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Das Meervolk, bestehend aus Wilson/Rakaa, Enga und Lóng, hat mit der Hilfe der großen Meerdrachen jede Hürde gemeistert. Alle haben im Meer überlebt, und die Clans beginnen, sich langsam zu regenerieren. Doch die Erinnerungen an die sonnendurchflutete Lagune kommen immer wieder hervor und selbst die Jüngsten ahnen, was das Volk verloren hat. Sie hätten gern erlebt, was Tiku so plastisch beschreiben kann. Die größten Rabauken, Triton und Nemo, haben inzwischen ihre Lektionen gelernt und sind in den Bund der Jäger aufgenommen worden. Wobei Triton mit Pyros, dem Sohn von Draco und Yín Lóng, unzertrennlich ist, wie einst ihre beiden Väter. Und eines Tages machen die beiden eine Entdeckung, die das Leben des Meervolks erneut und ganz entscheidend beeinflussen wird.
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Seitenzahl: 296
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Freudenfeste
Triton, der Held
Überraschungen
Geht nicht, gibt’s nicht
John Bentons Leidenschaft
Fragen über Fragen
Drachenfest auf Lucky Island
Mrs. Siria Neuberg
John trumpft auf
Adaia im Glück
Aufbruch nach Tuvalu
Auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen
Einer für alle, alle für einen
ererbt, erlernt und ausprobiert
Datenfluten
Der Tag X
Bau- und andere Pläne
Entdeckungen
Hoffnung auf eine gute Zukunft
Am Ziel aller Träume
Weitere spannende Serien
Seit fünf Jahre lebt Yín Lóng, der Silberne Drache, als Partnerin an der Seite von Draco, den der Meermann Ammon liebevoll aufgezogen hatte. Für Draco werden die Nixen und Meermänner immer Familie bleiben, denn er fühlt und lebt wie sie. Daran ändert auch nichts, dass ihn Lóng Mǔ und Dá Lóng, das Königspaar der Lóng, nun offiziell als Sohn anerkennen. Über diese Konstellation freut sich nicht nur das Meervolk. Es ist der Beginn einer neuen Ära im Leben der Meerdrachen, die bisher die männlichen königlichen Nachkommen töteten oder verstießen.
Doch auch auf der Erdoberfläche gibt es positive Veränderungen. Ab und zu kann die Sonne die Vulkanstaubwolken durchdringen und sichert einigen Landpflanzen ein kümmerliches Überleben. Endlich wächst auch der Tang in den Plantagen wieder zufriedenstellend und garantiert die Existenz der Clans des Meervolkes.
Die befreundeten Lóng aus dem Tiefseegraben kommen immer wieder gern zu den Drachenfesten des Meervolks, bewundern die Kunstfertigkeit der Wilson-Rakaa und Enga und lauschen den wundersamen Geschichten, die Tiku zu erzählen weiß. Inzwischen ist es ein fester Ritus, dass die Zusammenkünfte mit dem Königslied begonnen werden, wie in uralter Zeit.
Dank der Fürsorge umeinander sind die Meerwesen von Verlusten in den eigenen Reihen verschont geblieben. Triton und Nemo, die Söhne von Ammon und Tiku sind unzertrennlich. Seit ihrem Abenteuer mit den Nuoni haben sie keinerlei Unfug mehr angestellt, fleißig gelernt, und Kïa, die Königin der Enga-Nixen, hat ihnen sogar die Aufsicht über die kleinsten Kinder übertragen, weil auf beide höchster Verlass ist.
Tiku glaubte, sich verhört zu haben, als es ihm Kami ganz nebenbei mitteilte. „Bist du sicher, dass das nicht anders herum ist?“, fragte er erstaunt.
Kami lachte herzlich. „Irrtum ausgeschlossen. Die beiden sind nämlich die Söhne ihrer Väter und auf die können sich alle zu 100 Prozent verlassen.“
Yín Lóng sah das genau wie Kami. Sie war froh, die beiden Knaben als Helfer zu haben, denn die filigranen Enga-Babys huschten pfeilschnell von Ort zu Ort und waren buchstäblich überall. Das ganze Volk atmete auf, als die Kleinen schließlich alt genug waren, um von Kami, Tiku, Liana und Siria in allem ausgebildet zu werden, was man tief im Meer, aber auch in der Menschenwelt, wissen musste. Tiku übernahm den naturwissenschaftlichen Part. Natürlich standen Singen und Kreativität genau so auf dem Programm.
Yín Lóng liebte es, die Schüler und Lehrer bewachen zu dürfen, erfuhr sie doch so auch immer wieder nützliche Dinge, oder konnte Zusammenhänge herstellen, wo ihr bisher der Überblick gefehlt hatte. Kïas kleines Volk war stolz darauf, Teil dieser Gemeinschaft zu sein.
Am heutigen Morgen war alles anders. Amar und Auan kamen, statt der Lóng, in voller Bewaffnung herbei.
„Habe ich was verpasst?“, staunte Kami.
„Hast du“, blinzelte Tiku, der sich soeben einstellte, um mit dem Unterricht zu beginnen. „Die Lóng sind in der Nacht unruhig geworden und folgen wohl gerade ihrer Drachennatur.“
Kami strich sich den langen Bart. „Bei einem anderen Drachen wäre es erstaunlich. Nicht aber bei Draco, denn er ist ein Auserwählter, der selbst Lóng Mǔ immer wieder zum Staunen bringt. Dabei hätte ich in frühestens zehn Jahren mit dem Paarungstanz der beiden gerechnet. Drücken wir ihnen die Daumen, dass sie Erfolg haben.“
Die Lóng kamen erst zwei Tage später zurück, wobei sie für die Gemeinschaft einen riesigen Thunfisch mitbrachten. Sie hatten ihn in Tiefen erbeutet, die sie normalerweise nicht aufsuchten.
