ZWISCHENRUF - Paul-Bernhard Berghorn - E-Book

ZWISCHENRUF E-Book

Paul-Bernhard Berghorn

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Beschreibung

Pointiert wie einfalls- und kenntnisreich nimmt Berghorn zu den (vernachlässigten) Themen der Zeit Stellung. Seine analytischen Sichtweisen sind ebenso überraschend wie provozierend seine Schlussfolgerungen. Es sind engagierte Essays die sich nicht nur im Fragen erschöpfen, sondern Antworten geben, gepaart mit distanzierter Ironie und einer lebendig-klaren Sprache. Der Titel seiner Essays ZWISCHENRUF ist "Program" : "Sich mehr einbringen, mehr innehalten, mehr dazwischen rufen", so der Autor.

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Was wir das Vollendete in der Kunst nennen,

bringt nur von neuem das Unvollendete in Gang.

Ingeborg Bachmann

Es ist nicht wenig Zeit, was wir haben,

sondern es ist viel, was wir nicht nützen.

Seneca

Vielwiesserei bringt noch keinen Verstand

Heraklit

INHALT

Wie man geistig Slalom fährt oder über die Seele

Diesen Kuss der ganzen Welt

Liebesleben mit dem Computer oder warum die Leidenschaft am Monitor

Blitzlichter der Liebe? Irrtümer der Liebe!

Das Recht des Menschen! - Menschenrecht?

Mephistos letzter Brief

Geburtstage

Reflexion über das Alter und seine gesellschaftliche Bedeutung

Zeit und Krankheit

Über die Müdigkeit

Über den Fluch, dass wir ja bezahlt werden, oder die Macht des Kunden?

Weltbilder - Menschenbilder

Künstlerskizzen

Wo liegt der archimedische Punkt?

Die sehende Blindheit oder das Scheitern

Geduld ist der Schlüssel zur Freude

Zwischenruf

Flucht vor Heimatlosigkeit - Die Stunde der verlorenen

Sandkorn im Universum

Zeit fürs Wesentliche

Fragmentarische Gedanken zur Kunst

Bücher des Autors im ARTE-PURA VERLAG

Der Autor P.B. Berghorn

Wie man geistig Slalom fährt oder über die Seele

Über die Seele wird viel geschrieben, publiziert, diskutiert, einfach: zu viel!

Niemand hat sie gesehen, gespürt, das Organ, welches sie beinhaltet ist nach wie vor unbekannt. Aber ein Jeder hat sie- so wird behauptet- (das ist doch unwissenschaftlich bis in die Knochen, wie schaffen die Psychiater es nur mit dem Nichts so virtuos umgehen zu können? Bewundernswert!).

Also, wenn dem so ist wie oben gedacht, dürfen- nein MÜSSEN Zweifel erlaubt sein. Hat wirklich jeder Mensch eine Seele, so wie jeder Mensch - angeblich – ein Gewissen hat?

Da haben wir schon das Malheur, kaum versucht man einen Begriff zu klären, kommt schon prompt der nächste hinzu, der den vorherigen irgendwie disharmoniert und so das ganze schöne Gedankengebäude eine Schieflage erhält.-

Also beginnen wir noch mal: jeder Mensch hat eine Seele, STOP: stimmt nicht, bei der einen Religion ja, bei einer anderen haben interessanterweise nur die Männer eine Seele, Frauen nicht! Also hat Seele was mit Religion zu tun - oder mit dem Geschlecht etwa? Das macht die Sache nicht gerade durchsichtig, sondern erzeugt Nebel. Ein Schiff im Nebel hofft trotz elektronischer Navigation inständig (also der Kapitän hofft nicht das Schiff), dass es nicht mit einem anderen Schiff kollidiert- und trotzdem passiert es immer wieder, sogar auf Flüssen!! Die Philosophen und Ethiker navigieren da in einem Nebel, den sie auch noch selbst verursacht haben, (und wo jedes noch so hochmoderne Navigationssystem versagen würde) das Ganze bezeichnet die Sozialwissenschaft dann als Kultur.-

