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Mario Puzo

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Beschreibung

Ein mitreißender Mafia-Thriller Der kleine Vito entkommt als Einziger einem Massaker in seinem Heimatort auf Sizilien. Er flieht nach New York und wird als Erwachsener zum gefürchteten Paten der amerikanischen Mafia. Aber ihn beherrscht nur ein Gedanke: Er will den Mord an seiner Familie rächen. «Im New York der 30er Jahre haben einige italienische Großfamilien die Stadt unter sich aufgeteilt. Wetten, Bestechung und Schmuggel gehören zu den krummen Geschäften der Männer, die ihrem Paten Don Vito Corleone absolute Treue geschworen haben. Alles läuft nach den festen Regeln der ehrenwerten Gesellschaft ab – bis ein Bandenkrieg ausbricht. Mario Puzo beschreibt das Bandenmilieu detailgetreu und unheimlich mitreißend. Keine Angst vor den vielen Seiten, die hat man in null Komma nix gelesen.» (Brigitte)

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Seitenzahl: 851

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Mario Puzo

Der Pate

Roman

Deutsch von Gisela Stege

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Ein mitreißender Mafia-Thriller

 

Der kleine Vito entkommt als Einziger einem Massaker in seinem Heimatort auf Sizilien. Er flieht nach New York und wird als Erwachsener zum gefürchteten Paten der amerikanischen Mafia. Aber ihn beherrscht nur ein Gedanke: Er will den Mord an seiner Familie rächen.

 

«Im New York der 30er Jahre haben einige italienische Großfamilien die Stadt unter sich aufgeteilt. Wetten, Bestechung und Schmuggel gehören zu den krummen Geschäften der Männer, die ihrem Paten Don Vito Corleone absolute Treue geschworen haben. Alles läuft nach den festen Regeln der ehrenwerten Gesellschaft ab – bis ein Bandenkrieg ausbricht. Mario Puzo beschreibt das Bandenmilieu detailgetreu und unheimlich mitreißend. Keine Angst vor den vielen Seiten, die hat man in null Komma nix gelesen.» (Brigitte)

Über Mario Puzo

Mario Puzo wurde 1920 als Sohn armer italienischer Einwanderer geboren. Seine Mafiaromane machten ihn weltberühmt. Er starb 1999 auf Long Island.

 

Weitere Veröffentlichungen:

Der Sizilianer

Der letzte Pate

Inhaltsübersicht

MottoWidmungErstes Buch1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. KapitelZweites Buch12. Kapitel13. KapitelDrittes Buch14. KapitelViertes Buch15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. KapitelFünftes Buch20. Kapitel21. Kapitel22. KapitelSechstes Buch23. Kapitel24. KapitelSiebentes Buch25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. KapitelAchtes Buch30. Kapitel31. KapitelNeuntes Buch32. Kapitel

Hinter jedem großen Vermögen steht ein Verbrechen. Balzac

Anthony Cleri gewidmet

Erstes Buch

1

Amerigo Bonasera saß im Verhandlungsraum des New Yorker Strafgerichts Nummer 3 und wartete auf sein Recht; auf die Bestrafung jener Männer, die seine Tochter so brutal misshandelt hatten.

Der Richter rollte die Ärmel seiner schwarzen Robe hoch, als wolle er die beiden jungen Männer, die vor dem Richtertisch standen, körperlich züchtigen. Seine Miene drückte kalte Verachtung aus. Doch irgendetwas stimmte hier nicht. Amerigo Bonasera spürte es, ohne es erklären zu können.

«Sie haben sich wie Barbaren aufgeführt», sagte der Richter schroff. Ja, ja, dachte Amerigo Bonasera. Tiere. Tiere. Die beiden jungen Männer, das glatte Haar zur gepflegten Bürste geschnitten, einen Ausdruck tiefster Zerknirschung auf den frischen, sauberen Gesichtern, senkten unterwürfig den Kopf.

Der Richter fuhr fort: «Sie haben sich wie wilde Tiere benommen. Sie haben Glück, dass Sie das arme Mädchen nicht sexuell missbraucht haben, sonst hätte ich Sie für zwanzig Jahre hinter Gitter gebracht.» Der Richter hielt inne; unter den dichten Brauen hervor warf er einen kurzen, verschlagenen Blick auf den blassen Amerigo Bonasera, dann konzentrierte er sich auf einen Stapel Bewährungsberichte, der vor ihm lag. Er runzelte die Stirn und zuckte die Achseln, als sei er gegen sein besseres Wissen zu einer Überzeugung gelangt.

«Als mildernde Umstände gelten jedoch Ihre Jugend, Ihre bisherige gute Führung und dass Sie aus angesehener Familie kommen. Unser Gesetz will Gerechtigkeit und nicht Vergeltung. Ich verurteile Sie hiermit zu drei Jahren Erziehungsanstalt. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.»

Bonasera empfand Hass und eine überwältigende Hoffnungslosigkeit. Dass sein Gesicht trotzdem unbeweglich blieb, verdankte er seiner vierzigjährigen Berufserfahrung als Bestattungsunternehmer. Seine schöne junge Tochter lag noch immer im Krankenhaus, ihr gebrochener Kiefer mit Draht zusammengehalten; und nun sollten diese beiden animali frei ausgehen? Es war alles nur Theater gewesen. Er sah die glückstrahlenden Eltern um ihre Lieblinge drängen. Ja, jetzt waren sie alle glücklich, jetzt lächelten sie alle.

Scharf stieg bittere schwarze Galle in seiner Kehle empor. Er zog sein weißes Taschentuch heraus und drückte es an die Lippen. So stand er da, als die beiden jungen Männer selbstbewusst lächelnd den Gang hinaufschritten, ohne ihn auch nur mit einem einzigen Blick zu beachten. Stumm, das frische Leinentuch an den Mund gepresst, ließ er sie vorbei.

Jetzt kamen die Eltern dieser animali, zwei Männer, zwei Frauen, etwa ebenso alt wie er, nur amerikanischer gekleidet. Sie sahen ihn scheu an, aber in ihren Augen stand ein seltsamer, triumphierender Trotz.

