgeschieden, weil ich es mir nicht mehr leisten kann, sondern auch, weil ich in meinem Alter einige Vorkehrungen für die Zukunft treffen muss.“
„Ich dachte, Sie hätten Ihre Hoffnung auf meinen Tod gesetzt“, höhnte der Herzog.
„Nach menschlichem Ermessen werden Sie noch fünfzehn oder zwanzig Jahre leben, Sir. Dann wäre ich aber zu alt, um eine neue Laufbahn zu beginnen.“
Melancholisch lächelnd fügte er hinzu: „Wie die Dinge zurzeit liegen, wäre ich bis dahin längst verhungert.“
„Das ist Ihre Angelegenheit.“
„Darf ich Sie auf etwas aufmerksam machen?“ In Kelvin Wards Ton lag eine Andeutung von Ironie. „In den meisten Adelsfamilien ist es üblich, dass man dem Verwandten, der den Titel erbt, ein kleines Einkommen garantiert, damit er nicht gezwungen ist, im Hinblick auf die Zukunft Schulden zu machen.“
„Wie Sie es bereits getan haben“, entgegnete der Herzog.
„Das musste ich ja, Sir, aber es hat bei weitem nicht genügt. Wenn es sich erst allgemein herumgesprochen hat, wie arm man ist, dann scheuen die Geldverleiher vor dem Risiko zurück.“
„Aber Sie haben es versucht?“
„Natürlich! Die fünftausend Pfund für die Krankheit meiner Mutter habe ich nur bekommen, weil die Wucherer annahmen, dass ich Sie eines Tages beerben würde. Außerdem musste ich aber auch noch einen Gewährsmann für die Rettung Geoffreys finden, die zehntausend Pfund ausmachte. Jetzt will mir niemand mehr etwas leihen.“
„Dann schlage ich vor, dass Sie sich auf andere Weise das Geld verschaffen, das Sie brauchen.“
„Das plane ich ja auch, Sir, wenn Sie mich bitte ausreden lassen wollen“, sagte Kelvin Ward geduldig.
„Sie haben sich bisher unverantwortlich viel Zeit genommen, um zum springenden Punkt zu kommen.“
„Dann werde ich mich jetzt möglichst kurzfassen. Ich habe gute Bekannte in Bombay, die zwei Frachtdampfer ankaufen wollen. Sie müssen wissen, dass der Frachtverkehr zwischen Indien, England und Europa von Jahr zu Jahr wächst.“
„Ich bin gegenüber dem aktuellen Geschehen weder blind noch taub.“
„Dann werden Sie auch einige diesbezügliche Zahlenangaben aus der Times und Morning Post gelesen haben, Sir. Ich glaube, dass hier eine Chance liegt, um schnell und auf ehrenhafte Weise zu Geld zu kommen.“
„Was haben Sie also vor?“
„Mit fünftausend Pfund könnte ich mich als Partner an dem Unternehmen beteiligen, zugegeben als bescheidener Juniorpartner. Meine Bekannten wollen den Gewinn so lange wieder ins Geschäft stecken, bis sie eine ganze Handelsflotte beisammenhaben.“
„Sehr lobenswert“, sagte der Herzog. „Hoffentlich erfüllen sich Ihre Erwartungen.“
„Sie wissen, um was ich Sie bitte.“
„Die Antwort habe ich Ihnen schon gegeben. Ich habe nicht die Absicht, mein Geld - das bisschen Geld, eine Lappalie, wie Sie glauben dürfen - in ein verrücktes Unternehmen zu stecken.“
„Sie haben doch gerade zugegeben, dass es kein verrücktes Unternehmen ist“, unterbrach ihn Kelvin Ward.
„Ein irrsinniges Unternehmen“, beharrte der Herzog. „Ausgeheckt von leichtsinnigen, unerfahrenen jungen Männern, die nur im Sattel sitzen und waffenlose, wehrlose Eingeborene umbringen können.“
Jetzt hielt sich Kelvin Ward nur mit größter Mühe zurück. Er hatte zwei Jahre lang an der Nord-West-Grenze gedient. Dort waren die indischen Stammeshäuptlinge im Besitz von Waffen, die ihnen die Russen lieferten. Durch ihre Guerilla-Taktik hatten zahllose britische Soldaten das Leben verloren.
