Der Mönch und die Wikinger - Das Buch Haithabu - Claus-Peter Lieckfeld - E-Book
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Der Mönch und die Wikinger - Das Buch Haithabu E-Book

Claus-Peter Lieckfeld

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Beschreibung

Die Sprache von Axt und Schwert: Der historische Roman »Der Mönch und die Wikinger: Das Buch Haithabu« von Claus-Peter Lieckfeld jetzt als eBook bei dotbooks. Europa im 9. Jahrhundert: An den Küsten und großen Flüssen leben die Menschen in ständiger Furcht vor den schrecklichen Beutezügen der Wikinger. Der junge Herward wächst in der Stiftssiedlung Ramsolano auf – doch als Nachfahre eines Nordmannes schlägt ihm von klein auf Hass und Misstrauen entgegen. Einzig der Mönch und Chronist Agrippa stellt sich den Vorurteilen entgegen und nimmt den jungen Mann unter seine Fittiche. Als Herward eines Tages Mutter und Schwester bei einem Wikingerangriff verliert, entwickelt sich sein Widerstandsgeist von stiller Glut zu offenem Feuer: Er schwört, nicht zu ruhen, bevor er den Mann getötet hat, der ihm alles nahm. Zusammen mit Agrippa bricht er zu einem Rachefeldzug nach Haithabu auf, die größte Wikingerstadt seiner Zeit … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Wikingerroman »Der Mönch und die Wikinger« von Claus-Peter Lieckfeld wird alle Fans von Bestsellerautor Ulf Schiewe und »The Last Kingdom« begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Europa im 9. Jahrhundert: An den Küsten und großen Flüssen leben die Menschen in ständiger Furcht vor den schrecklichen Beutezügen der Wikinger. Der junge Herward wächst in der Stiftssiedlung Ramsolano auf – doch als Nachfahre eines Nordmannes schlägt ihm von klein auf Hass und Misstrauen entgegen. Einzig der Mönch und Chronist Agrippa stellt sich den Vorurteilen entgegen und nimmt den jungen Mann unter seine Fittiche. Als Herward eines Tages Mutter und Schwester bei einem Wikingerangriff verliert, entwickelt sich sein Widerstandsgeist von stiller Glut zu offenem Feuer: Er schwört, nicht zu ruhen, bevor er den Mann getötet hat, der ihm alles nahm. Zusammen mit Agrippa bricht er zu einem Rachefeldzug nach Haithabu auf, die größte Wikingerstadt seiner Zeit …

Über den Autor:

Claus-Peter Lieckfeld, geboren 1948 und aufgewachsen in der Lüneburger Heide, ist Gründungsmitglied von Horst Sterns Umweltmagazin natur. Als freier Autor war er u.a. für das SZ-Magazin, GEO, Merian, Die Zeit und Die Woche tätig. Außerdem schrieb er Texte für Kabarett-Programme, u.a. für Scheibenwischer und für die Münchner Lach- und Schießgesellschaft.

Bei dotbooks erschienen bereits Claus-Peter Lieckfelds historischer Historischer Roman »Pater Spee – Anwalt der Hexen« sowie die Historischer Romane der «Der Mönch und die Wikinger»-Reihe:»Das Buch Haithabu«»Das Buch Glendalough«

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eBook-Neuausgabe November 2013, April 2024

Copyright © der Originalausgabe 1997 by Albrecht Knaus Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motives von © Adobe Stock / Nejron Photo sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-943-7

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Bei diesem Historischer Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. In diesem eBook begegnen Sie daher möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Diese Fiktion spiegelt nicht automatisch die Überzeugungen des Verlags wider oder die heutige Überzeugung der Autorinnen und Autoren, da sich diese seit der Erstveröffentlichung verändert haben können. Es ist außerdem möglich, dass dieses eBook Themenschilderungen enthält, die als belastend oder triggernd empfunden werden können. Bei genaueren Fragen zum Inhalt wenden Sie sich bitte an [email protected].

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Claus-Peter Lieckfeld

Der Mönch und die Wikinger - Band 1: Das Buch Haithabu

Historischer Roman

dotbooks.

DAS BUCH RAMSOLANO

Vorbemerkung anläßlich des Verlustes des letzten Zahns

Solange man jung ist, vermag man sich nicht vorzustellen, daß einem eine Suppe aus Nebeltrichterlingen und gestoßenem Adlerfarn lieber ist als im Feuer geröstetes Ferkel, sowie es auch einem, der sich noch seiner Zähne gewiß ist, an Vorstellung gebricht, wie man denn mit blanken Kiefern pfeifen kann. (Man kann es so wenig wie fetttriefende, harte Schweinehaut beißen, um die Wahrheit zu sagen. Ich weiß es.)

Mein letzter Zahn verließ mich gestern, am zweiten Tag nach Sonnenwend im Jahre 919 des Herrn. Er ging von mir mit einem kaum spürbaren Schmerz, mit einem resignierenden Laut, so, als zöge man einen Pfahl aus moorigem Grund. Der Zahn wird mir nicht fehlen, war er doch eher ein Hindernis, wenn ich den schartig gewetzten Unterkiefer zum Zerquetschen von Brotrinde einsetzte. Den Verlust – der keiner ist – beklage ich nicht. Wäre mir zum Klagen zumute, so klagte ich, daß die Tage dahin sind, da ich nach langem Knien vor dem Altar aufstehen konnte, ohne alle Glieder wie verkehrt herum angesetzt zu spüren.

Daß mich der letzte Zahn verließ, gemahnt mich daran, daß es hohe Zeit ist, nun endlich das zu tun, was ich tun will und muß. Seit die Jahre mein Augenlicht trüben, so wie der Nebelung die klare Herbstluft trübt, fällt mir das Schreiben schwer. Auch beginnen meinem Latein die Wörter auszufallen, so wie mir schon vor Jahr und Tag die Haare ausfielen und jetzo der letzte Zahn. Ich erwähnte es.

Um meine Augen wundert es mich nicht; ich habe wohl mehr Seiten mit heiligem Latein auf Papier gekratzt als eine Buche im August Blätter hat, und jede Seite hat mein Augenlicht um ein winziges Quantum verringert, nicht meßbar und doch stetig, so wie die weißen Sandkörner der Elbstrände für sich genommen nichts sind, doch zuhauf sind sie wandernde Dünen, die alles auslöschen.

Ob noch genug Licht bleibt, um all das zu schreiben, was nur ich, Agrippa de Ramsolano, einstmals Mönch und Scriptor zu Ramelsloh an der Seeve, zu schreiben imstande bin, ist eine Frage. Es ist die letzte eigentliche Frage oder, um genau zu sein, die vorletzte; denn die Frage, ob der Herr seinem treuen Knecht einen sanften Tod gewährt oder ob er den harten, röchelnden erleiden muß, diese Frage bleibt wahrlich bis zuletzt. (Ich denke, o Herr, ich hätte mir, wo ich schon auf Reichtümer ganz und zeitweise auf Weiber und das Glück der Alltäglichkeit verzichtet habe, einen sanften Tod verdient, zumal ich mir keiner herzensgrundschlechten Tat bewußt bin.)

Allhier halte ich zwischen Daumen und Zeigefinger meinen letzten Zahn. Gelb ist er wie die Zähne alter Pferde und oben schwarz wie die Holzstrünke, die man aus dem Moor zieht. Den Zahn wendend denke ich: Es ist selten, daß einer alt und vollständig unter die Erde kommt. Und gelingt es einem, so war er wohl nicht wirklich alt.

Ich lebe in einer Zeit, da der Tod sich lieber an jungem Frischfleisch satt frißt als an zähem, schwerverdaulichem Greisenleder. Auf zehn junge Weiber, die der Wikinger knickt und zertritt, auf dreißig Jungmänner, die seine Streitaxt totbeißt, kommt gerade so eine Lederhaut wie die meine, von den Jahren gegerbt, bis sie dem schrundigen Gottesacker gleicht, für den sie bestimmt ist.

Aber verzeiht, ich wollte nicht abschweifen – noch bevor ich begonnen habe. Wenn ich schon die Sünde begehe, das kostbare Pergament für meine Zwecke zu requirieren, Papier, das geweiht und bestimmt ist, die offenbarten Wahrheiten des Heiligen Augustinus zu tragen (ich erbitte, o Herr, und auch von Dir, o Heiliger Ansgarius, Gründer dieses Klosters, gnädige Vergebung!), dann sollte ich meinem Frevel nicht noch die Sünde der Schwatzhaftigkeit hinzufügen – eine Sünde, die gerade die alten Knochen befällt, die zu mannhafteren Sünden nicht mehr taugen.

Ich sollte es allso wie Moses in der Genesis halten und mit dem Anfang beginnen. Und schon da zögere ich: Sollte es mein Anfang sein, sollte ich bis zu dem Knaben zurückkehren, dem der Heilige Emanuel im Jahre des Herrn 862 in Corvey sein Bronzekreuz auf die Locken drückte und ihn so zu heiligem Tun bestimmte?