Die Pottwale erzählen, dass die Luft überm Meer in vielen Regionen nicht mehr so ätzend sei, berichtete Draco.
„Sie waren wirklich geneigt, mit euch zu reden?“, staunte Tiku.
Ja, waren sie, strahlte Yín Lóng. Wir haben nämlich jene Herde getroffen, deren Kalb wir vor Jahren gerettet haben. Sie spüren uns gegenüber keine Berührungsängste. Besonders nicht unser damaliges Sorgenkind. Es kam sofort heran und begrüßte uns mit einem herzerwärmenden Gesang.
Draco begann zu lachen. Wenn ich mir die Gesichter unserer Leute anschaue, und wie mühevoll sie ihre Gedanken abschirmen, denke ich, dass sie viel mehr interessiert, ob es bei uns bald was zu feiern gibt.
Tikus und Kamis breites Grinsen sagte genug und so kicherten alle amüsiert vor sich hin.
Yín Lóng blinzelte vergnügt. Unsere beiden jungen Helden, Triton und Nemo, dürfen uns gern bei der Suche nach Gestein für ein Nest ... Der Rest des Satzes ging im Jubel des Meervolks unter.
Yín Lóng beschrieb die Größe der gewünschten Steine, worauf Tiku grinste: „Also ein paar so groß wie ein Zweipfundbrot, der Rest wie ein Stück Butter.“
Alle, die an Land gelebt hatten, brachen daraufhin in schallendes Lachen aus.
Pero schüttelte amüsiert den Kopf. „Schade, dass wir es nicht erlebt haben. Ich bekomme bei Tikus Geschichten ja schon immer Sehnsucht nach dieser längst vergangenen Zeit. Und wenn er dann noch ganz nebenbei mit Begriffen um sich wirft, über die sich alle fast kringeln vor Lachen, noch viel mehr.“
„Sich vor Lachen kringeln, stammt auch von den Menschen!“, warf Siria kichernd ein.
Keiner wunderte sich wirklich, dass Pero beim nächsten Englisch-Unterricht mit im Steinkreis saß. Die Sprache der Wilson beherrschte er inzwischen perfekt, wie der ganze Enga-Clan. Sie war sogar zur Amtssprache erhoben worden, wie es die Menschen wohl bezeichnet hätten. Die Kleinen und auch viele Wilson-Rakaa lernten aber Enga als Zweit- und noch mehr Englisch als dritte Sprache. Man wusste nie, ob man sie nicht doch einmal brauchen werde.
Die Meerleute konnte man mit gutem Recht als polyglott bezeichnen. Besonders Tiku, Siria und die nordischen Nixen waren in einigen Sprachen bewandert, weil es das Zusammenleben mit den Menschen ganz einfach mit sich gebracht hatte. Bei ihrer schnellen Auffassungsgabe hatten die Mitglieder des Wilson-Clans auch die jeweils andere Sprache fast im Vorbeigehen mit gelernt.
Sogar Kirk, der von sich selbst sagte, denkfauler zu sein, als die anderen Meerleute, paukte Sprachen. Hin und wieder schüttete er Ammon sein Herz aus. „Klar kratzt es mich sehr an der Ehre, dass ich, als halber Rakaa, und meinem Vater optisch ähnlich, ihm nicht das Wasser reichen kann. Ich bemühe mich aber, nicht als völliger Versager in die Familienchronik einzugehen.“
Ammon legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich denke, der letzte Tanz hat gezeigt, dass du keiner bist.“
Kirks Augen glänzten verschmitzt. Ja, der letzte Tanz ... Auch in den Wohngrotten der einsamen Damen erklang schon bald Kinderlachen. „Danke“, seufzte er.
„Gerne. Sogar besonders gerne“, blinzelte Ammon, denn Siria war, seit sie ein wirklich eigenes Baby aufziehen konnte, eine der glücklichsten Nixen des großen weiten Meeres. Die Last des alten Erdenlebens schien sie erheblich weniger zu drücken, obwohl sie nie ganz abfallen würde. Wie einst auf Nui abgesprochen, trug die Kleine einen großen Namen: Adaia.
Kirk war bei weitem nicht das ausgemachte Faultier, das er zu sein vorgab, und für das er sich möglicherweise wirklich hielt. Er hatte sich nicht nur den Spaß gegönnt, er half seit jenem Abend den beiden Nixen, wo er nur konnte. So kam es wohl auch, dass nie jemand anzügliche Sprüche über ihn machte.
Es war niemandem vorgeschrieben, in festen Familien zu leben und wenn sich einer einen Harem halten wollte und konnte, dann war das den Betreffenden selbst überlassen. Die Variante, die Kirk mit den Müttern seiner beiden Kinder gewählt hatte, dass alle für sich lebten, aber trotzdem jeder jedem half, funktionierte genau so gut. Es hätte auch niemanden wirklich zur Wallung gebracht, hätte sich bei einem Überschuss aus Meermännern eine Nixe einen Harem aus diesen zugelegt. Dafür hatten sie alle gemeinsam schon viel zu viel erlebt.
Die wenigen Enga sahen das noch entspannter, denn ihr Überleben stand weiterhin völlig in den Sternen. Ihr Tanz hatte etwas Exstatisches und die Kinder ließen sich nur zweifelsfrei den Müttern zuordnen.
„So war es früher bei uns auch“, sinnierte Lynn laut. „Ich finde es aber gut, dass wir danach nicht mehr zwangsweise in Geschlechtergruppen auseinandergehen, als wäre dieser eine Tag alles im Leben. Ich wiederhole mich bestimmt zum tausendsten Mal: Es war meine beste Entscheidung, Sinas Aufforderung nach Tuvalu zu folgen.“
Sie bekam von allen Zuspruch, die die alte Zeit noch erlebt hatten.
