Der Organisations-Shift - Silvester Schmidt - E-Book

Der Organisations-Shift E-Book

Silvester Schmidt

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Beschreibung

Wie gelingt es, Menschen in einer Organisation zu Zukunftsgestaltern für das Unternehmen zu machen? Das Buch bietet die nötige Orientierung bei der Suche nach der richtigen Organisationsform für unterschiedliche Marktbedingungen und zeigt den entsprechenden Entwicklungsweg dorthin auf. Mit diesem wissenschaftlich fundierten, zielführenden, praktikablen Konzept können Führungskräfte ihrer zunehmend wichtigeren Rolle und den daran geknüpften Erwartungen in einer sich ändernden Organisation gerecht werden. So lassen sich die Organisationsformen finden, in denen  Menschen leistungsfähig und glücklich sind.Die Evolution der Organisationen - Wachstumsorganisationen - Der Mensch und seine Organisation - Das Unternehmen und seine Organisation - Transformationskonzept - Mit Zusatzmaterialien auf myBook+ 

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[9]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumAbbildungsverzeichnisVorwort1 Orientierung2 Die Evolution von Organisationen2.1 Organisation als Reaktion auf die Umwelt2.2 Von Befehlsgewalt und Regelwut2.3 Evolutionäre Anpassung von Organisationen in Unternehmen2.3.1 Patriarchat2.3.2 Hierarchie2.3.3 Funktionale oder divisionale bzw. Matrixorganisation 2.3.4 Prozessorganisation2.3.5 Projektorganisation2.3.6 Agile Organisation und Schwarmorganisation 2.4 Zäsuren der evolutionären Entwicklung2.4.1 Vom Niemandsland 2.4.2 Die Senke und die Kluft2.4.3 Die vier Sektoren der S-Matrix2.5 Ein Werkzeug der Organisationsentwicklung 2.6 Organisationen für die Digitalisierung2.6.1 Anforderungen der Digitalisierung2.6.1.1 Trends2.6.1.2 Dynamik und Komplexität2.6.1.3 Konsequenzen für Unternehmen2.6.1.4 Smarte Märkte2.6.2 Organisationsformen für die Digitalisierung2.6.2.1 Teams, Projekte und Rollen2.6.2.2 Feedback und Anpassung2.6.2.3 Chancen und Risiken2.6.2.4 Selbstorganisation2.6.2.5 Befähigung und Ermächtigung2.6.2.6 Sinn und Effektivität2.7 Tanker und Schnellboote3 Der Mensch und seine Organisation3.1 Cultural Fit3.1.1 Werte und Organisationskultur3.1.2 Werte und Persönlichkeit3.1.2.1 Passung von Mensch und Organisation3.1.2.2 Persönlichkeit und Verhalten3.1.2.3 Bestimmung der Wertesysteme von Menschen3.1.2.4 Grundwerte, Lebensmotive und Verhalten3.2 Role Fit3.2.1 Von Positionen und Rollen3.2.2 Beispiel: Agile Rollen3.2.3 Positionen und Rollen bestmöglich besetzen3.2.4 Intrinsische Motivation3.2.5 Das Flow-Phänomen3.3 Change Fit3.3.1 Persönlichkeit und Veränderung3.3.1.1 Typ A: »Der Überleister«3.3.1.2 Typ B: »Der Menschliche«3.3.1.3 Typ C: »Der Innovator«3.3.1.4 Typ D: »Der Bewahrer«3.3.1.5 Typ E: »Der Blockierer«3.3.1.6 Typ F: »Der Gestalter«3.3.1.7 Typ G: »Der Machtmensch«3.3.1.8 Typ H: »Der Erfüllungsgehilfe«3.3.1.9 Nutzen dieser Typologie3.3.2 Überforderung durch organisationale Veränderung3.4 Herausforderungen der Digitalisierung3.4.1 Belastungen und Entlastungsstrategien3.4.1.1 Das Risikoparadox 3.4.1.2 Kognitive Dissonanz3.4.2 Alles agil, oder nicht?4 Das Unternehmen und seine Organisation4.1 Die Kernstruktur einer Organisation und ihres Marktes4.2 Stabilität – Das Patriarchat4.2.1 Genesis des Patriarchats4.2.2 Der zum Patriarchat passende Markt4.2.2.1 Kunden und Produkte4.2.2.2 Marktstruktur4.2.2.3 Marktdynamik und Wettbewerb4.2.3 Strategie und Innovation im Patriarchat4.2.4 Die Kernstruktur des Patriarchats4.2.4.1 Menschen und Kultur4.2.4.2 Führung4.2.4.3 Organisationsstruktur und Prozesse4.2.4.4 Human Resources 4.2.4.5 Informations- und Kommunikationstechnik4.2.4.6 Start-ups4.2.5 Beispiele für patriarchalische Unternehmen4.2.6 Was das Patriarchat ausmacht4.3 Schlagkraft – Die (reine) Hierarchie4.3.1 Genesis der reinen Hierarchie4.3.2 Der zur Hierarchie passende Markt4.3.2.1 Kunden und Produkte4.3.2.2 Marktstruktur4.3.2.3 Marktdynamik und Wettbewerb4.3.3 Strategie und Innovation in einer Hierarchie4.3.4 Die Kernstruktur der Hierarchie4.3.4.1 Menschen und Kultur4.3.4.2 Führung4.3.4.3 Organisationsstruktur und Prozesse4.3.4.4 Human Resources 4.3.4.5 Informations- und Kommunikationstechnik4.3.5 Beispiele für reine Hierarchien4.3.6 Was eine Hierarchie ausmacht4.4 Exkurs: Die dunkle Seite der Macht4.5 Qualität – Die Matrix und ihre Schwestern4.5.1 Genesis der Matrixorganisation 4.5.2 Der zur Matrixorganisation passende Markt4.5.2.1 Kunden und Produkte4.5.2.2 Marktstruktur4.5.2.3 Marktdynamik und Wettbewerb4.5.3 Strategie und Innovation in der Matrixorganisation 4.5.4 Die Kernstruktur der Matrixorganisation 4.5.4.1 Menschen und Kultur4.5.4.2 Führung4.5.4.3 Organisationsstruktur und Prozesse4.5.4.4 Human Resources 4.5.4.5 Informations- und Kommunikationstechnik4.5.5 Beispiele für Matrixorganisationen 4.5.6 Was die Matrixorganisation ausmacht4.6 Exkurs: Besitzstandswahrung 4.7 Wertorientierung – Die (schlanke) Prozessorganisation4.7.1 Genesis der Prozessorganisation4.7.2 Der zur Prozessorganisation passende Markt4.7.2.1 Kunden und Produkte4.7.2.2 Marktstruktur4.7.2.3 Marktdynamik und Wettbewerb4.7.3 Strategie und Innovation in der Prozessorganisation4.7.4 Die Kernstruktur der Prozessorganisation4.7.4.1 Menschen und Kultur4.7.4.2 Führung4.7.4.3 Organisationsstruktur und Prozesse4.7.4.4 Human Resources 4.7.4.5 Informations- und Kommunikationstechnik4.7.5 Beispiele für Prozessorganisationen4.7.6 Was die Prozessorganisation ausmacht4.8 Flexibilität – Die Projektorganisation4.8.1 Genesis der Projektorganisation4.8.2 Der zur Projektorganisation passende Markt4.8.2.1 Kunden und Produkte4.8.2.2 Marktstruktur4.8.2.3 Marktdynamik und Wettbewerb4.8.3 Strategie und Innovation in der Projektorganisation4.8.4 Die Kernstruktur der Projektorganisation4.8.4.1 Menschen und Kultur4.8.4.2 Führung4.8.4.3 Organisationsstruktur und Prozesse4.8.4.4 Human Resources 4.8.4.5 Informations- und Kommunikationstechnik4.8.5 Beispiele für Projektorganisationen4.8.6 Was die Projektorganisation ausmacht4.9 Exploration – Die agile Organisation4.9.1 Genesis der agilen Organisation4.9.2 Der zur agilen Organisation passende Markt4.9.2.1 Kunden und Produkte4.9.2.2 Marktstruktur4.9.2.3 Marktdynamik und Wettbewerb4.9.3 Strategie und Innovation in der agilen Organisation4.9.4 Die Kernstruktur der agilen Organisation4.9.4.1 Menschen und Kultur4.9.4.2 Führung4.9.4.3 Organisationsstruktur und Prozesse4.9.4.4 Human Resources 4.9.4.5 Informations- und Kommunikationstechnik4.9.5 Beispiele für agile Organisationen4.9.6 Was die agile Organisation ausmacht4.10 Exkurs: Der digital-agile Burnout 4.11 Netzwerk – Die Schwarmorganisation4.11.1 Genesis der Schwarmorganisation 4.11.2 Der zur Schwarmorganisation passende Markt4.11.2.1 Kunden und Produkte4.11.2.2 Marktstruktur4.11.2.3 Marktdynamik und Wettbewerb4.11.3 Strategie und Innovation in der Schwarmorganisation 4.11.4 Die Kernstruktur der Schwarmorganisation 4.11.4.1 Menschen und Kultur4.11.4.2 Führung4.11.4.3 Organisationsstruktur und Prozesse4.11.4.4 Human Resources 4.11.4.5 Informations- und Kommunikationstechnik4.11.5 Beispiele für Schwarmorganisationen 4.11.6 Was die Schwarmorganisation ausmacht5 Die Transformation5.1 Entwicklungspfad5.1.1 Ausgangspunkt bestimmen5.1.2 Ziel und Zweck einer Transformation klären5.2 Machbarkeit5.2.1 Die Sprungweite bestimmen5.2.2 Voraussetzungen prüfen5.2.2.1 Erkenntnis – »Dringlichkeit«5.2.2.2 Motivation – »Wollen«5.2.2.3 Kompetenz – »Können«5.2.2.4 Möglichkeit – »Dürfen«5.2.2.5 Wirkung – »Feedback«5.2.2.6 Anwendung bei einer Transformation5.3 Transformationskonzept5.3.1 Den richtigen Ansatz finden5.3.1.1 Ambidextrie 5.3.1.2 Pilot oder »Big Bang«5.3.2 Die »richtigen« Menschen gewinnen5.3.2.1 Cultural Fit – schon wieder5.3.2.2 Menschen für die Transition5.4 Agil transformieren5.5 »Change Management«5.6 Die digitale Transformation5.6.1 Ganzheitliche Digitalstrategie5.6.2 Die digitale Transformation klassisch-hierarchischer Unternehmen5.6.3 Digital Innovation Unit (DIU)LiteraturverzeichnisStichwortregister Die AutorenArbeitshilfen Online
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-7910-4802-4