Das wäre reizvoll. Aber es werden ja nicht die Taten der Unauffälligen geschrieben, habe ich mich doch selbst der Aufgabe unterzogen, die Taten eines Großen für kommende Geschlechter zu bewahren. Vielleicht aber – ich will nicht geloben, ganz keusch bei seinen Taten zu verweilen, wo mir ein Ausblick ringsum nötig erscheint –, vielleicht also wird sich im Fortgang der Geschichte die Möglichkeit auftun, ein wenig in die Welt der Gottesdiener einzutauchen und auch in jene der Waldgeister, der Bären- und Wolfsmenschen.

All dies erwägend, erscheint es mir um der Sache willen richtig, dort zu beginnen, wo das Zeichen des Thor in unseren Gesichtskreis fiel.

Wie der Hammer des Thor unter uns kam

Es war hoher Sommer des Jahres 878, eine dieser Nächte, in denen jene winzigen Feuerpünktchen unter den Tiefschatten der Bäume dahintaumeln, diese leuchtenden Käfer, die furchtsame, noch halb heidnische Gemüter drunten im Dorf die »Laternen der Untoten« nennen. Es war so warm, daß mir in meiner Zelle selbst das dünne Leinentuch zu dick war.

Ich erwachte von keinem Geräusch, sondern von einem Brennen in der Nase: Rauch! Die Kerze in meiner Zelle hatte ich gelöscht, Gott sei Dank! Ich sprang auf. Im Stiftshof stolperte ich über die Riemen meiner ungebundenen Sandalen, nur der enorme Körper von Bruder Solanus bremste meinen Fall. Dem Solanus wiederum folgten die Stiftsherren, einige hielten sich die Nase zu, denn Rauchschwaden füllten den Kreuzgang, unser Abt schrie Bittgebete. Wofür oder wogegen wurde mir erst klar, als ich den Feuerschein über dem Dorf sah, vergrößert noch vom Widerschein auf dem Seevefluß.

»Die Wikinger«, fistelte Solanus mit dieser turmhohen Stimme, die so gar nicht zur Glockengestalt seines Körpers passen wollte. Und als wäre sein Ruf das Signal, ließen sich alle auf den Boden fallen und wanden sich in Gebeten. Ich tat es ihnen gleich, obwohl ich – ich gestehe es – einige Herzschläge lang versucht war, denen im Dorf tätige Hilfe zu leisten. Damals, wir schrieben das Jahr 878, stand ich in der Blüte meiner Jahre und hatte schon einmal einen Wolf (ich gestehe: einen lahmen) mit einer Keule erschlagen.

Da unsere Gebete notwendigerweise und wegen der Schwere der mutmaßlichen Vorfälle lang sein mußten, kamen wir erst ins Dorf hinab, nachdem das Schlimmste schon geschehen war.

Wir schritten durch die Ruinen zweier rauchender Schilfhütten, als uns eine alte Frau entgegengestürzt kam, Ruß im Gesicht, an ihrem Hals das häßliche Mal von Feuer: »Ein Wunder, ein Wunder ist geschehen! Die Wikinger haben nur zwei Häuser gebrannt und sind weitergezogen. Nur den Orto und den Varro haben sie erschlagen ... Ein Wunder!«

Ich betrachtete den niedergehauenen Orto, einen, um den es wahrhaft schade war, hatte sich doch schon sein Großvater zum einzigen und wahren Gott bekannt und war doch Orto einer, den man nicht lange bitten mußte, galt es im Stift etwas auszubessern. Da lag er, hingestreckt in seinem Blut. Die Wikinger hatten in der Tat nur flüchtig – ich möchte sagen: beiläufig – zugeschlagen. Die Streitaxt hatte den Schädel nicht wie üblich bis zum Hals gespalten, ich vermochte nicht einmal das graue Fleisch zu sehen, von dem mir ein wandernder Scholar erzählte, es sei der wirkliche Sitz von Seele und Geist und das Herz sei nur ein großes Stück Fleisch. (Der Herr verzeihe ihm dieses lästerliche Wort!)

Varro hatten sie mit einer Lanze den Leib von unten nach oben geritzt, so daß es grün und rot aus ihm hervorlief und er stöhnend und zuckend verröchelte. Er war ein minder guter Christ, aber auch ihm gilt meine Fürbitte vor Gott.

Wir bekreuzigten uns und waren beglückt, wußten wir doch den wahren Grund, warum die Sache so glimpflich abgegangen war: Unser vielstimmiges Gebet, das wir vom hohen Ufer herab gegen die Mordbrenner geschleudert hatten – wie weiland Moses sein Gebet gegen die ägyptischen Feinde –, unser Gebet hatte den Tod so vieler vereitelt.

Es brauchte lange, ehe jemand, ich glaube es war der Dorfälteste, den Atem und die Ruhe fand, uns den Hergang zu erklären. Gegen Mitternacht waren die Wikinger, mit dreißig knörr (Langbooten) gelandet, genug, um eine ganze Stadt zu erobern. Was wir damals nicht wußten, aber nur wenig später erfuhren, war, daß sie kurz zuvor genau das versucht hatten. Sie kehrten nämlich von einem vergeblichen Versuch zurück, auf der Elbe gen Hammaburg vorzurücken, um es auszuplündern und zu brennen, so wie es ihnen schon im Jahre 845 gelungen war. Aber die gewitzten Hammaburger hatten dort, wo die Wikinger ihre Langboote über die Schwemmsande ziehen müssen, Türme ins Wasser gestellt, auf denen Feuerwerfer angebracht waren. Und während noch die entsetzten Piraten damit zu tun hatten, das Feuer an ihren Booten auszuschlagen, rückten die Hammaburger mit kleinen, beweglichen, pechbestrichenen Korbbooten gegen sie vor und schlugen ihnen viele schreckliche Wunden.

Die überraschten Angreifer flohen, so schnell sie ihre Boote gegen den Elbstrom treiben konnten. Warum sie sich – noch dazu stromaufwärts – in die Seevemündung flüchteten, ob es ein Versehen war in der Dunkelheit oder ob sie im Schatten der Seeve-Eichenwälder ihre Wunden lecken wollten – keiner weiß es. Um Vergebung: Gott weiß es, aber er hat es keinem Sterblichen anvertraut.

Als sie an Land gingen, schleuderten sie Brände gegen die Schilfhütten, die dem Seevefluß am nächsten standen. Sie erschlugen den Orto und den Varro, die aufgeschreckt in die falsche Richtung geflohen waren. Die Lohen stoben in den Himmel, und die Schreie der überraschten Fischer und Köhler weckten das Dorf. (Später wurde offenbar, daß sich einer der Mordbrenner unbemerkt von den Seinen entfernt hatte, um seinen gewaltigen Leib gegen den zarten Körper einer Jungfrau zu treiben, die davon jedoch keinen bleibenden Schaden nahm, soviel mir bekannt.)

Und dann geschah das Wunder. Die wilden Nordmänner stocherten mit geirr (Lanze) und spjót (Spieß) nur die besagten zwei Männer aus dem Dorf nieder, die Hals über Kopf in ihre Reihen geflohen waren. Sie standen starr am Wassersaum, das Flammenzucken machte ihre roten Bärte noch röter, unter den Lederwämsen manch eines Kriegers, so berichtete man uns, drang Blut hervor. Wann sah man Mörder je so blutig – vom eigenen Blut!

Schließlich trugen vier Krieger, unendlich langsam und sanft, eine Gestalt aus dem größten Langboot ans Ufer. Die Zartheit, mit der Mörder zu Werke gehen können, war vielen der stummen Beobachter aufgefallen. Die Gestalt war mit einer goldbestickten Decke fast verhüllt. Die Decke zeigte Arabesken der Art, wie sie nur die Mohren weben können, und den Menschen aus dem Dorf schien es, als würde sie glühen, doch es war, so denke ich, wohl nur der Schein des Feuers, der mit den Goldfäden spielte.

Es wurde noch stiller, als der Anführer der Truppe vortrat: kein anderer als der Schreckliche Olaf, den sie den Blutsäufer nennen.

Er sprach ein paar Worte, die keiner gut verstand,1 aber ein Männchen, das nicht wie ein Krieger aussah und an Krücken ging, sprach seine Worte in unserer Sprache nach.

»Höret her, ihr Leichengewürm, das nicht wert ist, daß Olaf euch das Leben schenkt. Dieser hier ... (mit diesen Worten riß er das Goldtuch weg und gab den Blick frei auf einen übel zerschlagenen sehr jungen Mann) ringt mit dem Tod. Wenn er stirbt, seid auch ihr des Todes. Gelingt es euch, ihn zu retten, seid ihr gerettet – solange Olaf das Schwert führt. Ich komme wieder, um ihn zu holen. Es wäre gut für euch, wenn Heitu dann noch lebt. Und das sei das Zeichen ... (er hielt ein Eisen in die Glut einer niedergebrannten Schilfhütte und zeichnete damit einen Hammer auf den Oberarm des Knaben Heitu, einen blutigen Thorshammer) ... wenn einer Feuer setzen will auf euer Dorf, soll er dieses Zeichen sehen und wissen, daß Olaf jeden tötet, der Heitu Schaden zufügt. Und vergeßt nicht: Ich komme wieder.«

Dann küßte er den Knaben, dem der neuerliche Schmerz die Sinne geraubt hatte, und auf seinen Befehl hin wankten die blutigen Gestalten in die Boote und ruderten zurück in die Nacht. Eine Weile noch hörte man das gleichmäßige Eintauchen der Ruderblätter.