„Ach ist das schön, dass wir bald sogar wieder einen kleinen Drachen aufwachsen sehen können!“, rief Lynn. „Und wir alle werden mit aufpassen, dass dem süßen Drachenfratz kein Leid geschieht.“
Zwei Tage später bewachte ein ganzes Volk Yín Lóng und das Ei, das die Drachen niemals aus den Augen ließen. Triton und Nemo sammelten alles an Nahrung für Yín Lóng ein, was nicht bei drei verschwunden war. Draco löste seine Partnerin ab, wenn sie für dringende Drachenbedürfnisse die Abfallhalde aufsuchte, um danach sofort wieder ihren Platz am Nest einzunehmen. Triton, Dracos Wilson-Bruder, durfte als Einziger direkt an das Gelege heran. Sich der großen Ehre bewusst, sang er dem zukünftigen Jungdrachen Lieder vor oder erzählte Geschichten, wie es sonst nur die Eltern zu tun pflegten.
Du weißt doch noch gar nicht, ob ein kleiner Drache im Ei steckt, staunte Yín Lóng.
„Stimmt. Ich weiß es nicht. Aber wenn einer drin steckt, dann möchte ich, dass er glücklich ist und merkt, wie sehr ich mich auf ihn freue.“
Das hat dein Pa auch mit meinem Ei getan, verriet Draco nicht ohne Stolz. Du wirst ihm und Tiku immer ähnlicher.
„Wenn nur das schlechte Gewissen wegen der Sache mit den Nuoni nicht ständig hervorkäme“, seufzte Triton.
Draco hielt überrascht inne. Immer noch? Dazu besteht doch gar kein Grund mehr. Es ist ja alles wieder gut geworden und ihr habt eure Lektion gründlich gelernt, kleiner Bruder.
Triton zuckte hilflos mit den Schultern.
Draco stupste ihn mit der Nase an. Auch du wirst eines Tages große Taten vollbringen, von denen man lange sprechen wird, und endlich deinen inneren Frieden finden.
Triton schmiegte sich fest an den Schuppenpanzer. „Danke, großer Bruder.“
Viele Wochen später, inzwischen konnte man sehen, dass sich ein dunkler Schatten im Ei bewegte, saß Triton wieder mit am Nest und erzählte, dass er fleißig mit dem Speer übe, und mit Ammon zusammen heute einen großen Hai erlegt habe. „Schade, dass du noch im Ei steckst und nicht sehen kannst, wie riesig der ist“, murmelte Triton.
Plötzlich knackte es laut und vernehmlich.
„Ohhhhh, es will schlüpfen!“, hauchte Triton verzückt, mit seligem Blick beobachtend, wie der Riss in der Schale immer länger und der Spalt immer breiter wurde.
Sofort war Draco zur Stelle, um seinen Nachwuchs auf der Welt willkommen zu heißen. Da lugte auch schon das spitze Schnäuzchen hervor, der kleine Drache schnüffelte nach allen Seiten und kroch schließlich ganz heraus. Mama Yín Lóng und Papa Draco stupsten ihn überglücklich mit den Nasen an.
„Och, ist der putzig!“, rief Triton begeistert, wurde kurz mit den großen Augen fixiert und trug einen Wimpernschlag später den Kleinen als Halsschmuck, wie seinerzeit Ammon den frisch geschlüpften Draco.
Der lachte herzlich über das ungläubige Staunen des jungen Meermannes. Da hat er doch gleich jemanden, der ihm die Benimm-dich-Regeln beibringen kann.
„Meinst du das ernst?“, stammelte Triton
Beide Lóng nickten und auch alle anderen, die inzwischen freudig das Nest umringten, taten es diesen gleich.
Ich weiß, dass es eine große Aufgabe für dich ist, kleiner Bruder. Aber wir vertrauen dir, sagte Draco.
Yín Lóng blinzelte vergnügt. Nun darfst du dich wirklich wie ein Drachenbändiger aus den Geschichten der Menschen fühlen, denn kleine Drachen können anstrengend sein. Unser Sohn Pyros wird keine Ausnahme bilden.
„Bange machen gilt nicht“, lachte Triton, seinen Schützling streichelnd. „Dann hole ich mir einfach Rat bei euch und meinem Vater, der ziemlich gut weiß, wie man mit neugierigen Drachenwinzlingen und ungehorsamen Meermännlein umgeht.“
„Das beruhigt mich“, schmunzelte Kami. Er wusste, dass Triton genau das tun werde.
„Ein Fest! Ein Fest“, riefen alle durcheinander und schon stoben sie davon, um es vorzubereiten.
Tiku klopfte Ammon stolz auf die Schulter, der vergnügt zurück grinste. Er hatte inständig gehofft, dass die Zuwendung, die Triton dem Küken im Ei zukommen ließ, auf Gegenliebe stoßen werde. Jetzt hockte der Jungdrache auf Tritons Schulter und beobachtete das Treiben im Tal, das ihm Triton erklärte. Eine winzige Krabbe erregte seine Aufmerksamkeit.
„Die darfst du dir holen“, sprach Triton und beobachtete, wie sich der Kleine anschlich, zupackte und genüsslich den Panzer knackte. Dann huschte er wieder auf Tritons Schulter, von wo aus er einen wunderbaren Rundumblick hatte.
Wie man an Essen kommt, weiß er schon mal, kicherte Draco, als es Yín Lóng gerade dachte.