Bestell-Nr. 10399-0001

ePub:

ISBN 978-3-7910-4803-1

Bestell-Nr. 10399-0100

ePDF:

ISBN 978-3-7910-4804-8

Bestell-Nr. 10399-0150

Silvester Schmidt/Monika Janzon

Der Organisations-Shift

1. Auflage, März 2020

© 2020 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): ©Tartilla, shutterstock.com

Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[15]Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1:Zusammenhang von Themenbausteinen dieses BuchesAbb. 2.1:Die Grundstruktur der S-MatrixAbb. 2.2:Organisationsformen in der S-MatrixAbb. 2.3:Zäsuren der evolutionären EntwicklungAbb. 2.4:Vergleich zwischen agiler und klassisch-hierarchischer OrganisationAbb. 2.5:Tanker und SchnellbooteAbb. 3.1:Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und VerhaltenAbb. 3.2:Organigramm mit hierarchischen Positionen und BerichtswegenAbb. 3.3:Projektorganisation mit Zirkeln und Rollen (die Piktogramme für die Rollenträger in diesem Bild stammen von Markus Stuhr, Berlin)Abb. 3.4:Zielgerichtet wirksame, intrinsische MotivationAbb. 3.5:FLOWAbb. 3.6:Persönlichkeits- und kompetenzinduzierte ÜberforderungAbb. 3.7:Das Risikoparadox der digitalen TransformationAbb. 3.8:Kognitive Dissonanz bei der digitalen TransformationAbb. 4.1:Die Kernstruktur einer Organisation und ihres MarktesAbb. 4.2:Die Kernstruktur des PatriarchatsAbb. 4.3:Der Mensch im PatriarchatAbb. 4.4:Die Kernstruktur der HierarchieAbb. 4.5:Der Mensch in der HierarchieAbb. 4.6:Die Kernstruktur der MatrixorganisationAbb. 4.7:Der Mensch in der MatrixorganisationAbb. 4.8:Die Kernstruktur der ProzessorganisationAbb. 4.9:Der Mensch in der ProzessorganisationAbb. 4.10:Die Kernstruktur der ProjektorganisationAbb. 4.11:Der Mensch in der ProjektorganisationAbb. 4.12:Die Kernstruktur der agilen OrganisationAbb. 4.13:Der Mensch in der agilen OrganisationAbb. 4.14:Die Kernstruktur der SchwarmorganisationAbb. 4.15:Der Mensch in der SchwarmorganisationAbb. 5.1:Ein Entwicklungspfad einer OrganisationAbb. 5.2:Das Pipeline-Modell der VeränderungAbb. 5.3:Die Transformation durch ein agiles TransformationsprojektAbb. 5.4:Die Kategorien einer ganzheitlichen Digitalstrategie

[17]Vorwort

Seitdem wir uns mit Organisationen und den darin tätigen Menschen befassen, erleben wir Situationen wie die folgenden:

Die Einführung einer neuen Arbeitsorganisation, wie zum Beispiel agiles Projektmanagement oder Kanban (aus dem Kontext des Lean Managements), geschieht in einem Unternehmen praktisch »wie von selbst« und führt nach kurzer Zeit zu erheblichen Verbesserungen. In einem anderen Unternehmen derselben Branche, Größe usw. scheitert sie trotz identischen Vorgehens grandios in der ersten Runde.Ein Workshop zur Entwicklung einer Digitalstrategie führt in einem Unternehmen nach intensiven, konstruktiven Diskussionen zu einem Ergebnis, auf dessen Grundlage die digitale Transformation sofort starten kann. Sie wird anschließend erfolgreich – mit allen dafür notwendigen Veränderungen der Organisation – weitergeführt. In einem vergleichbaren Unternehmen löst genau derselbe Workshop erhebliche Konflikte aus, die auch im Nachgang nicht gelöst werden können.Eine Führungskräfteentwicklung kommt in einem Unternehmen sehr gut an: Das Führungsmodell wird verändert, neue Führungsrollen definiert, Trainings konzipiert und unter lebhafter Beteiligung aller Führungskräfte durchgeführt usw. In einem vergleichbaren Unternehmen kann man sich noch nicht mal auf ein Entwicklungskonzept einigen und das Vorhaben wird komplett eingestampft.Von uns begleitete Menschen sind in dem einen Unternehmen oder in einem Bereich eines größeren Unternehmens motiviert und erfolgreich, glücklich und zufrieden. Und in einem anderen sind dieselben Menschen trotz ähnlicher Aufgaben und Anforderungen von vergleichbarer Komplexität nicht wiederzuerkennen: Sie wirken demotiviert, überfordert und unglücklich.

