Pater Spee - Anwalt der Hexen - Claus-Peter Lieckfeld - E-Book
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Pater Spee - Anwalt der Hexen E-Book

Claus-Peter Lieckfeld

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Beschreibung

Der Ursprung des Anti-Hexenhammers: Der historische Roman »Pater Spee – Anwalt der Hexen« von Claus-Peter Lieckfeld jetzt als eBook bei dotbooks. Niedersachsen, frühes 17. Jahrhundert. Noch immer muss die Bevölkerung sich vor den grausamen Hexenverbrennungen der Kirche fürchten. Entsetzt von dem Leid und dem Schrecken, den seine eigene Glaubensgemeinschaft im Land verbreitet, veröffentlicht der Jesuit Friedrich Spee schließlich ein anonymes Schreiben, in dem er sich deutlich gegen die willkürliche Folter und Hinrichtung von Menschen ausspricht. Rasend schnell verbreitet sich seine »Cautio Criminalis« im ganzen Land und immer mehr Menschen lehnen sich gegen die Grausamkeiten der Kirche auf. Doch schon bald wird Spee selbst zur Zielscheibe innerhalb seiner eigenen Reihen und muss um sein Leben fürchten … Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Pater Spee – Anwalt der Hexen« von Claus-Peter Lieckfeld wird alle Fans der Bestseller von Oliver Pötzsch begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 552

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Über dieses Buch:

Deutschland im 17. Jahrhundert: Pater Spee tritt gegen die Folter ein und prangert die Freveltaten der Hexenbrenner an. Doch durch seine kompromisslose Haltung bringt er auch seine Glaubensbrüder und die Mächtigen des Jesuitenordens gegen sich auf und kann nur knapp einem Mordanschlag entgehen.

Ein historischer Roman über einen der bedeutendsten Kritiker der Hexenprozesse: „Wer meint, unter der Folter etwas anderes zu hören als den Schrei gepeinigten Fleisches, der kennt weder Menschennatur noch die Gebote des Herrn. Geständnisse unter Feuer, mit Strick oder Wasser erpresst, sind ein großer Lug und ein schrecklicher Trug.“

Spannender als jedes Geschichtstraktat. Stern

Über den Autor:

Claus-Peter Lieckfeld, geboren 1948 und aufgewachsen in der Lüneburger Heide, ist Gründungsmitglied von Horst Sterns Umweltmagazin natur. Als freier Autor war er u.a. für das SZ-Magazin, GEO, Merian, Die Zeit und Die Woche tätig. Außerdem schrieb er Texte für Kabarett-Programme, u.a. für Scheibenwischer und für die Münchner Lach- und Schießgesellschaft.

***

eBook-Ausgabe Januar 2013

Dieses Buch erschien bereits 2011 unter dem Titel Anwalt der Hexen. Pater Spee … und der Mann, der ihn zweimal traf. Eine Reise in den Dreißigjährigen Krieg bei Vedra Verlag

Copyright © der Originalausgabe 2011 Vedra Verlag München, www.vedra.com

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

ISBN 978-3-95520-147-0

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Claus-Peter LieckfeldPater Spee – Anwalt der Hexen

Historischer Roman

dotbooks.

Für Gertrud vom Steinberg

Prolog

mit einem wohlgesetzten Lied, dessen Bedeutung sich erst aus dem Fortgang der Handlung erschließt

Die Löschkette war lang, gut dreihundert Mal die Spannweite eines Mannes. Alle Hände hatten nach den Lederbügeln der Eimer gefasst, selbst die von Gicht verkrümmten. Doch die allgemeine Erregung war zu groß; nur halbvolle Kübel mit Weserwasser erreichten den Glutherd. Der Rote Hahn reckte sich feurig fett gegen den Nachthimmel, krähte und schüttelte die Wasserspritzer aus seinem Gefieder.

Und dann waren hundert Stimmen zu einem einzigen Schrei geworden. Das Dach der Eberstein Burg – so hieß mit einiger Übertreibung der Wohnsitz Derer zu Eberstein – fiel in sich zusammen. Eine Feuerlohe stob in die Nacht, leckte über die Milchstraße und den sehr bleichen Mond, ehe sie sich bückte und am Boden fraß, was übrig war.

Es war, als atmete der Leibhaftige aus. Ein paar bange Minuten wollte es den Menschen sogar scheinen, als fange der Himmel über dem nahen Kloster Corvey Feuer. Aber der Himmel ist unbrennbar wie ein Gedanke.

Einige würden später bei ihrem Seelenheil schwören, sie hätten Gesichter in den Flammen gesehen. Aufsteigende Seelen. Oder waren es absteigende? Seelen auf Höllenfahrt? Da wollte sich niemand genau festlegen.

Das Wasser aus den Ledereimern konnte nichts bewirken. Wie denn auch? Keine echte Feuersbrunst verlässt nur halb gesättigt den Tisch. Nur an den Brandrändern hatte es ein wenig gezischelt: So als räuspere sich ein Drache, den die Angreifer in all ihrer Dürftigkeit eher beleidigen als bedrängen.

Schließlich, als das Wappenportal mit dem Halbrelief des springenden Ebers brennend vornüber klappte, stand ein Kinderschrei in der Luft, hell wie der Ton der kleinsten Orgelpfeife der Klosterkirche: »Da, da, ein Schwein auf dem Feuer!« Eine Mutter hielt dem Schreihals die Hand aufs Maul.

Das Knistern und Wummern nahm an Lautstärke noch zu, bis es die Schreie der Menschen gänzlich übertönte. Die Blätter der Eschen, die der Urahn des Gero zu Eberstein gepflanzt hatte, rollten sich ein, so als käme ein heißer Herbst im Juli. Die Nacht war voller Zeichen. Aus den Weiden unten am Fluss polterten Graureiher in die Nacht, mit kehligen Entsetzensschreien und ohne Orientierung.

Drei Feuerwehrmänner drängten mit feuchten Lederschurzen behängt gegen die Flammen vor. Sie waren nicht die ersten. Das Lumpengesindel aus den Wäldern hatte sich schon kurz zuvor in die Hitze vorgewagt. Brandblasen als Vorkasse für erhofften Raub hatten sie einkalkuliert.

Einen, der schon wegen Viehdiebstahls zwei Jahre im Roten Turm in Eisen gelegen hatte, fanden die drei Feuermänner gleich hinter dem ausgeglühten Eingangstor. Er lag auf dem Flusskiesel-Mosaik mit dem abgestürzten absonderlichen Wappentier: ein Eber, der über einen Stein springt, das Zeichen Derer zu Eberstein. Das Wappen war von Ruß übermalt, ja, fast geschwärzt.

Zwei qualmende Balken kreuzten die Brust des Toten. In dessen Gesicht lag – gänzlich unangemessen – so etwas wie Freude, vielleicht über den vergoldeten Kerzenständer, den seine Faust umspannte. Das Feuer hatte die bloßen Füße des Plünderers verkohlt, sich aber nicht die Zeit genommen, seinen Leib anzufressen. Der Brand hatte offenbar Wichtigeres zu tun, war gegen das Haupthaus vorgegangen, wo es mehr Holz zu fressen gab als in den Gesinderäumen.

Die drei Feuerwehrmänner hatten nur knappe Seitenblicke für den Toten unter dem Balkenkreuz: ein toller Hund, den der HERR auf frischer Tat abgestraft und niedergeschlagen hatte. Geschmeiß. Einer, den das Höllenfeuer, das Seinesgleichen versprochen ist, schon zu Lebzeiten ereilt hatte.