Als sich Triton mit ihm dem Festplatz näherte, kroch Pyros an seinem Arm hinab, die große Schüssel mit Krabbenfleisch fixierend, aus der es verführerisch duftete. Triton spürte, dass er sich sprungbereit machte und hielt ihn rasch fest. „Nein, das wirst du nicht tun. Du bekommst Essen, wenn alle da sind, mein kleiner Freund.“
„Das erinnert mich an einen gewissen Draco, den Ammon am Schwanz aus der Speisekammer gezogen hat“, lachte Kïa.
Draco fiel in das fröhliche Lachen ein. Da werden wohl alle Schlüpflinge gleich sein. Wenn es lecker duftet, dann muss man es haben. Großen Drachen geht es ja auch so.
„Und nicht nur denen“, grinste Kirk. „Es geht doch nichts über gutes Essen.“
„Voll ins Schwarze“, schmunzelte Tiku.
Wie damals Draco, lernte Pyros sofort, dass man nicht immer alles allein haben konnte. Er hatte zwar von Triton den ersten Streifen Muschelfleisch bekommen, den nächsten aß der aber selber. Pyros schaute ihn beinahe erschreckt an. Damit es der Kleine auch wirklich begriff, was Teilen bedeutete, gab Triton vom nächsten Streifen etwas Nemo ab, ehe Pyros an der Reihe war. Dafür bekam der kurz darauf von Nemo ein Häppchen, welches er hocherfreut verspeiste.
Prinzip begriffen, würde ich meinen, freute sich Yín Lóng, als sich Pyros sichtbar entspannte und nahm, was man ihm reichte.
Ich habe doch gesagt, ich habe Vertrauen. Draco zog eine Abfallschüssel heran, deren Inhalt wirklich nur als Drachenfutter taugte.
„Geh ruhig nachschauen“, flüsterte Triton und der kleine Lóng huschte zu seinen Eltern, um nach Drachenart ein paar Häppchen zu ergattern.
War ich auch so ein Loch ohne Boden, wandte sich Draco erstaunt an Ammon, weil Pyros beinahe alles sofort auf Essbarkeit testete.
„Ganz genau so“, bestätigte der lachend. „Jede Krabbe, die an Karas Flossen zupfen wollte, hast du mit dem Tod bestraft und unsere Vorratskammer war immer bestens gefüllt, weil du alles gefangen hast, was nicht wie der Blitz verschwunden war und stets mit uns geteilt hast. Diese Lektion ist auch die wichtigste. Das hat sich Triton aus den Berichten über damals sehr gut gemerkt, wie ich mit Freude festgestellt habe. Nun habe ich ein richtig gutes Gefühl, die beiden als Einheit agieren zu lassen.“
Ich erst recht, weil ich weiß, dass du immer ein Auge auf die beiden haben wirst, erwidert Draco zufrieden.
Und die Einheit, wie es Ammon genannt hatte, löste sich niemals auf, wie damals er und Draco. Pyros schlief sogar neben Triton. Yín Lóng hatte nichts dagegen, denn die Kleinen gingen auch bei ihrem alten Volk sofort eigene Wege innerhalb der Gruppe. Sie standen unter dem Schutz aller und lernten durch Beobachten. Die natürliche Hackordnung legte fest, wie sie sich einordnen mussten. Mit Können stieg man auf, wie man durch Faulheit im Rang wieder fallen konnte. Die Weisesten mit den meisten Fähigkeiten führten das Volk und daran gab es auch nichts zu deuten.
Morgen kommen die anderen Drachen, Baby anschauen, verriet Draco ein paar Tage nach der Begrüßungsparty für seinen Sohn. Lóng Mǔ ist viel zu neugierig, um bis zum nächsten Drachenfest zu warten.
„Wie Großmütter nun mal sind“, schmunzelte Lina, ihren Drachenenkel Pyros liebevoll unterm Kinn kraulend.
Lynn lachte. „Urgroßmütter sind genau so.“
Pyros huschte kichernd von einer zur anderen, turnte zwischen Mutters Hörnern herum, dann ringelte er sich wieder um Tritons Hals.
„Was hat er heute Schönes gelernt?“, fragte Kïa, als dritte Großmutter.
„Dass Werkzeuge und Waffen kein Spielzeug sind und man die winzigen Krallen davon lassen muss“, verriet Triton.
Pyros steckte ihm mit geschlossenen Augen den Kopf unter Kinn und legte die Flügel eng an den Körper, um sich ganz klein zu machen. Es war eine ziemlich schmerzhafte Lektion geworden, weil er glaubte, das Taschenmesser im Maul verstecken zu können, das anzurühren, ihm Triton verboten hatte. Er hatte es sich näher anschauen wollen, war erwischt worden, hatte es ins Maul gerafft, um es verschwinden zu lassen, und sich natürlich böse geschnitten.
Triton hatte nicht geschimpft, sondern es ihm vorsichtig abgenommen und ganz ruhig gesagt: „Genau das passiert, wenn man nicht hören kann.“ Dann hatte er ihn zu Kami getragen, der die Wunde mit einem bitteren Sud einpinselte, von dem Pyros ganz übel geworden war.
Ich will brav sein, versprach Pyros gerade eben und alle antworteten völlig synchron: „Ich nehme dich beim Wort.“
Oh je, stöhnte der Drachenwinzling, weil er nun garantiert unter verschärfter Beobachtung stand.
Draco grinste sich eins. Die schmerzhafte Erfahrung werde Pyros bestimmt öfter daran erinnern, dass man gehorchen sollte, um keinen Schaden zu erleiden.