Amerigo Bonasera verlor die Beherrschung. Er beugte sich weit in den Gang hinaus und brüllte heiser:

«Ihr werdet noch weinen, wie ich geweint habe – ich werde euch zum Weinen bringen, wie eure Kinder mich zum Weinen gebracht haben!» Er führte das Taschentuch an die Augen. Die Verteidiger, die die Nachhut bildeten, drängten ihre Klienten weiter, und die kleine, dichte Gruppe umringte die beiden jungen Männer, die wieder kehrtgemacht hatten, als wollten sie ihren Eltern zu Hilfe kommen. Ein hünenhafter Gerichtsdiener eilte herbei, um sich vor der Bankreihe aufzubauen, in der Bonasera stand. Aber das war nicht mehr nötig.

Seit vielen Jahren, solange er in Amerika war, hatte Amerigo Bonasera Vertrauen in Gesetz und Ordnung gehabt. Er war dadurch zu Wohlstand gelangt. Nun, obwohl wilde Visionen vom Kauf eines Revolvers und Mord an den beiden jungen Männern durch sein hasserfülltes Gehirn zuckten, wandte er sich an seine Frau, die die Vorgänge nicht begriffen hatte, und sagte: «Sie haben uns zum Narren gemacht.» Er hielt inne und fasste dann seinen Entschluss. Jetzt hatte er keine Angst mehr vor dem Preis. «Wenn wir Gerechtigkeit wollen, müssen wir zu Don Corleone gehen – auf unseren Knien.»

 

In seiner pompösen Hotelsuite in Los Angeles trank sich Johnny Fontane einen Rausch an, wie jeder andere eifersüchtige Ehemann. Er hatte sich auf einer roten Couch ausgestreckt, trank den Scotch direkt aus der Flasche und spülte mit einem Schluck Wasser aus dem Eisbehälter nach. Es war vier Uhr morgens. In seiner umnebelten Phantasie stellte er sich vor, wie er seine Frau, dieses Flittchen, kaltmachen würde, wenn sie nach Hause kam. Falls sie nach Hause kam. Es war zu spät, um bei seiner ersten Frau anzurufen und nach den Kindern zu fragen, und seine Freunde mochte er jetzt, da es mit seiner Karriere abwärtsging, auch nicht anrufen. Es gab eine Zeit, da wären sie entzückt und geschmeichelt gewesen, wenn er sie morgens um vier aus dem Schlaf geholt hätte. Heute ging er ihnen nur auf die Nerven. Er konnte sogar ein wenig lächeln, als er daran dachte, dass einmal die größten weiblichen Stars von Amerika voller Interesse Johnny Fontanes Probleme angehört hatten.

Er nahm einen Schluck aus der Flasche, und nun endlich hörte er, wie seine Frau den Schlüssel ins Schloss schob. Er trank weiter, bis sie hereinkam und vor ihm stehen blieb. Sie war so schön – das feine Gesicht, die tiefen dunkelblauen Augen, der zierliche, ebenmäßige Körper. Auf der Leinwand wirkte ihre Schönheit noch intensiver. Millionen von Männern auf der ganzen Welt waren in dieses Gesicht verliebt, in das Gesicht Margot Ashtons. Und zahlten, um es im Kino bewundern zu können.

«Wo zum Teufel warst du?», fragte Johnny Fontane.

«Aus. Vögeln», antwortete sie.

Sie hatte den Grad seiner Trunkenheit überschätzt. Mit einem Satz war er über den Cocktailtisch gesprungen und packte sie bei der Kehle. Als er aber dieses bezaubernde Gesicht so dicht vor sich sah, erlosch seine Wut, und er war wieder hilflos. Da beging sie den Fehler, ihn spöttisch anzulächeln, und er hob die Faust. «Nicht, Johnny!», schrie sie. «Nicht ins Gesicht! Ich filme!»

Sie lachte. Er schlug sie in den Magen, und sie fiel zu Boden. Er fiel über sie. Als sie nach Luft schnappte, roch er ihren duftenden Atem. Er schlug sie auf ihre Arme und ihre seidig gebräunten Oberschenkel. Er verdrosch sie systematisch, so wie er vor langer Zeit in New Yorks Hell’s Kitchen kleinere Buben verdroschen hatte. Schläge, die weh taten, die aber keine bleibende Entstellung, keine ausgeschlagenen Zähne oder gebrochene Nase hinterließen.

Aber er schlug nicht hart genug zu. Er brachte es nicht fertig. Und sie lachte ihn aus. Mit gespreizten Beinen daliegend, das lange Brokatkleid weit über die Schenkel hinaufgerutscht, höhnte sie lachend: «Los, Johnny, steck ihn doch rein! Steck ihn rein, Johnny, das willst du doch nur.»

Johnny Fontane stand auf. Er hasste die Frau auf dem Fußboden, aber ihre Schönheit beschützte sie wie ein Schild. Margot rollte auf die Seite und kam mit einem federnden Sprung auf die Füße. Sie begann wie ein Kind im Zimmer herumzutanzen und sang dazu: «Johnny tut mir gar nicht weh, Johnny tut mir gar nicht weh!» Dann sagte sie beinahe traurig, mit ernstem, schönem Gesicht: «Du armes, dummes Schwein, du benimmst dich wie ein Kind. Ach, Johnny, du wirst immer ein dummer, romantischer Trottel bleiben. Auch im Bett bist du wie ein Kind. Du glaubst immer noch, dass es beim Vögeln so zugeht wie in diesen Schnulzen, die du früher gesungen hast.» Sie schüttelte den Kopf. «Armer Johnny! Leb wohl, Johnny.» Sie ging ins Schlafzimmer, und dann hörte er, wie der Schlüssel herumgedreht wurde.

Johnny saß auf dem Fußboden, das Gesicht in den Händen vergraben. Er empfand lähmende, demütigende Verzweiflung. Doch Johnny war zähe. In der Gosse musste man zähe sein. Diese Zähigkeit hatte ihm geholfen, im Dschungel von Hollywood zu überleben. Er nahm den Telefonhörer und bestellte ein Taxi, das ihn zum Flughafen bringen sollte. Einen Menschen gab es, der ihn retten konnte. Er würde nach New York zurückkehren, zu dem einzigen, der die Macht besaß, die Weisheit, die Johnny jetzt brauchte, und die Liebe, an die er immer noch glaubte. Sein Pate Don Corleone.