Als die Feuerwehrmänner – ein Töpfer, sein Geselle und ein Korbflechter von Corvey – das Schlafgemach des Herren zu Eberstein betraten (geblieben war davon nur ein Geviert aus hartgebackenem Lehm und schwarzem Weidengeflecht), fuhr ihnen das Grauen in die Kehlen. Der Korbflechter schlug die Hände vor die Augen und stolperte davon, schreiend. Später würde er sagen, er habe nicht geschrien, ES habe aus ihm geschrien.

Die anderen zwei – der Töpfer und sein Gesell – hielten stand, aber wohl nur deshalb, weil sie einander in gegenläufiger Fluchtbewegung auf der Stelle festrammten.

Mitten im ausgeglühten Geviert der ehemaligen Schlafkammer stand das Bett des Herren zu Eberstein, ein Bett, das mindestens dem Vernehmen nach jeder in Höxter und Corvey kannte, sollte es doch vor ein paar hundert Jahren einem Vogt des Großen Karl gehört haben: schwere, schwarze Mooreiche, reich verzierte Pfosten, Jagd- und Ernteszenen. Als Baldachin breitete ein geschnitzter, weiß getünchter Schwan seine Flügel aus. Die Eiche hatte dem Feuer wunderbarerweise getrotzt, doch aus dem weißen Schwan war ein schwarzer geworden. Ein Zeichen zweifellos. Noch eines.

An dem Bettpfosten, der dem ehemaligen Kammereingang am nächsten war, hing, aufrecht gefesselt, die halb verbrannte Gestalt des Herrn von Eberstein. Zwischen den Zähnen, gänzlich von den verbrannten Lippen entblößt, steckte ein Lumpen. Die Haare, die einmal lang und weiß waren, hatte die Glut bis auf den geschwärzten Schädel niedergesengt. Der Bart dagegen – nach französischer Mode an den Enden gezwirbelt – war zwar verkohlt, aber unbegreiflicherweise nicht abgefallen. Die Nase fehlte. Wo einmal die Augen waren, dampften zwei rotschwarze Löcher. Aus einem rann eine kochende, helle Flüssigkeit. Hirn.

Die Feuerwehrmänner, mehr schlecht als recht durch ihre dicken Lederschurze gegen die Glut geschützt, mühten sich die Eisenfesseln zu lösen, nachdem sie ihr Entsetzen nieder gekämpft hatten. Doch das Metall war heiß wie Schlacke in der Esse. Ein böser Geruch von verbranntem Fleisch sprang sie an. Und als sich einer ermannte, die Leiche mit einem feuchten, eigens herangezerrten Grobleinentuch zu bedecken, gab es Gezische und beißenden Rauch. Der Leichnam machte eine Bewegung, krümmte sich ein Stück tiefer in die Fesseln.

***

Ein fahrender Sänger, der sich Fidibus nannte, sang ein Lied davon. Er tat es am Tag nach dem Brand, als die Hitze in den Trümmern noch so groß war, dass man sich kaum auf zehn Mannslängen dem Brandherd nähern konnte. Des Sängers Lied war nicht von der rohen, kunstarmen Art der Stehgreiflieder, wie sie auf den Marktplätzen auf Zuruf der Menge hervortrieben wie Giersch nach einem warmen Regen. Es war wohlgesetzt. Man hätte sich also fragen müssen, ob es nicht bereits vor dem Brand erdacht und zusammengefügt worden war, was nur hätte heißen können, dass sein Dichter von den Schrecken dieser Nacht wusste, noch ehe sie geschehen waren.

Aber dieser bemerkenswerte und durchaus bemerkbare Umstand fiel im allgemeinen Gewimmer nicht auf. Erst als der Sänger mit der roten Feder und das Weib, das ihn begleitete, am darauf folgenden Abend verschwunden waren und man noch zwei andere Tote – gebunden und ertränkt im Sumpf vor der Stadt – gefunden hatte, dazu ein seltsames Eisenkreuz an ihrer Richtstätte, erst da stellte einer jene Frage, die lange nachhallte: Wie kann denn ein Sänger ohne jeden Zeitverzug ein Feuer besingen, das noch nicht einmal vollends gelöscht war, als die Verse zum ersten Mal erklangen? Und wie konnte sein Lied zwei Ertränkte beim Namen nennen, die, als ihre Namen gesungen wurden, noch nicht gefunden waren?

Weh weh! Vita brevis! Und Gott ballt die Faust.

Neiget die Häupter, ob rein, ob verlaust.

Beuget die Knie – ob mit Kot sie verschmieret

oder von Salomons Seide gezieret.

Kein Feuer war jemals zuvor und kein Schein

wie das Feuer am Leib Des zu Eberstein.

Und wer falsch Zeugnis schwört und spricht,

dem wird der Fluss zum Halsgericht:

Schmied Grell ertränkt an einem Stein

und auch die Wittep Winterlein

Das Lied prägte sich ein, und jeder sang es oder sprach im Geiste die Worte mit, wenn die Melodie erklang.

Nur wenige wagten indes auch den Kehrreim zu singen. Einer, der es gleichwohl tat (einer von kindlichem Gemüt, den sie im Ort den Greiner nannten), erging es übel. Man steckte ihn ins Loch bei fauligem Wasser und schimmligem Brot. Was der arme Tölpel in aller Unschuld gegrölt hatte, das hatten alle auf der Zunge, hüteten sich indes, es durch die Zähne entweichen zu lassen:

Das Feuer fraß den Eberstein,

gerechte Straf kann bitter sein.

1

Wie Friedrich Spee von Langenfeld beinahe vor der Zeit sein Leben beendigte, dieweil er voll guter Gedanken gen Woltorf ritt.

Der 29. April des Jahres 1629 hätte eigentlich der Todestag des Dichters, Geistlichen, Philosophen, Juristen und Humanisten Friedrich Spee von Langenfeld sein müssen. Aber er war es nicht.

Der Reiter, der noch vor Sonnenaufgang von Peine nach Woltorf aufgebrochen war, folgte zwei Leitsternen: Jesus von Nazareth, dem Begründer des Christentums, und Ignatius von Loyola, dem Begründer des Jesuitenordens.

Manche, die sich um Spee forschend bemüht haben, fanden es erwähnenswert, dass der gebürtige Rheinländer 100 Jahre nach dem Spanier Loyola zur Welt kam. Dass Spee davon gewusst hat, ist wahrscheinlich; dass er es bedeutsam fand, eher nicht. Zahlenmystik war ihm fast so zuwider wie falsch Zeugnis gegen Wehrlose und wie die Folter.

Friedrich Spee war Jesuit. Und es wird in jenen Tagen in dem vom Krieg zerfleischten Europa niemanden gegeben haben, der es aus tieferem Herzen war.

Als der erste Sonnenstrahl das Zaumzeug traf, beschleunigte Spees Schimmel den Schritt, so als hätte er das Lichtzeichen verstanden. Ein zufälliges Zusammentreffen war das, aber ein schönes.

Spee liebte solche Koinzidenzen. Das Kind, das er gestern in der Hauptkirche zu Peine mit geweihtem Wasser besprenkelt hatte, begann just in dem Moment zu lächeln, als er das »Lasset die Kindlein zu mir kommen« sprach. Ein Zufall? Spee nahm’s als Geschenk des Augenblicks.

Und als ein Geschenk wollte es ihm gleichfalls erscheinen, dass sein Ross justament das Versmaß auf den Boden stampfte, das zu dem Gedicht passte. Zu jenem Gedicht, das ihn – allerdings erst Jahre später – überall im Reich berühmt machen sollte:

Trutz Nachtigall

Das reine Aug von Morgenröte

war nie so mild umflossen;

der Frühling nach der Winteröde

war nie so ausgegossen;

die weiße Brust, das Schwanenkleid

war nie so strahlend weiß;

der Sonnenpfeil war lange Zeit

nicht mehr so glänzend heiß.