Das war der Moment, da wir Mönche singend und betend vom Stift herabkamen, wir, die wir das Wunder einer ausgebliebenen Metzelei nicht gesehen, aber betend bewirkt hatten. Unser Abt Alkuin befahl noch in derselben Nacht, ein Kreuz aus Eichenholz zu errichten, exakt an der Stelle, an der uns der Knabe Heitu an Land gesetzt wurde.

Alkuin entschied stets aus dem Herzen, nie aus dem Kopf, was sicher gut war, denn er hatte kein schwaches Herz. Der Errichtung des Kreuzes, die bis in die Dämmerstunden dauerte, folgte ein Dankgebet, das bis zum hohen Mittag währte und ohne jeden Zweifel das Leben Heitus, unseres Lebensretters, rettete. Um die Wunden des Heitu kümmerten sich die Frauen des Dorfes. Die Schreie des Varro waren kurz nach Sonnenaufgang verstummt; Bruder Titus segnete ihn, während zu guter Letzt noch ein trübes, rötliches Wasser aus seinem Mund rann, das von Blasen durchsetzt war, so wie sie aus faulem Wasser bisweilen aufsteigen.

Das Kreuz aus jener Nacht ist lange verschwunden, die hohen Winterfluten haben es im Eisgang gefällt. Und jetzt, da ich nicht mehr im Stift an der Seeve weile, wird wohl keiner derer, die nach mir kamen, mehr wissen, wo jenes Kreuz einstmals stand.

Wie der Gezeichnete ins Leben zurück- und in meines eintrat

Mein Gott, ist das lange her. Zwischen jener Nacht und der heutigen, die gerade im Begriff ist zu vergehen, liegt die Spanne Zeit, die ausreicht, einem Manne den Stein als zu schwer zum Heben erscheinen zu lassen, den er dereinst zwanzig Fuß weit stieß. Aus Übermut.

Zwischen jener Nacht und dieser, die mich vor eng beschriebenen, gestohlenen Pergamenten findet, liegt die Spanne Zeit, in der für einen Mann aus schwellenden Brüsten, die mit zitternden rosa Gipfeln in seine Träume ragen, belanglose Erhebungen unter Stoff oder Fell werden.

Zwischen jener Nacht und dieser liegt aber auch die Spanne Zeit, die vergehen muß, um einen Mönch eine durchbetete Nacht – damals noch ein Martyrium für mich! – als einen Lidschlag Gottes erkennen zu lassen.

Zwischen jener Zeit und der heutigen liegt schließlich die Spanne Zeit, die vergehen mußte, ehe auch die letzten heimlichen oder offenen Anbeter der alten Götter abschworen oder sich in die Wälder zurückzogen. Ich habe die gänzliche Niederlage der Heiden im übrigen bedauert, weil nichts besser die Erhabenheit unseres Gottes zeigte als die Nichtigkeit ihrer Götter, die sie in Eichen und Tierleibern wähnten. Der Mensch braucht Vergleiche. Der Glaube lebt vom Unterschied.

Jeder Mensch meint, zu seinen Lebzeiten geschehe besonders viel. Großes gar! Ein verzeihlicher Irrtum, kennt der, der seine Zeit für groß hält, doch die anderen Zeiten, die vergangenen und die zukünftigen, nicht. Er urteilt wie ein Elbfischer, der die Sanddünen längs des Stromes hoch schätzt, weil er nie die Schneeberge des Südens sah.

Ich hingegen hänge dieser begreiflichen Überschätzung nicht an. Was gäbe ich, hätte ich in den bewegten Zeiten über diese Erde gehen können, als unser Heiland unter uns war. Ich habe es errechnet: Die Zeit liegt nur 16mal mein Lebensalter zurück. Die mächtigsten Eichen am Seeveufer grünten schon in jenen Tagen. Die Winde, die durch ihr Gezweig fuhren, könnten dieselben gewesen sein, die im Heiligen Land die Schläfen des Gottessohnes kühlten.

Ich habe nicht das Gefühl, eine Zeit durchlebt zu haben, die dermaleinst mit Ehrfurcht genannt werden wird. Wenig, was ich sah, war wirklich groß. Wäre ich nur ein Menschenleben früher geboren, ich hätte noch den Heiligen Ansgarius erlebt, den Gründer unseres Stiftes. Wie gerne hätte ich seinen Worten gelauscht, war er doch der Bringer des Christenglaubens in die Länder am großen Strom. Abt Alkuin will noch an seiner Seite predigend das Land der Friesen durchstreift haben.

Der Respekt verbietet es mir, mich dazu zu äußern. Ich sage nur so viel, daß der gute Alkuin ein gottgefälliger Mann ist, der sich wie viele bedeutende Männer mit den Zahlen schwertut. St. Ansgar weilte 827 in friesischen Gauen – zu einer Zeit, als der Vater des Alkuin – ein Edelmann zu Bardowick – noch nicht geboren war.

Von bedeutenden Männern schrieb ich soeben, und Alkuin möge mir verzeihen, wenn ich ihm dieses Attribut nicht von ganzer Seele zusprechen mag. Sofern ich es recht betrachte, habe ich – sehe ich einmal von einigen Päpsten und Bischöfen ab, denen ihr Amt Bedeutung gab – nur einen Bedeutenden, nur einen Großen in meinen Tagen sehen und erleben dürfen, nur einen, der auch in tausend Jahren noch genannt werden wird, so wie wir Heutigen noch von Arminius sprechen, dem Bezwinger der Römer.

Doch um auf diesen Besonderen, wie es meine Absicht ist, zu sprechen zu kommen, muß ich – nicht ohne zuvor etwas Geduld zu erbitten – die Geschichte des Heitu weitererzählen.

Ich sollte jedoch, um die Nachsicht meiner Leser ferner Tage nicht zu überdehnen, schon an dieser Stelle vorgreifend erwähnen, daß Heitus Lenden der Herward entsproß, der einzige Große, den ich je des langen und breiten aus großer Nähe sah und den ich kenne und liebe, als wäre er mein Sohn. Und war er nicht mein Sohn?

Diese Frage, ich gestehe es, kann wirklich nur der Fortgang jener Geschichte entscheiden, die zu erzählen ich mich anheischig mache. Also gehen wir in jene Zeit zurück, die grau zu nennen nur der befugt ist, der unsere Tage – und wer könnte das? – als lichtvoll erachtet.

Heitu entging nur so knapp dem Tod, wie es menschenmöglich ist.

Den langen Winter schien es, als würden aller Wurzelsud, den die Frauen ihm einflößten, aller Blätterbrei, den sie auf seine eiternden Wunden legten, alle Gebete nicht mehr verschlagen, als ein Wind gegen die Elbflut vermag. Er schrie im Schlaf in einer Sprache, die nur ich (Man gestatte mir diesen Hinweis auf meine Wanderjahre im Norden.) zur Gänze verstand. Die meisten seiner hinausgeschrienen Träume handelten von Feuer und den »brennenden Inseln«. Ohne Frage waren damit die Schwemmlande vor Hammaburg gemeint, die den Wikingern zum Verhängnis geworden waren in jener Nacht der Wunder.

Ich glaube – in aller Bescheidenheit –, daß Gott mir, seinem unwürdigen Diener, den Gedanken eingab, der Heitu rettete: Ich erbat vom Abt Alkuin die Erlaubnis, den siechen Jungmann in unserem Refektorium beherbergen zu dürfen, neben dem Scriptorium der einzige heizbare Raum. Seine Einwilligung erreichte ich mit dem bescheiden vorgetragenen Hinweis, daß der Tod des Heitu schließlich auch unser Stift und damit das große Werk der Christianisierung bedrohen könnte. Doch man kann sagen, daß unser Abt fast selbstlos in großer christlicher Gesinnung den Sohn eines ach so großen Sünders aufnahm. Er verlangte lediglich, daß man das Teufelsmal, den eingebrannten Thorshammer, mit einer kreuzbestickten Binde zu allen Tages- und Nachtzeiten bedecke.

In seinen Fieberträumen verlangte Heitu immer wieder nach Varga, der Tochter eines Netzknüpfers, der man nichts Gutes nachsagte, die sich aber gut auf Wunden und deren Pflege verstand. Varga in die heiligen Kammern des Stiftes vorzulassen, stellte die Hochherzigkeit unseres Abtes auf eine harte Probe. Aber er duldete die übel beleumundete Person, um nicht die kleine Hoffnung auf Genesung des Patienten noch zusätzlich zu verringern.

Ich sollte an dieser Stelle – um den Leser fernerer Tage nicht unnnötig mit Rätseln zu foppen – vielleicht benennen, was das Unwohlsein an der Person der Varga allenthalben bewirkte. Doch fürchte ich, die Erörterung dieses Themas würde mich abermals zu weit vom eigentlichen Gegenstand meiner Chronik wegführen. So viel sei gesagt: An ihrem Äußeren war kein Fehl, es sei denn: Sie hatte mehr als andere Jungfrauen von dem, was Männer die wahrhaft guten Gründe für eine Eheverbindung zugunsten der vordergründigen vergessen macht. Und wenn nur diese Augen nicht gewesen wären! Ihr linkes war blau wie ein Junimorgen. Das rechte grün wie die Elbe unter einem schweren Wolkenhimmel.