 

Nazorine, der Bäcker, dick und knusprig wie seine großen italienischen Brote, von seiner Arbeit noch mit Mehlstaub bedeckt, musterte grollend seine Frau, seine heiratsfähige Tochter Katherine und Enzo, seinen Bäckergesellen. Enzo trug wieder seine Kriegsgefangenenuniform mit dem grün bedruckten Ärmelstreifen und hatte entsetzliche Angst, dass er nun dieser Szene wegen zu spät nach Governor’s Island zurückkommen werde. Als einer der vielen tausend italienischen Gefangenen, die tagsüber in amerikanischen Betrieben arbeiten durften, lebte er in ständiger Furcht, dass diese Erlaubnis widerrufen werden könnte. Und darum war die kleine Komödie, die eben stattfand, für ihn eine tiefernste Angelegenheit.

Nazorine fragte hitzig: «Hast du meine Familie entehrt? Hast du meiner Tochter ein kleines Andenken gegeben, damit sie dich nicht vergisst, jetzt, wo der Krieg aus ist und du weißt, dass Amerika dich mit einem Tritt in den Arsch in dein Scheißdorf Sizilien zurückbefördern wird?»

Enzo, ein kleiner, kräftig gebauter Junge, legte die Hand auf sein Herz und beteuerte fast unter Tränen, dabei aber sehr geschickt: «Padrone, ich schwöre Ihnen bei der Heiligen Jungfrau, dass ich Ihre Güte nicht ausgenutzt habe. Ich liebe Ihre Tochter und bitte Sie mit allem Respekt um ihre Hand. Ich weiß, dass ich kein Recht dazu habe, aber wenn man mich nach Italien zurückschickt, kann ich nie wieder nach Amerika kommen. Und dann kann ich meine Katherine nicht heiraten.»

Filomena, Nazorines Frau, kam zur Sache. «Schluss mit dem Unsinn!», befahl sie ihrem rundlichen Ehemann. «Du weißt genau, was du zu tun hast. Lass Enzo hierbleiben und schick ihn zu unseren Verwandten nach Long Island, damit er sich dort verstecken kann.»

Katherine weinte. Sie war schon jetzt plump, reizlos und hatte einen Anflug von Damenbart. Nie mehr würde sie einen so hübschen Ehemann finden wie Enzo, nie mehr einen Mann bekommen, der ihren Körper mit so viel respektvoller Liebe an seinen geheimsten Stellen streichelte. «Ich gehe nach Italien!», schrie sie ihren Vater an. «Ich laufe weg, wenn du Enzo nicht hierbleiben lässt!»

Nazorine warf ihr einen wissenden Blick zu. Sie war ein verdammt wildes Stück, seine Tochter! Er hatte genau gesehen, wie sie ihr rundliches Hinterteil gegen Enzo presste, wenn sich der Geselle hinten an ihr vorbeischob, um die Körbe mit heißen Brotstangen frisch aus dem Ofen zu füllen. Wenn ich nicht bald etwas unternehme, dann dauert es nicht mehr lange, und dieser Lausebengel steckt seine heiße Stange in ihren Ofen, dachte Nazorine obszön. Nein, Enzo musste hier in Amerika bleiben und amerikanischer Staatsbürger werden. Und nur ein einziger Mensch konnte das arrangieren: der padrino, Don Corleone.

 

Alle diese Personen und außer ihnen noch viele andere erhielten gedruckte Einladungen zu Miss Constanzia Corleones Hochzeit, die am letzten Sonnabend des Monats August 1945 stattfinden sollte. Don Vito Corleone, der Vater der Braut, vergaß seine alten Freunde und Nachbarn nicht, auch wenn er selber jetzt in einem großen Haus auf Long Island wohnte. In diesem Haus fand auch der Empfang statt, und das Fest sollte den ganzen Tag dauern. Zweifellos war es ein denkwürdiges Ereignis. Der Krieg mit Japan war vor kurzem beendet worden, also stand nicht zu befürchten, dass die Angst um die Söhne das Fest überschattete. Eine Hochzeit war genau die richtige Gelegenheit für die Leute, um ihrer Freude Ausdruck zu geben.

Und so strömten an diesem Sonnabendmorgen die Freunde Don Corleones aus ganz New York City herbei, um ihm ihre Aufwartung zu machen. Als Brautgeschenk brachten sie Umschläge voll Bargeld mit, keine Schecks. In jedem Umschlag steckte eine Karte, die den Spender und das Maß seiner Wertschätzung für den padrino auswies. Einer wohlverdienten Wertschätzung.

Don Vito Corleone war ein Mensch, an den sich alle um Hilfe wandten, und noch nie hatte er einen Bittsteller enttäuscht. Er machte keine leeren Versprechungen, noch gebrauchte er die feige Ausrede, ihm wären von Stellen, die mehr Macht besäßen als er, die Hände gebunden. Es war nicht notwendig, dass er ein Freund des Bittstellers war, es war nicht einmal wichtig, dass man die Mittel besaß, um ihn für seine Mühe zu belohnen. Nur eines wurde verlangt: dass der Bittsteller selber ihm Freundschaft schwor. Dann nahm sich Don Corleone gerne der Angelegenheiten des Mannes an, wie arm oder wie unbedeutend dieser auch sein mochte. Und nichts konnte ihn daran hindern, die Probleme seiner Schützlinge zu lösen. Sein Lohn? Freundschaft, der ehrfürchtige Titel Don und manchmal die herzliche Anrede padrino. Und hie und da vielleicht ein bescheidenes Geschenk: eine Gallone selbstgekelterten Weins oder ein Korb gepfefferter, extra für seinen Weihnachtstisch gebackener Kuchen – aber niemals wegen des Profits, sondern einzig als Zeichen des Respekts. Die Beteuerung, man stehe tief in seiner Schuld und er habe das Recht, jederzeit zu verlangen, man möge diese Schuld durch eine kleine Gefälligkeit abtragen, war eine reine Formsache.