Wenn also die einen sozusagen seelisch gleichberechtigt sind und die anderen nicht, können wir also über die Seele als Seele noch gar nicht nachdenken, denn wir müssen erst klären wer denn nun recht hat mit dem kategorischen Imperativ: Jeder Mensch hat eine Seele, genauer gesprochen es muss gefragt werden, ob auch alle Menschen seelenberechtigt sind! (kann dies mit Macht zu tun haben?) Ist eine Seele zu haben etwa ein Menschenrecht? Die UNO ist also mal wieder, gefordert!). Womit gezeigt wird, dass gar nicht so sehr die Seele im Vordergrund steht, sondern die Frage, welche von beiden Religionen – und wir haben tunlichst nur zwei gewählt – denn nun Recht hat?! Und wie findet man dies heraus? Eine –profitable- Form ist, man führt einen Krieg, für Gott (der heisst heute Rohstoffe, Öl und –Wasser), Vaterland und den Profit- letzteres ist allgemein gesellschaftlichglobale Norm, wer will schon gegen Profit sein? Ein solcher Zeitgenosse wäre ein Fall für den Psychiater, die bei einem solchen Denker Realitätsverlust mit paranoiden Verfolgungsideen diagnostizieren würden, denn besagter Denker fühlt sich ja vom Profit verfolgt, und darum ist er dagegen!

Gott wurde gerade in Form von Rohstoffen, Öl und Wasser definiert, der Wille und Weg zum Profit ist auch frei, bleibt nur das Vaterland. Um dafür Begeisterung auszulösen, reichen die Möglichkeiten vom Fussballspiel über die Wahl der Schönheitskönigin bis hin zum Terroranschlag. Ja- das alles hat mit Seele zu tun!

Denn Recht hat immer was mit Macht zu tun! Hat also der Recht der die Macht hat? Nun, davon ist die Menschheitsgeschichte übervoll. Sagen wir so, die, die Macht haben, meinen sie hätten Recht! Also das Recht des Stärkeren versus moralisches Recht.

Und schon kommt die nächste geistige Kurve, also Moral gibt es bei dieser Seelenveranstaltung auch noch!?! Wie war das noch: Seele, Gewissen, Recht, Macht, Moralimmer neue Begriffe, nur die simple Frage haben wir noch nicht beantwortet, und entfernen uns weiter und weiter von der Frage, was nun die Seele sei. –

Vielleicht, vielleicht wollen wir aber es auch gar nicht wissen was die Seele ist- denn wüssten wir was die Seele ist, wäre sie uns möglicherweise nicht mehr wertvoll, sondern banal. Oder wir würden erschreckend feststellen, dass wir gar keine Seele haben! Solange sie aber im Geheimnisvollen bleibt, ihre Existenz nicht bewiesen oder widerlegt werden kann, solange ist sie von Interesse. Seit der Mondfahrt ist das Geheimnisvolle des Mondes verschwunden, er wird nüchtern betrachtet und ein zeitgenössischer Poet würde sich hüten den Mond in seine Gedichte aufzunehmen. Man darf doch fragen, was hat die Entzauberung des Mondes den Menschen gebracht? Denn diese Art von Nüchternheit führt zu Interessenlosigkeit. Der Mond, eine von vielen naturwissenschaftlichen Etappen- wir kennen den Mond – was bleibt ist ein Achselzucken. Stellen wir uns vor, der Begriff Seele löst bei uns auch nur noch ein Achselzucken aus. Der Begriff “Seelenlosigkeit„ – heute immer noch vernichtende Charakterbeschreibung– würde zum Normalzustand. Sollen wir also wirklich nach der Seele fahnden, sie gefangen nehmen, einsperren in die Käfige unserer Vernunft, beaufsichtigen durch unseren Verstand, domestiziert durch beweisbare Logik?

Seltsam, gleich der verbotenen Frucht können unsere geistigen Finger nicht von ihr lassen!

Denn die Frage bleibt, was wäre gewonnen, wüssten wir was die Seele sei?

