Der Nazarener und sein Analytiker - Paul - Bernhard Berghorn - E-Book

Der Nazarener und sein Analytiker E-Book

Paul-Bernhard Berghorn

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Beschreibung

In dieser Erzählung wird die Begnung von Sigmund Freud und Jesus von Nazareth imaginiert. Wissen, Analyse versus Glaube und Liebe. Ist Jesus ein "Fall" für den Analytiker oder ist es der Nazarener, der den Analytiker zu neuen Erkenntnissen Jenseits der Psychoanalyse führt? Ein fast atemlos gedankliches Feuerwerk, ein Schlagabtausch zweier Männer, die Pilatus` Frage: was ist Wahrheit? auf ihre Art zu beantworten versuchen. Ein scheinbar"alter Stoff", der hochaktuell ist.

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Über dieses Buch

In dieser Erzählung wird die Begegnung von Sigmund Freud mit Jesus von Nazareth imaginiert.

Wissen, Analyse versus Glaube und Liebe.

Ist Jesus ein „Fall“ für den Analytiker oder ist es der Nazarener, der den Analytiker zu neuen Erkenntnissen Jenseits der Psychoanalyse führt? Ein fast atemlos gedankliches Feuerwerk, ein Schlagabtausch zweier Männer, die Pilatus` Frage nach: was ist Wahrheit? auf ihre Art zu beantworten versuchen. –

Ein „alter Stoff“, der hochaktuell ist.

Der Autor

Paul - Bernhard Berghorn, ( D, 1957 )hier im Gespräch mit zwei Schriftstellern, Buenos Aires, Oktober 2018, wuchs in einer Musikerfamilie auf. Bereits während seiner Studienzeit in Köln veröffentlichte er Lyrik und Prosa. Er gilt als engagierter Essayist, nuancierter Lyriker und scharfzüngiger Aphoristiker. Seine erzählende Prosa ist dem magischen Realismus verwandt. Weiter publizierte er Reiseimpressionen, Kindergeschichten und Sachbücher u.a. über die Geschichte der Epilepsie. Berghorn war Präsident der Schweizer Pro Lyrica und arbeitet für Literaturzeitschriften. Er wohnt am Zürichsee.

Doch jeder tötet, was er liebt Der Feigling tötet mit einem Kuss Der Kühne greift zum Schwert.

Oscar WildeBallade vom Zuchthaus zu Reading

Der Nazarener und sein Analytiker

Wenn ich nicht für mich einstehe Wer wird dann für mich einstehen? Aber wenn ich nur für mich einstehe, Bin ich dann noch ich?

BABYLONISCHER TALMUT

„In Unschuld wasche ich meine Hände – man reiche mir Wasser!“ Ein Soldat mit einer Schale Wasser tritt vor Pontius Pilatus. Der Stadthalter von Judäa wäscht sich die Hände, wendet sich dann wieder der Menge und dem Verurteilten zu.

„Dein Urteil ist Dir verständlich, Du wirst nach römischem Gesetz gekreuzigt, auch wenn Du vor dem römischen Gesetz unschuldig bist! Doch die Hohen Priester hier“, Pilatus deutet auf eine Gruppe alter, bärtiger Männer„ diese haben Dich der Gotteslästerung beschuldigt – nach den Gesetzen Eurer Religion. Hast Du das verstanden?“

Der Verurteilte nickt stumm, doch ungerührt den Kopf hebend, seinen Blick auf den Stadthalter richtend spricht er nicht laut aber ohne Zittern in seiner Stimme, „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“

„Das beruhigt mich!“ lächelt Pilatus. „Nun,“ hebt er an, „wer noch zu sprechen wünscht, der rede jetzt!“

Da tritt ein alter, weissbärtiger Mann, mit tiefen Gesichtsfurchen aus der Menge hervor, tritt vor den Stadthalter, beugt das Knie und spricht „Grosser Pontius Pilatus, Stadthalter von...“

„Ich kenne meine Titel und weiss wo ich Prokurator bin,“ unterbricht ihn Pilatus, dreht sich zu dem Offizier um, der leicht hinter ihm steht, und meint „Warum sprechen sie in diesem Teil des römischen Imperiums stets so umständlich, es dauert und dauert – ach, wäre ich doch wieder im klaren Rom,“ dann sich wieder dem alten Mann zuwendend, „wie gesagt, ich kenne meine Titel, was willst Du uns sagen? Ohne Umwege! Direkt und römisch!“

Bei den letzten beiden Worten des Stadthalters gibt es Unruhe in der Volksmenge, die anwesenden Soldaten straffen ihre Körper, Ruhe setzt wieder ein. Die gellenden Stimmen des Volkes verstummen.