Jetzt, an diesem großen Tag, dem Hochzeitstag seiner Tochter, stand Don Vito Corleone an der Tür seines Hauses in Long Beach und begrüßte seine Gäste – alles Bekannte, alles Zuverlässige. Viele unter ihnen verdankten dem Don ihr Glück und ihren Erfolg und nahmen sich bei dieser familiären Gelegenheit die Freiheit, ihn mit padrino anzusprechen. Der Barkeeper war ein alter Kamerad, dessen Hochzeitsgeschenk darin bestand, dass er den ganzen Alkohol spendierte und sich selbst mit seinen fachlichen Qualitäten für das Fest zur Verfügung stellte. Die Kellner waren Freunde von Don Corleones Söhnen. Die Speisen auf den Picknicktischen im Garten waren von der Ehefrau des Don und ihren Freundinnen zubereitet, der festlich geschmückte, einen Morgen große Garten von den jungen Gefährtinnen der Braut dekoriert worden.

Don Corleone begrüßte alle, ob arm oder reich, wichtig oder unbedeutend, mit der gleichen Herzlichkeit. Er überging niemanden. So war er immer. Und seine Gäste waren so wortreich in der Bewunderung, wie gut er in seinem Smoking aussehe, dass ein Uneingeweihter leicht glauben konnte, der Don selber sei der glückliche Bräutigam.

Neben ihm an der Tür standen zwei seiner drei Söhne. Der älteste, Santino getauft, aber von allen außer seinem Vater Sonny gerufen, wurde von älteren italienischen Männern mit Misstrauen, von den jüngeren mit Bewunderung betrachtet. Für einen Amerikaner der ersten Generation, einen Sohn italienischer Eltern, war Sonny Corleone sehr groß, beinahe ein Meter achtzig, und sein dichter Schopf krauser Haare ließ ihn noch größer erscheinen. Er hatte das Gesicht eines derben Puttos; seine Züge waren gleichmäßig, aber die Lippen wirkten auffallend sinnlich und das Kinn mit dem tiefen Grübchen auf seltsame Weise obszön. Er war mächtig gebaut wie ein Stier, und es war allgemein bekannt, dass er von der Natur so reich ausgestattet war, dass seine bedauernswerte Gemahlin das Ehebett ebenso fürchtete wie einstmals die Ketzer die Folterbank. Man munkelte, dass zu der Zeit, da er als junger Mann anrüchige Häuser besuchte, sogar die hartgesottenste und furchtloseste putain, nach ehrfürchtiger Besichtigung seines ungeheuren Organs, den doppelten Preis verlangt habe.

Auch hier, auf dem Hochzeitsfest, wurde Sonny Corleone von einigen jungen, breithüftigen Frauen mit selbstbewussten Blicken gemustert. Doch heute verschwendeten sie nur ihre Zeit. Denn Sonny Corleone hatte trotz der Anwesenheit seiner Frau und seiner drei kleinen Kinder ein Auge auf Lucy Mancini, die Brautjungfer seiner Schwester, geworfen. Das junge Mädchen war sich dieser Tatsache durchaus bewusst. Sie saß in langem rosafarbenem Kleid, einen Blumenkranz auf den glänzenden schwarzen Haaren, an einem Gartentisch. Sie hatte während der Proben in der vergangenen Woche mit Sonny geflirtet und ihm heute Morgen am Altar die Hand gedrückt. Mehr konnte ein junges Mädchen nicht tun.

Es war ihr gleichgültig, dass er niemals ein so großer Mann werden würde wie sein Vater. Sonny Corleone hatte Kraft, er hatte Mut. Er war freigebig, und es hieß, sein Herz sei nicht weniger groß als sein Glied. Aber ihm fehlte die Demut seines Vaters, und er besaß ein jähzorniges, hitziges Temperament, das ihn zu häufigen Fehlurteilen verleitete. Obwohl er seinem Vater eine große Hilfe war, zweifelten viele daran, dass er das Familienunternehmen einmal erben würde.

Der zweite, Frederico, genannt Fred oder Fredo, war ein Sohn, wie ihn sich jeder Italiener von den Heiligen erflehte. Pflichtbewusst, treu, stets seinem Vater zu Diensten, lebte er mit seinen dreißig Jahren noch immer im Haus seiner Eltern. Er war klein und stämmig, nicht hübsch, hatte aber den in der Familie erblichen Puttenkopf mit dem Helm krauser Haare über dem runden Gesicht und dem sinnlichen Amorbogen der Lippen. Nur war Freds Mund nicht sinnlich-weich, sondern von granitener Härte. Er neigte zur Verdrossenheit, war aber eine gute Stütze für seinen Vater, widersprach ihm nie und brachte ihn nicht durch skandalöse Affären mit Frauen in Verlegenheit. Doch trotz all dieser Vorzüge besaß er nicht jene persönliche Anziehungskraft, jene animalische Macht, die für einen Mann, der Menschen führen soll, einfach notwendig ist. Man war allgemein der Ansicht, dass auch er als Erbe nicht in Betracht kam.

Der dritte Sohn, Michael Corleone, stand nicht bei seinem Vater und seinen Brüdern, sondern saß in der hintersten Ecke des Gartens an einem Tisch. Und sogar da gelang es ihm nicht, der Neugier der Familienfreunde zu entgehen.

Michael Corleone war der jüngste Sohn des Don und das einzige seiner Kinder, das sich geweigert hatte, dem großen Mann zu gehorchen. Er hatte nicht das derbe Puttengesicht seiner Geschwister, und sein tiefschwarzes Haar war eher glatt als gelockt. Seine Haut war von einem klaren Olivbraun. Seine feinen Züge verliehen ihm fast etwas Mädchenhaftes. Eine Zeitlang hatte sich der Don sogar Sorgen wegen der Männlichkeit seines Jüngsten gemacht. Eine Sorge, die sich als unnütz herausstellte, als Michael siebzehn wurde.