Diesem Blick konnte keiner standhalten. Nur der fieberumwölkte Blick des jungen Heitu, der einen Winter lang ununterbrochen zu sterben schien, hielt dem Blick der Varga mühelos stand – in den wenigen Stunden, die er bei Besinnung war.

Als schon alle im Dorf und im Kloster meinten, es sei an der Zeit, eine Grube in die gerade eisfreie Erde zu stechen, stand Heitu eines Morgens im Stiftsgarten. Ich werde den Anblick nie vergessen. Er hatte sich die Kreuzbinde von dem schrecklichen Mal an seinem Arm gerissen, stand ohne zu schwanken, ohne jedes erkennbare Anzeichen von Schwäche unter einem Apfelbaum. Der Apfelbaum steht wohl noch heute, und sein Schatten war, als ich noch im Kloster weilen durfte, meine Zuflucht an heißen Tagen. Im letzten Jahr meiner Anwesenheit in Ramsolano hatte ein Spätsommersturm einen apfelüberladenen großen Ast gebrochen.

Als Heitu damals unter dem Baum stand, waren seine Zweige kahl, dicke braune Märzknospen spitzten in einen Himmel, an dessen Rändern noch der Frost der dunklen Nächte hing. Drüben an unseren Teichen trippelten schon die Bachstelzen, von denen die Heiden in ihrem Unverstand sagen, ihre ewig zuckenden Leiber beherbergten die Seelen solcher Menschen, die zitternd starben.

Die Erdscheibe erwartete nach langer Winterstarre das Leben zurück. Stare schnarrten flügelschlagend im Gezweig, ließen ihre Perlenkleider in der Sonne blitzen, und die Luft roch erstmals wieder nach Erde. Heitu lachte den Vögeln zu und sagte: »Erþu sæll!« – Schön, euch wiederzusehen!

Ich mußte unwillkürlich lachen – lachen aus tiefem, heiterem Herzen –, als ich den dort stehen sah, für den wir schon im Geiste die Totengebete gesprochen hatten. Ist es nicht so: So viele sterben, die wie das blühende Leben aussehen, und ein Toter steht auf und wandelt herum, spricht mit den Vögeln wie mit lange entbehrten Freunden. Ich weiß, ich hätte nierdersinken und Gott danken müssen für dieses Wunder, aber ich stand nur da, schaute den Heitu an und lachte, lachte, bis auch die große, vom langen Todeskampf ausgezehrte Jungmännergestalt anfing zu lachen.

Schließlich lagen wir uns in den Armen, und unser Lachen füllte den Hof, erreichte die Brüder in ihren Zellen, schlug über dem Dachfirst zusammen und breitete sich langsam aus wie die Flut vom Meer her in der Elbe. Dann sagte er auf Nordisch: »Du und die Frau habt meine Wunden gewaschen. Ich hab euch gehört, auch als ihr dachtet, mein Geist sei weit fort, aber ich konnte nur wenig von dem verstehen, was ihr sagtet. Was ist das für eine Sprache? Wer bist du? Wer ist die Frau? Wo ist sie? Wo ist Olaf?«

»Viele Fragen, mein Sohn«, sagte ich, während ich das Thorsmal an seinem linken Oberarm wieder mit der gelösten Binde bedeckte; denn aus dem Hof kamen meine Brüder gelaufen.

Wie Heitu die Varga erkannte

Olaf, der Vater des Heitu, aber war zu diesem Zeitpunkt, wo wir uns gerade über die wundersame Genesung des Heitu freuten, schon bei seinen ungemütlichen, bluttrinkenden Göttern. Doch das wußten wir im Kloster und im Dorf noch lange Jahre nicht – und in diesem Nichtwissen lag ohne jeden Zweifel die Rettung für Heitu. Denn soviel sei voraus erwähnt: In den Jahren, die nun folgten, rettete den Sohn des Wikingerfürsten allein die Angst des Dorfes, die Angst vor einer Wiederkehr des Olaf. Wäre diese Angst nicht gewesen – eine Angst, die mit jedem Gerücht neu aufflammte, das uns von fernen Wikingerraubzügen erreichte –, keiner hätte den Heitu, den Sohn des Blutsäufers Olaf, vor einem nächtlich gestoßenen Racheschwert schützen können.

Keiner, und ich, der unwürdigste Mönch dieses Stiftes, schon gar nicht.

Viele, viele Jahre nach jener Wiedergeburt unter dem Apfelbaum (ich denke, es muß kurz vor meinem Fortgang aus dem Stift gewesen sein ... oder war es früher? ... die Jahre verwischen die Grenzen ...) also, ich sage aus Mangel an Erinnerungsschärfe: Vor langer Zeit kam ein reisender Geschichtenerzähler vor die Mauern unseres Stiftes und erbat die Armenspeise.

Da wir ihm reichlich gaben, bedankte er sich mit einer Kunde, die uns so bedeutsam und willkommen war, daß der Geschichtensänger sicherlich eine Handvoll hacksilfr (Bruchsilber) von uns erpreßt hätte, hätte er nur um den Wert dieser Kunde für uns gewußt.

Ich sehe den Mann noch vor mir. Er trug einen groben Leinenrock, auf dem der Schmutz in Schichten lag wie Borke auf einer Kiefer. Er war häßlich zum Gotterbarmen, sein Kinn war gänzlich bis zum Nichtvorhandensein zurückgewichen, und als hätte es eines Ausgleichs für diesen Verlust bedurft, sprang seine Nase weit vor. Als ich ihn so dahocken sah, mußte ich an eine Waldschnepfe denken, jenen nächtigen Vogel, der so heimlich ist, daß kaum ein Pfeil ihn je erreicht. Und wie eine Schnepfe verschwand auch er wieder im Dickicht ...

Seine pockennarbigen Wangen bedeckte ein unregelmäßiger Bart, lückig wie herbstliches Seggengras am Elbufer. Seine Augenbrauen waren zu einem wild verworrenen Balken verwachsen. Und sein linkes Augenlid vollführte ununterbrochen zitternde Bewegungen, gleich einer Flamme, bevor sie stirbt. Aber seine Stimme war so schön, daß Bruder Solanus ernsthaft vorschlug, den Mann gründlich zu waschen und ihn als zweiten Vorsänger für die Morgenandachten auszubilden.

Ich erinnere mich noch an das Lied, das er sang, nachdem er eine Menge Buchweizengrütze verdrückt hatte, eine Menge, die mir den Leib hätte platzen lassen.

Als Olaf, Schreck der Christenheit,

der blutbefleckte Wolf aus Nord,

kam zu bringen großes Leid

nach Hammaburg, dem Gottesort,

ward er grimmiglich geschunden

samt seiner Schar von tollen Hunden.

Den langen Mittelteil des Liedes habe ich vergessen, weiß aber noch, daß der Sieg der Hammaburger über Olafs Mordbuben gehörig ausgemalt wurde und neben dem kühnen Mut der christlichen Soldaten auch die lenkende Hand des Herrn in feingesetzten Worten die gebührende Erwähnung fand. Davon, daß Olaf auf seiner Flucht gerade unterhalb unseres Stiftes seinen Sohn Heitu zurückließ, wußte das Lied nichts zu berichten.

Wichtig, unendlich wichtig für uns war der Schluß des Gesanges:

Und als er kam zum großen Meer,

darein die Elbe sich ergießt,

versank sein wundgeschlagnes Heer

samt Mann und Helm, samt Schwert und Spieß

in einer großen Flut von Nord,

zu rächen jeden feigen Mord.

Ich habe damals eilends zusätzliche Erkundigungen angestellt, wußte ich doch, daß diejenigen, die von solchen Gesängen leben, die Wahrheit gehörig nach ihren Zwecken aufputzten. Doch nach allem, was ich erfahren konnte, sagte das Lied die Wahrheit. Olaf muß, nachdem er seinen fast auf den Tod verwundeten Sohn Heitu in unserem Dorf zurückgelassen hatte, die Elbe hinabgefahren sein bis zu der Stelle, wo sie sich mit dem Meer vermählt. Vermutlich wollte er sich von dort aus entlang der Küste nach Haithabu zurückziehen, um seine Wunden auszuheilen und zugleich zu neuer Schandtat zu rüsten. Sicher aber auch, um dann, neu gekräftigt, zurückzukehren, seinen Sohn zu holen; denn das weiß ich: Auch die schlimmsten Mörder und Brenner können gute Väter sein.

An just der Stelle, an der sich die Elbe im Meer verliert, kam ein Sturm auf, wie ihn ein Mensch nur zwei-, dreimal in seinem Leben erfahren kann. Die Langboote mit den Drachenköpfen, noch schadhaft durch die Feuerattacken der Hammaburger, wurden gegeneinandergeschlagen, füllten sich mit Wasser und sanken. Und mit ihnen die Bluthunde – bis auf einen, dem wir noch gehörige Aufmerksamkeit werden zuwenden müssen. Der Sturm muß sehr schnell aufgekommen sein, weiß ich doch, daß die Wikinger erfahrene Seefahrer sind, die sich nicht leicht von den Tücken des Meeres übertölpeln lassen.