„Nun, alter Mann, was sprichst Du und wie ist Dein Name?“

„Mein Name, grosser Pilatus, heisst Sigmund.“

Der Stadthalter lacht laut auf, wendet sich an die Soldaten, „Nun, ihr römischen Soldaten, habt Ihr es vernommen? Sigmund sein Name – er siegt mit dem Mund! Wer wohl hat jemals eine Schlacht mit dem Mund gewonnen, je einen Feind mit dem Mund besiegt – Rom sicher nicht! Oder doch?“

Die Soldaten lassen ein lautes „Ha“ erschallen. Pilatus hebt die Hand, „Nun, Sigmund, Du Sieger mit dem Mund, sprich!“

„Grosser Römer, dieser Verurteilte ist gerichtet, da er sich als Sohn Gottes bezeichnet hat, er hat Gott gelästert und bezeichnet Gott als seinen Vater und er hat prophezeit, dass er am dritten Tage Auferstehen wird. Erhabener Richter, der Tod dieses Mannes ist sicher, gefordert von den Hohen Priestern unseres Glaubens, bestätigt durch die Macht Roms, doch gewähret mir eine Bitte, gebt mir sieben Tage mit ihm zu sprechen. Versuchen will ich, ihn von seinem Irrtum zu befreien, zu heilen. Was, edler Pontius Pilatus, sind sieben Tage für Rom, für das grosse, ewige Rom?“

Die Volksmenge schaut ungläubig, einige Lachen, andere schütteln den Kopf, wieder andere rufen: Kreuzige ihn, nicht rede mit ihm. Die römischen Soldaten schauen sich verwundert an, das haben sie noch nie erlebt, gleich, in welchem Teil des Imperiums sie Dienst taten.

Pilatus schaut überrascht auf den alten, vielleicht sechzig, oder mehr Jahre zählenden Mann, der immer noch mit gebeugtem Knie vor ihm auf dem Steinboden ausharrt. Unruhe mit Stille wechselt den Atem der heiss flirrenden Luft.

Pilatus, sich während der Worte des Sigmunds auf seine reich verzierte marmorne Bank setzend, hat seinen Kopf in die Hand gestützt, schaut auf Sigmund, auf die verwirrte Volksmenge, dann, als würde er mehr zu sich selbst als zu dem Manne sprechen „Du bist reich an Jahren, Deine Augen künden von Wissen, also wirst Du hier im Angesicht des Vertreters Roms, vor den Augen der Hohen Priester, die Deine Religion repräsentieren, vor den wohlgeschulten, sehr kampferprobten römischen Soldaten, kein Spiel mit mir, mit Dir treiben!“

„Nein, erhabener Prokurator. Mein Alter ist zu fortgeschritten für solche Spiele. Sollte ich ihn nicht heilen, so kannst Du mich verbannen an jeden Ort Eures grossen Imperiums.“

„Du bist wagemutig! Warum willst Du ihn retten – denn das strebst Du doch an, oder?“

„ Ich will ihn befreien!“

„Wovon?“

„Von seinem... –“

„Ja?“

„Von seinem Irrtum Gottes Sohn zu sein!“

„Nun, wenn er jetzt gekreuzigt wird, Sieger des Mundes, so stirbt doch mit ihm der Gedanke, er sei Gott, oder Gottes Sohn. Heilst Du ihn aber, wie Du selbst es sagtest, so stirbt er nur als Mensch, in vielleicht fernen Jahren, nicht aber als Verbrecher, ich müsste also das Urteil aufheben, und dies müsste vom römischen Senat bestätigt werden. Du erkennst, was Du von mir, von Rom verlangst?“

Geschrei in der Volksmenge, Tumult bereitet sich vor, heftiges Gestikulieren in der Gruppe der Hohen Priester, Kaiphas geifert, die römischen Soldaten formieren sich.