Und nun saß dieser jüngste Sohn an einem Tisch im hintersten Winkel des Gartens, um seine selbstgewählte Entfremdung von Vater und Familie zu demonstrieren. An seiner Seite das amerikanische Mädchen, von dem zwar alle gehört, das aber bis heute noch niemand gesehen hatte. Michael war selbstverständlich so höflich gewesen, sie allen Hochzeitsgästen einschließlich seiner Familie vorzustellen, aber sie hatte keinen großen Eindruck gemacht. Sie war zu dünn, ihre Haare zu blond, ihre Züge für eine Frau zu scharf, zu intelligent, ihr Benehmen für ein junges Mädchen zu frei. Und auch ihr Name klang fremd in ihren Ohren: Sie hieß Kay Adams. Wenn sie ihnen erzählt hätte, dass ihre Familie seit zweihundert Jahren in Amerika ansässig und dass ihr Name ein durchaus bekannter sei, so hätten sie nur mit den Achseln gezuckt.

Jeder der Gäste bemerkte, dass der Don seinem dritten Sohn keine besondere Aufmerksamkeit schenkte. Vor dem Krieg war Michael sein Liebling gewesen und offensichtlich dazu bestimmt, das Familienunternehmen zu erben. Er besaß die gleiche ruhige Kraft und Intelligenz wie sein Vater, den angeborenen Instinkt, so zu handeln, dass ihn die Menschen respektieren mussten. Doch als der Zweite Weltkrieg ausbrach, meldete sich Michael freiwillig zu den Marines und handelte damit gegen den ausdrücklichen Befehl seines Vaters.

Es entsprach nicht Don Corleones Plänen, seinen jüngsten Sohn im Dienst einer Macht, die ihm selbst fremd war, sterben zu lassen. Ärzte wurden bestochen, heimliche Absprachen getroffen. Er gab viel Geld aus für die entsprechenden Vorsichtsmaßregeln. Aber Michael war einundzwanzig, und daher war ohne sein Einverständnis nichts zu machen. Er meldete sich freiwillig und kämpfte im Pazifik. Er wurde Captain und bekam mehrere Auszeichnungen. Im Jahre 1944 brachte Life sein Foto und einen Bildbericht von seinen Heldentaten. Ein Freund zeigte Don Corleone die Zeitschrift (die Familie wagte es nicht), aber der Don knurrte nur geringschätzig und sagte: «Er vollbringt diese Wunder für Fremde.»

Als Michael Corleone Anfang 1945 entlassen wurde, um sich von einer Verwundung zu erholen, die ihn kampfunfähig gemacht hatte, ahnte er nicht, dass der Don für seine Entlassung verantwortlich war. Er blieb ein paar Wochen zu Hause, dann, ohne einen Menschen zu fragen, schrieb er sich beim Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, ein und verließ das Haus seines Vaters. Er kam erst zur Hochzeit seiner Schwester zurück und stellte der Familie diese farblose Amerikanerin als seine zukünftige Frau vor.

Michael Corleone unterhielt Kay Adams mit kleinen Anekdoten über die interessanteren unter den Hochzeitsgästen. Er amüsierte sich darüber, dass sie diese Leute exotisch fand, und war, wie stets, von ihrem lebhaften Interesse an allem Neuen und Fremden bezaubert. Schließlich wurde ihre Aufmerksamkeit von einer kleinen Gruppe Männer gefesselt, die sich um ein Holzfass mit selbstgekeltertem Wein versammelt hatten. Es waren Amerigo Bonasera, Nazorine, der Bäcker, Anthony Coppola und Luca Brasi. Mit ihrer wachen Beobachtungsgabe hatte sie schnell erfasst, dass diese Männer keinen besonders glücklichen Eindruck machten, und erwähnte dies Michael gegenüber. Er lächelte. «Das sind sie auch nicht», bestätigte er. «Sie wollen mit meinem Vater sprechen. Sie wollen ihn um eine Gefälligkeit bitten.» In der Tat war nicht zu übersehen, dass die vier Männer den Don keinen Moment aus den Augen ließen.

Während Don Corleone noch seine Gäste begrüßte, hielt ein schwarzer, geschlossener Chevrolet auf der anderen Seite der gepflasterten Promenade. Die beiden Männer auf dem Vordersitz zogen Notizbücher aus ihrer Jacke und notierten sich die Zulassungsnummern der geparkten Wagen. Sie machten nicht den geringsten Versuch, ihr Tun zu verbergen. Sonny wandte sich an seinen Vater. «Die Burschen da draußen, das sind Cops», sagte er.

Don Corleone zuckte die Achseln. «Ich habe die Straße nicht gepachtet. Sie können machen, was sie wollen.»

Sonnys derbes Puttengesicht rötete sich vor Wut. «Diese verdammten Schweine, denen ist gar nichts heilig!» Er verließ die Vortreppe und ging quer über die Promenade auf den schwarzen Wagen zu. Wütend schob er dem Fahrer seine Nase ins Gesicht. Der öffnete gelassen seine Brieftasche und zeigte seinen grünen Ausweis vor. Stumm trat Sonny zurück. Er spie aus, dass der Speichel die hintere Wagentür traf, und ging davon. Er hoffte, der Fahrer würde aussteigen und ihm auf die Promenade folgen, aber es rührte sich nichts. Als er die Vortreppe erreichte, sagte er zu seinem Vater: «Die Kerle da sind vom FBI. Schreiben sich alle Zulassungsnummern auf. Eingebildete Affen!»

Don Corleone wusste längst, wer sie waren. Seine engsten, intimsten Freunde hatten von ihm den Rat erhalten, nicht im eigenen Wagen zur Hochzeit zu kommen. Und wenn er auch mit dem törichten Wutausbruch seines Sohnes nicht einverstanden war, so erfüllte der Auftritt doch einen nützlichen Zweck: Er zeigte den Eindringlingen, dass man auf ihr Erscheinen nicht vorbereitet gewesen war.