Daß Olaf ersoff, erfüllte uns mit großer Freude. Unser Herr Jesus sagte zwar, man solle Milde auch gegen seine Feinde walten lassen, man solle einem, der schlägt, auch die andere Wange hinhalten. Ich wähne mich aber zu dem Urteil befugt, das Wort des Gottessohnes mag sehr wohl für Backenstreiche gelten, doch keinesfalls für Streiche, die mit dem Schwert, der Keule, der normannischen Doppelaxt oder dem Morgenstern ausgeführt werden. Denn wen ein solcher Streich – der Herr möge es verhindern! – trifft, der wird wahrlich keine Gelegenheit haben, den Teil des Schädels, der dann noch übrig ist, für einen weiteren Streich hinzuhalten. Insofern ist – bedenke ich die Ströme unschuldigen Blutes – der nasse Tod des Olaf ein gerechtes Gericht und ohne Frage gottgewollt.

Verzeiht mir, brüderliche Leser meiner Kunde! Ich erkenne meinen Fehler, nur allzu leicht von meinem Vorhaben zu lassen, das da heißt, die Geschichte des Großen Herward, des Sohnes des Heitu, schön ordentlich der Reihe nach zu erzählen.

Aber der Leser fernerer Zeiten möge es mir altem Knecht des Herrn nicht allzusehr verargen, wenn mir bisweilen der Gaul durchgeht. Habe ich doch mein Lebtag mein Latein an heiligen Worten, Kommentaren, Ableitungen und Wunderberichten wund gerieben, und es ist ein gar seltsam Ding, wenn man plötzlich die Worte auf eine eigene Reise schickt. Da kann es geschehen, daß sie, von der ungewohnten Freiheit trunken, in alle Richtungen ausschwärmen wie die Ameisen, in deren Wegen doch auch ein schöner, aber nicht erkennbarer Sinn waltet.

Also kehren wir zurück in jene Tage, die meine besseren waren, in jene wilde Zeit, die kam, nachdem Heitu von seinem Totenbett aufstand und die Varga zu seiner Frau machte.

Wie ich eine Nacht am Unheiligen Stein verbrachte

In matrimoniam ducere«, so schloß die Rede des vorherigen Abschnittes: »in die Mutterschaft führen«, »zur Frau machen«, »ehelichen«. Die nicht lateinischen Ausdrücke für diesen höchst bemerkenswerten Vorgang, die sächsischen, fränkischen oder nordischen, sagen nicht so klar, worum es dabei eigentlich geht. In matrimoniam ducere: in die Mutterschaft führen.

Der christlichen Eheschließung, wie wir sie gottgefällig in unserer Stiftskirche vornehmen, verschließt sich gottlob keiner mehr aus dem Dorf und dem weiten Umkreis. Ein für allemal vorbei die Zeiten, in denen Mann und Weib nur Hand in Hand durch ein loderndes Feuer springen mußten, um allen Umstehenden ihre Verbindung anzuzeigen. Obwohl – verzeih mir, o Herr! – auch dieser Brauch seine Schönheit hatte. Ist es nicht so, daß auch das Eisen gehärtet wird, gehärtet und geläutert, ehe es sich zu einem guten Zweck schmieden läßt?

Ich gestehe, der frevelnde Gedanke, ob nicht der hochherrliche Bischof zu Bremen gut daran täte, den Feuersprung wieder zuzulassen, ist mir schon verschiedentlich gekommen. Wie, wenn die, die den Sprung gewagt haben, anschließend den heiligen Segen empfingen? Hat nicht auch Gott durch einen brennenden Dornbusch seine Gegenwart angezeigt?

Als ich in kecker Weise unserem Abt, dem hochherzigen Alkuin, diesen Vorschlag unterbreitete, brauste er in schrecklichem Zorn auf und verurteilte mich zu einem dreitägigen Bußfasten ... schrecklich, die Strafe hätte zu keiner unpäßlicheren Zeit verhängt werden können, war es doch just zu der Zeit der hohen Nächte, als mit Wein und Fleisch der Gründungstag unseres Klosters begangen wurde.

Nein, den Feuersprung riskiert kein junges Paar mehr, auch Varga und Heitu taten es nicht. Nicht öffentlich wenigstens. Aber die »Nacht im Waldschoß« ist nicht auszubrennen, nicht mit noch so feurigen Worten, nicht mit Höllendrohung und guten Ermahnungen. Es ist, als ob die alten Götter hier eine uneinnehmbare Fliehburg hätten.

Wir Brüder kennen natürlich die Plätze, an denen sich diese Relikte heidnischer Freveltat vollziehen, allen Drohungen und Unterweisungen zum Trotz. Da ist zum einen eine Eiche, die zehn Männer gemeinsam nicht umspannen können. Ihr Leib ist hohl, und an einer Stelle öffnet sich die schrundige Baumhaut wie ein großer Mantel, so daß man hineinschlüpfen kann. Ich hab es getan, obwohl es streng verboten ist, und so weiß ich, daß ein schwaches Licht von oben eindringt. Im oberen Geäst nistet ein Adler, ein Vogel, der sehr im Verdacht steht, daß ihm weiterhin heidnische Verehrung zuteil wird. Bei dem Versuch, seinen Horst zu zerstören, ist Bruder Valerius (er war nicht lange bei uns) vor einigen Jahren übel abgestürzt. Ein weiterer Beweis für die Verruchtheit des Ortes.

Was diesen Baum angeht: Es gibt da eine Mär, die ich nicht kennen sollte. Ich kann aber nicht verhehlen, daß von den alten Liedern und Sagen ein gewisser Reiz ausgeht – der Herr verzeihe mir – , und so habe ich denn bei gewissen Personen, deren mangelnde Verhaftung im christlichen Glauben mir bekannt ist, nachgefragt, was es mit der Nacht in der Baumhaut auf sich hat. Mit einem gewissen Erschrecken wurde ich gewahr, daß noch das Lied von Lif und Lifthra im Volke bekannt war – dem Liebespaar in der Baumhaut, dem Menschenpaar, welches, als Wotan die Menschheit zur Strafe ihrer Schandbarkeit erfrieren ließ, im Baume Hoddimir den tötenden Winter überlebten, um im Frühjahr das Menschengeschlecht fortzupflanzen.

Fürwahr: eine törichte Geschichte, sagt doch die Heilige Schrift, daß Gott die sündige Menschheit ersäufte und nicht erfrieren ließ und ein Kahn, und kein unbehauener Baum, diejenigen rettete, welche die Menschheit neu begründeten. Und dennoch, ich sage es erneut, das Liedchen birgt eine gewisse Kraft.

Als Wotan wolkentrüb wollt wirken,

daß der Menschen Macht vergeht,

schickt er Winterweh ohn End,

auf daß das Fleisch zu Firn zerfriert.

Derweil im Holze Hoddimirs

barg er warm wie wollnes Wams

Lif und Lifthra, daß dereinst,

wenn Winterwinde weggeweht,

sie das Leben neu erzeugen:

Wohlan, es wächst zu Wotans Wohl.

Und so meine ich denn – Deines Widerspruches gewärtig, ferner Leser –, es kann keine allzu große Sünde wider den Heiligen Christ sein, dieser Sage eine gewisse gestalterische und poetische Schönheit zuzusprechen.

Ein weiterer Ort heidnischen Hochzeitsbrauches erfreut sich heimlicher, aber ungebrochener Beliebtheit. Das ist die Quelle des Schlangenbaches – auch Mimirquelle genannt –, der unterhalb des Dorfes in die Seeve fließt. Ein wunderbar klares Wasser springt dort armhoch aus einer geborstenen Steinplatte, die aussieht, als sei sie von einem Steinmetz längst vergangener Tage an den Rändern behauen worden. Ein schöner Platz, und es tut mir in der Seele weh, daß er von Alkuin mit einem Bann belegt wurde. Das Quellwasser hat einen frischen Geschmack, dem eine Spur Minze beigemischt zu sein scheint, und wenn man es langsam in die Kehle rinnen läßt, ist es, als lebe das Wasser. Ich weiß, daß die alten Frauen des Dorfes heimlich kommen, um davon zu holen, wenn wieder einmal einem im Dorf der gelbe Saft die Augen verklebt. Aber es kommen in einer ganz bestimmten Nacht auch die sehr jungen Frauen ... in ganz bestimmter Absicht, und das ist das Problem.

Am beliebtesten aber ist der Stein. Ein unheimlicher Platz. Rundum weicht der Wald zurück, so als fürchte er die Berührung. In der Mitte liegt eine riesige Felsplatte in der Form einer flachen Hand auf drei stützenden, kaum minder großen Steinen, dergestalt, daß eine Art Altar entsteht. Es heißt, dies sei das Grab eines Waldgottes, ein Grab, in dem der Gott aber nicht tot läge, sondern nur schlafe. Bis sein Volk ihn wieder ruft.

Manchmal finden wir vom Stift, wenn wir auf Kräutersuche sind, Blumen, von heimlicher Hand auf die Steinplatte gelegt. Dann entfernen wir sie und reinigen den Platz mit Gebeten. Aber die Reinigung hilft nie länger als die Zeitspanne von einem Vollmond zum nächsten.