Wie konnte sein Onkel nur in dieser Form darüber sprechen? Kelvin wäre jedoch nicht zu einem anerkannten Meister der Menschenführung herangereift, wenn er nicht gewusst hätte, dass man nie die Selbstbeherrschung verlieren darf.
So kühl wie möglich sagte er: „Ich bitte Sie nur darum, Sir, mir das nötige Geld auf rein geschäftlicher Basis zu leihen.“
Und als der Herzog schwieg, fuhr er fort: „Genau so, als ob Sie eine Aktie an der Börse gekauft hätten, werden Sie jährlich eine Dividende ausgezahlt bekommen. Außerdem bin ich ganz sicher, dass ich Ihnen schon nach einem Jahr einen Teil der geliehenen Summe zurückerstatten kann, wenn nicht sogar das ganze Geld.“
„Sie sind sehr optimistisch.“
„Wollen Sie mir also helfen?“
„Nein, ich kann es mir nicht leisten.“
Kelvin Ward saß wie erstarrt da. Am liebsten hätte er dem Onkel ins Gesicht hinein gesagt, was er von ihm hielt; aber das hätte nur zu einer würdelosen Auseinandersetzung ohne Ergebnis geführt.
Im Grunde hatte er nicht mit aller Bestimmtheit darauf gerechnet, dass der Onkel ihn unterstützen würde. Zu deutlich erinnerte er sich an den Tag, als er den Herzog fast kniefällig gebeten hatte, seiner Mutter zu helfen. Vergeblich.
Nie würde er die Erbitterung vergessen, mit der ihn die harte Stimme seines Onkels damals erfüllt hatte, als er Uxbridges Haus verließ. „Ich will nichts mit kranken Weibern und unbemittelten Neffen zu tun haben!“
Kelvin Ward war verzweifelt gewesen. Er hatte seiner Mutter, Lady Ronald Ward, nur zu sorgfältiger Pflege bis zum Ende verhelfen können, indem er bei Wucherern Geld zu unsinnig hohen Zinsen lieh.
„Wenn das Ihr letztes Wort ist, Sir, dann kann ich nichts mehr tun, um Sie zu überzeugen“, sagte er und erhob sich.
„Nichts“, bestätigte der Herzog. „Sie hätten Ihre Zeit nicht mit diesem Besuch zu vergeuden brauchen und hätten lieber irgendjemanden sonst mit Ihren grandiosen Zukunftsplänen belästigen sollen.“ So grandios sind die nun auch wieder nicht, dachte Kelvin Ward und streifte den großen, behaglich eingerichteten Raum mit einem Blick. Wenn er Gelegenheit hätte, die Bücherschränke zu öffnen, so würde ihm bestimmt die eine oder andere äußerst wertvolle Erstausgabe in die Hände fallen, die seine Vorfahren erworben hatten.
Auch stammten einige Porträts der früheren Herzöge von Uxbridge an den Wänden von berühmten Malern. Obgleich er seinem Onkel nicht wünschte, dass er sie verkaufen müsse, war doch die ständige Klage des Herzogs über Geldmangel unglaubwürdig, wenn man solche Schätze besaß.
Allerdings waren die Teppiche abgetreten und die Damastvorhänge fadenscheinig. Auch die Livreen der Diener wurden nie erneuert. Der Herzog war wegen seines Geizes unter seinen Zeitgenossen zur Witzfigur geworden.
Stimmte es am Ende doch, wenn er behauptete, arm zu sein? Das hatte sich Kelvin Ward schon seit vielen Jahren immer wieder gefragt, jedenfalls seit dem Tod seines Vaters, durch den ihm die Herzogswürde eines Tages als Erbe zufallen würde. Niemals hatte der Onkel seinem Neffen einen Einblick in das Familienvermögen zugestanden oder ihn gastfreundlich aufgenommen. In Uxbridges Haus wurde ihm nicht einmal ein Glas Wein angeboten; auch hatte er noch nie als Gast am Tisch seines Onkels gesessen.
Dennoch war er zuversichtlich aus Indien zurückgekehrt. Kelvin Ward hatte sich eingeredet, dass ihm der Onkel sicher ein einziges Mal helfen würde, eine Existenz zu gründen. Seinen Abschied zu nehmen, war ihm sehr schwergefallen. Auch jetzt schmerzte es ihn noch, wenn er an die Männer seines Regiments dachte, die er ausgebildet und befehligt hatte.