Don Corleone war nicht verärgert. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass man gewisse Beleidigungen der Gesellschaft hinnehmen musste, dass aber der Zeitpunkt kommt, da auch der kleinste Mann, wenn er die Augen offen hält, sich am mächtigsten rächen kann. Dieses Bewusstsein war es, das den Don davor bewahrte, die Demut zu verlieren, die seine Freunde an ihm so bewunderten.

Im Garten hinter dem Haus begann eine vierköpfige Band zu spielen. Alle Gäste waren versammelt. Don Corleone verscheuchte die Eindringlinge aus seinen Gedanken und ging seinen beiden Söhnen voraus zur Hochzeitstafel.

 

Hunderte von Gästen drängten sich jetzt in dem riesigen Garten; einige tanzten auf der mit Blumen geschmückten hölzernen Plattform, andere saßen an langen Tischen, die mit scharf gewürzten Speisen und großen Krügen mit schwarzem, selbstgekeltertem Wein beladen waren. Connie Corleone, die Braut, saß in ihrem Feststaat mit Bräutigam, Brautjungfern und Brautführern an einem separaten, etwas erhöhten Tisch. Es war eine rustikale Szene im traditionellen italienischen Stil. Zwar nicht ganz nach dem Geschmack der Braut, doch ihrem Vater zuliebe hatte sich Connie, da sie ihn schon mit der Wahl ihres Mannes so sehr enttäuscht hatte, mit einer «Makkaroni»-Hochzeit einverstanden erklärt.

Carlo Rizzi, der Bräutigam, war ein Mischling, der Sohn eines sizilianischen Vaters und einer norditalienischen Mutter, von der er das blonde Haar und die blauen Augen geerbt hatte. Seine Eltern lebten im Staate Nevada, den Carlo verlassen hatte, weil er mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. In New York hatte er zuerst Sonny Corleone und durch diesen dann Connie kennengelernt. Selbstverständlich hatte Don Corleone zuverlässige Freunde nach Nevada geschickt und von ihnen die Auskunft erhalten, dass Carlos Ärger mit der Polizei in jugendlich-unbesonnenem Umgang mit einer Schusswaffe bestanden hatte – nichts Ernstes also, sondern eine Angelegenheit, die sich leicht in den Akten entfernen ließ, damit der Junge eine saubere Weste bekam. Außerdem brachten sie detaillierte Informationen über das legale Glücksspiel in Nevada mit, die der Don sehr interessant fand und über die er seither unablässig nachgedacht hatte. Es zeugte von der Größe des Don, dass er es verstand, aus allem und jedem Profit zu schlagen.

Connie Corleone war kein besonders hübsches Mädchen: Sie war mager und nervös und würde im späteren Leben bestimmt zänkisch werden. Doch heute, verwandelt vom weißen Brautkleid und ihrer jungfräulichen Ungeduld, strahlte sie so sehr, dass sie beinahe schön wirkte. Ihre Hand ruhte unter der hölzernen Tischplatte auf dem muskulösen Schenkel ihres Bräutigams. Sie spitzte den Amorbogen ihres Mundes zu einem angedeuteten Kuss für ihn.

Sie hielt ihn für unglaublich hübsch. Als sehr junger Mann hatte Carlo Rizzi unter freiem Himmel in der Wüste gearbeitet – körperliche Schwerarbeit verrichtet. Seine enormen Oberarme und Schultern sprengten beinahe den Smoking. Er sonnte sich in den bewundernden Blicken seiner Braut und füllte ihr das Glas mit Wein. Er war ausgesucht höflich zu ihr, fast so, als seien sie beide Schauspieler in einem Theaterstück. Aber immer wieder huschte sein Blick zu der geräumigen Seidentasche, die die Braut über der rechten Schulter trug und die jetzt prall mit Briefumschlägen voll Bargeld gefüllt war. Wie viel sie wohl enthielt? Zehntausend? Zwanzigtausend? Carlo Rizzi lächelte. Und das war erst der Anfang. Schließlich hatte er in eine königliche Familie geheiratet. Sie würden schon für ihn aufkommen müssen.

Aus der Menge der Gäste betrachtete ein adretter junger Mann mit dem schmalen Kopf eines Frettchens ebenfalls die seidene Geldtasche. Aus purer Gewohnheit überlegte sich Paulie Gatto, wie er es anfangen würde, die fette Beute an sich zu bringen. Dieser Gedanke belustigte ihn. Aber es war ihm gleichzeitig klar, dass es weiter nichts als ein unschuldiger Traum sein konnte, wie viele kleine Kinder wohl davon träumen, mit einem Spielzeuggewehr Tanks abzuschießen. Er beobachtete seinen Boss, einen dicken Mann mittleren Alters namens Peter Clemenza, der auf der Tanzfläche die jungen Mädchen in einer ausgelassenen Tarantella schwenkte. Clemenza, überdurchschnittlich groß, überdurchschnittlich massig, sodass sein fester Bauch immer wieder gegen die Brüste seiner jüngeren, kleineren Partnerin stieß, tanzte mit so großem Geschick, mit so großer Hingabe, dass alle Gäste ihm applaudierten. Ältere Frauen packten ihn bittend am Arm, damit er auch mit ihnen tanze. Die jüngeren Männer machten respektvoll die Tanzfläche frei und klatschten im Rhythmus der wilden Mandolinenakkorde in die Hände. Als Clemenza endlich auf einen Stuhl sank, brachte ihm Paulie Gatto ein Glas eiskalten schwarzen Wein und trocknete ihm die schweißtriefende Jupiterstirn mit seinem seidenen Taschentuch. Clemenza prustete wie ein Wal, als er den Wein hinuntergoss. Statt sich bei Paulie zu bedanken, sagte er barsch: «Du brauchst hier nicht den Schiedsrichter beim Tanzen zu spielen, geh lieber an deine Arbeit! Du kontrollierst jetzt die gesamte Umgebung und siehst nach, ob alles in Ordnung ist.» Paulie glitt durch das Gedränge davon.