Jetzt müsste nur noch Frau Nachtigall selbst singen, dachte Spee; die Stunde würde passen, die Jahreszeit allerdings nicht. Es war noch zu kühl an diesem Aprilmorgen. Reiher erhoben sich aus den Flutmulden, zu denen der Woltorfer Bach aufgestaut war. Die Fischer, die hier bei Sonnenaufgang ihre Reusen ziehen, werden sie aufgescheucht haben, dachte Spee.

Über einen Fischer hatte er am vergangenen Sonntag gepredigt, über den Heiligen Petrus, den Jesus zum Menschenfischer bestellt hatte. Die kleine Gemeinde von Woltorf bei Peine hatte ergriffen gelauscht. Einen Fisch und denjenigen, der ihn fängt, kann sich das Volk leicht vorstellen. Der Gottessohn hatte einen von ganz unten in seine Dienste genommen, ihn gar später den Fels genannt, auf dem er seine Kirchen bauen wollte. Einen Fischer! Keinen Kaiser, keinen Fürsten, keinen Kriegsherrn, keinen Tilly, keinen Manstein. Nein, einen aus dem Volk! Einen von ihnen. Ergo: Auf sein Volk, auf jene, die an ihn glauben, ist die Kirche gestellt.

Für die heutige Predigt fehlte Spee noch die Erleuchtung. Vielleicht würde sie ja mit der Sonnenscheibe kommen, die jetzt hinter Peines Stadtwald aufglühte. Immerhin, das Thema stand fest:

Dum spiro spero – solange ich atme, hoffe ich.

Kein Bibelwort zwar, aber ein gutes, eines das Spee in den Werken des Cicero gefunden hatte. Ein Wort, das ihm eine Predigt wert schien, besonders in diesen Tagen, in denen es wenig zu hoffen gab, in denen die Kriegsfurie blutige Striemen übers ganze Land riss. Hoffnung predigen und darin nicht nachlassen bis zum letzten Atemzug. Das war seine Bestimmung. Dum spiro spero – und sein Ross nickte dazu.

Er würde sich des Themas noch einmal in besonderer Weise annehmen – sicher nicht für diese Predigt vor schlichten Seelen, aber für später, für angenehme Stunden nach getanen Pflichten.

Dum spiro spero … Oh, wie wunderbar diese lateinische Kürze; sie ließ sich in der teutschen Sprache nicht nachbilden; auch war kein Stabreim greifbar, wie dieses gedoppelt hervorbrechende »sp«:

sp-iro … sp-ero.

… oder doch?

Vielleicht so? Ein Stabreim mit gehauchtem »h«?

Hoffen heiß mich Herr hienieden

solang ich Atem schöpfen kann.

Hoffnung sei der Welt beschieden

dem trauten Weib, dem treuen Mann.

Spee hob den Blick; es gibt Morgen, die durchsichtig sind, Morgen, durch die man auf den Grund schauen kann, auf das Wesentliche. Spee gab die Zügel frei, das Ross beschleunigte den Schritt und zeigte dabei eine gewisse Unruhe, die seinem Reiter nicht auffiel, war er doch bemüht, sich den Vers einzuprägen, der ihm gerade in den Sinn gekommen war. Ja… das könnte die formende Idee sein: … sp-iro … sp-ero … den lateinischen »sp«-Stabreim durch eine vierfachen »h«-Reihung nachempfinden: Hoffen heiß mich Herr hienieden. Und klang nicht ein vierfach gestoßenes »h« wie H-offnungsseufzer? Wie H-errlichkeit?

 … Dank Dir, Schöpfer, für diese Eingebung!

Das Schnauben des Rosses wurde lauter. Als Spee bemerkte, dass es nicht sein Pferd war, das schnaubte, war sein Leben fast schon verwirkt. Ein Mann auf einem lehmfarbenen Pferd, in ein seltsames Tuch gehüllt, war von spitz hinter ihm auf Pferdelänge aufgeritten. Spee dreht sich um und schaute in die Mündung einer Pistole.

 »Stirb ob deiner Schändlichkeit, Papist!«, hörte er, dann krachte ein Schuss.

Spee spürte einen Stoß und gleich darauf einen Schmerz an seinem linken Oberarm. Und während er versuchte, seinen Schimmel zu wenden, zog der Angreifer einen Degen.

Der Streich traf Spee am Hinterkopf, aber gemildert durch überhängendes Gezweig, durch das die Waffe fahren musste, eh sie zubeißen konnte. Spees Barett fiel ins Laub. »Halt ein, Gottloser!«, brüllte Spee als ein zweiter Degenhieb die Kruppe seines Pferdes traf.

Spees Pferd jagte davon, der Gottesmann fiel vornüber und klammert sich am Hals fest, fast besinnungslos, blutüberströmt, Gebetsfetzen stammelnd.

Das Ross kannte den Weg nach Woltorf. Panik, Schmerz und angeborener Fluchtdrang machten den Trotter zum Jagdpferd.

Vor dem Gotteshaus ließ sich Spee aus dem Sattel fallen und wankte durchs Kirchentor. Er schöpfte etwas Wasser aus dem Taufbecken, verdünnte damit den Blutstrom, der durch sein schwarzes Haar zur Nasenwurzel drängte, zwang sich zu einem aufrechten Gang.

Als die Gemeinde ihn erkannte, wurden Schreie laut. Spee drängte eine Frau zur Seite, die sich ihm mit hoch erhobenen Armen im Gang zwischen den Sitzreihen in den Weg stellte, so als wolle sie ihn auffangen. Mit dem unverletzten Arm zog er sich die Wendeltreppe zur Kanzel empor. Dum spiro spero … dum spiro spero … dum spiro …

Die Gemeinde bekreuzigte sich unentwegt. Ein Gemurmel von tonlosen Ave Marias und lutherischen »Sei bei mir, oh Gott« ging wie ein Windstoß durchs Kirchenschiff; nur die Frau, die ihn hatte aufhalten wollen, stieß laute Jammerschreie hervor und wurde schließlich vom Küster aus der Kirche gedrängt.

»Wir hören heute aus dem Evangelium vom Guten Hirten, der sein Leben gibt für die Schafe …«, hörte Spee sich sagen.

Unter ihm war es still. Fast still. Ab und an unterbrach ein leises Wimmern seine Predigt. » … also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn zum Zeichen und zum Opfer gab!«

Dum spiro spero … dum spiro spero … dum spiro …

»Wir singen das Lied des Tonmeisters Ulenberg ›Nun lobet Gott im hohen Thron‹ …«

Während die Gemeinde sang, mit brüchigen Stimmen und angstgequält, verlor Spee das Bewusstsein.

Das geschah um die neunte Stunde des 29. April im Jahre des HERRN 1629.

2

Wie Spee trotz arger Schmerzen an eine Begebenheit aus seiner Knabenzeit denken musste

Als Spee am Morgen des 1. Mai 1629 die Augen öffnete, hörte er die Worte: »Gelobt sei Jesus Christus!« Die Stimme war ihm vertraut. Vor ihm stand Bruder Valerius – rund, gütig, glücklich.