Es stimmte, was er seinem Onkel gesagt hatte. Er hatte seine militärische Karriere aufgegeben, weil er nicht vom Sold leben konnte. Das war die harte, nackte Wahrheit. Mehr und mehr Schulden zu machen, widersprach seinem Charakter und seinem Ehrbegriff.
Er hatte gehört, wie der Oberst seines Regiments einmal zu einem anderen Offizier sagte: „Meiner Meinung nach ist Kelvin Ward der ehrenhafteste Mann, dem ich je begegnet bin.“ Aber würde dieses Lob auch in Zukunft auf ihn zutreffen? Das quälte ihn manchmal. Er wollte nun in das Geschäftsleben einsteigen und war sich bewusst, dass die von ihm so hoch geschätzte Zuverlässigkeit und Anständigkeit eher hinderlich auf dem Weg zum Reichtum sein könnten.
Die Bekannten, die er dem Herzog gegenüber erwähnt hatte, wollten ihn gern zum Partner haben. „Sie sind genau der Mann, den wir brauchen“, hatte einer von ihnen gesagt. „Ihnen vertrauen die Leute sofort, Ward, und das ist heute im Geschäftsleben sehr wichtig.“
Jetzt sah es indes für ihn so aus, als ob er keine Chance mehr hätte. Leer lag die Zukunft vor ihm, und im Augenblick war er nicht imstande, irgendeinen Plan zu fassen.
Nachdem er sich höflich und ohne ein Zeichen von Kränkung oder Ärger von seinem Onkel verabschiedet hatte, verließ er Uxbridge Haus. Der Herzog konnte es sich jedoch zum Schluss nicht versagen, einen vergifteten Pfeil abzuschießen.
„Wie viele Jahre haben Sie mir noch gegeben? Fünfzehn? Ich werde mich bemühen, es auf fünfundzwanzig zu bringen, nur um Sie zu ärgern, Kelvin. Es wäre ein großer Fehler, wenn ich meine Politik strengster Sparsamkeit in Bezug auf meinen Besitz ändern würde.“
Damit wollte sein Onkel ihn provozieren. Vielleicht ließe sich der Neffe zu einer Äußerung hinreißen, die er später bereuen würde. Diese Genugtuung gönnte ihm Kelvin aber nicht; er verbeugte sich und schwieg. Auf der Straße schlug ihm frische, kalte Luft entgegen. Auf dem Weg zu seinem Klub in St. James durchquerte er Mayfair.
Tief in Gedanken versunken, bemerkte er nicht einmal, wie sich die Frauen nach ihm umschauten. Sie bewunderten nicht nur seine Eleganz, nicht nur, dass er ein prachtvolles Mannsbild war, wie man zu sagen pflegt, sondern auch die starke Ausstrahlung seiner Persönlichkeit. Niemand konnte ihn übersehen, wo auch immer er sich befand.
Im Klub begab sich Kelvin Ward in den Salon und ließ sich in einen tiefen Ledersessel fallen. Wie lange würde er es sich noch leisten können, die Beiträge für die Mitgliedschaft im Klub zu bezahlen? Er hätte jetzt gern einen Drink bestellt, verzichtete aber darauf aus Sparsamkeit.
„Was ist denn mit dir los, Kelvin, du siehst ja richtig trübsinnig aus.“ Mit diesen Worten ließ sich sein Freund, Sir Anthony Fanshawe, im Sessel neben ihm nieder.
„So ist mir auch zumute.“
„Was ist geschehen?“
„Ich war bei meinem Onkel.“
„Ich verstehe. Der knauserige Herzog kann einen wirklich zur Verzweiflung treiben. Sicherlich hat er dir gesagt, dass er dir nicht helfen kann.“
„Allerdings, und das nur allzu deutlich.“
„Ich hatte es nicht anders erwartet“, sagte Sir Anthony. „Mein verstorbener Vater kannte den Herzog ein Leben lang. Wenn dieser alte Geizkragen einen Sterbenden am Wege fände, würde er sich eiligst aus dem Staube machen, behauptete mein Vater. Ein Aufenthalt könnte ja vielleicht Unkosten verursachen.“
„Dein Vater hatte recht.“
„Was wirst du nun tun?“ fragte Sir Anthony.