Die Kapelle machte eine Erholungspause. Ein junger Mann namens Nino Valenti nahm die beiseitegelegte Mandoline zur Hand, setzte den linken Fuß auf einen Stuhl und begann mit einem derben sizilianischen Liebeslied. Nino Valenti hatte ein hübsches Gesicht, das aber von ständigem Trinken gedunsen war. Auch jetzt hatte er schon einen leichten Rausch. Er rollte die Augen, während sein Mund zärtlich den obszönen Text artikulierte. Die Frauen kreischten vor Vergnügen, und die Männer brüllten gemeinsam mit dem Sänger das letzte Wort jeder Strophe im Chor.

Don Corleones rundliche Frau sang fröhlich mit. Don Corleone selbst, bekanntermaßen prüde in derartigen Dingen, zog sich taktvoll ins Haus zurück. Sonny, der das sah, drängte sich durch die Gäste zum Hochzeitstisch und setzte sich neben eine der Brautjungfern, die junge Lucy Mancini. Sie hatten jetzt nichts zu befürchten: Sonnys Frau legte in der Küche letzte Hand an den Hochzeitskuchen. Er flüsterte dem Mädchen rasch ein paar Worte ins Ohr, und sie stand auf. Er wartete ein paar Minuten, dann folgte er ihr unauffällig ins Haus, während er unterwegs immer wieder stehen blieb, um sich mit dem einen oder dem anderen Gast zu unterhalten.

Aller Augen blickten ihm nach. Die Ehrendame, nach drei Jahren College durch und durch amerikanisiert, war ein kräftig entwickeltes Mädchen, das sich bereits einen gewissen «Ruf» erworben hatte. Während aller Trauungsproben hatte sie mit Sonny Corleone geflirtet – in einer scherzhaften, ironischen Art, die sie für erlaubt hielt, da er der Brautführer und sie seine Dame war. Nun ging Lucy Mancini, das rosafarbene Kleid leicht gerafft, mit angestrengt unschuldigem Lächeln ins Haus und lief leichtfüßig die Treppe zum Badezimmer hinauf. Dort verweilte sie einige Minuten. Als sie herauskam, stand Sonny Corleone am nächsten Treppenabsatz und winkte sie zu sich herauf.

 

Hinter dem geschlossenen Fenster von Don Corleones «Büro», einem etwas erhöhten Eckzimmer des Hauses, stand Thomas Hagen und beobachtete das Treiben der Hochzeitsgesellschaft im Garten. Die Wände hinter ihm waren mit juristischen Büchern bedeckt. Hagen war der Anwalt des Don sowie der stellvertretende consigliori oder Berater und hatte als solcher die wichtigste Position des ganzen Familiengeschäftes inne. In diesem Zimmer hatte er mit dem Don schon so manches knifflige Problem gelöst, und als er nun sah, dass der padrino das Fest verließ, um ins Haus zu gehen, wusste er, dass es auch heute, ob Hochzeitstag oder nicht, Arbeit geben würde. Der Don würde zweifellos zu ihm kommen. Gleich darauf sah Hagen, wie Sonny Corleone Lucy Mancini etwas ins Ohr flüsterte, und beobachtete die kleine Komödie, die er inszenierte, um ihr unauffällig ins Haus folgen zu können. Hagen verzog das Gesicht und kämpfte mit sich, ob er nicht lieber den Don informieren sollte, aber er entschied sich dagegen. Er trat an den Schreibtisch und nahm die Liste der Leute auf, denen eine Audienz bei Don Corleone gewährt worden war. Als dieser das Zimmer betrat, überreichte ihm Hagen die Liste. Don Corleone nickte. «Bonasera lassen wir bis zuletzt», sagte er.

Durch die hohen Fenstertüren ging Hagen direkt in den Garten hinaus, wo sich die Bittsteller um das Weinfass geschart hatten. Er deutete auf Nazorine, den rundlichen Bäcker.

Don Corleone begrüßte den Bäcker mit einer herzlichen Umarmung. Sie hatten als Kinder in Italien zusammen gespielt und waren als enge Freunde aufgewachsen. Jedes Jahr zu Ostern trafen frische Weizenkuchen, groß wie ein Wagenrad, bei Don Corleone ein. Zu Weihnachten und an Familienfeiertagen kündeten schwere, sahnige Torten von Nazorines Hochachtung für den Don. Und während all dieser Jahre, ob mager oder fett, hatte Nazorine pflichtgetreu der vom Don in dessen Anfangsjahren gegründeten Bäckergewerkschaft Beiträge gezahlt. Und nie um etwas gebeten, nur einmal, während des Krieges, um die Gelegenheit, auf dem Schwarzmarkt Zuckermarken zu kaufen. Nun war für den Bäcker der Augenblick gekommen, die Rechte geltend zu machen, die ihm als treuem Freund zustanden, und Don Corleone freute sich, ihm eine Gefälligkeit erweisen zu können.

Er versorgte den Bäcker mit einer Di-Nobili-Zigarre und einem Glas gelbem Strega und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. Die Geste war ein Beweis seiner Menschlichkeit: Er wusste aus eigener bitterer Erfahrung, wie viel Mut dazu gehört, einen Mitmenschen um etwas zu bitten.

Der Bäcker berichtete ihm von seiner Tochter und Enzo, seinem Gesellen. Ein netter junger Sizilianer, als Kriegsgefangener der amerikanischen Armee nach den Vereinigten Staaten transportiert, durch Sondergenehmigung zur Mithilfe in der amerikanischen Kriegsindustrie abgestellt. Eine reine und anständige Liebe war zwischen dem ehrlichen Enzo und seiner behüteten Katherine erblüht, doch nun, da der Krieg zu Ende war, würde der arme Kerl nach Italien zurückgeschickt werden, und Nazorines Tochter würde mit Sicherheit an gebrochenem Herzen sterben. Nur der padrino, nur Don Corleone konnte diesem unglücklichen Pärchen helfen. Er war ihre letzte Hoffnung.