Doch das Bild des Valerius zitterte, verschwamm an den Rändern wie in einem halbblinden Spiegel; und als Spee versuchte, in dem vertrauten Gesicht zu lesen, spürte er einen starken Schmerz, der von seinem Kopf abwärts in seinen Leib sprang. Während er versuchte, dem Schmerz auszuweichen, indem er die Augen schloss, hörte er die gute Stimme des Bruder Valerius: »Nein, Bruder Fredericus! Nicht das Haupt bewegen, es hat so Arges hinnehmen müssen!«

Erst jetzt bemerkte Spee, dass sein Kopf ausstaffiert war wie nach der Sitte muselmanischer Turbanträger. Er betastete den Aufbau aus Leinen und spürte unverzüglich die Hand von Valerius auf seiner; und wieder war da dessen angenehme Stimme: »Noli tangere! Die Wunde ist verschorft. Schlaf du nur, geliebter Bruder, du bist in sicherer Obhut. Der Herr hat ein Wunder an dir gewirkt, ein großes, wahres Wunder; und er wird dir alsbald die alte Kraft zurückschenken. Schlaf du nur!«

»Was ist mit Tacitus?«

»Tacitus?«

»Mein Ross …«

Spee hörte die Antwort nicht mehr. Wie in einem sanften Fall durch sommerwarmes Wasser war er hinabgeglitten in die Schmerzfreiheit, zurück auch in eine Welt, die hinter ihm lag, zurück in die Rheinwiesen von Kaiserwerth des Jahres 1601. Eine vergangene Welt des Friedens war das, in der Rauch über den Wäldern nichts anderes bezeichnete als Köhlerfeuer, nicht brennende Dörfer und marodierende Soldateska. Spee war zehn Jahre alt und die Sommerwärme machte ein vertrautes Geräusch, sie atmete.

… er spürte die warmen Nüstern des Schecken, und er hörte sich selbst leise die Worte flüstern. »Sei unbesorgt, gutes Tier. Der Fürstbischof Gebhard wird sich besinnen, er wird dir kein Leid antun!« Und das riesengroße Pferd, das in dem Maße groß war wie ein zehnjähriger Knabe klein, schnaubte, als hätte es verstanden.

Der Schecke hatte seinen Reiter, den Fürstbischof, abgeworfen, als der zur Jagd aufbrechen wollte; und das Pferd hatte recht daran getan, befand der Knabe Friedrich. Seine Fürstlichen Gnaden waren bekannt als schlechter Reiter, der sich im Sattel nicht anders zu behelfen wusste als durch blindwütiges Gestocher mit Sporen und durch Reißen am Zaum. Als er es wieder einmal allzu brutal getrieben hatte, entledigte sich der Schecke mit einem einzigen Bocksprung des Quälgeistes auf seinem Rücken.

Der Hochwürdigste Herr, jäh erniedrigt – und das auch noch vor honoriger Gesellschaft – hatte getobt, als hätte er eine Verschwörung gegen sich aufgedeckt, und dem Pferd, noch während er gestikulierend am Boden lag, den Metzger angedroht. Schon für den folgenden Tag.

Jung Friedrich hatte alles aus der Nähe erlebt, denn erstmals durfte er seinen Vater, den Burgvogt Pater Spee, zum Marstall des adeligen Kirchenmannes begleiten, von wo aus die Jagdgesellschaften ihren Anfang nahmen. Friedrich erschrak, als er das Todesurteil gegen das Pferd vernahm. Er erschrak umso mehr als er fest davon überzeugt war, dass ein verständiges Tier begreifen würde, was sein Schicksal sein sollte.

Der Knabe Friedrich hatte sich sodann, nach Ende der Jagd, in den fürstbischöflichen Stall gestohlen. Er fand den Schecken kurz geleint wie einen Verbrecher, verfiel bei diesem Anblick erst in heftiges Weinen und flüsterte dem Pferd dann tröstende Worte zu. »Sie werden kein braves Pferd erschlagen. Nicht du hast gefehlt. Seine Hochfürstliche Gnaden reitet so wie er die Leute kujoniert. Er hat eine zu harte Hand für die Menschen, sagt Vater, und für die Tiere auch. «

Doch als er am Morgen darauf die Stallbucht des Schecken leer fand, lief er schreiend die Gasse hinab, stürzte, fiel mit dem Gesicht in dampfende Pferdeäpfel: Das war das Letzte, was der Schecke des Fürstbischofs zurückgelassen hatte. Und er schrie: »Haltet ein, das Pferd ist unschuldig …«

»…aber gewiss doch Bruder Fredericus, unschuldig, völlig unschuldig. Schlaf nur weiter. Schlaf heilt. Der HERR hat gewollt, dass du lebst!« Valerius sprengte geweihtes Wasser auf Spees Krankenlager und murmelte das Heil- und Fürsorgegebet des Heiligen Augustus: »Pater in coelis … gib milden Segen uns hienieden …« Als ihm Spees ruhiger Atem verriet, dass er in die Gefilde der Schmerzfreiheit zurück geglitten war, ließ Valerius seinen schweren Leib in ein Sitzmöbel fallen und seufzte. »Oh Vater im Himmel, mach aus einem halben Wunder ein ganzes!« Er rieb sich die geröteten Augen und fixierte das Kreuz an der Stirnseite des Raumes. Der Christus – geschnitzt aus einem Rosenstock, der im Winter zur Christgeburt geblüht hatte – hing unbewegt. Nichts anderes hatte Valerius erwartet … oder doch vielleicht eine wundersam leichte Wendung des Hauptes, ein verständiges Lächeln?

Um die Stunde des ersten Abendläutens trat Bruder Ambrosius neben Valerius an Spees Krankenlager und flüsterte: »Du hast fast zwölf Stunden an seinem Lager gewacht, Bruder Valerius. Gib mir die Ehre, die nächsten Stunden den Schlaf des Bruder Friedrich zu bewachen.«

Valerius nickte, schlug noch einmal das Kreuz über dem schlafenden Spee, neigte sein Haupt vor dem Rosenholz-Christus über Spees Lagerstatt und wandte sich zum Gehen. Doch schon im Kreuzgang des Josephinums zu Hildesheim kehrte er um, winkte Ambrosius zu sich heran und flüsterte ihm zu: »Kein Wort über den Tod seines Rosses. Und wenn er fragt: Sein Tacitus ist wohlauf. In diesem Fall ist die Unwahrheit keine Lüge, sondern ein Gebot der Nächstenliebe!«

3

Wie der lutherische Pastor Kern – genannt der »Tolle Kern zu Peine« – seine Haut rettete, indem er seinen Arsch für sich Zeugnis ablegen ließ

Der gefesselte Mann richtete sich auf, soweit es die Stricke, die seinen Leib vielfach kreuzten, zuließen. Und als er anhob zu sprechen, hätte es jeden, der den Kern nicht kannte, verwundert, wie aus einem so schmächtigen Leib eine derart mächtige Stimme tönen konnte: »Ha, Ich kenne eure Lügengespinste! Wenn eine Elster einem Papisten aufs Haupt scheißt, war es eine lutherische Elster und muss deshalb gerupft werden. Die Lüge ist euer liebstes Kind. Und eure Münder sind Hinterteile, denn heraus kommt nur Afterrede.«

»Mäßige deine Zunge, Kern. Dieser Tage werden Zungen bei geringeren Anlässen aus dem Mund geschnitten.«

»Ich habe ein reines Gewissen. Und ich sage, was zu sagen ist. SO WAHR MIR GOTT HELFE!«

»Ob Gott dir helfen wird, wirst nicht du entscheiden.«

Der kleine, weißhaarige Mann, dem ein grober Kerl die Arme höchst unkomfortabel auf den Rücken gebunden hatte, riss die Augen weit auf und starrte seinem Inquisitor ins Gesicht.