Natürlich haben wir uns die Frage gestellt, woran genau das liegen könnte. Und wir haben viele Antworten gefunden, die wir in der Praxis überprüft haben. Das geschah im Rahmen der Zusammenarbeit mit Hunderten von Unternehmen unterschiedlichster Art in den letzten 30 Jahren. Entweder war unsere »Feldforschung« aufgrund der Themen bzw. Aufgabenstellungen Teil der Zusammenarbeit, oder wir haben die Analysen und Untersuchungen ergänzend am Rande oder im Nachgang durchgeführt.

Wir haben alte und neue Modelle von Organisationen, der Kultur von Organisationen und der Persönlichkeit von Menschen zur Erklärung unserer Beobachtungen herangezogen. Daraus ist ein konsistentes Bild entstanden, das die Zusammenhänge für die Praxis zutreffend beschreibt. Wir haben Instrumente, Methoden und Vorgehensweisen zur Organisationsentwicklung sowie der Personal- bzw. Führungskräfteentwicklung gefunden bzw. auf Basis der Modelle entwickelt, die in der Praxis erfolgreich sind.

In diesem Buch haben wir all das in eine konsistente, aufeinander aufbauende Struktur gebracht. Mit »konsistent« meinen wir, dass sich die individuelle Persönlichkeit der Menschen [18]und die Kultur von Organisationen wie ein roter Faden durch alle Themenbereiche zieht: von der evolutionären Entwicklung einer Organisation über ihre innere Struktur und ihre Funktionsweise bis hin zur Transformation von Organisationen.

Mit der zunehmenden Dominanz des Themas Digitalisierung geraten auch neuartige Organisationsformen und New Work vermehrt in den Fokus des Interesses. Wir haben uns in den letzten Jahren zum Beispiel intensiv mit der agilen Organisation und der Schwarmorganisation befasst. Hier beobachten wir eine gewisse Nervosität und Überforderung der Verantwortlichen in den Unternehmen im Kontext der Gestaltung ihrer Organisationen. Durch den »agilen Hype« (Schmidt, S. 2015) der letzten Jahre fühlten und fühlen sich auch Unternehmen zur Einführung von »agil« gedrängt, für die das nur wenig Sinn macht oder die dafür noch nicht bereit waren oder sind. Die Folgen sind fehlgeschlagene Versuche einer agilen Transformation mit negativen Auswirkungen für die Unternehmen.

Unserer Auffassung nach ist dieses wenig reflektierte Folgen dieses Hypes gefährlich. Nicht jedes Unternehmen muss eine agile Organisationsform ausbilden. Es gibt Märkte, die viel besser mit eher klassischen Varianten »bedient« werden können. Um zur Entspannung beizutragen, würdigen und untersuchen wir in diesem Buch daher klassische und neuartige Organisationsformen gleichermaßen. Wir beschreiben sie mit ihren Charakteristiken sowie Stärken und Schwächen in ihrem jeweiligen Ökosystem.

Der Entschluss, dieses Buch zu schreiben, entspringt zugegebenermaßen auch egoistischen Motiven. Denn »Schreiben ist die intensivste Form des Nachdenkens« (Kruse 2016). Es erlaubt uns, Ordnung in die vielen Facetten unseres Denkens und Handelns auf Basis der oben umrissenen Modelle, Methoden und Tools zu bringen.

Wir hoffen, Ihnen – unseren Leserinnen und Lesern1 – mit diesem Buch eine praxisorientierte, fundierte und wirksame Sammlung an Modellen und Instrumenten an die Hand zu geben.

Wir schrieben dieses Buch als Team. Dabei brachte sich jeder von uns entsprechend seiner bzw. ihrer Talente und Erfahrungen ein. Silvester Schmidt steuerte aufgrund seiner Kernkompetenzen auf den Gebieten der Organisationsentwicklung und Digitalisierung den Großteil der Konzepte und Inhalte zu diesem Buch bei. Monika Janzon hat als Co-Autorin entscheidende Impulse im Themenbereich Mensch und Organisation gesetzt. Mit ihrer Kernkompetenz auf dem Gebiet der Persönlichkeitsentwicklung hat sie aus diesem Buch etwas aus der Praxis für die Praxis geschaffen.

Bei der Entstehung dieses Buches haben uns viele Menschen unterstützt. Da wären zuvorderst unsere Ehepartner und Familien zu nennen.

[19]Susanne Schmidt, Ehefrau von Silvester Schmidt, hat mit ihrem umfangreichen Wissen und ihren Erfahrungen als Sozialarbeiterin, Pädagogin, Bindungspsychotherapeutin und traumazentrierte Beraterin wichtige Impulse aus ihrer komplementären Perspektive heraus gegeben. Viele Themen in Kapitel 3, »Der Mensch und seine Organisation«, sind von ihr befruchtet worden. Solveigh und Saniel Schmidt, die Kinder der Familie, haben einen Sommer ohne Urlaub voller Verständnis für ihren Vater akzeptiert und ihn in jeder Hinsicht unterstützt. Diskussionen mit den aktuell 14- und 12-jährigen Kindern über das eine oder andere Thema des Buches haben zu erstaunlichen Erkenntnissen geführt.

Martin Richter, Ehemann von Monika Janzon, hat uns durch seinen Glauben an seine Frau und dieses Projekt moralisch unterstützt. Indem er uns den Rücken freigehalten hat, konnten wir uns auf das Schreiben konzentrieren.

Christina B. Schmidt, Frank Hüttemann, Marco Petracca, Stefan Schwenzfeier und Dirk Gante von PSV NEO sind Experten auf dem Gebiet der strategischen und digitalen Markenführung von Unternehmen. Sie haben wertvolle Praxiserfahrungen zur digitalen Transformation vor dem Hintergrund der Kultur insbesondere mittelständischer Organisationen beigesteuert. Ihr Feedback zur Natur von Unternehmen war hilfreich und reicherte die Beschreibungen der Organisationsformen an.

Dirk Meißner möchten wir für die Möglichkeit danken, über viele Jahre bei anspruchsvollen Projekten von CO-Improve Consulting mitwirken zu können. Ausgehend von den Themen Strategie und Innovation ging es dabei immer um die Weiterentwicklung oder Transformation der Organisationen von deutschen und internationalen Unternehmen jeder Größenordnung. In diesen Projekten konnten wir vielfältige praktische Erfahrungen sammeln, die Eingang in dieses Buch gefunden haben.

Professor Hillert, Chefarzt an der Schön Klinik Roseneck am Chiemsee, hat ausgehend von seinen Erfahrungen mit – angesichts beruflicher Belastungskonstellationen – psychisch erkrankten Menschen wichtige Aspekte in die Diskussion um Organisationsformen eingebracht. Die Berücksichtigung elementarer individueller Bedürfnisse legt hinsichtlich vermeintlich stringent-rational begründeter Organisationskonzepte einen Paradigmenwechsel nahe. Seine kenntnisreiche und pointierte Art hat uns neue Sichtweisen auf die Belastung von Menschen in Organisationen eröffnet.

Schließlich möchten wir Claudia Dreiseitel und Dr. Frank Baumgärtner vom Schäffer-Poeschel Verlag für die ausgesprochen professionelle und angenehme Begleitung bei der Entstehung dieses Buches danken. Ihr zurückhaltendes, konstruktives und zielgerichtetes Vorgehen hat uns die Erfüllung unserer Aufgaben als Autoren sehr erleichtert.

Siegen und Mönchengladbach, September 2019

1 Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Text die männliche Form gewählt. Nichtsdestoweniger beziehen sich alle Beschreibungen und Inhalte natürlich auf Angehörige beider Geschlechter.

[21]1Orientierung

In diesem Buch verbinden wir vier große Themenbereiche zu einem konsistenten Bild:

Die evolutionäre Entwicklung von Organisationen.Der Einfluss der Digitalisierung auf diese Entwicklung.Die Menschen in unterschiedlichen Organisationsformen.Die gezielte Veränderung von Organisationen.