Meist finden wir auf dem bösen Stein die blauweißen Lilien, die dort wachsen, wo das Seevewasser sich staut – sehr schöne Blumen, aber hier an diesem Ort zu blasphemischem Kult mißbraucht: Ist doch die Lilie die Blume des Herrn!

In der Nacht, die auf die Heirat von Heitu und Varga folgte, wurde Bruder Titus zur unheiligen Eiche geschickt, Bruder Solanus zur unheiligen Quelle und ich zum Stein. Dem unheiligsten Ort von allen.

Und so stand ich denn in jener Nacht im Halbdunkel eines Haselbusches versteckt und hielt das Kreuz umklammert, dem unser Abt, der gute Alkuin, eigens zu dem vorherbestimmten Zweck neue Segenskraft verliehen hatte. Es war halber Mond und doch so hell, als stünde sein volles Rund am Himmel. Der Regen der vorangegangenen Tage hatte die Erde gekühlt, so daß nun zur nächtigen Stunde der Wald ausatmete wie ein großes zufriedenes Tier.

Viele Brüder fürchteten den nächtlichen Wald. Ich liebe ihn. In der Ferne hörte ich das Geräusch brechender Wildschweine und das Bellen eines Rehbocks, den die Schweinerotte offenbar aufgeschreckt hatte.

Ich meine, den nächtlichen Wald kann nur fürchten, wer seine Stimmen nicht kennt. Was aber ist Fürchterliches an Schaben und Grunzen, wenn man weiß, daß es von Wildschweinen verursacht wird? Wie kann man das Bellen eines Bockes zum Angstschrei einer toten Seele erklären, wenn man weiß, daß es aus dem Maul eines Waldtieres kommt?

Über dem Stein zuckten schwarze Schatten. Fledermäuse. Ich habe sie in den großen Klöstern des Südens zu Tausenden gesehen, so viele, daß die Decken schwarz waren.

Sie sollen Unglück bringen, sollen Sendboten des Teufels sein. Ein einziger Unsinn! Würden sich teuflische Sendboten denn tatsächlich in Gotteshäuser hineinwagen? Das darf kein wahrer Christenmensch annehmen. Wenn alle Tiere Gottes Geschöpfe sind, und wer wollte das bezweifeln, müßte man doch annehmen, Gott hätte auch teuflische Geschöpfe geschaffen. Wer mag das glauben?

Ich habe verschiedentlich tote Fledermäuse betrachtet. Sie fliegen nicht auf gefiederten Schwingen, sondern mit Häuten. Ist das nicht ein einziges Lob des Schöpfers, der es versteht, seine Geschöpfe auf die mannigfaltigste Weise in die Luft zu erheben: die Schmetterlinge auf samtenen Stoffen, so fein, daß sie in der Hand zerstäuben, wenn man sie zu hart berührt, die Vögel auf Federn und die Fledermäuse auf Haut, durch die das Tageslicht scheint? Also dachte ich, während ich das schwere Bronzekreuz in der Hand wog und wartete.

Schließlich, der Abendstern stand schon hoch am Himmel, kündigte ein Knacken ihr Kommen an. Ich wußte, daß es ein menschliches Geräusch war, kein Tier des Waldes verursacht einen vergleichbaren Laut. Noch der feisteste Hirsch vermag leiser zu gehen als die federleichteste Jungfrau.

Ich war nicht im mindesten erstaunt, daß das Paar den Stein gewählt hatte und nicht etwa die Eiche oder die Quelle oder einen anderen Ort. Ja, ich fühlte eine gewisse – ich gestehe: – unfromme Befriedigung darüber, daß ich in diesem Punkte die Ereignisse vorausgeahnt hatte: Wenn sie die »Nacht im Waldschoß« verbringen wollten, dann hier!

Ich faßte das Kreuz fester, so fest, daß es warm wurde in meiner Hand. Jetzt galt es standhaft zu sein. Ich richtete mich auf und spähte ins Fastdunkel, aus dem sich jetzt deutlich die Schatten der beiden Frischvermählten lösten. Als sie zur Platzesmitte direkt auf den Stein zuschritten, erkannte ich, daß Varga ihr Haar gelöst hatte, so daß es frei und wild über ihre Schultern floß. Die bunten Hochzeitsbänder (im halben Mondlicht konnte ich die Farben nur ahnen), die ihr die Frauen ins Haar geflochten hatten, trug sie nun wie herbstwindzerzauste Asternblüten um den Hals, ihr weißes Kleid schwebte wie eine Nebelbank über dem Wasser. Sie lachte. Ihre Linke umschlang noch das geweihte Hochzeitsband, dessen anderes Ende Heitu hielt. Auch er lachte.

Zeit für dich, Unheil zu verhüten, sagte ich mir und schickte mich an, mit erhobenem Kreuz einzuschreiten. Aber etwas hielt mich fest. Just als ich mir den entscheidenden Ruck geben wollte, erhob Heitu seine Stimme: Leise, aber seltsam fest und nachdrücklich sang er ein Lied in nordischer Sprache, er sang zu leise, als daß ich es ganz verstanden hätte. Das Lied hatte etwas Betörendes; obwohl Heitu alles andere als ein begnadeter Sänger war: Die Rauheit seiner Stimme erhob sich über die zarte Melodie wie ein Fels über eine Bergblume. Ich mußte zuhören. Zum Einschreiten blieb ja noch genug Zeit!

»Was sagt das Lied, Liebster?« flötete Varga.

»Das Lied kenne ich, seit ich ein Kind war.«

(Heitus Sächsisch war noch immer fremd und kehlig, er verdrehte manche Worte aufs komischste, aber ich liebte diese Farbe der Worte. Wenn er sprach, war mir immer, als hörte ich zwei Sprachen gleichzeitig.)

»Das Lied« – so erklärte Heitu der ihm gerade Anvermählten, und seine Rede war für mich jetzt deutlich zu vernehmen – »dieses Lied singen die normannischen Mütter ihren kleinen Söhnen vor:

Söhnchen, Söhnchen, Söhnchen mein,

du sagst, du bleibst für immer bei mir.

Das will ich für den Tag gern glauben.

Für den Tag und für viele Tage, die noch kommen.

Aber wenn dir ein Bart wächst,

wenn du Schild und Streitaxt führen wirst,

dann kommt der Tag, an dem du gehst.

Söhnchen, Söhnchen, Söhnchen mein,

das ist noch lange hin, und so schlafe nun.

Die, zu der du gehen wirst, ist heut noch so klein

wie du.

Schlaf, Söhnchen schlaf, denn sie schläft auch,

damit sie schön wird für den Tag,

an dem du kommst und sie auf dein Lager holst.«

Die Varga schaute den Heitu lange an und sagte dann: »Ein schönes Lied. Ich dachte immer, ihr habt nur Schlachtgesänge von Tod und Krieg.«

»Mein Großvater war kein Krieger, er war ein Händler, der reichste Händler von Haithabu. Von ihm weiß ich, wie man Raf ...«

»Raf? Meinst du Bernstein?«

»Ja, wie man Bernstein mit der Hand wiegen kann, wie man noch kleine Stücke richtig messen kann. Mein Großvater hat die Krieger immer verachtet, selbst seinen Sohn, meinen Vater Olaf, der als der größte Krieger unseres Stammes gilt. Das blutigste Handwerk hat die dümmsten Handwerker unter der Sonne, sagte er.«

»Glaubst du, Olaf kehrt zurück?«

»Bestimmt.«

»Und was wird dann aus mir?«

»Wir gehen mit ihm fort, hier sind wir doch fremd, du und ich. Du wegen deiner Augen, ich, weil sie mich Piratenbrut nennen.«

So oder ähnlich hörte ich sie reden, und etwas hielt mich fest, hinderte mich, nun endlich mit erhobenem Kreuz und nicht minder erhobener Stimme der Freveltat zu wehren, deren Herannahen jede einzelne Bewegung verriet, mit der sich die beiden dem Stein näherten. Die Nacht machte den Stein noch schwärzer und größer. Die Spitze, die auf mich zeigte, glich einer riesigen, herausgestreckten Zunge, einer rußschwarzen, höllischen Zunge.

O mein Gott, wie oft hab ich in den folgenden Jahren mein Herz zermartert mit der Frage, was es denn war, das mich damals zurückhielt. War es die noch immer nicht erloschene heidnische Zauberkraft des Ortes? Oder war es der Anblick dieser beiden, die wie die Gestalten im welschen Singspiel sich bewegten, das ich vor langer Zeit als wandernder Bruder in Friaul sah ... ? Wie habe ich mich, mein Fleisch kasteiend, gemüht, mit Abscheu und Scham an das zu denken, was ich sah, aber es wollte nie gelingen. Immer sah mein inneres Auge im milden Licht, was meine äußeren Augen damals sahen ...

Schließlich war es zu spät. Heitu bettete die Varga vor sich auf die Steinplatte, warf ihren weiten weißen Rock auf, entledigte sich seines Unterkleides und gebärdete sich nach Art der Stiere. Ich schloß die Augen und schlug das Kreuz.