Der lächelte. Es war ein fein ziseliertes Lächeln, das Lächeln eines Geistes, der sich in unzähligen Disputationen ertüchtigt hatte, ein Lächeln, das sich ebenmäßig und in vielen kleinen Linien auf ein altersschönes Gesicht legte: »In der Societas Jesu lernen wir genau zuzuhören, besonders denen, die wir mit geistigen Waffen zu schlagen gedenken.«

»Geistige Waffen, hö! Mich habt Ihr binden lassen wie einen Schlachthammel? Geistige Waffen nennt Ihr das?«

»Ich kenne niemanden in Peine und im ganzen Hildesheimer Land, der verwerflichere Reden gegen das Wiederaufrichten des wahren Glaubens geführt hat als Ihr. Und gegen den hochwürdigen Pater Spee habt Ihr in besonderer Weise mit Worten gewütet, ganz im Geiste des Grobians zu Wittenberg. Du kannst von Glück sagen …« (der Wechsel von respektvoller Anrede zu abfälliger Direktheit kam jäh) »…dass dir deine Worte nicht mit einem brennenden Lumpen zurück ins Maul gestopft worden sind.«

»Bravo! Jetzt passt es besser. Zurück ins Maul stecken … So recht nach Art der katholischen Liga. So spricht Tilly, der katholische Höllenhund und Städteverwüster! Der Frauenschänder und Kinderschlächter von Minden an der Weser! Nur weiter so!«

»Tillys Winterquartier in Peine war ohne Frage das rücksichtsvollste, das dieser böse Krieg bisher gesehen hat. Gewütet haben hier die Dänen, die Tilly mit Hilfe des Allerhöchsten ausgehoben hat. Graf Tilly hat seine Soldaten vergattert, kein Fremdeigentum zu berühren, ja er hat den Zuwiderhandlern mit dem Galgen gedroht. Und er hat es nicht mit dem Drohen bewenden lassen. Selbst euer Kaplan, der Jordan Unverzagt, dann der Rektor Bartholomäus Zillichius, ein evangelischer Eiferer deines Schlages, und schließlich auch der Konrektor Wehrmann, ein Irrgläubiger, jedoch im Gegensatz zu dir ein sehr besonnener Mann_ diese Drei haben öffentlich bekannt, dass Tilly sie in all den Monaten, die er hier Quartier hatte, in Glaubensdingen nicht bedrängt hat.«

»Ich weiß von anderen Dingen.«

»Was immer du weißt oder vermeinst zu wissen, du solltest zuvörderst wissen, dass es gut für dich ist, uns deine Unschuld zu beweisen oder deine Schuld zu bekennen.«

»Was immer ich vorbringe, ihr wollt und ihr werdet mich töten. Ich weiß, dass eurem Kurfürst Ferdinand – der bekanntlich meint, noch sein Speichel und sein Leibwasser seien das reinste Weihwasser – ich weiß, dass diesem Grobian das Ausbrennen von Luthers Lehre hier in Peine zu langsam geschieht. Und so verlangt er Exempel, dieser entlaufene Bayer, der seinen breiten Hintern lieber auf seinem Lieblingsthron in Köln belassen hätte als das Braunschweigerland zu malträtieren.«

»Du bist nicht des Todes, wenn du deine Unschuld beweisen kannst, Kern.«

»Wer hat mich verdächtigt?«

»Du selbst hast dich verdächtig gemacht. Du hast den hochwürdigen Fredericus Spee, den wunderbarsten, mildesten Diener des HERRN, öffentlich Otterngezücht genannt und einen Hetzer mit gespaltener Zunge.«

»Und ich würde es wieder tun.«

Der Inquisitor strich mit sehr langen, weißen Fingern über sein Gewand. Als er abermals zu sprechen anhob, klirrte Eis in seiner Stimme: »So höre mir zu, Kern! Ich beabsichtige nicht, mit einem Vertreter lutherischer Irrlehren und Ketzerei einen Disput zu führen. Sag mir, wo du am Morgen des jüngst vergangenen Sonntages warst, und nenne mir Zeugen! Katholische Zeugen.«

»Ich spreche nur als freier Mann. Lasst mir die Fesseln abnehmen.«

Der Inquisitor machte einen Wink mit den Augen, ein grober Kerl trat aus dem Halbdunkel der Arrestzelle und nahm dem kleinen Mann die Fesseln ab, er tat es mit ungeschlachten Bewegungen, so dass der Kälberstrick hässlich in die Haut des Gefangenen schnitt.

Der Gefangene senkte die Stimme. Hatte sie eben noch nach prasselndem Feuer geklungen, klang sie jetzt wie ruhiger Sprechgesang: »Fredericus Spee, den Ihr einen milden Diener Gottes zu nennen beliebt, hat nach der Übernahme Peines durch die Papist … durch Euch Katholische darauf hingewirkt, dass alle, die nicht abschwören, Haus und Besitz verkaufen müssen. Ihr wisst das sehr wohl. Und da ihr … ihr Vertreter der einzig wahren Lehre … so gern zitiert, sage ich es mit den Worten eures milden Fredericus Spee, so wie er sie zu Papier gebracht hat:

»Die Anweisung, ihre Güter abzutreten, wird die Lutherischen in Schrecken versetzen. Entweder wird ihr Wille gebrochen und sie bekehrt oder nicht. Wird der Wille jedoch nicht gebrochen, so ist ihre Hartnäckigkeit bewiesen, denn sonst hätte ein solcher Schlag sie weich gemacht. Solche Leute sind einer milden Hand nicht würdig. Ihre Besitzungen dürfen nur an Rechtgläubige veräußert werden. All das geschehe non sine salubri terrore – nicht ohne heilsamen Terror.«

Wie nanntet Ihr doch diesen Euren Spee? … einen milden Diener Gottes?«

»Immerhin, du hast Spees Worte auswendig gelernt. Vielleicht sollte ich das als ersten Schritt zur Einsicht werten?«

»Ich kann auch die Worte auswendig, die der Satan dem Gottessohn in der Wüste sagte, als er ihn versuchen wollte. Oder die Worte des Pontius Pilatus, mit denen er den Erlöser seinen Henkern überantwortete. Euer sauberer Spee hat dazu aufgerufen, brave Menschen, Christen allzumal, auszutreiben wie Vieh aus den Ställen.«

»Dir wird vielleicht bekannt sein, dass ihr Lutherischen, überall wo ihr die Oberhand habt, das härteste Vorgehen gegen die Calvinischen exerzieren lasst, obgleich die doch eure Verbündeten gegen den wahren Glauben sind. Ihr Lutherischen habt die Calvinischen aus Oldenburg verjagt. Und das geschah – doch sehr im Gegensatz zu eurer jetzigen Lage in Peine – zur Gänze ohne die Möglichkeit für die Vertriebenen, vorher Hab und Gut zu veräußern. Eine arge Rohheit, zumal wenn man bedenkt, dass die Calvinischen ihren Wohlstand als direkten Gnadenerweis Gottes erachten.«

»Durch dererlei Fingerzeige – sie mögen wahr sein oder nicht – verringert ihr eure Schuld hier in Peine um kein Jota. Euer Fürstbischof Ferdinand von Bayern mag eine Zierde des Hildesheimer Bischofsstuhls sein, uns rechtschaffenen Leuten aber hat er wenig Gutes beschert. Und sein schärfster Hund, euer Spee, verlangte zwar nicht unser Leben, aber er nimmt uns das, was ein Leben braucht, um wachsen zu können. Ein festes Haus.«

»Und um dich zu rächen, hast du dir ein Pferd geborgt, hast dir Degen und Pistole besorgt, um ihn zu morden. Was Gott verhindert hat.«

»Ich bin ein Mann des Wortes. Ich töte niemanden. Auch nicht den Mann, der mich von der Kanzel gestoßen hat, von der Kanzel, auf die mich Gott gestellt hat.«