Innerhalb dieser vier Themenbereiche beleuchten wir Erkenntnisse aus der Forschung, Erfahrungen aus der Praxis sowie damit zusammenhängende Vorgehensweisen, Methoden und Tools. Diese Elemente dienen dazu, Unternehmen wettbewerbs- und zukunftsfähig aufzustellen. In Abbildung 1.1 sind einige dieser Elemente und Wirkungen auf andere Elemente dargestellt:

Abb. 1.1: Zusammenhang von Themenbausteinen dieses Buches

[22] Wirtschaft und Unternehmen werden heute mehr oder weniger stark von der Digitalisierung beeinflusst. Daher haben wir die Digitalisierung als äußeren Rahmen dieses Bildes aufgenommen. Ihr Einfluss auf die Organisation erfolgt über dessen Markt.Die S-Matrix beschreibt, wie sich die Organisation eines Unternehmens aufstellen muss – welche Organisationsform es ausprägen muss –, um den Anforderungen eines bestimmten Marktes gerecht zu werden.Wenn sich der Markt verändert, muss sich auch die Organisation verändern. Das definiert ihren Entwicklungspfad.Diese Veränderung kann entweder eine Organisationsentwicklung sein, bei der ihre Kultur unverändert erhalten bleibt. Oder der Entwicklungspfad erfordert die Transformation der Organisation, die mit einem kulturellen Wandel verbunden ist.Die Größe der Herausforderung für das Unternehmen durch eine Transformation – der Umfang notwendiger technischer und kultureller Veränderungen – wird durch deren Sprungweite bestimmt. Ist nur eine kleine Distanz zu überwinden? Oder eine große Distanz, die in mehreren Transformationsschritten überwunden werden muss?Ob diese Veränderung für das Unternehmen möglich ist, kann mithilfe des Pipeline-Modells der Veränderung abgeschätzt werden.In all diesen Zusammenhängen spielt der Mensch mit seiner Persönlichkeit die entscheidende Rolle.Sie entscheidet darüber, ob er zu der zukünftigen Organisationsform passt. Ob also die Persönlichkeit mit der Kultur der Organisation harmonieren wird. Das ist der Cultural Fit von Mensch und Organisation.Und die Persönlichkeit entscheidet auch, ob ein Mitarbeiter die Anforderungen an ihn gut und mit Begeisterung erfüllen wird. Diese Anforderungen werden von der Rolle definiert, die er in einer (zukünftigen) Organisation übernehmen wird. Wir sprechen hier vom Role Fit von Mensch und Rolle.Schließlich bestimmt die Persönlichkeit auch darüber, wie ein Mensch mit Veränderungen umgeht. Und wie gut und motiviert er mit ihnen umgehen kann. Mit Veränderungen, die unweigerlich mit einer Organisationsentwicklung oder Transformation verbunden sind. Das bezeichnen wir als Change Fit von Mensch und Veränderung.Diese komplexen Veränderungen können unserer Erfahrung nach am effektivsten gestaltet werden, wenn bei einer Organisationsentwicklung oder Transformation agil vorgegangen wird. Wenn Transitionsteams also agil transformieren. Wie bei jedem agilen Projekt entscheidet die Persönlichkeit darüber, ob ein Mensch einen agilen Mindset hat und dabei mitwirken kann.Der Kreis schließt sich durch die digitale Transformation. Sie beschreibt die Entwicklung und Umsetzung einer ganzheitlichen Digitalstrategie. Ihr Ziel ist, ein Unternehmen so aufzustellen, dass es die Chancen der Digitalisierung nutzen und die Risiken beherrschen kann. Ein wesentlicher Beitrag dazu ist eine zielgerichtete Entwicklung der Organisation des Unternehmens.

[23]2Die Evolution von Organisationen

Für jedes Unternehmen gibt es »die eine Organisationsform«, die den Anforderungen des jeweiligen Marktes und dessen zukünftiger Entwicklung gerecht wird. Und lassen Sie uns etwas gleich vorwegnehmen: Das ist nicht unbedingt eine agile Organisation, wie sie momentan in aller Munde ist.

Die aktuelle Organisation eines Unternehmens ist meist das Ergebnis einer Entwicklung. Deren Startpunkt ist die Gründung des Unternehmens. Die Kultur und Organisationsform des neuen Unternehmens sind stark von der Persönlichkeit der Gründer geprägt. Die Gründer scharen Menschen um sich, die gut zum Unternehmen passen. Diese »Passung« ist von zentraler Bedeutung für die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Sie wird uns noch oft in diesem Buch begegnen: die Passung von Persönlichkeit, die vom individuellen Wertesystem geprägt ist, und Organisationskultur, die von geteilten Werten geprägt ist.

BEISPIEL

Ein Unternehmen, dessen Prägung durch den Gründer häufig in den Vordergrund gestellt wird, ist Bosch. In Robert Bosch ist schon früh der Wunsch gereift, sich selbstständig zu machen. 1886 richtete er eine Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik in Stuttgart ein. Die ersten Jahre waren von Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Erst ab Mitte der 1890er-Jahre ging es dann rasant und unaufhaltsam aufwärts. Ein Grund für den bis heute anhaltenden Erfolg ist das unbedingte Bekenntnis zu höchster Qualität und Zuverlässigkeit sowie ein »ehrenhaftes Verhalten« als Unternehmer. Bekannte Zitate von Robert Bosch illustrieren das eindrucksvoll: »Lieber Geld verlieren als Vertrauen.« Oder: »Eine anständige Art der Geschäftsführung ist auf die Dauer das Einträglichste.«

Diese Haltung zeigte er auch bei der Behandlung seiner Mitarbeiter: »Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle.« Man muss wissen, dass ein anständiger Lohn und gute Sozialleistungen zur damaligen Zeit ein Zeichen höchster Wertschätzung für die Mitarbeiter in Unternehmen waren. Dementsprechend würde man die Organisationsform in den Anfangsjahren als patriarchalisch bezeichnen. Sie wandelte sich bis heute zu einer sehr großen, mehrdimensionalen Matrixorganisation. Aktuell befindet sich der gesamte Konzern dabei, die nächste Evolutionsstufe zu erklimmen.

[24]BEISPIEL

Ein völlig anderes Unternehmen, das aber ähnlich stark in seiner Außenwahrnehmung mit seinen Gründern verbunden wird, ist Google. Google steht für digitale Innovationen – mal radikal, mal inkrementell – und besaß von Anfang an eine agile Organisation.

Larry Page und Sergey Brin, die Gründer von Google, hatten eine klare Vision – die sie auch selber verkörperten: Sie waren davon überzeugt, die beste Suchmaschine der Welt entwickeln zu können, wenn sie die am besten qualifizierten Softwareentwickler dafür gewinnen und ihnen »alle Freiheiten der Welt« geben würden. Das prägt die Kultur von Google bis heute. 50 Prozent der Mitarbeiter sind Programmierer, viele überragend. Sie arbeiten selbstbestimmt und selbstverantwortlich an Projekten im Geiste des Unternehmens. (Schmidt, E. et al. 2015)

Mit der Zeit verändert sich der Markt. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss das Unternehmen daher seine Organisation an die Veränderungen anpassen. Schließlich erfüllt ein erfolgreiches Unternehmen zu jedem Zeitpunkt die aktuellen Anforderungen des Marktes.

Diese evolutionäre Entwicklung muss kontinuierlich erfolgen. Denn schnelle Korrekturen sind bei einer sich möglicherweise zuspitzenden, prekären Unternehmenssituation unmöglich! Wir sprechen bei einer Transformation nämlich nicht nur von technischen Anpassungen der Aufbau- und Ablauforganisation. Wir sprechen von Veränderungen der Kultur, von den Menschen in der Organisation, die diese Entwicklungen anstoßen und gestalten, die sich dazu fachlich – vor allem aber persönlich – weiterentwickeln müssen, um ihren neuen Rollen unter veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden, und von anderen Menschen, die erst noch gefunden und gewonnen werden müssen, um die Veränderung voranzutreiben. Das erfordert Zeit.