Nun kommen einige kluge Köpfe und erzählen, die Seele sei ein seltsames Gebilde: sei geistig, spirituell, esoterisch, im Transzendenten zu suchen, unsterblich sei sie auch (was fast schon klingt wie unheilbar). Und da die Seele eben so schlecht definierbar ist, nehmen besagte kluge Köpfe Zuflucht zu einem Trick und sagen: ein jeder Mensch ist einzigartig. Das ist im Zeitalter des Klonens zumindest kühn zu nennen und im Zeichen der künstlichen Befruchtung schon fast naiv. Wollen wir denn wirklich Einzigartigkeit: Ein Blick auf den Erfassungswahn der Wirtschaft und die Angstneurosen der politischen Entscheidungsträger, ist man weit davon entfernt einzigartige Menschen haben zu wollen. Die Wirtschaft braucht den massenhaft, gleichdenkenden, gleich fühlenden, gleich sich gebenden Kunden: Massenproduktion ist halt billiger als Massanfertigung (wofür hat man schliesslich China?!). Und der Wähler soll einzigartig sein-? Gott und Gesetze, aber besser noch die Geheimdienste mögen das verhüten. Der einzigartige Wähler ist nicht manipulierbar, und noch weniger regierbar. Also die Seele hat in den Chefetagen der Wirtschaft und Politik keinen guten Ruf, von Ferne sei sie herzlichst gegrüsst, und je ferner sie ist um herzlicher ist der Gruss. Aber bitte, kommt sofort der Einwand der Krawattenträger, wir handeln stets politisch korrekt, ethisch bestimmt! Klingt toll, bedeutet, dass wir über die Seele also nicht mehr weiter nachdenken müssen. (Ausserdem gibt es ja Zwillinge- aber die sollen auch einzigartig sein?).

Natürlich sagen ebenfalls kluge Damen und Herren der Psychologie, dass mit Seele auch der Charakter gemeint ist!

(Beachten Sie die Formulierung: auch! – Ja, was denn noch?)

Aber Charakter klingt gut und ist für alles anwendbar: der Wein hat Charakter, ein charakterstarker Hund, das Hotel mit Charakter. Warum also nicht auch bei der Seele von Charakter sprechen? Aber was ist mit den Menschen, die ins Koma fallen? Was ist da der Charakter und seine Einzigartigkeit. Ein solcher Einwand wird als typisch jesuitisch gebrandmarkt. Mag sein, dass er jesuitisch ist, aber damit ist die Frage nicht beantwortet worden. Wir wissen also immer noch nicht was die Seele ist. Ja lohnt es sich überhaupt weiter darüber nachzudenken? Wenn sich die Menschheit nicht einmal darüber einigen kann ob ALLE Menschen eine Seele haben oder nicht? –

Die Seele ist ökonomisch betrachtet wertlos! – so höre ich, da sei die Moral bei bestimmten Marketingstrategen schon signifikant profitabler!

Alle Religionen, Glaubensgemeinschaften, Sekten arbeiten mit dem geistigen Rohstoff Moral. Und alle, wirklich ALLE, sind hoch profitabel, ja, sind richtige ökonomische Globalplayer. Ja, hat denn die Seele nicht etwa was mit Moral zu tun und umgekehrt? Aber Hallo, bitte, torpedieren wir doch bitte nicht die Konzerne, die in diesem Wirtschaftszweig Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Die Moral ist klar definiert, du kannst sie verkaufen wie ein Luxusauto mit Zubehör, komfortabel und mit Airbags aber es gibt auch Ausgaben die weniger luxuriös sind. Du kaufst ein gutes Auto, das glänzt und wenn du einen Unfall hast dich schützt. Genauso ist es mit der Moral!

Ist sie gut formuliert, glänzend verpackt, hast du Extrasso passiert dir nicht viel, wenn du den Pfad der Moral mal verlässt (um Mensch, zu sein), so bist du sicher und abgesichert-und dafür wird gezahlt!

Aber Seele – das ist zu schwammig, zu ungenau, zu personalisiert, die Seele können wir nicht verkaufen, wenn wir das könnten- dann wäre Gott unser Hauptaktionär!

Das ökonomische Denken bringt uns aber auch nicht weiter. Welcher Narr hat uns diesen Begriff Seele gebracht? Beim Feuer wissen wir es: Prometheus, aber wer brachte uns die Seele?

Aber vielleicht bleibt es ja unklar. Denn, wurde uns die Seele gebracht oder haben wir Menschen sie erfunden? Und wenn wir sie erfunden haben: warum haben wir das? Was wollten wir damit? Vielleicht ist ja die Erfindung der Seele die grösste Erfindung des Menschengeschlechts, wichtiger als das Rad. Oder ist die Musik die Seele? Denn die Musik besitzt jedes Volk und jeder Stamm auf diesem Planeten!