Am liebsten spielte Pyros mit den anderen Kindern Fangen oder Verstecken, denn da gewann er immer. Seinem Panzer machte es nichts aus, wenn er sich in enge Spalten zwängte. Auch konnte er, tief im Sand eingebuddelt, ewig den Atem anhalten. Kami und Tiku warfen sich amüsierte Blick zu, wenn aus dem Boden plötzlich die spitze Schnauze und lustig blitzende Augen auftauchten.
Am Tag, als die alten Lóng ankamen, steckte er wieder in einer Felsspalte. Nur war er schon ein Stück gewachsen und klemmte fest, wo er noch vor zwei Tagen genügend Platz gehabt hatte. Lóng Mǔ wollte ihm schließlich helfen, weil er sich gar so abmühte, als der Kleine plötzlich verschwunden war. Zumindest sah es auf den ersten Blick so aus. Dann prustete sie los: Ja, gibt es denn das? So winzig und beherrscht schon die Tarnung? Sie fasste in die Spalte und hob das Nichts behutsam heraus, das wie ein Chamäleon sofort die Farbe ihrer schuppigen Klaue annahm.
„Er ist halt Vaters Sohn“, grinste Ammon, während sich Pyros blitzartig um Tritons Hals ringelte, als hinge er schon seit Stunden dort.
Dá Lóng lachte Tränen. Ein echter Drache vom Meervolk. Ich hab mir sagen lassen, die sind ein bisschen anders als wir.
Draco und Yín Lóng klatschten sich kichernd ab, wie sie es oft bei Tiku und Ammon gesehen hatten, worauf alle in schallendes Gelächter ausbrachen.
„Um zu uns zu gehören, muss man nicht ausgesprochen verrückt sein, es erleichtert die Sache aber ungemein“, witzelte Kami.
Dá Lóng hielt sich den Bauch. Ich spüre gerade Muskeln, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie noch gibt! Hahahaha ...
Ach, du schwarze Tiefsee, stöhnte Lóng Mǔ, deswegen sind wir wohl so gern bei euch!
Ich glaube, da ist was dran! Dá Lóng konnte sich kaum mehr beruhigen und auch die anderen Drachen kicherten immer wieder vor sich hin. Beim Meervolk wurde es nie langweilig und der Frohsinn steckte an.
So blieben sie diesmal zwei volle Wochen, zogen mit den Jägern auf Beutefang, bewachten die Siedlung und lauschten den Geschichten Tikus, der einen schier unerschöpflichen Vorrat daran haben musste. Pyros gab sich Mühe, keinen Unsinn anzustellen, um vor den großen Drachen nicht als Blobfisch dazustehen. Seit Nemo einen gefangen hatte, und er ihn sich ganz genau anschauen durfte, wusste Pyros, warum sich jeder ärgerte, mit sowas verglichen zu werden. Blobfische sahen durch und durch doof aus.
Ammon und der Rat hatten nichts dagegen, dass Triton Draco und Pyros begleitete, wenn der Lóng außerhalb des Leuchtenden Tals seinen Sohn in besonderen Fähigkeiten unterwies. Denn dadurch konnten sich die beiden Unzertrennlichen auch perfekt aufeinander einstellen, wenn der eine wusste, was der andere wirklich beherrschte. Immer öfter brachte Triton große Fische als Beute nach Hause, die er allein erlegt hatte, in dem Wissen, dass seine beiden Begleiter sofort eingegriffen hätten, wäre etwas aus dem Ruder gelaufen.
So nahm man ihn auch rasch als vollwertigen Jäger in die Schar der Erwachsenen auf. Als Pyros die zwei Meter Marke erreichte und seine Energie perfekt dosiert einsetzen konnte, ließ man ihn und Triton mit ruhigem Gewissen auf Erkundungen ziehen. Sie kamen nie mit leeren Händen zurück. Und schließlich gelang es Pyros sogar, direkt mit an die Oberfläche zu schwimmen, was selbst er bis dahin für unmöglich gehalten hatte. Doch in der Not wuchsen auch Drachen über sich hinaus.
Triton hatte ein schwimmendes Schiffswrack entdeckt und war an Bord gekraxelt, während Pyros weit darunter wartete, weil ihm mit jedem neuen Meter der Druckausgleich schwerer fiel. Der Schädel brummte und vor den Augen flimmerte es unangenehm. So hatte ihn Triton warten geheißen und war allein weiter aufgestiegen. Am Anfang ging auch alles gut, bis ein schweres Schott unversehens zufiel und Tritons Flosse einklemmte. Er konnte die Klinke nicht erreichen und hätte einen großen Teil seiner Flosse abschneiden müssen, um sich zu befreien.
Pyros hatte schließlich nachgefragt, was da oben so lange dauert und die ehrliche Auskunft erhalten, dass Triton in ernsten Schwierigkeiten steckte. Das Tal war weit weg und so beschloss Pyros, zuerst selber einen Rettungsversuch zu unternehmen, ehe er um Hilfe bitten wollte.
Ich bin gleich da, murmelte er immer wieder, sich Mut machend.
Meinst du das ernst? Triton zerrte an seiner Flosse, in der Hoffnung, sie doch noch frei zu bekommen.
Ja, ja, ja, ich ... bin ... gleich ... da, hörte er Pyros ächzen. Da plätscherte es auch schon neben dem Schiff und direkt darauf: Wow, so fühlt sich also Luft an! Wo bist du?
„Kletter rauf, es gibt nur eine Tür, die du sofort sehen wirst!“
Bloß gut, dass ich aufgepasst habe, wenn die Männer erzählten, murmelte Pyros, die Ankerkette greifend, um sich an Deck zu hangeln. Und da ist ja auch die Tür!