Aktuell erleben wir eine Zunahme von sowohl der Dynamik als auch Komplexität in von der Digitalisierung geprägten Märkten. Diese sind von ständig neuen Technologien, Wettbewerbern aus der »digitalen Ecke«, veränderten Kundenanforderungen und andersartigen Arbeitsbedingungen – Stichwort New Work – gekennzeichnet. Dadurch sind die Unternehmen heute in besonderem Maße gefordert, ihre Organisation zu hinterfragen. Und zu prüfen, wie – und wie schnell – sie darauf reagieren müssen. Hierauf gehen wir explizit im Abschnitt »Organisationen für die Digitalisierung« in diesem Kapitel ein.

Die Tatsache, dass eine tief greifende Veränderung einer Organisation aufgrund der dazu notwendigen Kulturveränderung viel Zeit in Anspruch nimmt, ist gemeinhin bekannt. Sie ist aber nicht im Denken vieler Verantwortlicher in den Unternehmen verankert. Sonst würden sie diese Veränderungen viel früher beginnen.

Das hat zum Teil schmerzliche Konsequenzen, mit denen wir in unserer Arbeit in zunehmendem Maße konfrontiert sind. Wir treffen immer öfter auf Unternehmen, denen es in den letzten [25]Jahren und Jahrzehnten gut, ja oft hervorragend, ging. Sie haben über lange Zeit Organisationsformen ausgebildet und immer weiter optimiert, die unter den relativ stabilen Rahmenbedingungen ihrer bisherigen Märkte ausgezeichnete Leistungen erbrachten. Doch nun erleben sie – scheinbar wie aus dem Nichts – Umwälzungen nie gekannten Ausmaßes aufgrund der Digitalisierung.

Wie wir gleich sehen werden, sind viele der heute stark verbreiteten Organisationsformen aber nicht geeignet, um den Herausforderungen der Digitalisierung gewachsen zu sein. Das führt zur Krise 4.0, in Anlehnung an den mit der Digitalisierung stark verwobenen Begriff Industrie 4.0: Den Verantwortlichen in den Unternehmen wird klar, dass sie ihre Organisation dringend »auf Digitalisierung trimmen« müssen. Gleichzeitig erkennen und erleben sie, dass das nicht schnell genug möglich ist.

BEISPIEL

Prominente Beispiele für Unternehmen, die die Notwendigkeit der Anpassung ihrer Organisationen erst spät begonnen haben, stammen aus der Automobilindustrie (Schmidt, S. 2017d). In der Praxis erleben wir aktuell folgende Situation2: Viele klassisch aufgestellte Automobilhersteller (OEM) und Zulieferer müssen erhebliche Anstrengungen unternehmen, um den von der Digitalisierung getriebenen Entwicklungen zu folgen. Hier drei Beispiele für technologische Herausforderungen:

Die Künstliche Intelligenz ermöglicht autonomes Fahren und unterstützt Nutzer, Werkstatt, Lieferanten und OEM. Auf diesem Technologiefeld stehen Unternehmen aus den USA derzeit noch unangefochten an der Spitze. China holt allerdings schnell auf und wird aller Voraussicht nach in einigen Jahren die Führung übernehmen. Deutsche Unternehmen spielen hier nur eine untergeordnete Rolle.Eine umfassende digitale Vernetzung erhöht den Informationsstand von Nutzer, Fahrzeug und externen Stakeholdern, wie Versicherungen oder Service-Anbietern. Die Standards setzen hier die »Internet-Unternehmen«.Elektromobilität schützt die Umwelt und verändert unsere Mobilitätsgewohnheiten. Hier haben wir, aus unserer Sicht, ein fast schon beschämendes »Spiel auf Zeit« der deutschen OEM erlebt.

Unternehmen wie Google, Apple, Tesla, Faraday Future und andere legen hier oftmals vor, die traditionellen OEM folgen. Oder sie versuchen, vom Wissensvorsprung der »IT-Giganten« durch Partnerschaften zu profitieren. So ist Volkswagen 2017 eine umfassende Forschungskooperation mit Google im Bereich der Quantencomputer eingegangen. Auf der grünen Wiese entstehende Automobilhersteller, bisherige Lieferanten und Unternehmen aus ganz anderen Branchen werden zu direkten Wettbewerbern etab[26]lierter Player der Automobilbranche. Hinsichtlich Innovation und Digitalisierung sind sie häufig den traditionellen OEM überlegen. Das scheint sich auch nicht zu ändern. Denn die digitale Transformation wird noch immer von vielen Verantwortlichen unterschätzt, als lästig empfunden oder nur punktuell umgesetzt. »Internetriesen« wie Apple, Google und Microsoft haben das Potenzial, Ansprechpartner des Kunden in Sachen Mobilität zu werden. Außerdem wissen sie, wie sie aus den großen Mengen anfallender Daten ein Geschäft machen. Heutige OEM können so in die Rolle des Zulieferers gedrängt werden.

Die meisten der neuen Mitspieler denken übrigens gar nicht über eine eigene Fertigung nach. Apple und Google stellen ja auch ihre Mobiltelefone nicht selbst her. Für Apple übernahm das lange Zeit Foxconn. Die neuen Mitbewerber bereiten stattdessen Zulieferer wie AM General, Bosch, Brose, Continental, Delphi, Magna, Valmet oder VDL Nedcar darauf vor, Teil ihres Netzwerks – ihres Wertschöpfungsnetzwerks – zu werden. Einige dieser Zulieferer wären sogar in der Lage, komplette Fahrzeuge zu bauen. Vielleicht hätte auch Tesla diese Variante wählen sollen. Denn es sind Fertigungs- und Qualitätsprobleme, die den endgültigen Durchbruch bei Tesla lange Zeit verhindert haben.

In diesem Kapitel befassen wir uns mit der »natürlichen« Entwicklung von Organisationen. Wir beantworten die Frage, welcher Markt eigentlich welche Organisationsform eines Unternehmens braucht, damit dieses erfolgreich sein kann. Das ist die Grundlage, um Organisationen gezielt weiterzuentwickeln. Dabei fassen wir Organisationen immer als ein System von Menschen mit ihren individuellen Persönlichkeiten auf.

Mit den Erkenntnissen aus diesem Kapitel in Kombination mit denen aus Kapitel 4, »Das Unternehmen und seine Organisation«, können Sie der Krise 4.0 auf unterschiedliche Arten begegnen:

Sie können erkennen, wie relevant die beschriebenen Zusammenhänge für Ihr Unternehmen und Ihre Organisation sind: Wo ist Ihr zukünftiger Markt angesiedelt? Ist er stark von der Digitalisierung geprägt? Wie weit ist Ihre Organisation von einer Form entfernt, die mit den Herausforderungen Ihres Zukunftsmarktes umgehen kann? Besteht die Gefahr, in eine Krise 4.0 zu geraten?Sie erhalten Ansatzpunkte, was Sie von jetzt an tun können, um einer Krise 4.0 vorzubeugen.Falls Sie im Begriff sind, in eine Krise 4.0 zu geraten, oder schon mittendrin sind, können Sie Elemente eines »Notfallplans« definieren. Dazu könnten zum Beispiel die agile Transformation eines besonders von der Digitalisierung betroffenen Bereichs Ihres Unternehmens zählen. Oder die Aufspaltung Ihres »Tankers« in mehrere »Schnellboote«.