Schon wieder: ein Begriff ersetzt durch einen anderen-ob es nun Musik oder Seele heisst, ist einerlei, Musik ist eine Ware, eine sich verdammt gut verkaufende Ware- du verkaufst Töne, organisierte Geräusche, wie ein polnischer Philosoph sie bezeichnete, aber verkaufst du Musik?

Ja, so sind die Diskussionen, man landet schnell bei der Ökonomie oder der Philosophie. Vielleicht denken wir, dass die Seele etwas Erhabenes, Gutes im Menschen sei, warum eigentlich? Wegen der zu Anfangs geäusserten Einzigartigkeit? Sind wir froh, dass die Folterknechte und Mörder einzigartig sind, wobei sie in ihrem massenhaften Auftreten wohl doch noch nicht so einzigartig sind, bzw. sein können!

Warum also soll die Seele etwas Edles sein? Sagt das Jemand? – Es soll doch auch schwarze Seelen geben. (Aber Seele bleibt Seele, ob sie nun unschuldig oder verdorben ist!) Seele, so heisst es weiter sind nicht Gefühle (Psychologen sehen das anders- aber die müssen das schon wegen der Abrechnungen mit den Krankenkassen anders sehen!).

Seele ist Identität, wer keine Identität besitzt, der vegetiert! Gut gesprochen! Nun ist es aber so, dass der Mensch (natürlich nicht Jeder) durchaus seine Identität wechselt, wechselt er damit auch seine Seele? Jesuit! Nein, es war nur eine Gegenfrage! Aber dass man mich Jesuit schimpft, ist schon fast ein Kompliment! Man erfährt ja so selten wirklich echt gemeinte Komplimente!

Leben wir ohne Seele- und wir haben keine Probleme.-

Aber es gibt doch so viele Menschen, so heisst es die an der Seele erkrankt sind! (da haben wir es wieder die Abrechnung der Psychologen und Psychiater mit den Krankenkassen!) An der Seele erkrankt- lächerlich! Lediglich ein defekter biochemischer Prozess, Stoffwechselproblematik, oder neurologische Ursache, welche man in bildgebenden Prozessen durch Computertomographien des Gehirns sichtbar machen kann. Und schon löst sich die Seele unter dem Elektronenmikroskop und auf dem Monitor bildgebender Hirnmessungen auf!

Doch jetzt, jetzt kommt die ultimative Erklärung für die Seele und was Seele sein kann:

Die Liebe! (wer will schon gegen die Liebe sein?) Liebe als intensiver seelischer Ausdruck! Nur wer eine Seele hat ist zur Liebe fähig?!

Das ist so schön, so poetisch, so romantisierend, (aber hollywoodisierend) dass man am liebsten sagen würde: Ja, so ist es! Die Liebe ist die Seele – die Seele ist die Liebe. Und doch bäumt sich der geschliffene Geist auf, nennt mich Jesuit, aber waren nicht die Schergen in den KZs, in den Gefängnissen im Irak, die Verhörer in Guantanamo, waren es nicht liebende Ehemänner und fürsorgliche Väter?! Liebe verhindert Verbrechen nicht, eher im Gegenteil Verbrechen aus Liebe und Leidenschaft füllt die Weltliteratur sowie die Opernbühnen, die Kinos. Würde ein Verhörer in Guantanamo nicht verhören aus Liebe zu seiner Frau, die ihn darum bitten würde? Würde er es unterlassen, um in die Augen seines Kindes blicken zu können ohne das schleichende Gefühl der Lüge? Aber er tut es! Ist also Menschenverachtung stärker als Liebe-Macht über andere Menschen lustvoller als Verzicht aus Liebe? Sorry, aber so scheint es zu sein!

Liebe – Seele, zu viele Worte: Gewissen, Musik, Moralmein Gott, wir sind umzingelt von unklaren Begriffen, stellen uns freiwillig ins Gefängnis unserer eigenen Vorstellungen.

Als gäbe es nicht schon genug Verwirrung kommt dann noch die Frage auf: haben Tiere, gar Blumen eine Seele?