„Nun,“ Pilatus hat sich von seiner Bank erhoben, geht einige Schritte „ nun, das grosse Passahfest steht bevor und Rom ist bekannt für seine Toleranz, für die Weisheit unserer Senatoren, unseres Kaisers Tiberius – nun, wer das Unmögliche fordert, dem Unwahrscheinlichsten sich stellt, einem solchen Manne und Bürger Judäas, wird Rom, werde ich mich nicht entgegenstellen. Dir sei die Bitte gewährt! Jedoch nicht sieben Tage, sondern drei Tage, denn am dritten Tage, so sagte er selbst, wolle er Auferstehen. – Doch“, er hebt beide Hände empor und wendet sich nun an den Verurteilten, „Nazarener, willst Du – Sohn Gottes – gerettet werden von diesem alten Mann? Hat ein Sohn Gottes – dem Einzigen, wie ihr glaubt, hat er es nötig gerettet zu werden? König des Reiches, das nicht von dieser Welt ist!?“

Der Nazarener schaut den Stadthalter an, dann geht er auf Sigmund zu, der immer noch mit gebeugtem Knie auf hartem Stein vor Pilatus harrt, hilft ihm auf, was Sigmund sichtlich schmerzend schwer fällt. Die Volksmenge hält den Atem an. Eine Gruppe von zwölf Soldaten läuft auf die zwei Männer zu, umstellt sie, die Lanzen auf sie gerichtet.

„Ich sage, wenn ich es sage, wann er sich erhebt, doch wahr ist auch, Du, verurteilter Nazarener, hast Mut und Du, Alter, bist kühn! Doch was wäre Rom, wenn es nicht Mut und Kühnheit zu schätzen wisse.– So sei es! Eskortiert den alten Mann und den verurteilten Nazarener zum Hause dieses Mannes, drei Tage und keine Stunde länger, von dieser Stunde an gerechnet, und Du“, der Prokurator wendet sich an den Offizier der hinter ihm steht, „Du Marco, bist verantwortlich für die Eskorte, dafür, dass der Nazarener nicht entkommt,“ und wieder mehr zu sich als zu seinem Offizier sprechend „Ich traue diesem Manne, diesem Volke nicht! Warum nur musste Tiberius mich in diesen staubigen, sandigen Winkel des Imperiums versetzen lassen, beim Jupiter, warum? Und diese Hitze hier!“

Das herumstehende Volk wirkt plötzlich verloren, weiss nicht, wie es das Gesagte des Stadthalters verstehen soll. Diese Römer sind seltsam. Einige aus der Menge kennen den alten Mann, wunderlich soll er sein, in seinem Haus am Rande der Stadt, er lese viel, sei ohne Frau, ohne Kinder! –

Die Eskorte begleitet den Verurteilten und Sigmund zu seinem Haus.

Es ist eine einfache, schlichte Behausung, mehr Hütte als Haus, doch geräumig genug für einen allein lebenden Mann, der wohl ausser seinen Schriftrollen keine anderen Wünsche zu haben scheint. Als sie die Wohnstätte erreichen, öffnete ihnen ein grosser, hagerer Mann mit mürrischem Gesichtsausdruck, dem die Jahre seines Lebens anzusehen sind. Es sind nicht die Jahre des Alters die sein Gesicht zeichnen, versteckend hinter einem struppig-grauen Bart.

„Dies ist Markus, mein Sklave, lass Dich nicht verwirren durch sein abweisendes Verhalten – ich habe ihn noch nie lachen gesehen,“ erklärt Sigmund seinem Gast.

„Warum sollte mich ein mürrisches Wesen verwirren?“ sprach Jesus und wandte sich an den Sklaven, der fast feindlich auf den – für ihn unwillkommenen – Gast schaute. “Sag Markus, bist Du ein guter Sklave?“

„Bin ich auch mürrisch, so bin ich doch ehrlich – und die Gastfreundschaft verbietet, Dich nicht willkommen zu heissen im Hause meines Herrn“, gab Markus in abgehakten Worten zurück ohne jedoch den Gast dabei anzuschauen.