Als Leser lernen Sie die Organisation Ihres Unternehmens aus einer evolutionären Entwicklungsperspektive kennen. Sie erhalten Hinweise, aus denen Sie ableiten können, wo Ihre Organisation heute steht. In Kapitel 4, »Das Unternehmen und seine Organisation«, können Sie Ihre Hypothese dann verifizieren.

[27]Mit dem Ausblick auf Organisationsformen, die auf den Evolutionsstufen nach der Ihrigen kommen, werden Ihnen Möglichkeiten der Weiterentwicklung Ihres Unternehmens aufgezeigt. Sie gewinnen Erkenntnisse darüber, auf welchem Weg und mit welchen Zwischenstationen Sie Ihre Organisation langfristig entwickeln können. Und zwar mit dem Ziel, Ihre Organisation zukunftssicher aufzustellen und die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens zu bewahren. Auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung.

2.1Organisation als Reaktion auf die Umwelt

Menschen fanden sich schon immer in Gruppen zusammen, um besser überleben zu können. In der Regel organisieren sie sich dabei. Die entstehende Organisationsform hängt von den Menschen und von äußeren Faktoren ab. Die Kompetenzen der Gruppenmitglieder, stärker aber noch ihre individuellen Persönlichkeiten, legen fest, welche Arten von Organisation möglich sind. Und die Umwelt definiert durch ihre Natur, welche Organisationsform den Anforderungen am besten gewachsen ist. Eine Gruppe kann überleben, wenn sie die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schaffen kann.

Das ist nicht anders in Unternehmen. Sie entstehen unter bestimmten Umweltbedingungen, oder besser Marktbedingungen, und prägen eine zu diesen passenden Organisationsformen aus. Jedenfalls sollten sie das. Ein sehr umkämpfter, stark wachsender Markt von einfacher Natur kann zum Beispiel gut mit einer schlagkräftigen Hierarchie erobert werden. Dazu brauchen wir Menschen, die im Herzen Krieger sind. Haben wir es mit Bürokraten oder Sinnsuchern zu tun, wird das Unternehmen nicht lange bestehen.

Mit der Zeit verändern sich die Marktbedingungen und die Organisation passt sich idealerweise von selbst daran an. Nicht selten hinken die Unternehmen hier aber hinterher, weshalb externe Organisationsentwickler nachhelfen müssen. Das ist aber nur der zweitbeste Weg.

Es gibt drei Voraussetzungen für eine erfolgreiche Organisationsentwicklung bzw. Transformation:

Die zukünftigen Markt- bzw. Umweltbedingungen sind klar.Die dazu »passende« Organisationsform ist definiert.Die Entwicklungsrichtung der Organisation ist bekannt und der Weg dorthin, ausgehend von der heutigen Organisation, zeichnet sich bereits ab.

Im Folgenden stellen wir Ihnen ein Werkzeug vor – die S-Matrix3 –, mit dessen Hilfe Sie diese Voraussetzungen schaffen können.

[28]DieS-Matrix hat einer von uns (Silvester Schmidt) in einer ersten Fassung im Jahr 2007 als Werkzeug für die Organisationsentwicklung entwickelt. In den Folgejahren wurde sie in der Praxis verifiziert und geschärft. Als Version 2 hat Schmidt sie im Jahr 2017 in seinem Blog einem breiteren Publikum zugänglich gemacht (Schmidt, S. 2017c).

Sie setzt die Ebenen-Theorie von Clare W. Graves (Graves 1966, Graves 1970, Graves 1974) in Beziehung zu zwei grundlegenden Kriterien zur Beschreibung von Organisationen: Hierarchie und Regulierung.

Wenn wir von »Organisationen« sprechen, dann meinen wir immer eine in sich geschlossene und in gewisser Weise homogene organisationale Einheit. Das kann ein ganzes Unternehmen sein oder auch nur ein Unternehmensbereich. Das Unternehmen oder der Unternehmensbereich – die Organisation – weist dabei folgende Kennzeichen auf:

Die Organisation adressiert bestimmte interne oder externe Kundengruppen, die hinsichtlich ihrer Anforderungen und Bedürfnisse nicht allzu weit auseinanderliegen. Wir können also eine klare Zielgruppe für die Produkte, Angebote bzw. Leistungen der Organisation benennen.Die Organisation ist für ein definiertes Portfolio von Produkten, Dienstleistungen bzw. Leistungen anderer Art (zum Beispiel Unterstützungsleistungen) verantwortlich, die sich ähnlich sind bzw. gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen.Die Organisation generiert auf Basis einer definierten bzw. bei Bedarf beschreibbaren Art und Weise – ihrem Geschäftsmodell – direkt oder indirekt Wert (Wertschöpfung).Für die Organisation gibt es eine gültige Strategie, die entweder explizit dokumentiert oder wenigstens implizit erkennbar ist und bei Bedarf beschrieben werden könnte.Es gibt eine bestimmte, wahrnehmbare Organisationskultur: Welcher Typ von Mensch ist häufig vertreten? Wie geht man miteinander um? Wie kommuniziert man miteinander?Es ist grundsätzlich klar, welche Menschen zur Organisation gehören, welche Positionen bzw. Rollen sie haben und für was sie verantwortlich sind.

Bei der Organisation kann es sich um kleine und große Unternehmen handeln. Bei stark diversifizierten Unternehmen – also Unternehmen, die über verschiedenartige Produkte, Angebote oder Leistungen verfügen – kann sie zum Beispiel ein Produktbereich sein. Und bei Gruppen bzw. Konzernen könnte die zu untersuchende Organisation eine einzelne Konzerngesellschaft sein, falls diese jeweils einen bestimmten Markt mit einem einheitlichen Produktportfolio bedienen. Zur Verdeutlichung hier einige Beispiele:

Eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit zehn Partnern, einigen Steuerberatern, Rechtsanwälten und Assistenten wäre eine Organisation im beschriebenen Sinne. Oder ein Handwerksbetrieb, ein Onlineshop, ein Auftragsfertiger (CNC-Fräsmaschinen, 3D-Druck) usw. von ähnlicher Größe.[29] Eine Ingenieurgesellschaft erbringt mit 65 Mitarbeitern, meist Ingenieuren, Planungsdienstleistungen. Eine Agentur realisiert für ihre Kunden mit 45 Mitarbeitern Web- und Marketingprojekte. Eine Softwareschmiede entwickelt mit 250 Entwicklern Individualsoftware. Eine Unternehmensberatung erbringt Beratungsdienstleistungen mit einem Themenschwerpunkt, z. B. Produktentstehung, Pricing oder IT. Auch diese Unternehmen könnten als Organisationen gemäß obiger Definition gelten.Falls es sich dabei aber um Funktionsbereiche – Entwicklung, Marketing, Softwareentwicklung und Vertrieb – eines größeren Unternehmens handelt, könnten diese Organisationseinheiten Gegenstand einer Organisationsentwicklung oder Transformation sein.Bei einem IT-Dienstleister mit 1450 Mitarbeitern würden der Technik-Bereich (IT-Infrastruktur), die Produktentwicklung und die Delivery (Projektgeschäft) vermutlich jeweils getrennt betrachtet werden. Falls das Unternehmen eine homogene Einheit – hier insbesondere hinsichtlich der Organisationskultur – wäre, könnte es aber auch als Ganzes analysiert werden.Bei einem Automobilhersteller (OEM) könnten die Pkw- oder die Lkw-Sparte untersucht werden, falls diese in sich nicht stark diversifiziert sind und ansonsten eine einheitliche Kultur aufweisen.Bei einem Mischkonzern mit mehreren hunderttausend Mitarbeitern, der zum Beispiel als Automobilzulieferer, Hersteller von Gebrauchsgütern (Elektrowerkzeuge, Haushaltsgeräte), im Bereich der Industrie- und Gebäudetechnik (Sicherheitstechnik) sowie in der Automatisierungstechnik tätig ist und über Hunderte von Tochter- und Regionalgesellschaften in vielen Ländern verfügt, müssen geeignete Untersuchungsobjekte entsprechend der oben genannten Kriterien zunächst definiert werden.