»Wo also warst du vergangenen Sonntag in den frühen Morgenstunden?«

»In dem Haus, in dem die Kerns seit vier Generationen leben, in dem Haus, das bis vor wenigen Wochen das meine war, und das – nicht zum Wenigsten durch Spees heftige Rede – zu einem schändlichen Preis zwangsverkauft wurde. An den allerkatholischsten Stellmacher nördlich von Rom, der indes barmherzig genug war, mich und die meinen noch auf kurze Frist wohnen zu lassen.«

»In deinem Fall eine unverdiente Barmherzigkeit, will mir scheinen. Wir haben im Übrigen den Stellmacher befragt. Er kann dir kein Zeugnis geben. Er weilte nicht in der Stadt. als nach Spees Leben gegriffen wurde. Wer also kann bezeugen, dass du dem Pater Spee nicht aufgelauert hast, um ihn zu meucheln? Einen Zeugen, Kern, nenne einen Zeugen!«

»Mein Arsch ist mein Zeuge.«

Der Inquisitor verzog das Gesicht als hätte ihn aus heiterem Himmel ein April-Hagelkorn getroffen; dann nickte er dem groben Kerl zu, der sogleich den Kälberstrick packte.

»Haltet ein! Wie sagtet ihr Jesuiten noch gleich: In der Societas Jesu lernt ihr genau zuzuhören. Lernt ihr auch genau hinzuschauen? So schaue denn hin, Hoch…wür…den!«

Der kleine Mann, den die Evangelischen respektvoll und die Katholischen verächtlich den »Tollen Kern zu Peine« nannten, begann sein Beinkleid herab zu ziehen. Dann drehte er dem Inquisitor seine Kehrseite zu.

»Wenn Ihr meint, dass ein Mensch mit diesem Furunculus auf einem Pferd sitzen kann, ohne vor Schmerz in einem fort zu schreien, dann sagt es mir!«

Der Inquisitor hüstelte und schlug ein sehr flüchtiges Kreuz, dann schnaufte er mehr als dass er sprach: »Dies scheint mir eine angemessene Strafe für die Verbreitung lutherischer Irrlehren zu sein. Andererseits sprechen diese blutigen Zeichen in der Tat für dich. Auch ein mit Irrtum geschlagenes, faulendes Fleisch ist nicht unempfindlich gegen Schmerz. Geh mir aus den Augen!«

4

Wie der Tolle Kern, dessen Unerschrockenheit weithin gerühmt wurde, einmal sehr erschrak

»›Fürchtet euch nicht, denn siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende‹ So spricht unser Herr Jesus, der große Erbarmer. Schaut her, schaut auf mich!«

Pastor Gotthelf Kern reckte beide Arme gegen die rauchschwarze Bohlendecke; und voller Wohlgefallen bemerkte er, dass die Angst in den Gesichtern seiner Zuhörer einer gespannten Aufmerksamkeit gewichen war.

»Seht ihr die Male an meinen Handgelenken? Sie haben mich gebunden wie Vieh. Sie wollten mich brechen. Ich aber habe mich an die Worte des Doktor Martinus erinnert, der in Worms den Papisten standgehalten hat und die Wahrheit nicht widerrufen hat.« (Die näheren Umstände seiner Beweisführung verschwieg Kern aus didaktischen Gründen.) »Gott liebt die Wahrheit. Und weil er die Lüge verabscheut, wird der Stern der Papisten sinken. Vom Himmel über Peine, über Hildesheimer, über Braunschweiger Land und dem ganzen Reich.

Ein neuer Stern wird aufgehen. Ich habe die Nachricht aus verlässlicher Quelle geschöpft. Ein Stern Bethlehems aus dem Norden, heller als die Sonne. Und alles römische Geräucher von Weihrauch und Lüge wird diesen Stern nicht verdunkeln können.

So spricht der HERR: Wehe denen, die nicht hören wollen, sie werden’s bitter bereuen! Und ich sage euch, das Schwert ist schon geschmiedet, das Schwert, das die Lügenbrut niedermähen wird. Es steckt in der Scheide des großen Königs von Schweden…«

Die Gemeinde, die sich im Dachgeschoß des alten Tuchspeichers der Rothmanns versammelt hatte, hob die Köpfe. Da lag ein Versprechen in der Luft, etwas, von dem hie und da geraunt, aber wenig gewusst wurde. Aber ihr Verbindungsmann zu Gott, der Tolle Kern, schien Genaueres zu wissen.

»Sie haben uns unsere Häuser genommen, sie haben uns eine Frist gesetzt, innerhalb derer wir Peine verlassen müssen. Unsere Toten sind in dieser Erde begraben. Mein braves Weib, das mir drei Töchter gebar, liegt auf dem Gottesacker vor der Kirche, die unsere Kirche ist. Und auch eure lieben Toten ruhen in dieser Erde. Magda! … dein Sohn, der sich heimschleppte vom Schlachtfeld, den Tod im Leib, aber voll des Glückes, für die gerechte Sache des Herrn gestritten zu haben, und der in deinen Armen starb …« Ein lautes Aufschluchzen stand im Raum. Kern fuhr fort: »Hermann und Gertrude! Eure Tochter liegt hier, die sanfte Christina …«

Der Prediger machte eine Pause und ließ seine Blicke wandern, jedem vierten oder fünften Gemeindeglied nickte er zu – wissenden Blickes.

»Wir sollen sie zurücklassen, unsere Toten, auf dass die Papisten über unseren heiligen Gräbern ihr Wasser abschlagen oder schlimmer, ihre gottfernen Rituale vollziehen, mitgetragene Bilder anbeten, mit Weihrauchnebel den Blick zu Gott verhängen, zu Menschen beten, statt zur Heiligen Dreieinigkeit? … Weswegen gerät uns all das zu solch fürchterlicher Bedrängnis?« Kern ließ die Frage wie ein erhobenes Richtschwert eine Weile in der Luft stehen, ehe er die Antwort herabsausen ließ: »Weil wir nicht zum falschen Kreuz kriechen, nicht zu dem Kreuz, das der Mann in Händen hält, der frech behauptet, Gottes Stellvertreter auf Erden zu sein. Der Teufel mit der Tiara. Dieser gotteslästerlichen, fetten Krone, durch die doch nur die göttliche Dreifaltigkeit verhöhnt wird. Welch blutiger Witz! Weiß doch ein jeder, dass sich die Huren im Vatikan die Türklinken in die Hand geben! Pfeifen es doch die Ratten aus den Löchern, dass von dem Geld und Gut, das in unserem geschundenen Vaterland zusammengeraubt wird, der Löwenanteil nach Rom gekarrt wird? Wo es verprasst und verschleudert wird. Die Hure Babylon haust nicht am Euphrat, sie haust am Tiber!«

»Fluch den Papisten! Gott stärke den rechten Glauben!« erklang es aus der Mitte der zusammengedrängten Gestalten. »Nieder mit Rom!«

»Dämpft eure Stimmen, Brüder und Schwestern! Wir dürfen ihnen keine Vorwände liefern. Denkt daran, wenn ihr dies Haus verlasst: Nicht mehr als drei zurzeit. Seid voller Hoffnung. Rom ist schon einmal untergegangen, und es wird erneut untergehen. Und ein Stern wird aufgehen gen Mitternacht.

Uns haben die Papisten aus unseren Kirchen vertrieben; und doch werden sie nicht siegen, das walte der Ewige im Himmel. In Bamberg folgte dem Anschlag der Papisten auf unsere heilige Sache die Pest. Das sollte Zeichen genug sein. Der alte Hinrich sah auch hier im Februar Pestvögel mit ihren tückischen Seidenschwänzen südwärts fliegen.