„Sei bitte ganz vorsichtig, ich stecke genau hinter ihr fest“, seufzte Triton, dankbar dass der Lóng bei ihm war. „Du musst die Klinke, also diesen komischen Hebel, nach oben drücken und in deine Richtung ziehen.“
Hebel, hmmm, nach oben und ziehen. Ha! Es bewegt sich!
„Bin ich froh, dich zu sehen!“, strahlte Triton. „Halt die Tür bitte gut fest, sonst bin ich Matsch.“
Bloß nicht! Pyros stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen, reichte Triton eine Klaue und zog ihn aus der Gefahrenzone. War es den Ärger wenigstens wert?
„Ich glaube schon!“ Triton zeigte auf einen Sack neben der Reling. „Alles Werkzeug vom Feinsten.“
Wie fühlst du dich? Pyros taxierte skeptisch das dick geschwollene Schwanzende, an dem sich die lädierte Flosse anschloss.
„Besser, als ich aussehe, und glücklich, dass es dich gibt!“, versicherte Triton.
Schluss für heute. Pyros klemmte sich den Sack zwischen die Zähne, als er sich neben Triton ins Wasser fallen ließ. Ich trage dich heim, und keine Widerrede!
„Darum hätte ich diesmal sogar bitten müssen“, erwiderte der junge Meermann, sich an den Stummelflügeln des Lóng festklammernd, der ordentlich Tempo machte.
„Drei Tage absolute Schonung!“, verordnete Kami, als er Triton untersuchte.
Die hältst du aus, du hast doch mich, sagte Pyros treuherzig, worauf Kami tief durchatmete und „war ja klar“ seufzte. Triton würde zwar die Flosse ruhig halten, aber auf dem Rücken des Lóng, der ihn überall mit hinnahm. Ammon und Draco zuckten mit den Schultern. Tiku grinste breit.
„Wie ist das denn überhaupt passiert?“, fragte Lynn.
„Erzählst du es?“, blinzelte Triton.
Muss ich ja, wenn du keine Lust hast, brummte Pyros und versetzte die Zuhörer in Staunen.
Unser Sohn, sagte Yín Lóng voller Stolz, sich an Dracos Seite schmiegend. Er hat nicht nur seinen besten Freund gerettet, sondern gehört jetzt zu den Auserwählten!
Ach, da hab ich selber noch gar nicht dran gedacht, erschreckte sich Pyros, unbewusst zur Oberfläche schauend.
„Ein Fest! Ein Fest!“, lachten die Meerwesen und tafelten auf.
Ein paar Tage später, waren die Schwellungen zurückgegangen und Triton konnte die Flosse schmerzfrei bewegen.
Heute folgte er mit seinem Lóng einer Schule Delfine schon fast eine Stunde lang und am vermutlichen Ziel sogar bis an die Wasseroberfläche. Diesmal ließen die Tiere keine Scheu vor dem Meerdrachen erkennen. Es war offensichtlich, dass sie ihnen etwas zeigen wollten und das seltsame Verhalten an den Vortagen nur Vorgeplänkel gewesen war, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Triton kannte die kleine Insel. Er war sogar schon oft an Land gewesen. Wo er sich ausschließlich mit den Händen vorwärts gezogen hatte, um die begehrten Kokosnüsse einzusammeln, die seit dem Supergau spärlich, aber durch die Wärme der vulkanischen Aktivitäten in diesem Gebiet überhaupt noch wuchsen. Wenn sie die aufgeregten Laute der Delfine richtig deuteten, dann musste hier ein Mensch in einer schlimmen Notlage sein.
Ein Mensch? Glaubst du dran? Pyros schnellte aus dem Wasser, um möglicht weit übers winzige Eiland schauen zu können.
Ich denke nicht, dass sie Märchen erzählen, gab der Meermann Antwort.
Der Lóng plumpste weithin hörbar ins Meer zurück. Ich auch nicht. Ich habe etwas gespürt, gab er zu. Halte dich irgendwie an mir fest. Wir schauen uns mal genauer um.
Triton packte die Flügel seines Drachen. Es war nicht einfach, in der Luft die Balance zu halten, wenn der Körper in einem Fischschwanz endete. Pyros schob seinen riesigen Kopf in jeden Winkel der Vulkanhöhlen und Steinformationen des nur 400 mal 650 Meter messenden Inselchens, wobei er einige Vögel aufscheuchte. Oh, hier gibt es ein winziges Süßwasserbecken, telepathierte er überrascht.
Der Meermann spähte über den Kopf des Riesen. Das muss eine Quelle sein! Das Wasser riecht frisch und angenehm. Nicht so übel, wie das brackige Zeug, das wir manchmal auf den verlassenen Schiffen gefunden haben. Mit Nahrung könnte ein Mensch überlebt haben. Dann schreckte er zusammen. Oh weh, und ich habe hier das Einzige gestohlen, das er vielleicht hatte, die Kokosnüsse.
Wieso gestohlen, fragte Pyros, die Insel gehört doch keinem, wenn ich mich recht an die Worte von Lynn erinnere.
Ist schon richtig, ich fühle mich aber wie ein Dieb, seufzte der Meermann und streckte plötzlich die Hand aus. Da hinten, zwischen den Felsbrocken liegt jemand!
Nichts wie hin! Pyros setzte sich vorsichtig in Bewegung. Das Schleifen der Krallen und Rascheln der Schuppen an dem rauen Fels war, trotz der Brandung, nicht zu überhören und so öffnete die liegende Gestalt mühsam die Augen. In namenlosem Entsetzen wurden diese immer größer und größer, denn ein derart furchteinflößendes Wesen brauchte nur einmal Zuschnappen, dann war nichts mehr übrig. Und was sollte der Gigant hier suchen, wenn nicht Futter?