Wenn Ihre Gesamtorganisation aus mehreren von solchen Organisationseinheiten besteht, sollten Sie jede gesondert betrachten. Für jede einzelne muss entsprechend ihrer aktuellen Ausgangslage, ihres Potenzials und ihres (zukünftigen) Marktes ein individuelles Entwicklungsoder Transformationskonzept entwickelt werden.

2.2Von Befehlsgewalt und Regelwut

Es gibt zwei Machtquellen, die Organisationen strukturieren und Ordnung verleihen können: Hierarchien und Regelwerke.

In Hierarchien hat jede Hierarchieebene eine unterschiedliche Machtfülle. Wir meinen mit Hierarchien in diesem Zusammenhang also Machthierarchien. Dementsprechend besitzen Menschen auf den oberen Ebenen Macht über Menschen auf den darunterliegenden Ebenen. »Vorgesetzte« können ihren Untergebenen »befehlen«, etwas zu tun. Sie verfügen über eine Kommandostruktur. Auf diese Weise steuern sie die Organisation, in der Regel sehr effizient. In der Reinform einer Machthierarchie sind die Vorgesetzten völlig frei darin, wie sie ihre Macht ausüben. Menschen auf den unteren Ebenen sind ihnen quasi »hilflos« ausgeliefert, zumindest nehmen sie es so wahr.

[30]Regelwerke setzen dieser persönlichen Machtfülle Grenzen. Zwischen der Unternehmensleitung, den Führungskräften und den Mitarbeitern sowie externen Institutionen, wie Gewerkschaften und Gesetzgebern, abgestimmte, allen bekannte und offiziell in Kraft gesetzte Regeln und Gesetze bestimmen, was zu tun, und was verboten ist. In der Reinform steuert eine ausgeklügelte Bürokratie die Organisation – zuverlässig und häufig in einer als »gerecht« empfundenen Weise.

In der Praxis finden wir meist Mischformen der beiden Varianten. Überwiegt der Einfluss einer Machtquelle und ist die Organisation konsequent danach ausgerichtet, werden Entscheidungen relativ schnell gefällt. Wirken sie hingegen ähnlich stark, kommt es zu andauernden Reibereien und Verzögerungen: Regeln werden aus einer vermeintlichen Machtposition heraus gebrochen, was später geahndet wird. Sie werden zum eigenen Vorteil interpretiert, was von anderen aus ähnlichen Motiven wieder zurückgenommen wird. Und die Mitglieder der Organisation diskutieren endlos über die Auslegung von Regeln.

Abb. 2.1: Die Grundstruktur der S-Matrix

In Abbildung 2.1 bezeichnen die beiden Machtquellen die Achsen der S-Matrix. Mit ihr können wir die Organisationsformen von Unternehmen und die zugehörigen Rahmenbedingungen beschreiben. Die Dimension Hierarchie beschreibt das Maß der Ausprägung einer Machthierar[31]chie in einem Unternehmen. Die zweite Dimension, Regulierung, ist das Maß dafür, wie detailliert und explizit Regeln, Anweisungen, Prozesse, Normen, Standards usw. beschrieben sind – und wie konsequent sie befolgt werden.

2.3Evolutionäre Anpassung von Organisationen in Unternehmen

2.3.1Patriarchat

Ganz ohne Regeln und mächtige Menschen erleben wir Anarchie. Das ist ein Zustand bar jeder Organisation und in funktionierenden Unternehmen nicht zu finden.

Meist gibt es wenigstens einen, der sich zum Führer erklärt, der von anderen dazu bestimmt wird oder der dazu geboren wurde. Er übernimmt meist auch die »geistige Führung«. Dieser Führer sorgt für die Mitglieder der Organisation – seelisch und körperlich. Diese Organisationsform ist ein Patriarchat, siehe den Abschnitt »Stabilität – Das Patriarchat« in Kapitel 4, »Das Unternehmen und seine Organisation«. Wir treffen es häufig in traditionellen, familiengeführten Betrieben an. Zum Beispiel in der Landwirtschaft, im Handwerk, in der Gastronomie oder Logistik. Auch viele kleine oder mittelständische Unternehmen der Fertigungsindustrie sowie weltweit agierende Hidden Champions weisen diese Organisationsform auf. Die Wirkung des Patriarchen ist aber auch in großen und sogar sehr großen, global agierenden Familienunternehmen zu spüren.

Das Patriarchat ist die geeignete Organisationsform für einen überschaubaren und transparenten Markt. Dieser ist oft lokal oder regional. Er kann auch über die Welt verteilte Kunden aufweisen, sofern für die Produkte bzw. Angebote überall ähnlich einfache »Spielregeln« gelten. Auf solchen Märkten findet man die Hidden Champions. Das Marktvolumen ist begrenzt. Es reicht aber für ein auskömmliches Leben der Marktteilnehmer. Der Markt ist über die Zeit stabil: schwaches Wachstum, lange Innovationszyklen, kaum Wettbewerbsintensität. Der Markt wird kaum von neuen Trends oder Entwicklungen in anderen Branchen beeinflusst.

Die Produkte bzw. Angebote sind zuverlässig und »einfach«. D. h. sie bestehen aus vergleichsweise wenigen Komponenten und basieren auf besonders unkomplizierten und seit langer Zeit bewährten Technologien.

Das Patriarchat ist, ebenso wie alle weiteren Organisationsformen, in Abbildung 2.2 eingetragen. Es gelten nur einige »göttliche« Regeln und Macht hat in dieser zweistufigen Hierarchie nur der Patriarch.

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Abb. 2.2: Organisationsformen in der S-Matrix

2.3.2Hierarchie

Wird der Markt größer und bietet Wachstumschancen, dann entstehen auch Begehrlichkeiten. Der Patriarch möchte ein größeres Stück vom Kuchen abhaben: er möchte wachsen und mehr Gewinn machen. Diese Haltung lockt Menschen an und überträgt sich auf die Mitglieder der Organisation, die selbst mehr wirtschaftlichen Erfolg haben möchten. Es entstehen straffe Führungsstrukturen, die das Unternehmen »auf Kurs« bringen. Die Organisation hat sich zur Hierarchie gewandelt, siehe den Abschnitt »Schlagkraft – Die (reine) Hierarchie« in Kapitel 4. Schnell expandierende Handelsunternehmen, große internationale Anwaltssozietäten sowie einige Beratungsunternehmen und Investmentbanken weisen hierarchische Machtstrukturen auf.

Der zur Hierarchie passende Markt ist ebenfalls von eher einfacher Natur. Die Nachfrage nimmt allerdings rasant zu – auch die überregionale. Die Unternehmen entwickeln sich von eher regionalen Anbietern zu nationalen Anbietern oder sogar »Global Playern« für die wenigen Produkte im Portfolio. Es handelt sich also um stark wachsende Märkte, deren Marktvolumina noch nicht ausgeschöpft sind. Das starke Marktwachstum ist häufig nur vorübergehend so ausgeprägt. Innovationen finden sich in den Bereichen Vertrieb und Marketing. Es herrscht eine hohe [33]Marktdynamik durch aggressive Aktivitäten der Wettbewerber. Die Produkte bzw. Angebote sind auch hier wie beim Patriarchat von eher »einfacher« Natur und haben einen geringen Preis. Die Qualität steht nicht im Fokus.