Seid also unverzagt, denn die Wahrheit ist unbesiegbar. Und wenn unsere Lippen dereinst erkalten, werden unsere Kinder und Kindeskinder sie weitersagen.«

Gotthelf Kern strich mit einer milden Geste über die Kinderköpfe in der ersten Reihe, ehe er fortfuhr: »Schaut in den Mai! Die Knospen sind prall, keiner kann es hindern, dass junge Blätter hervorbrechen. Und nun nehmt Gottes Segen. Wir treffen uns wieder an geheimem Ort, der euch am Tage zuvor bekannt gegeben wird.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Gehet hin im Frieden des HERRN!«

Der Raum leerte sich langsam. Jeder, der sich zum Gehen schickte, wurde von Kern umarmt, alle küsste er, und weil sich fast ein jeder herabbeugen musste, um die kleine Gestalt zu küssen, endete die Andacht mit zwei Dutzend Verbeugungen.

Schließlich war Kern allein. Erst in diesem Augenblick spürte er eine aufkommende Schwäche. Er ließ sie zu. Es war die Art von Schwäche, die einen Menschen erst dann ergreift, wenn er zuvor eine Weile über seine Kräfte hinaus Mut gezeigt hat.

Waren nicht die meisten Ratsherren – ach, diese Recken des gereinigten Glaubens, diese unerschütterlich Evangelischen! – schon abgezogen? Viele von ihnen ins sichere Braunschweig, nach Wolfenbüttel oder nach Celle? Und, schlimmer noch, hatten sich nicht viele, ach so viele, wieder den Papisten zugewandt? Ernsthaft oder nur zum Schein – wie manche dem Kern mit verhuschten Blicken versichert hatten.

Sicherlich, da war das großartige »Nein« gewesen, als Hunderte und Aberhunderte sich weigerten, unter Weihrauch zu beten und die Gotteshäuser mieden. Allerdings als sie mit Schwert und Pike in die römische Messe getrieben wurden, waren sie zu Kreuze gekrochen. Zum falschen Kreuz. Ach … man konnte von seiner Herde nichts erwarten, was auch ein Glaubensriese nur unter Anspannung äußerster Kräfte zu tun imstande war.

Als Gotthelf Kern aufschaute, war der Dachboden leer … fast. Einer war hocken geblieben. Als der sich nicht bewegte, richtete Kern das Wort an ihn: »Sohn meines liebsten Freundes unter den Sterblichen, du magst nicht gehen? Was bedrückt dich?«

»Ich habe gefehlt.«

Kern schaute in das Gesicht eines jungen Mannes, das von einem weizenblonden Bart und gleichfarbigem Haupthaar ebenmäßig umrahmt war. Er kannte dies Gesicht schon, als dessen Zahnleiste noch keinen Milchzahn trug. Eine Nacht hatte er am Bett des Knaben gebetet, als der Würgehusten den Vierjährigen zu ersticken drohte. Vor einigen Jahren noch sah er das erste Flaumhaar über dessen Lippe sprießen, als er ihn zur Konfirmation segnete. Später hatte er dem Vater des Jünglings, dem Tuchhändler Tobias Rothmann, gut zugeredet, den Siebzehnjährigen für ein, zwei Lehrjahre nach Genua zu schicken, dorthin, wo das beste Tuch aus aller Welt zu weiterem Verkauf angelandet wird. Schon vor vielen Wintern hatte er Erika Rothmann, die Frau des Tobias Rothmann, beerdigt. Und das späte Kind aus dieser Ehe, die minderjährige Meta, hatte er einer verlässlichen Amme anvertraut, nachdem die Mutter gegangen war. Es gab wenige Gesichter, die ihm gleichermaßen lieb und vertraut waren wie die der Rothmanns. Doch nun lag etwas Verstörtes auf dem Antlitz des Sohnes.

»Du hast gefehlt…? Aber du weißt doch, dass bei uns kein papistisches Beichtmöbel herumsteht, in dem lateinischer Hokuspokus gelispelt wird. Gott selbst ist unser Beichtvater. Mach es mit IHM im Gebet aus. ER wird dich erleichtern!«

»Ich habe gefehlt. Wenn auch nur knapp.«

Kern erschrak und zog den jungen Mann in den hintersten Winkel des Dachbodens: »Du hast … was …?«

Der junge Mann nickte, schwieg eine Weile, und als Kern noch immer nach Worten rang, sagte er: »Vater Kern, du sagtest uns doch, die Worte dieses vermaledeiten Spee spritzten Gift in die heiligen Wundmale unseres HERRN Jesu, und unser Herr Jesus selbst habe – der Christenheit zum Zeichen und zum immerwährenden Beispiel – der Giftschlange den Kopf zertreten.«

»Still, die Wände könnten Ohren haben. Nicht hier … wir treffen uns…«

Kern presste seine Lippen ans Ohr des Mannes, den er vor 19 Jahren in der Taufe dem HERRN anbefohlen hatte. Und dabei spürte er den eigenen Pulsschlag in seinen Lippen: »Ab jetzt kein Wort außer in mein Ohr!«

5

Wie Spee wieder zu Kräften kam und in wohlgesetzten Worten einen geistlichen Bruder seiner Wohlbeleibtheit zieh

Spee war seit zwei Tagen ohne Schmerzen. Erstmals seit Wochen hatte er dieses Gefühl ausgekostet, als er sich, ohne sogleich warnendes Pochen unter dem Schädel zu spüren, zu den Pfingstrosen im Klosterbeet niederbeugte.

Vielleicht ein neues Gedicht ?

Schaut an den Mai,

die Knospen prall sind aufgesprungen.

Lobt Gott, wohl tausendfach gesungen:

Es schlägt das Herz so hoch, so frei,

Trutz Nachtigall, welch süßer Schall

Dringt mir herüber allzumal,

als ob’s ein ewig Sommer sey.

In diesen späten Maitagen Anno Domini 1629, den Tagen seiner Wiedergeburt, wehten Spee unentwegt Reimpaare an, ohne dass er sie suchen musste; sie rieselten aus dem jungen Blattgrün, wurden von gelben Faltern von Blüte zu Blüte getragen, spiegelten sich im Teich vor dem Refektorium, das ein umsichtiger jesuitischer Bruder Baumeister als Notwasser und Löschteich für den Fall einer Feuersbrunst hatte anlegen lassen. Seidige Tage waren das, Tage der Auferstehung.

Wenn Spee den weißen Wolken nachschaute – und er tat es oft, gern und lange während seiner Rekonvaleszenz – schien ihm unwirklich, dass dieselben Wolken auch über Schlachtfelder zogen, über Siechenlager von Pestkranken, über brennende Scheiterhaufen, besteckt mit gemarterten Seelen. Kann denn der Himmel über so viel Schauerliches den Vorhang ziehen – mit weißem Wolkentuch? War nicht dieser Krieg, in dem noch jeder Mordbrenner beteuerte, Gott selbst trage seinem Heer die Streitfahne voran, war nicht das Hauen und Stechen ein einziger Beweis der Gottesferne?

Spee schüttelte sich.

Gottesferne auch nur zu denken, war infam. Er spürte SEINE Nähe mit jedem Atemzug. Gleichzeitig aber auch die Macht des Bösen. Konnte es sein, dass Gott dem Teufel sehr lange Leine gab, um die Guten zu prüfen? War die Kriegsfurie, die seit dem Achtzehnerjahr brüllend übers Land zog, eine Prüfung? Und falls ja,wie lange durfte solche Prüfung währen? Zehn Jahre? Zwanzig? Dreißig gar? Dreißig Jahre Krieg … das würde die biblischen Plagen klein erscheinen lassen. Was könnte dann noch Gerechtigkeit gelten, wenn so viele Unschuldige mit ihrem Leben für Ungerechtigkeiten zahlen, an denen sie nicht schuld sind?