„Ich habe keine Ahnung.“
„Möchtest du einen Drink?“
„Gern, wenn du dir das leisten kannst.“
„Da kannst du ganz beruhigt sein“, lächelte Sir Anthony und winkte einem Kellner.
Eine Stunde später saßen sie noch immer im Salon zusammen. Sie hatten jede Möglichkeit, zu Geld zu kommen, erwogen. Die Lage schien jedoch für Kelvin Ward, der es so dringend brauchte, hoffnungslos.
„Vielleicht bin ich ein Narr“, meinte er im Lauf des Gesprächs. „Andere kommen als reiche Nabobs aus Indien zurück und prahlen mit dem Gewinn, den sie sich meist zu Unrecht erworben haben. In Indien kann man ja auf allerlei krummen Wegen reich werden, wie du weißt, Anthony.“
„Ich kann mir dich in solcher Kumpanei nicht vorstellen.“
„Bettler können es sich nicht leisten, stolz zu sein“, sagte Kelvin Ward bitter.
„Wenn ausgerechnet du solche krummen Wege gegangen wärst, dann hätte es Folgen für das ganze Regiment gehabt. Das weißt du doch genau.“
„Natürlich, und darum habe ich es auch unterlassen. Im Augenblick nützt mir dieser Verzicht jedoch überhaupt nichts.“
„Wir werden uns etwas einfallen lassen“, tröstete Sir Anthony. „Wenn ich das Geld hätte, würde ich es dir sofort geben.“
„Du bist der beste Freund, den ich je hatte“, lächelte Kelvin Ward. „Leider hast du selbst Schulden. Wenn ich nur einen Einstieg in dieses Reedereigeschäft fände, dann könntest du dort mitmachen.“
„Kann man denn niemanden finden, der die Sache finanziert?“ Sir Anthony legte die Stirn in Falten.
„Ich habe lange überlegt, aber durch meine Abwesenheit von England ist mir der Kontakt mit den meisten meiner früheren Bekannten verlorengegangen. Dass ich Neffe des Herzogs bin, hilft mir auch nicht gerade weiter.“
Ohne weiter ein Wort darüber zu verlieren, wussten beide, wie verhasst der Herzog im ganzen Land war. Niemand mochte ihn, jeder beklagte die gemeine Art, mit der er seinen Bruder behandelt hatte. Kelvins Vater war sehr beliebt gewesen. Noch mehr nahm man dem Herzog übel, dass er seine Schwägerin nach dem Tod des Gatten völlig im Stich gelassen hatte.
Geschichten über seinen Geiz kursierten überall. Noch nie hatte er einen Penny für wohltätige Zwecke gespendet. Die Angestellten auf seinen Gütern behandelte er so miserabel, dass sogar die Zeitungen darüber schrieben. Er war nicht nur ein Geizhals, sondern obendrein bösartig und rachsüchtig. Ohne zu übertreiben konnte man von ihm sagen, dass er keinen einzigen Freund auf dieser Welt besaß.
„Was tust du heute Abend?“ fragte Sir Anthony, als sich das Gespräch über Geldbeschaffung erschöpft hatte.
„Ohne Geld kann ich nichts unternehmen“, entgegnete Kelvin Ward. „Alles Bargeld habe ich unbedenklich auf der Reise von Indien hierher ausgegeben. Ich hätte draußen bleiben und mich nach irgendeinem anständig bezahlten Job umsehen sollen.“
„Solche Jobs gibt es kaum für Männer deines Schlags“, sagte Sir Anthony düster.
Beide wussten, dass das stimmte. Es war unmöglich, sich Kelvin Ward als kleinen Angestellten bei der Ostindischen Kompanie oder gar bei irgendeiner beliebigen Handelsfirma vorzustellen.
„Bestellen wir um Himmels Willen einen zweiten Drink“, schlug Sir Anthony vor.
Der Kellner kam auf sie zu, aber nicht, um die Bestellung entgegenzunehmen, sondern um Kelvin Ward einen Brief auf einem silbernen Tablett zu präsentieren.
„Wann wurde der abgeliefert?“ fragte Kelvin überrascht.