Ich habe keine Entschuldigung und nur die tröstende Gewißheit, daß ich den Sohn des Heitu und der Varga, den Helden Herward, von der Minute seiner Zeugung an bezeugen kann. Ich wartete, bis das Gewoge der weißen Glieder verebbt und einer sanften wohligen Ruhe gewichen war. Sie sprachen noch eine Weile leise Worte, die ich nicht verstand, deren süße Nichtigkeit aber unschwer zu erraten war, und schließlich hatte die Nacht die beiden wieder aufgenommen. Ich schlich zurück ins Kloster.

O Schreck! Schrieb ich doch soeben »Kloster« statt »Stift«! (Und die beschriebenen Seiten zurückblätternd, bemerke ich, daß ich schon verschiedentlich Kloster und Stift vermengt habe – so frevelhaft wie einer, der poliertes Eisen für Silber ausgeben will.) Ich fühle, das verlangt nach Erklärung!

Auf meinem Strohsack hatte ich eine unruhige Nacht.

Eingestreute, leider unvermeidliche Bemerkungen

Den Lapsus (Kloster statt Stift geschrieben zu haben) lesend, erkenne ich: Es ist ein Ding, sich etwas vorzunehmen, und ein anderes, es auch zu tun. Ich hatte mir vorgenommen, von Taten und Größe zu schreiben, nicht von Kleinheit und Unvermögen. Doch ach! Kluger Leser fernerer Tage, bei Dir werden sicherlich schon einige Fragen auf Klärung drängen, mit jenem Ungestüm, mit dem Buchweizengrütze, auf einem heftigen Feuer erhitzt, über den Rand drängt.

Fragen wirst Du: Was ist das für ein Stift, in dem Mönche in ihren Zellen leben. Mönche? Deren Orte sind Klöster, geheiligt durch Gott und in Zucht gehalten durch die Regula Benedicti, die Regeln des Heiligen Benedikt. Klöster! Aber Ramsolano ist ein Stift! (Wiewohl ich hoffe, daß es in späteren Tagen zum Kloster aufsteigen wird.)

Stifte – wir wissen es nur zu gut – sind die Orte, an denen sich Laien finden, gelehrte Herren allzumal, die Gott näher sein wollen, als es das gemeine Leben gestattet.

Was sind das für Mönche – Deine Frage, ferner Leser, geht wie ein Eishauch über meine Seele –, was sind denn das für Mönche? Sind es überhaupt Mönche?

Ehe Du uns Sarabaiten nennst: vero monachorum teterrimum genus est sarabaitarum, qui nulla regula adprobati (eine ganz abscheuliche Art von Mönchen, ohne Regeln), wie Benedikt sagt, nicht bewährt wie Gold im Feuerofen »sed in lumbi natura milliti« (weich wie Blei), bevor Du allso urteilst, laß mich in aller Ruhe, zu der meine aufgewühlte Seele fähig ist, berichten.

Ja, vier Mönche bewohnten den hinteren Teil des Stiftshauses, des nämlichen Hauses, das die fromme Ikia dem Heiligen Ansgarius nach dessen Flucht aus dem brennenden Hammaburg im Jahre 845 übereignete. Ein in grobem Lehm ausgeführter Kreuzgang verband uns mit der Kirche, wo wir den Herren von Ramsolano dreimal täglich die Messe lasen. Mein Gott, wie oft schliefen sie ein, während Solanus seine engelsgleiche Stimme erschallen ließ.

Solanus. Vielleicht sollte ich mit Solanus beginnen, erscheint mir doch seine Sünde als die geringste. Solanus legte sein Gelübde in meinem Geburtsort, in Speyer, ab, wo er in jungen Jahren die Heilige Messe nächst dem Ohre von Constantinus, dem Kaiserbruder, singen durfte. Constantinus schenkte ihm, ergriffen vom Gesang des Solanus, einen Ring, den dieser an seinem rechten Ringfinger trug, bis das Fett, das seinen Körper auftrieb, den Finger zum Absterben zu bringen drohte, so daß Solanus den Ring unter Weh und Ach aufschlagen lassen mußte, als der Finger schon fast schwarz war.

Dies niederschreibend, habe ich dem aufmerksamen Leser bereits eröffnet, was die Verbannung (... ja, Verbannung, ich habe das Wort mit Bedacht gewählt) des Bruders Solanus aus dem gottgefälligen und weitgerühmten Kloster Speyer in unser nebelumkränztes Stift bewirkte: Völlerei. Caput IV (13): Ieiunium amare, das Fasten lieben, fordert Benedikt, und unter IV (36): Non multum edacem (kein großer Esser sein).

Nun, Solanus war gänzlich unfähig, das Fastengebot auch nur einen Tag zu halten. Spätestens am Abend des ersten Fastentages stand er winselnd vor der Tür der großen Speisekammer, die meist ein wehrhafter, glaubensstarker Mönch bewachte. Solanus wurde regelmäßig mit guten Ermahnungen abgewiesen, fand sich aber nur wenig später in den Küchen ehrbarer Speyrer Handwerkersfrauen ein, wo er um Christi willen um Brosamen und Fischreste buhlte.

Wann immer die Mönche zu Speyer den bedürftigen Seelen das ora et labora predigten (bete und arbeite), war einer unter den Zuhörern, der rief: Und fressen, wo's was gibt! Das war auf den Solanus gemünzt.

Eine Weile schützte den Solanus seine unersetzliche Stimme. Doch als der Heilige Segorius Abt von Speyer wurde, ein Mann, der mehr auf Regeltreue hielt als sein Vorgänger, bewahrte den Solanus auch seine Engelsstimme nicht vor dem Absturz. Er fiel wie weiland der Engel Luzifer.

Von Bremen aus sollte er an der Bekehrung der Friesen teilnehmen, aber in der hohen Stadt über der Weser erkannte man schnell, daß Solanus bei seiner Leibesfülle im ersten Morast versinken würde, sofern ihn überhaupt seine schwächlichen Beine über die Stadtmauern hinaus trügen. Und allso verbrachte man ihn über Hammaburg, wo man auch keine rechte Verwendung für ihn fand, nach Ramsolano. Hier vermochte er um kein Pfund abzumagern, aber auch seine Stimme hatte nicht gelitten.

Von Bruder Titus zu sprechen fällt mir schwer. Und vielleicht sollte ich es so machen wie die fahrenden Märchensänger, die eine Figur immer erst dann singend und spielend vorstellen, wenn sie handelnd auftritt. Der geneigte Leser wird nicht umhinkönnen, sich noch über Gebühr mit dem Titus einzulassen. Wäre es da nicht besser ... Aber nein, ich muß mich an die mir selbst auferlegte Ordnung halten. Der Titus also. Ein Mann vieler benediktinischer Tugenden: Pauperes recreare / Nudum vestire / Infirmum visitare / Mortuum seplire / in tribulatione subvernire (Den Armen zu essen geben / Die Nackten kleiden / Die Kranken besuchen / Die Toten begraben / Den Notleidenden helfen). Keines dieser Gebote, das Titus nicht zur Gänze erfüllte. Doch mit dem Gehennam expavescere (vor der Hölle zittern) hatte er seine Schwierigkeiten. Er mochte nicht zittern.

»Es ist keine Hölle, außer der Hölle, die Menschen den Menschen bereiten«, soll er anläßlich einer intensiven Erforschung durch einen leibhaftigen Bischof gesagt haben. Und auch nach liebevoller Einrede durch uns Brüder ließ er nicht ab, die Existenz der Hölle zu leugnen. Caput V gebietet den Gehorsam gegen den Abt als höchste Stufe der Demut um Christi willen. Aber auch als man Titus befahl: Gehe hin und rede den Sündern die Sünde aus, damit sie vor der Hölle errettet werden, sagte er nur: »Jesus hat dem Teufel, als er als Schlange kam, den Kopf zertreten – warum sollten wir die Hölle fürchten?«

Lange ließ man dem Titus diese Abweichung durchgehen, gab es doch keinen, der im Fasten und vor allem im Schweigen, bei der Arbeit und im Krankendienst mehr vollbrachte als er.

Aber eines Tages erschien der Acutissimus bei uns, und der kundige Leser merkt unschwer, daß es sich bei Acutissimus (der Allerschärfste) nur um einen Necknamen handeln kann, einen Necknamen allerdings, hinter dem sich die Furcht derer verbirgt, die ihn ersannen.

Der wahre Name dieses Bruders von unendlicher Gelehrsamkeit, Verstandesschärfe und Glaubensfestigkeit lautet Bruder Gelasius, ein Mann von hohem Wuchs und weittragender Stimme, der im Kloster Corvey ansässig ist und von dorten häufig im päpstlichen Auftrag weit über Land geschickt wird, um uns Brüder zum Kreuz zurückzutreiben. Weh mir, sagte ich »treiben«? – ich wollte sagen: zurückzuführen, wenn wir uns offenkundig zu weit von demselben entfernt hatten. Gelasius soll einmal von sich selbst gesagt haben: »Auch Gott braucht eine Peitsche!« Und ich wüßte gern, ob er es lachend oder drohend gesagt hat.

Während ich in Ramsolano weilte, stattete der Acutissimus unserer kleinen Schar in jedem Jahr mindestens einen Besuch ab, meist auf der Durchreise von Corvey nach Hammaburg, wo er Fragen von großem theologischem Gewicht erörterte. So geht die Kunde, daß er in Hammaburg und Bremen die Lehre durchsetzte, daß die Jünger Jesu, der Judas ausgenommen, schon zu Irdenzeiten des Herrn heilig waren, wohingegen – ich gestehe es freimütig – es mir wahrscheinlicher erscheint, daß sie erst das Beispiel Jesu in den Stand der Heiligkeit erhob.