Es gibt Teile dieser Welt, in denen Menschen das Bejahen. Also kann alles eine Seele haben ein Haus wie ein Auto, das Geld- interessant, die Seele des Geldes, würde mich reizen die einmal kennenzulernen, so von Angesicht zu Angesicht. Überhaupt wäre es aufschlussreich mit der Seele ins Gespräch zu kommen, wirklich, nicht imaginär, sozusagen die sprechende Seele- was sie wohl über die Menschen denkt? Vielleicht lacht sie uns ja auch aus ob unserer phantasievollen Naivität und ist überrascht, wie wichtig wir sie nehmen, und dabei fühlt sie sich ja gar nicht so! Dass wir uns Menschen in der Seele hoffnungslos geirrt haben. – Und was wäre, wenn die Seele sich von uns abwenden würde, der Sprache mächtig und somit uns ihre Freiheit zeigend, fliehend uns verliesse? Ja, will sie überhaupt mit uns sprechen?

Vielleicht liegt ihre Macht, ihre Grösse in ihrer Sprachlosigkeit, in dem sie nicht spricht offenbart sie sich uns! Denn das Wort schneidet, formt, die Fragen, gibt Antworten, die neue Fragen fordern, das Wort trägt das missverständlich weiter und weiter und belangloses schwimmt oben auf. Wichtiges taucht ab, sinkt, selten sichtbar in der tobenden Maskerade des Banalen.- Seele hinter Masken – bunt, grell, traurig, laut, verwirrend-, die Seele hören, wenn sie ohne Worte ist. Wie? Der Liebende hört die Seele des Geliebten, (so der Poet). Also schon wieder die Liebe – die hörende Seele des Geliebten muss wohl ein höchst seltener Zustand sein. Ein Blick in die Welt genügt! – Wenn Krieg herrscht, heisst es nicht, dass es keinen Frieden gibt, (sagt wieder der Poet) – und ich muss zum ersten Mal sagen, ja, das hat was für sich! Aber nebulös ist das Ganze schon (bitte Poet jetzt keine Sentenz zum Nebel- ich spreche ja auch nicht von der vernebelten Seele, obwohl, das hat auch was).

Irgendwie ist es nicht möglich klar und vernünftig über die Seele zu sprechen, irgendetwas stört da immer- es ist so beängstigend schön als hätte die Seele richtig Zeit, denn seltsamerweise verbinden Millionen von Menschen mit dem Ausdruck Seele gleichzeitig Zeit zu haben.

Wirken daher Banken und Krankenhäuser immer so seelenlos. Weil beide keine Zeit haben! Beide achten genau auf ihre Kosten. Kosten und Seele, das geht wohl nicht zusammen. Zwei Elemente also die sich ausschliessen. Kosten und Seele, die Frage drängt sich auf, was darf sie uns kosten, wie viel ist sie uns Wert- in Dollar, Euro oder Schweizer Franken? Das bizarre Spiel Seelen zu kaufen und zu verkaufen, ihren Marktwert zu kennen und zu steigern, wie ist ihr Börsenkurs und welche Art von Seele ist gefragt! – Ein düster verwegenes Spiel, aber wohl nur dann, wenn wir der Meinung sind, dass die Seele etwas Einmaliges ist, aber auch dies findet seine Käufer wie die Kunstauktionen bestens beweisen: die Seele als Verkaufsobjekt- warum eigentlich nicht? Freud & Co werden mich zum Teufel wünschen, denn ihnen würde zweifelsohne die Existenzgrundlage entzogen. Aber es gibt da eine andere Frage: Wenn wir alles verkauft haben und nichts vor unserer überragender Verkaufsfähigkeit mehr sicher ist- was dann? Dann haben wir den Zustand des materiellen Paradieses erreicht- dann ist alles möglich, machbar, fassbar, dann brauchen wir die Seele erst recht nicht mehr. Dann heisst Seele Umsatz, Profit, Effizienz - (steigerung) und somit ist die Funktion der Seele aufs vortrefflichste gefunden, denn kann eine Seele eine bessere Funktion haben als die den Profit zu maximieren, Arbeitsplätze zu sichern, den Konsum zu erhöhen, und, dass alles Dank der Seele.! Halleluja!! - Ein faszinierender Gedanke, grandiose Aussicht!