„Gerade eben, Sir. Ein Reitknecht wartet auf Ihre Antwort.“
Sir Anthony betrachtete neugierig den weißen Umschlag und neckte seinen Freund. „Eine deiner Verehrerinnen wird erfahren haben, dass du in London bist.“
Kelvin ging nicht darauf ein, sondern las den Brief. Sein Gesicht verriet Staunen und Ratlosigkeit. „Sagen Sie dem Reitknecht, er soll einen Augenblick warten.“
„Sehr wohl, Sir.“
„Was weißt du über Sir Erasmus Malton?“ fragte Kelvin Ward seinen Freund.
„Ist der Brief von ihm?“
„Ja, aber ich verstehe das Ganze nicht.“
„Was schreibt er denn?“
Kelvin Ward reichte ihm den weißen Bogen aus bestem Papier, und Sir Anthony las:
„Sir Erasmus Malton empfiehlt sich dem Major Kelvin Ward und bittet ihn um seinen Besuch. Es handelt sich um eine für Major Ward günstige Angelegenheit.“
„Was zum Teufel will er damit sagen?“
„Alles, was Sir Erasmus für dich tun könnte, wäre zu deinem Vorteil, Kelvin.“
„Der Name kommt mir bekannt vor, aber ich kann ihn nirgends unterbringen.“
„Ich halte Sir Erasmus für einen der reichsten Männer Englands“, belehrte ihn Sir Anthony. „Im Übrigen ist er von Geheimnis umgeben. Niemand weiß genau, wie er zu so viel Geld gekommen ist. Immerhin besitzt er es und hat geschäftlich überall seine Eisen im Feuer.“
„Ist er ein Gentleman?“
„Das weiß ich nicht, glaube es aber. Niemand hat bisher das Gegenteil behauptet, aber ich kenne mich in der Gesellschaft von Millionären und Industriemagnaten nicht aus, zu denen Sir Erasmus gehört.“
„Was kann er denn von mir wollen?“
„Ich denke, dass er dir einen Job anbieten will.“
„Er kennt mich ja gar nicht. Aber jetzt fällt mir etwas ein. Ich habe doch schon von ihm gehört, nicht nur hier in England, sondern auch in Indien. Was war es denn nur, was man mir über ihn erzählt hat?“
„Vermutlich, dass er so reich wie Krösus ist“, sagte Sir Anthony. „Mein Vetter, der Sekretär im Auswärtigen Amt ist, hat mir von ihm erzählt. Er scheint sehr von Sir Erasmus beeindruckt zu sein. Wenn mein Vetter aus Paris zurückkommt, werde ich ihn fragen.“
„Gut, aber jetzt muss ich diesen Brief beantworten.“
„Ja, worauf wartest du denn noch? Natürlich musst du annehmen. Schnuppere am Geld mit der Hoffnung, dass ein wenig Goldstaub an dir kleben bleibt.“
Kelvin Ward sah auf die Uhr auf dem Kaminsims. „Soll ich ihm schreiben, dass ich in einer Stunde käme? Oder könnte das so aussehen, als ob ich mich selbst bei ihm zum Essen einlade?“
„Dann würdest du wenigstens nicht für deine Mahlzeit im Restaurant bezahlen müssen“, bemerkte Sir Anthony lakonisch.
„Das ist allerdings ein dringender Grund“, lachte Kelvin. Er stand auf und setzte sich an einen Tisch, um ein paar Zeilen zu schreiben. Nachdem er den Bogen in einen Umschlag gesteckt hatte, rief er den Kellner und trug ihm auf, den Brief dem wartenden Reitknecht zu übergeben.
„Die Würfel sind gefallen“, sagte er zu seinem Freund. „Nun muss ich abwarten, was das Schicksal mit mir vorhat.“
„Vielleicht entdeckst du, dass Sir Erasmus dein verschollener Patenonkel ist. Er setzt dich zu seinem Erben ein und löst sich dann in einer Rauchwolke auf“, scherzte Sir Anthony.
„Ach, das wäre prächtig. Ich habe dagegen die böse Ahnung, dass es sich nur um eine Abendeinladung handelt oder um die Aufgabe, eine frischgebackene Debütantin im Ballsaal herumzuschwenken.“
„Was Gott verhüten möge“, sagte Sir Anthony andächtig.
„Amen“, bestätigte Kelvin Ward lächelnd den frommen Wunsch.
*
Etwa nach einer Stunde wurde er in einen Bibliotheksraum geführt, der doppelt so groß und unvergleichlich eindrucksvoller war als der seines Onkels.