Du musst vor uns keine Angst haben, hörte sie plötzlich deutlich eine fremde Stimme in ihrem Kopf. Wir kommen in friedlicher Absicht.
„Ich glaube, ich werde wahnsinnig!“, hauchte der Mensch. „Nein. Ich bin es schon! Es gibt keine Drachen!“
Meermänner auch nicht, denkt ihr Menschen, und trotzdem stehen wir hier vor dir, lachte Triton telepathisch. Sei ohne Sorge, du bist nicht verrückt, und wir wollen helfen. Denn wirklich gut, scheint es dir nicht zu gehen.
Mit wagenradgroßen Augen schaute der Mensch zu, wie der Drache seinem Reiter die Klaue reichte, um ihm von seinem Rücken zu helfen. Und der Reiter hatte tatsächlich einen halben Fischkörper. Er zog sich auf den Händen zu dem Liegenden heran und stellte sich vor: Ich bin Triton, ein Meermann vom Stamm der Wilson-Rakaa, die über mehrere Generationen mit Menschen zusammengelebt haben. Er ist mein Freund Pyros, vom Stamm der Lóng. Du hast ihn schon ganz richtig als Drache bezeichnet. Wer bist du und was ist geschehen?
„Ich ... ich ... ich bin Fiona“, stotterte der Mensch, die angebotene Hand zögernd ergreifend.
Du bist eine Frau, wie mir dein Name und deine Energie verraten, sagte Triton mild lächelnd.
„Jetzt bin ich völlig durcheinander“, murmelte Fiona, Meermann und Drachen ungläubig musternd.
Die beiden hatten beim Anblick der knochigen Hand sofort erkannt, dass die Fremde kurz vorm Verhungern war und äußerst dringend Hilfe benötigte.
Pyros wird uns beide jetzt zu deinem Versteck tragen. Dann befeuchten wir unsere Kiemen im Meer und kommen mit ein paar Fischen wieder, damit du dich sattessen kannst. Während Pyros den Fisch zubereitet, erzählst du uns ein bisschen über dich. Einverstanden?
„Einverstanden!“
Fiona hatte auch keine Angst mehr, als der Drache nach ihr fasste, um sie zu Triton hinauf zu heben, der als Erster aufgestiegen war und der sie nun mit einer Hand festhielt, als sie quer über Pyros‘ Genick lag.
Das Versteck war die kleine Grotte mit der Quelle, wie Triton richtig tippte. Hier stapelten sich auch Dutzende leere Kokosnussschalen, die ihn darin bestärkten, dass er die Hauptschuld am Zustand der Frau trug, die keinerlei Werkzeug besaß, um sich Fische oder Vögel fangen zu können. Ihr einfaches Sackkleid hatte sie aus Palmblättern und Kokosfasern geflochten. Kaum auf dem Boden, kroch sie zur Quelle und trank in langen Zügen. Die beiden Retter begaben sich auf kürzestem Weg ins Meer. Pyros jagte große Fische, Triton sammelte sein ganzes Netz mit Muscheln voll. Schwer beladen kamen sie zu Fiona zurück, deren Herz vor Aufregung wie ein Schmiedehammer pochte. Die fremdartigen Wesen waren wirklich gekommen, um ihr zu helfen.
Dass jemand in Not ist, haben uns die Delfine verraten, erzählte Pyros, während er Triton half, aus ein paar kleineren Steinbrocken eine Kochstelle einzurichten, die sie mit wassergefüllten Kokosnussschalen bestückten.
Gekocht sind Fisch und Muscheln in deinem Zustand bekömmlicher, erklärte Triton auf die vielen gedachten Fragen von Fiona. Warum wir als Wasserwesen darüber Bescheid wissen und woher wir das Feuer nehmen werden, wirst du gleich ergründen.
Oh, zu laut gedacht, lächelte Fiona, die sich fast blitzartig daran gewöhnt hatte, dass die beiden neuen Freunde richtig, wirklich und wahrhaftig Gedanken lesen und ihr die eigenen mitteilen konnten.
Triton lachte herzlich, was Fiona sogar akustisch wahrnehmen konnte.
Da spie der Drache auch schon Flämmchen auf die eilig zusammengesuchten trockenen Stammreste der wenigen Palmen. Bald kochte das Wasser. Staunend schaute Fiona zu, wie der Meermann sein Tauchermesser zog, den Fisch entschuppte und das zarte Fleisch in kleine Stücke schnitt, um gleich noch ein paar Muscheln zu öffnen, die er ebenfalls ins kochende Wasser steckte. Wann sie gar sind, musst du entscheiden, da fehlt mir völlig die Erfahrung, gab er freimütig zu. Blinzelnd fügte er an: Morgen bringe ich dir ein richtiges Messer mit, denn mit deinen stumpfen Muschelschalen ist das Überleben ja wirklich nur ein Glücksspiel.
„Oh! Vielen lieben Dank! Ich weiß gar nicht, wie ich mich erkenntlich zeigen könnte!“, rief Fiona hoch erfreut.
Triton zog die Augenbrauen zusammen. Indem du niemals anderen Menschen von uns erzählst, falls du welchen begegnen solltest. Du hast uns nie gesehen.
„Ich schwöre es!“, sagte Fiona feierlich und begann, wie versprochen, zu berichten, wie sie auf die winzige Insel verschlagen worden war, solange das Essen vor sich hin köchelte.
Meermann und Lóng hoben immer wieder schnuppernd die Nasen. Die Berichte der ganz Alten schienen zu stimmen, dass die Speisen der Menschen wundervoll schmeckten.