2.3.3Funktionale oder divisionale bzw. Matrixorganisation

Irgendwann kommt die Expansion der Märkte zum Stillstand. Sie sind gesättigt. Jetzt werden Fehlentscheidungen der Führungseliten schmerzhaft spürbar. Und die Mitarbeiter sind der teilweise »hemmungslosen« Machtausübung einiger weniger überdrüssig. Rufe nach Professionalisierung sowie verbindlichen Regeln und Verhaltensnormen werden laut. Interessenvertretungen der Mitarbeiter entstehen oder gewinnen an Bedeutung. Die Bürokratie nimmt deutlich zu.

In diesem Transformationsprozess verglühen viele hierarchische Unternehmen und die übrigen werden größer. Die nun vorherrschenden Organisationsformen sind die funktionale Organisation, die divisionale Organisation und die Matrixorganisation, siehe den Abschnitt »Qualität – Die Matrix und ihre Schwestern« in Kapitel 4. Man findet sie in der öffentlichen Verwaltung, bei Behörden wie der Polizei und den großen »Amtskirchen«. Zudem in den meisten Großunternehmen der Old Economy: Hersteller von Fahrzeugen, Flugzeugen und Schiffen und ihre Zulieferer, Unternehmen der Stahlerzeugung sowie der Chemie- und Pharmabranche, Dienstleistungsunternehmen aus den Bereichen Logistik, Energie, Infrastruktur und Telekommunikation, große Handelsunternehmen und viele klassische Banken und Versicherungen.

Der Markt dieser Organisationsformen nähert sich nach der Wachstumsphase der Sättigungsgrenze. Die Marktteilnehmer beginnen, mit leistungsfähigeren Produkten von hoher Qualität neue Zielgruppen zu erschließen (Diversifikation). Unternehmen fokussieren stärker individuelle Kundenbedürfnisse. Ihre Produktportfolios werden differenzierter. Zudem folgen Sie einer vorsichtigen, aber nachhaltigen Strategie zur Erschließung weiterer regionaler Märkte auf der ganzen Welt. Umsatzzuwächse sind durch die Erschließung neuer Kundengruppen durch spezifische, verbesserte Leistungsmerkmale der Produkte bzw. Angebote und neuer Regionen möglich. Es herrscht ein geringer Marktdruck, alles ist relativ geordnet und ruhig.

Die Produkte, Dienstleistungen bzw. Angebote anderer Art entwickeln sich allmählich (inkrementell) weiter. Sie sind ausgereift und durch eine hohe Funktions- und Ausfallsicherheit gekennzeichnet. Häufig verfügen sie über, bzw. nutzen sie, Sensoren zur Datenerfassung und sind vernetzbar. Sie haben oft eingebaute Datenspeicher zum autonomen Informationsaustausch. Sie verarbeiten dann eigenständig Sensordaten und liefern Daten zur Information des Nutzers (zum Beispiel Objektinformationen über ein Display oder per E-Mail). Sie können dadurch bestimmte Services selbst am Produkt durchführen. Softwareprodukte sind häufig auf Standards basierende Software-Monolithen.

[34]2.3.4Prozessorganisation

Anschließend wachsen die gesättigten, regional zergliederten Märkte weiter zusammen. Durch vernetzte, digitalisierte Kommunikations- und Transaktionsprozesse entsteht ein globaler Käufermarkt. In diesem haben die Kunden die Wahl zwischen vielen Anbietern. Die Marktdynamik und Wettbewerbsintensität nehmen wieder zu, und zwar in Form kürzer werdender Innovationszyklen. Die Organisation versucht, sich aus dem lähmenden Griff der Bürokratie zu befreien und auf die wertschöpfenden Prozesse zu konzentrieren. So ist die Prozessorganisation geboren, siehe den Abschnitt »Wertorientierung – Die (schlanke) Prozessorganisation« in Kapitel 4. Sie ist gekennzeichnet durch flache, schlanke und leistungsorientierte Hierarchien. Man könnte sie auch als Meritokratien bezeichnen, in der Menschen nur aufgrund ihrer Leistungen aufsteigen. Die aus der Finanzmarktkrise ab 2007 geläutert hervorgegangenen Unternehmen der »Wall Street«, die meisten Unternehmensberatungen sowie besonders leistungsfähige Unternehmen der Fertigungsindustrie und Dienstleistungsbranchen sind so organisiert.

Die Dynamik von Veränderungen in den zugehörigen Märkten nimmt zu. Die Anbieter auf den globalen Käufermärkten wissen zum Teil nichts voneinander. Daher müssen Unternehmen in den für sie wichtigsten Regionen der Welt präsent sein. Dort müssen sie mit innovativen Angeboten für die Anwendungsfälle und Probleme der regionalen Kunden überzeugen. Ein Markt kann durch das »Wecken« neuer Kundenbedürfnisse und deren Befriedigung durch neue Funktionen oder Features vergrößert werden. Die Innovationszyklen werden kürzer. Die Digitalisierung besitzt eine große Bedeutung und ist ein wesentlicher Treiber der Globalisierung.

Produkte, Dienstleistungen bzw. anderweitige Angebote verfügen über immer neue Funktionen bzw. Leistungsmerkmale und erfahren häufig Aktualisierungen bzw. Updates. Sie können meist mittels Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) gesteuert bzw. beeinflusst werden. Sie verfügen zum Beispiel über die Möglichkeit der Selbstauskunft, Lokalisierung, Überwachung und automatischen Identifikation. Fortgeschrittene Produkte besitzen ein Produktgedächtnis und Assistenzsysteme. Sie sind oft in der Lage, Services selbstständig auszuführen. Daten- und Informationsaustausch stellen integrale Bestandteile dar. Die Daten werden vom Produkt bzw. Angebot für Analysen ausgewertet. Funktionen bzw. Leistungsmerkmale werden durch die Sammlung und Verarbeitung von Daten innerhalb und außerhalb der Produkte bzw. Angebote leistungsfähiger. High-End-Versionen dieser Produkte reagieren eigenständig auf Basis der gewonnenen Daten und führen Services vollständig automatisiert durch. Neue Funktionen bzw. Leistungsmerkmale werden durch die Sammlung und Verarbeitung von großen Datenmengen (Big Data) möglich. Softwareprodukte integrieren über APIs externe Microservices, Software-Module und ganze Apps. Sie bestechen durch leistungsfähige Features bei gleichzeitig reduziertem Frontend und überragender Usability.

[35]2.3.5Projektorganisation

Danach wird durch die Digitalisierung globaler Märkte und den zunehmenden Handel mit virtuellen Produkten die Dynamik der Wirtschaft zum bestimmenden Einflussfaktor. Gleichzeitig entstehen Strömungen, die der damit einhergehenden Beschleunigung des Lebens entgegenwirken. Themen wie Ökologie und Achtsamkeit erleben eine Renaissance. Die Ansprüche der Kunden dieser dynamischen Märkte sind hoch. Sie verlangen nach innovativen, stärker auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmte Produkte von hoher Qualität. Diese müssen zudem ökologischen Standards entsprechen. Dieser Komplexität und Dynamik fallen gewachsene Wettbewerbsvorteile zum Opfer. Die Unternehmen müssen neue Wege gehen, um zu überleben. Hierzu bilden sie Projektorganisationen, siehe den Abschnitt »Flexibilität – Die Projektorganisation« in Kapitel 4. Der Kern dieser Organisationsform ist relativ klein. Die Zahl der Managementebenen ist gering, die von interdisziplinären, crossfunktionalen Projekten hoch. Die Mitarbeitenden organisieren sich in Teams. Externe Experten werden in größerem Umfang in Projekte einbezogen. Der Führungsstil kann am ehesten mit lateraler Führung beschrieben werden. Projektorganisationen finden wir bei High-Tech-Unternehmen, insbesondere IT-Unternehmen, sowie bei Clustern und Forschungsverbünden.