Während Kelvin Ward in einer Droschke zum Malton Haus in der Park Lane gefahren war, hatte er keine Ahnung gehabt, was ihn erwartete. Als Sir Erasmus vor zehn Jahren das Haus erwarb, änderte er dessen Namen. Vorher hatte es einem Adligen gehört. Dieser Aristokrat versäumte es jedoch, seinen Erben so viel Geld zu hinterlassen, dass sie im gewohnten großartigen Stil weiterleben konnten.
Während Kelvin Ward wartete, rechnete er sich die Summe aus, die die Wiederherstellung des vornehmen und schönen, aber recht heruntergekommenen Hauses gekostet haben mochte. Er bewunderte die gemalte Decke in der Eingangshalle, von der riesige Leuchter herabhingen. An den Wänden sah er wertvolle Gemälde, die jeden Kunstkenner in Erstaunen versetzen mussten.
Als Soldat hatte Kelvin Ward es gelernt, jede Einzelheit in seiner Umgebung genau zu prüfen. Wie dick und weich doch der Teppich in der Bibliothek war, wie vornehm waren die grauen Samtvorhänge, wie erlesen die überall verteilten kleinen Kunstgegenstände!
Der Besitzer dieser Reichtümer machte auf den Gast sofort einen starken Eindruck. Im Vergleich mit diesem Mann verblasste das Bild des Herzogs. Sir Erasmus Malton war eine ausgeprägte Persönlichkeit. Er hatte ein gutgeschnittenes Gesicht und war zweifellos ein Gentleman.
Kelvin Ward hatte sich mehr oder minder auf einen Industriemagnaten gefasst gemacht, der sich aus eigener Kraft gesellschaftlich ganz von unten nach oben gearbeitet hatte. Umso angenehmer war er von Sir Erasmus gepflegter Sprache und von seinem festen Händedruck überrascht.
„Es ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie meiner Bitte sofort entsprochen haben, Major Ward.“
Kelvin Ward deutete eine leichte Verbeugung an. Sir Erasmus wies auf einen Sessel am Kamin, dessen prachtvolle Verkleidung aus Marmor war.
„Hatten Sie eine angenehme Rückreise aus Indien?“ fragte er und schlug die Beine übereinander.
„Das Schiff war nur schwach besetzt“, sagte Kelvin Ward. „Daher hatte ich kaum gesellschaftliche Verpflichtungen.“
„Das ist an Bord ein wahrer Segen.“ Sir Erasmus lächelte.
Zwei Diener unter Anleitung eines Butlers boten dem Gast verschiedene Weinsorten und auf einer silbernen Platte Häppchen mit Gänseleberpastete an.
Danach sagte Sir Erasmus: „Sie fragen sich sicher, warum ich Sie zu mir gebeten habe.“
„Ich muss zugeben, dass ich sehr gespannt bin."
„Sie werden sich noch mehr wundern, wenn ich Ihnen sage, dass ich bereits seit einigen Jahren Ihre Karriere verfolge, Major Ward.“
„Wieso denn das?" fragte Kelvin höchst erstaunt.
„Man hatte mir von Ihnen erzählt, und ich wollte mehr erfahren. Ich bin über ihren hervorragenden Aufstieg in der Armee im Bilde und weiß, dass Sie mit mehreren Orden ausgezeichnet und von ihren Vorgesetzten sehr geschätzt wurden."
„Danke. Es ist immer angenehm, ein Lob zu hören, aber ich verstehe nicht, warum Sie das interessieren sollte.“
„Darauf komme ich noch zu sprechen. Sie sollen zunächst nur wissen, dass ich gründlich über Sie nachgedacht habe. Ich habe auch erfahren, welche Rolle Sie gespielt haben, um Ihren Bruder vor Schande zu retten."
Kelvin Ward war bestürzt. „Wie haben Sie das erfahren?"
„Wenn Leute mich interessieren, finde ich stets Mittel und Wege, um mich zu informieren", sagte Sir Erasmus so selbstverständlich, dass es nicht nach Prahlerei klang.
Kelvin Ward schwieg bedrückt. Wie war es nur möglich, dass ein Außenstehender etwas über Geoffreys Verfehlungen erfahren hatte? Kelvin hatte gehofft, dass nur ein ganz kleiner Kreis von Eingeweihten darum wusste.