Er war nur mehr zwei Jahre von seinem Vierzigsten entfernt. Und eine Winzigkeit, ein Zweig, der das niedersausende Mördereisen bremste, hatte bewirkt, dass er, Fredericus Spee, nicht schon in seinem achtunddreißigsten Jahr diese Welt hatte verlassen müssen. Ein Zweiglein nur. Ein Zweiglein ist ein gutes Bild…

Sind wir nicht Zweige im Gebäume,

Vom Wind gar heftiglichst bewegt?

Sind wir nicht nicht…

Ein Reim auf »Gebäume« lag nahe: »Träume«; aber wie sollte er die Träume benennen? Es war wichtig, sie als vom Schöpfer gesandte Träume vorzustellen. Blies doch zu viel abergläubisches Gewese dieser Tage die Backen und die Därme auf, um aus Träumen, die wohl eher aus einem Magen mit faulem Kohl aufstiegen, allerhand höhere Bedeutsamkeit entweichen zu sehen. Träume, so hatte er erfahren müssen, hatten sogar Beweiskraft in den schändlichen Hexenprozessen landauf, landab … gegen unschuldige Frauen und Männer.

Als Spee, nur noch zwei Schritte vom nächsten Reim entfernt, den Blick hob, stand Frater Valerius vor ihm. Er lachte mit den Augen. Spee lachte zurück: »Ich sehe, du bist guter Dinge, mein Valerius.«

»Ja, Bruder, keine größere Freude unter der Sonne, als dich gesunden zu sehen.«

»Es ist seltsam, wenn der Mensch dem Tod sehr nahe war, ist ihm das Leben wieder sehr viel näher.«

»Als du dem Tod sehr nahe warst … hast du da etwas gesehen … etwas von der anderen Welt?«

»Ja.«

»Darf ich es wissen?«

»Ich habe ein Licht gesehen, wie es auf Erden keines gibt.«

»So ist Gott … Licht?«

»Ich denke, dass ich das Licht gesehen habe, das IHN umgibt. ER selbst blieb unsichtbar.«

»Ich beneide dich.«

»Würdest du auch meine Schmerzen in Kauf nehmen, um einen Blick …?«

»Jeden vorstellbaren Schmerz, jeden!«

»Vorsicht Bruder, der Allmächtige könnte dich beim Wort nehmen.«

Nachdem die beiden Jesuiten eine Weile schweigend Runde um Runde um den Kloster-Feuerlöschteich gezogen hatten, nahm Valerius das Gespräch wieder auf: »Es ist nichts gefunden worden. Gegen den Tollen Kern gibt es keine Handhabe.«

»Ich selbst hätte ihn nie und nimmer verdächtigt. Er hasst mit Worten, nicht mit Taten.«

»Aber dem Hass der Taten gehen stets Worte voran.«

Spee nickte. Dem Nicken war indes nicht zu entnehmen, ob es Nachdenklichkeit oder Zustimmung bedeuten sollte.

Valerius hakte nach: »So weißt du auch sicher schon dieses: Es ist darauf verzichtet worden, den Kern … peinlich zu befragen.«

»Bei Gott, das ist wohlgetan. Du weißt, was ich von Geständnissen halte, die unter der Folter erzwungen werden. Bei allen Heiligen: Von den armen Frauen, die ich in Würzburg und Köln als Beichtiger zum Scheiterhaufen führen musste, deuchte mich keine schuldiger als du und ich es sind. Keine einzige, und es waren viele … viele … ach, bei Gott, es waren so viele!«

Spee presste die Hände an die Schläfen und schloss die Augen, neigte das Haupt, verweilte ein paar Herzschläge lang, ehe er sich zurückwandte: »Schau ins Wasser, dort … gleich vorn neben den Rohrkolben! Siehst du den Karpfen mit dem weißen Schimmel des Alters auf dem Rücken? Unter der Folter schwüre auch er, er habe nie im Leben seine Schnauze in Schlamm und Kot gesteckt.«

Valerius stierte auf den offenbar bedeutsamen Fisch – eine Fastenspeise, die ihm nicht behagte. Das Tier schien die Blicke zu spüren, jedenfalls wandte es sich mit trägem Flossenschlag der tieferen Teichmitte zu.

»Übrigens, Bruder Valerius. … hab ich dir schon erzählt, dass mir eine große Erweiterung meines ›Trutz Nachtigall-Zyklus‹ vorschwebt?«

Valerius warf in komischer Verzweiflung die Hände in die Luft: »Ha! Das ist Bruder Spee, wie er leibt und lebt. Sein Mörder läuft frei herum, und er denkt an nichts anderes als an …. Poeterey.«

»Schlösse die Allgegenwart von Mord die Möglichkeit von Poeterey aus, wäre nie auch nur eine Zeile gedichtet worden.«

Valerius nickte, blieb stehen, angestrengt auf eine Entgegnung sinnend; doch als er meinte, sie gefunden zu haben, schnitt ihm Spee das Wort ab: »Schau, die Wolken über uns, Valerius! Sie lächeln uns zu, doch wer weiß: Zum Abend hin, bevor die Nacht sie auflösen wird, überfliegt dies unschuldige Weiß vielleicht ein Schlachtfeld. Sollte mich das daran hindern, ihr Weiß jetzt und hier zu loben?

Wer weiß, wohin die Wolken reisen,

was weiß ihr Weiß von all den Waisen,

die niederwirft ein harter Stoß?

Bei Gott: Dies Weiß ist ahnungslos.

Sie gingen eine Weile schweigend, und als sie abermals die Stelle erreichten, von der aus der bedeutsame Karpfen verschwunden war, sagte Valerius: »Du hast Recht, Fredericus. Die Poesie muss unbefleckt bleiben, unbeschmutzt durch die Zeitenläufe. Du hast ja Recht. Aber warum schaust du mich so an … stimmt etwas nicht mit meinem Gewand?«

»Dein Gewand ist nach der vorgeschriebenen Art; jedoch dein Leib darunter wölbt sich zu stark. Wenn Gott uns nach seinem Bilde geschaffen hat – und das hat er doch ohne Zweifel getan – dann kann er nicht gewollt haben, dass wir fett werden wie die Gänse auf Martini.«

»Du meinst …?«

»Ich meine, es ist kein besonders gottgefälliges Exemplum, wenn das Volk vor verbrannter Ernte verhungert und die Geistlichkeit derweil vor vollen Tellern …«

»Ich weiß es, Bruder Fredericus, ich weiß es. Aber Fasten ist die härteste Prüfung.«

»Eben wolltest du noch jeden Schmerz ertragen, um das Licht Gottes in der anderen Welt zu sehen, und jetzt schreckt dich schon die Aussicht auf einen Teller, der nicht gefüllt ist? Aber ich will dich nicht tadeln, guter Valerius. Ich will dir nur zu deinem Besten raten. Wer mit zu schwerem Leib einhergeht, ist sich selbst eine Last.«

Valerius faltete die Hände vor dem Bauch und zog ein schmerzvolles Gesicht. Just da rief die Glocke zur Vesper. Spee lächelte: »Ecce! Die Versuchung meldet sich per Glockenschlag, Valerius!« Als er das verdutzte Gesicht seines Bruders im Herrn sah, musste er lachen. Die dadurch entstehende Erschütterung erzeugte einen kleinen Restschmerz im hinteren Teil seines Kopfes.

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