Heute Seelen im Angebot bis zu 50% reduzierter Preis. Nur was soll ich mit einer gekauften Seele? Sie dekoriert meinen Status wie das teure Handy, die Seele als luxuriöses Status-Accessoires.

Wie aber die Produktion, wie der Vertrieb: Etwa so: ein Verbrecher verkauft seine Seele und erhält dafür einige Jahre weniger Gefängnis. Und in der Sub- wie in der Mehrheitskultur kann es schick werden sich mit der Seele eines Mörders zu zeigen.

Aber was, wenn sich die Seele nicht verkaufen lässt? Meine Ökonomen quittieren eine solche Frage nur mit einem müden Lächeln. Alles, so wird mir versichert, aber auch alles lässt sich verkaufen. Nichts und Niemand ist unverkäuflich und ein Jeder ist käuflich.-

Nun, wir sind auf dem Weg in die paradiesische Hölle.

Zürich, Juli 2006

Diesen Kuss der ganzen Welt

Betrachtungen über den Kuss

So heisst es in Schillers Ode An die Freude und so hat es Beethoven in seiner Neunten Sinfonie vertont.

Der Kuss- zwei sich begegnende Lippenpaare – die wohl symbolträchtigste Ausdrucksform, die der Mensch mit anderen Menschen teilt. So vielsagend wie das Lächeln des Menschen, so variantenreich, unendlich- gleich der Musik.

Es gibt nicht den Kuss, jeder Kuss sagt etwas ganz bestimmtes und ist innerster menschlicher Ausdruck, intim und öffentlich zu gleich. Der Kuss: Es sind die wortlos sprechenden Lippen- ja, der Mund sagt ohne Worte mehr als alle Worte, die er spricht-.

Sind nicht die Lippen unsere rote Seele? Und mag das Lippenrot der Frauen noch so raffiniert daherkommen, sichtbar bleibt die Seele, trotz verführerischem Kussmund, ja ein solcher kann uns eher schrecken als verführen, sehen wir doch trotz des grellen Rots die dunkle Seele die sich da erkennbar zeigt, ein Ausdruck den wir nicht verstehen, nicht mögen, der abgründig und nicht heiter wirkt.

Insofern wäre es schon Gedankens wert zu fragen, warum gerade junge Punkerfrauen ihre Lippen schwarz bemalen, dass lebendige Rot verbannen hinter einem alles verdeckendem Schwarz. Und ebenso sollte gefragt werden, warum Frauen, die besonders erotisch aussehen wollen und die dynamisch verführen wollen, ihr künstlich gestaltetes, markantes Lippenrot dadurch noch unterstreichen, in dem sie die Konturen ihrer Lippen schwarz umranden.

Die Lippen, der Mund verrät die Tiefen wie die Höhen eines Menschen.

Der Kuss – zwei Seelen verschmelzen zu einer, ein stetiger Wechsel von Geben und Nehmen, von Sanftheit und Leidenschaft, er ist- oder besser er kann - Ausdruck von innerster Befindlichkeit sein.

Und somit gibt es auch den anderen Kuss, den gefährlichen, das Unheil und Verderben bringenden Kuss. Der wohl berühmteste Verräter-Kuss ist der Judas -Kuss. Eine Bezeichnung, die sich bis in unsere Zeit gehalten hat. Denn welche genial-diabolische Verquickung, ein Kuss der als Ausdruck der Verbundenheit dient, dient nun zum Verrat, ein Kuss, der den Tod bringt. (Ist das vielleicht ein Grund mit warum so viele Menschen von ihren Liebespartnern wünschen, echt geküsst zu werden?) Ein Todeskuss also war dieser Judas-Kuss, der noch immer als einer der infamsten Arten des Verrats gilt.