„Die Geschichte, wie ich hier gelandet bin, ist eigentlich schnell erzählt“, seufzte Fiona. „Wir, die zehn letzten Bewohner der riesigen Nachbarinsel, die man bei schönem Wetter da hinten am Horizont sieht, sollten evakuiert werden. Mein Vater, der Besitzer der Insel, hatte versucht, uns eine Yacht zu schicken. Nur kam die nie an.“
Bitte, einen Moment! Warum hat er dich damals nicht gleich mitgenommen, überlegte Triton mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Weil ich das nicht wollte. Ich bin seine Tochter aus dritter Ehe. Meine Mutter starb, als ich 16 war, und er nahm er sich nach dem Trauerjahr eine Frau, die gerade mal zwei Jahre älter ist als ich.“ Fiona winkte ab. „Ihr werdet das sicher nicht verstehen, denke ich.“
Da sind wir beide wohl wirklich zu jung. Wir werden es uns aber von den Älteren erklären lassen, versprach Triton.
„Ich erzähle lieber, was geschah, als wir die Insel verließen“, sagte Fiona und nahm den Faden wieder auf. „In der gleichen Zeit, als die Nahrungspflanzen eingingen, weil das Süßwasser knapp wurde, zogen auch die Fische des Meeres in Regionen, wo wir sie nicht mehr fangen konnten. Wir diskutierten tagelang und beschlossen am Ende einstimmig, meinem Vater in die Bunkerstadt zu folgen. Die Kommunikation lief seit Jahren über Drohnen, denn anders konnte man uns ja nicht erreichen. Meist schickte er mehrere los und nur ein oder zwei schafften es manchmal bis zu ihm zurück.
Wir haben volle acht Wochen auf das rettende Schiff gewartet, dann sind wir in der Verzweiflung mit einem großen Ruderboot aufgebrochen, um das Festland zu erreichen. Alle Nahrungsreserven waren aufgebraucht. Voller Zuversicht machten wir uns auf die Reise, denn wir hatten keine Ahnung, dass es auf Grund starker Strömungen völlig unmöglich war, das anvisierte Ziel mit Muskelkraft wirklich zu erreichen. Wir ruderten praktisch auf der Stelle.
Drei ältere Leute sind an Entkräftung gestorben, zwei weitere haben einfach aufgegeben und sich ins Wasser gestürzt. Wir restlichen, alles Frauen, denen die Kraft fehlte, nun für jeweils zwei zu rudern, sind durch einen starken Wind komplett abgetrieben und an diese Klippen hier geworfen worden. Unser Boot brach an einem Felsblock vor der Insel auseinander und sofort waren Haie zur Stelle.
Ich bin um mein Leben geschwommen. Von den anderen habe ich nie wieder etwas gehört oder gesehen. Außer den damaligen Kleidern am Leib habe ich nichts retten können. Und gäbe es hier keine Kokosnüsse, wäre ich sofort verhungert. Ohne euch wäre das jetzt auch trotz der Palmen geschehen, denn es verschwanden immer wieder über Nacht die wenigen Nüsse spurlos, die ich mir als Vorrat für ein ganzes Jahr holen wollte.“
Es ist meine Schuld, sagte Triton traurig. Ich wusste nicht, dass du hier lebst und für uns vom Meervolk sind sie eine besondere Delikatesse. Dafür bin ich sogar auf den Händen herumgekrochen, und habe sie eingesammelt. Es tut mir so leid, dir Böses zugefügt zu haben.
Deswegen werden wir uns auch kümmern, dass du nie wieder Hunger leiden musst, versprach Pyros. Wir werden also ganz regelmäßig kommen, damit wir dir auch ein bisschen die Einsamkeit vertreiben können.
„Ist das schön!“, strahlte Fiona. „Ich bin so glücklich, dass es euch und die Delfine gibt. Grüßt sie ganz lieb von mir, wenn ihr ihnen wieder begegnet!“
Das werden wir gern tun! Aber nun iss, damit du schnell wieder zu Kräften kommst! Triton hob mit seinem Messer Fisch- und Muschelstücke aus dem Sud, die er Fiona auf einer großen Muschelschale servierte.
„Hmm, ist das lecker! Richtiges warmes Essen! Wenn das ein Traum ist, dann weckt mich bloß nicht auf!“
Du darfst ihn auch weiterträumen, wenn du wach bist, blinzelte Pyros.
Ammon tat es von Herzen leid, dass Fiona nicht einmal die Kraft hatte, sitzen zu können. Er befürchtete sogar, sie werde trotz der warmen Mahlzeit an Entkräftung sterben.
Lass mich es probieren, bat der Lóng, als Triton noch überlegte, ob er sofort Kami zu Hilfe rufen solle, als sich Fiona gleich nach dem Essen in ihre Schlafnische schleppte, weil Aufregung und Schwäche Tribut forderten.
Pyros packte sich neben sie. Versuche, dich ganz fest anzukuscheln, bat er. Du wirst spüren, wenn es richtig ist.
„Du hast Heilkräfte?“, staunte Fiona, als ein kribbelnder Wärmestrom durch ihren Körper zu pulsieren begann.
Wir Lóng sind so eine Art Universalwerkzeug, lachte er. Dabei ist es heute das erste Mal, dass ich so etwas mache. Ich bin ja noch ein Jungspund in Ausbildung.
„Ach herrje! Wie groß könnt ihr denn werden?“, erschreckte sich Fiona.
„Sie erreichen mindestens Blauwalgröße“, sagte Triton.
Fiona riss die Augen auf. „Du kannst dich sogar mit mir akustisch unterhalten?!“
„Mein Großvater Tiku und meine Tante Siria sind hervorragende Lehrer“, freute sich Triton, verstanden worden zu sein. „Sogar der Enga-Clan lernt deine Sprache bei ihnen.“
„Es gibt bei euch Clans?“ Fiona konnte die Informationen kaum fassen.