Gelasius wird gewußt haben, warum er Ramsolano nie ausließ. Nein, es wird wirklich nicht an unserem vielgelobten Dinkelbrot gelegen haben. Die Wahrheit ist: Es gab in meiner Zeit sicherlich keinen zweiten Ort, wo, wie in Ramsolano, drei so schwache Glaubenslichter vor ein und demselben Altar brannten: ein Fresser, ein Unkeuscher und einer, der die Hölle leugnete.

Der Acutissimus nahm uns stets einzeln (den Titus am längsten) ins Gebet. Jedesmal schwoll seine Stimme von einem suchenden Geflüster bis zum strafenden Donner an, jedesmal zeigte er uns die Abgründe, an denen wir standen, doch jedesmal endete das Gewitter im milden Glanz der untergehenden Sonne: Tut Buße, o Brüder, betet, läutert euch ...

Lediglich dem Titus wurde vom Acutissimus einmal eine lange Bußpilgerschaft auferlegt. Das ist mir deshalb so gut in Erinnerung geblieben, weil er von ihr nur zurückkehrte, um für immer von uns zu gehen. Man kann sagen, Titus kehrte als Geläuterter zurück, obwohl das Ergebnis der Läuterung kaum das erwünschte war.

Es war eine durchregnete Oktobernacht, nach deren Schwinden ich mich klamm und unfroh vom Frühgebet in meine Zelle zurückgeschleppt hatte und gerade der Versuchung erlegen war, mich noch einmal unter den Decken aus grober Wolle auszustrecken, als mich ein Geräusch aufschrecken ließ, das nicht zu dieser frühen Stunden paßte, ein Geräusch von Sandalen, aus deren Sohlen bei jedem Schritt Wasser quoll. Ich öffnete die Zellentür und sah ihn: »Titus, Bruder ... anderthalb Jahre warst du fort!«

Ich entzündete eine Kerze, trat hinaus in den Gang, umarmte den verloren geglaubten Sohn, überschüttete ihn mit Willkommensküssen, die er still ertrug, und zog ihn in meine Zelle.

Er sah krank aus, krank und überanstrengt. Seine Augen schienen mir tränenlos zu weinen, in seiner Kutte hingen Moos und Schmutz.

Schließlich sagte er: »Ein weiter Weg, Bruder Agrippa, nicht in Schritten, wohl aber in Gedanken ...«

»Erzähl, erzähl, erleichtre deine Seele!«

Ich gestehe, es ging mir weniger darum, dem Titus Seelenerleichterung zu verschaffen, als meinen Hunger auf Neues zu befriedigen. In einem Stift geschieht oft über Wochen und Monate nichts, was der Erwähnung wert wäre. Ja, es gab Wochen, da war man gewissermaßen dankbar für die schwere Geburt einer Köhlerin oder ein verlorengegangenes Holzkohlefloß, weil sonst nichts das Einerlei der Tage durchbrach.

Titus sprach langsam, mit stockender Stimme: »Ich war da, wo der Acutissimus die Hölle wähnt ... in einem Land, wo sich all die versammelt haben, die sich nicht unter das Kreuz beugen wollten.«

»Und ... ? Hast du dort Gottes Wort verkündigt, wie es dir Bruder Gelasius wohl aufgetragen hat?«

»Ich habe es versucht.«

»Wer es ernsthaft versucht, dem verleiht Gott auch die notwendige Kraft. Hast du es ernsthaft versucht?«

Titus ging nicht auf meine Frage ein. Er erzählte mit sparsam gesetzten Worten die Geschichte des Mannes, der in der Fremde sein Gastgeber gewesen war.

»Bruder Agrippa, ich bin müde, als wäre es die Müdigkeit auf den Tod, ich erbitte nicht mehr als ein paar Stunden Schlaf in deiner Zelle, denn meine mag ich nicht mehr betreten.«

Ich fürchtete schon, Titus würde mir entschlummern und mich, bis zum Hals in Neugier steckend, zurücklassen, als er mit monotoner Stimme fortfuhr: »Ich bin nur deinetwegen zurückgekommen, Agrippa. Bruder Alkuin oder Solanus würden mich nicht verstehen. Ich weiß nicht warum ... aber es liegt mir daran, daß du mich verstehst.«

Titus kämpfte einen kurzen Moment mit dem Schlaf, gab sich dann aber einen Ruck und erzählte mit leiser Stimme, auf der noch der Schorf vieler Wunden lag, Wunden, die man nicht sehen, aber hören konnte: »Der Mann, bei dem ich all die Monate, die ich fort war, lebte, heißt Bruns ...« Titus machte eine wohlbedachte Pause, denn trotz aller Müdigkeit hatte er lächelnd bemerkt, wie sehr mich der Name aufschreckte.

»Du vermutest richtig, Bruder Agrippa, der nämliche Bruns, der aus Honstede stammt, wenige Stunden die Seeve und die Schmale Aue stromaufwärts.«

»Du meinst den wüsten Heiden, den sie vor vielen Jahren aus dem Tal der Schmalen Aue verjagt haben?«

»Den nämlichen! Ich war erstaunt, ihn in der Fremde zu treffen, wo er trotz fortgeschrittenen Alters noch eine Familie gegründet hat und in Frieden lebt. In einem Frieden, den man ihm in Honstede nie gegönnt hatte.«

Einen Moment war ich im Zweifel, ob ich recht daran täte, mir diese mutmaßlich unfromme Geschichte anzuhören, aber meine Neugier war in diesem Moment um soviel größer als meine Tugend, wie bei tiefstehender Sonne der Schatten länger ist als der Kerl, der ihn wirft.

Vor dem Zellenfenster hatte der Regen wieder rauschend die Vorhänge dichtgezogen, selbst der nahe Wald war im Frühlicht nicht zu erkennen. Ich legte Titus die Hand auf die Schulter, damit er mir nicht an den Schlaf verlorenging, und er fuhr mit leiser werdender Stimme fort: »Als in Honstede an der Schmalen Aue die große Steinkirche eingesegnet wurde – das muß lange vor der Zeit gewesen sein, zu der du und ich nach Ramsolano kamen –, verlangte der Bischof von Bremen, kein anderer als der Heilige Ansgar, daß sich zur Feier des hohen Tages alle noch einmal taufen lassen sollten. Alle kamen, vermutlich zu allermeist wegen der weißen Leinenhemden, die zur Taufe verteilt wurden. Nur Bruns kam nicht.

Da eilte Ansgar zu seinem Hof und forderte ihn auf, sich zu Gott zu bekennen. Bruns aber stand unbewegt und deutete über sein Dinkelfeld: Schaut, heiliger Mann, der beste Dinkel weit und breit. Wenn das Feld zu trocken ist, bitte ich Wotan um Regen, wenn es zu naß ist, schickt Freya mir Sonne. So war es Jahr für Jahr. Warum sollte ich so treuen Göttern die Gefolgschaft aufkündigen?

Ansgar wurde ob dieser Rede sehr zornig und drohte, der Herr werde diesen Acker mit Disteln schlagen und verwüsten. Darauf erwiderte Bruns: Laß uns eine Probe machen. Für dieses Jahr opfere ich weiter den alten Göttern. Nächstes Jahr versuche ich es mit dem neuen Gott. Ansgar soll daraufhin gesagt haben, Gott lasse sich nicht versuchen. Aber dann ging er doch auf die Wette ein, denn allerlei Volks umstand die beiden.

Bruns opferte weiterhin den Heidengöttern, und er hatte die beste Ernte in Honstede an der Schmalen Aue. Seine Dinkelkörner waren doppelt so dick wie die seiner Nachbarn. Und mehr als das: Während die Vögel das Feld seines getauften Nachbarn übel heimsuchten, blieb seines gänzlich verschont. Da gab es das erste Mal ein großes Getuschel im Schatten der neuen Steinkirche.

Im folgenden Jahr sah man Bruns tatsächlich in dieser Kirche sein Haupt vor dem Altar neigen. Auch folgte er den christlichen Umzügen um die Felder und murmelte die Gebete, die ein Geistlicher vorsprach. Seine Ernte aber war in diesem Jahr mäßig, fast die schlechteste im Dorf. Die Disteln, die Ansgar für den Fall seiner Nicht-Bekehrung angedroht hatte, rückten nun gegen sein Getreide vor. Und ein übermäßiger Regen zur Erntezeit ließ viel Frucht auf dem Halm schwarz werden.

Im nächsten Jahr opferte Bruns wieder den alten Göttern. Alles gedieh aufs prächtigste. Bruns hatte Buchweizen gesät, und heran wuchs der prächtigste Buchweizen, den Honstede je gesehen hatte.«

Ich war drauf und dran, den Titus zu unterbrechen, aber er sprach nurmehr mit sehr schwacher Stimme, dem Einschlafen nahe, und ich hätte fürchten müssen, der schweigsame Bruder hätte mir die Fortsetzung der Geschichte vorenthalten, wenn ich ihn mit Fragen aufhielt.