Nun, da ist der Todeskuss bei R. Wagners Tristan und Isolde, von anderer Art. Dort ist der Todeskuss der finale Akt einer alle Grenzen sprengenden Liebe. Isolde küsst Tristan und saugt ihm so das Leben aus. Überhaupt wird der Todeskuss meist mit von der Frau gebend assoziiert. Dies drückt wohl die Angst (des Mannes) vor der unbezwingbaren Leidenschaft der Frau aus. Und dies finden wir in Kleists Theaterstück Penthesilea, wo die gleichnamige Amazonenkönigin ihren Geliebten Achill liebt und küsst, zwischen Zärtlichkeit und Gewalt schwankt, und spricht:

"Küsse, Bisse / das reimt sich, und wer recht von Herzen leibt / kann schon das eine für das andere greifen.“

Der Kuss also, der sich zum Biss, zum Liebesbiss wandelt! Dem Hollywood geschulten Menschen fällt dazu der Vampir ein, der seine Opfer küsst und mit diesem Kuss ihnen das Blut aussaugt- der Kuss also nicht nur als Verschmelzung zweier Seelen, oder doch? Will der Geküsste sein Leben geben für diesen einen – unwiederbringlich sich ins orgiastisch steigernden – Kuss? Ist Kuss Hingabe und Eroberung, Kampf für den Sieger und Glück des Besiegten? Ist er nicht von Gleich zu Gleich, nicht partnerschaftlich, nicht demokratisch, sondern nur triebhaft? So sagt es uns S. Freud der den Kuss herleitet „als das Wiederbeleben des wohligen Gefühls, dass mit dem Saugen an der Mutterbrust einherging.“ Nun dies mag wohl auch ein Grund sein- vielleicht, doch wenn es so wäre, warum gibt es dann so unendlich verschiedene Inhalte des Kusses? Und der Verhaltensforscher Eibel-Eibesfeld sieht den Ursprung des Kusses in der Brutpflegehandlung. Nun auch dies – vielleicht. Der Vorläufer des Kusses sei das gegenseitige “beschnüffeln„ also ein Erbe unserer Tierhaftigkeit – kein sehr schöner Gedanke, wenn man in den Armen einer Frau liegt, das ist so ähnlich, wie wenn Biologen sagen, dass der Mensch zu 90% aus Wasser bestehe, was nur hab ich von derartigen Informationen. Wie auch immer, der Kuss ist sehr alt wie das Küssen auch, denn die ersten Zeugnisse dieses zwischenmenschlichen Austausches finden wir bereits auf Zier-und Gebrauchsgegenständen aus dem 3. vorchristlichen Jahrtausend.

Nun, gleich wo und aus welcher Perspektive man den Kuss her betrachtet, er führt mit geradezu bewundernswerter Leichtigkeit hin in ein Universum- in das Universum des Kusses.

Verräterkuss, Todeskuss, der Kuss des Vampirs – dem gegenüber steht der Kuss der Liebe, des Aufwachens, jener Kuss, der den Tod vertreibt, so wie er uns in den Märchen erzählt wird. Der bekannteste dieser Küsse ist wohl in dem Märchen Dornröschen, wo ein Kuss eines Prinzen Dornröschen aus dem hundert Jahre langen Schlaf weckt, ja wachküsst! Es zeigt auch, dass der Kuss klassenlos ist, der Kuss als Brücke zu allen sozialen Klassen, zu allen Rassen, zu allen Religionen-! Der Kuss als Friedenskuss! (zugegeben, wenn er so brutal und heuchlerisch in der Öffentlichkeit gezeigt wurde wie bei den greisen Politikern der früheren sozialistischen Bruderstaaten- zugegeben, da hatte diese Art des Friedenskusses vielmehr den Inhalt und den Geist des Judaskusses!) –

Ein Kuss also - wohl nicht nur im Märchen - kann einen Menschen wecken, kann einen Menschen von eigentümlicher Sinnenlethargie hin zur sinnlichen Ekstase mutieren lassen. Heisst es nicht auch: Er hat sie wachgeküsst.-Und mit diesem wach werden, sich also der Welt und dem Menschen zu zuwenden, heisst auch, sich der Hoffnung zu wenden: Ein Kuss beinhaltet auch Hoffnung. Eine Mutter, die ihr Kind am Morgen küsst, wenn es zur Schule geht drückt mit diesem Kuss auch die Hoffnung aus, dass das Kind, wohlbehalten zurückkommt. Es gibt aber auch den Kuss, der alles zu sagen scheint, ohne, dass man wirklich weiss, was dieser Kuss denn bedeuten soll:

Den wohl vielsagendsten Kuss in der Weltliteratur begegnen wir in Dostojewskis Grossinquisitor welches eine dialogisch- monologische Erzählung innerhalb seines Romans Die Brüder Karamasow ist.

Dort kommt Jesus auf die Welt zurück zur Zeit der Inquisition, und natürlich wird er sofort verhaftet. Der Grossinquisitor will ihn aber, bevor er hingerichtet werden soll, noch verhören! Der Grossinquisitor wirft Jesus alles Schlechte vor und macht ihn für alles verantwortlich was er durch sein Tun und Sagen hervorgebracht hat. Als der Grossinqisitor geendet hat, sagt Jesus kein Wort, er hat auch sich mit keinem Wort verteidigt, er steht nun auf „nähert sich schweigend dem Greise und küsst ihn still auf die blutleeren neunzigjährigen Lippen. Das ist seine ganze Antwort“. Der Greis ist wie erstarrt, öffnet die Gefängnistür und sagt „Geh und komm nie wieder- komm überhaupt nicht mehr, nie wieder... nie wieder-. „

Nun welcher Art ist dieser Kuss? Ist es der verzeihende oder der liebende oder der mutige oder gar der ironische auch vielleicht der nazistische Kuss? Oder ist es der besiegelnde Kuss?

Hier stellen wir es wieder fest, fast ein jeder Kuss führt uns in ein Universum von Liebe, Verrat, auch von Ratlosigkeit.

Künstler – so gewinnt man den Eindruck – sind was die Betrachtung, die Interpretation des Kusses angeht wohl weniger ratlos! Die Dichter schreiben die herrlichsten Gedichte über den Kuss- und das nicht nur in der Romantik, nein selbst in unserer ach so klar digital strukturierten Zeit, ist der Kuss ein Thema der modernen Dichter. Und in der Malerei, auch dort wird er dargestellt, naturalistisch oder idealistisch, angedeutet, oder geistig überhöht denken wir in diesem Zusammenhang nur an Gustav Klimt, an sein Gemälde Der Kuss von 1908. Und in der Plastik? Nun wer kennt sie nicht August Rodins

Der Kuss von 1888-89 diese 183cm grosse Marmorplastik! Ja gerade dieser Künstler hat sich mit der zärtlichen Verschlungenheit zweier Menschen intensiv beschäftigt, und viele seiner Plastiken oder Aquarelle lassen einen gebenden Kuss oder einen empfangenden Kuss erahnen, wenn auch die Titel dies nicht immer eindeutig benennen, denken wir etwa an die kleine Plastik Ovidsche Metamorphose 1907-1912 und Ewiger Frühling1885, Die frohe Nachricht o.D. oder an die Aquarelle Frauen o.D. und Die Umarmung 1905.

In der Musik ist es wohl Ludwig van Beethoven der in genialster Form den Weltenkuss in seiner Neunten Sinfonie komponiert hat, und den Weltenkuss zum unabdingbaren unumstösslich hoffnungsvollen Friedenskuss in göttlich, zu nennende Musik goss Seit umschlungen Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt -

In heutiger Sprache heisst das nichts anderes als dass der Kuss global ist, und schon war, und wenn auch nicht kulturell, überall vollzogen wird/wurde, so doch seine Idee; er im Ausdruck interreligiös und multiethnisch wirkt! Gibt es einen leichteren, sanfteren, universell zwischenmenschlicheren Ausdruck als den Kuss? Utopie wird man sarkastisch rufen!? Oh nein, - der Kuss ist keine Utopie, er ist kein Nirgendwo, er ist hier und jetzt, er ist das Universum, welches wir mit unseren Lippen geben und formen können!

Zürich November 2005

Liebesleben mit dem Computer oder warum die Leidenschaft am Monitor

1.

Frauen und Computer, gehört das zusammen? – Ich denke ja.

Die rasante Weiterentwicklung des Computers und die emanzipatorische Fortentwicklung der Frau stehen in einem engen -wenn nicht- direktem Verhältnis zueinander. Der Computer mit seinem grossen Bruder Internet hat schon fast menschliche Qualitäten. Er wird sinnlich allein in der Weise wie er sich entwickelt. Nehmen wir z.B. die Computer Maus, sie hat bereits erotische Dimensionen angenommen, sie sieht der weiblichen Brust frappant ähnlich, ist in der Hand weich und anschmiegsam, reagiert auf jede gewünschte Bewegung- die Computermaus von heute, ein Handschmeichler, ein Busenersatz für den emanzipationsgeplagten Mann.