Der Don schritt mit Nazorine im Zimmer auf und ab; er hatte dem Bäcker die Hand auf den Rücken gelegt und nickte immer wieder verständnisvoll, um dem besorgten Vater den Mut zu stärken. Als Nazorine endete, lächelte Don Corleone ihm freundlich zu und sagte: «Mein lieber Freund, jetzt sind deine Sorgen vorbei!» Und dann erklärte er ihm genau, was jetzt zu geschehen habe. Zunächst musste beim Congressman des Bezirks ein Gesuch eingereicht werden. Dieser Abgeordnete würde sodann ein Sondergesetz beantragen, das Enzo die Einbürgerung gestattete. Der Antrag würde mit Sicherheit vom Kongress befürwortet werden, eine Gefälligkeit, die sich all diese Halunken stets gegenseitig zu gewähren pflegten. Don Corleone erklärte, das alles würde natürlich eine Menge Geld kosten, der augenblickliche Preis liege bei zweitausend Dollar. Er, Don Corleone, würde für die Erledigung bürgen und auch das Geld in Empfang nehmen. Ob sein Freund damit einverstanden sei?

Der Bäcker nickte erfreut. Selbstverständlich erwartete er nicht, dass ihm eine so große Bitte kostenlos erfüllt wurde. Ein Sondergesetz des Kongresses war niemals billig. Nazorine dankte dem padrino unter Tränen. Don Corleone begleitete ihn zur Tür und versicherte ihm, dass ihn erfahrene Leute aufsuchen und alle Einzelheiten regeln, alle notwendigen Dokumente ausfüllen würden. Der Bäcker umarmte ihn dankbar und kehrte in den Garten zurück.

Hagen lächelte Don Corleone zu. «Das ist eine gute Geldanlage für Nazorine. Ein Mann für die Tochter und eine lebenslängliche billige Hilfskraft für die Bäckerei – alles für ganze zweitausend Dollar!» Er machte eine Pause. «Wen soll ich damit beauftragen?»

Don Corleone runzelte nachdenklich die Stirn. «Nicht unseren paesano. Nimm lieber den Juden im Nachbarbezirk. Lass die Adresse entsprechend ändern. Ich glaube, jetzt, wo der Krieg aus ist, wird es noch mehr solche Fälle geben; wir sollten zusätzliche Leute in Washington haben, die den Andrang auffangen und trotzdem den Preis nicht in die Höhe treiben.» Hagen machte sich eine Notiz. «Also nicht Congressman Luteco. Versuchen wir es mit Fischer.»

Der Nächste, den Hagen hereinholte, war ein recht einfacher Fall. Er hieß Anthony Coppola und war der Sohn eines Mannes, mit dem Don Corleone in seiner Jugend bei der Eisenbahn gearbeitet hatte. Coppola brauchte fünfhundert Dollar, weil er eine Pizzeria eröffnen wollte; er benötigte sie für eine Anzahlung auf die Einrichtung und einen Spezialofen. Aus nicht näher erläuterten Gründen konnte er keinen Kredit bekommen. Der Don griff in seine Tasche und zog eine Rolle Geldscheine hervor. Es war nicht ganz genug. Er schnitt eine Grimasse und bat Tom Hagen: «Leih mir hundert Dollar, Tom. Montag, wenn ich zur Bank gehe, bekommst du sie wieder.» Der Bittsteller wandte ein, vierhundert Dollar seien genug, aber der Don schlug ihm beruhigend auf die Schulter und sagte entschuldigend: «Durch diese aufwendige Hochzeit bin ich etwas knapp an Bargeld.» Er nahm die Scheine, die Hagen ihm reichte, und gab sie, zusammen mit seiner eigenen Banknotenrolle, an Anthony Coppola weiter.

Hagen sah ihm mit stummer Bewunderung zu. Der Don hatte ihm eingeschärft, wenn ein Mann großzügig sei, müsse er zeigen, dass seine Großzügigkeit persönlich gemeint sei. Wie schmeichelhaft für Anthony Coppola, dass sich ein Mann wie der Don herbeiließ, sich selber Geld zu borgen, um ihm etwas leihen zu können! Zwar wusste Coppola genau, dass der Don Millionen besaß, aber wie viele Millionäre nahmen für einen armen Freund auch nur die kleinste Ungelegenheit auf sich?

Der Don hob fragend den Kopf. Hagen sagte: «Er steht zwar nicht auf der Liste, aber Luca Brasi möchte Sie gerne sprechen. Er weiß, dass es vor den Augen der Öffentlichkeit nicht geht, möchte Ihnen aber wenigstens unter vier Augen gratulieren.»

Zum ersten Mal schien der Don unangenehm berührt. Seine Antwort klang ausweichend. «Ist es unbedingt nötig?»

Hagen zuckte die Achseln. «Sie kennen ihn besser als ich. Aber er war sehr dankbar, dass Sie ihn zur Hochzeit geladen haben. Er hatte es nicht erwartet. Ich glaube, er will Ihnen seine Dankbarkeit beweisen.»

Don Corleone nickte und deutete mit einer Handbewegung an, dass Luca Brasi hereinkommen möge.

 

Kay Adams, im Garten, war betroffen von dem wilden Fanatismus, der das Gesicht Luca Brasis zeichnete. Sie erkundigte sich nach ihm. Michael hatte Kay zu dieser Hochzeit mitgebracht, damit sie langsam und möglichst ohne allzu großen Schock die Wahrheit über seinen Vater begriff. Bis jetzt jedoch schien sie den Don lediglich für einen etwas unmoralischen Geschäftsmann zu halten. Michael beschloss, ihr einen Teil der Wahrheit in indirekter Form beizubringen. Er erklärte ihr, dass Luca Brasi einer der gefürchtetsten Männer der Unterwelt im Osten Amerikas sei. Sein großes Talent, so heiße es, bestehe darin, einen Mordauftrag ganz allein, ohne Komplizen, auszuführen und dadurch Entdeckung und Verurteilung durch das Gesetz automatisch auszuschließen. Michael zog ein Gesicht und sagte: «Ich weiß nicht, ob das alles stimmt. Aber ich weiß, dass er sozusagen ein Freund meines Vaters ist.»

Zum ersten Mal begann Kay zu begreifen. Ein wenig ungläubig fragte sie: «Willst du etwa behaupten, dass so ein Mann für deinen Vater arbeitet?»

Ach was, verdammt!, dachte er. Dann sagte er rundheraus: «Vor fast fünfzehn Jahren wollten ein paar Leute meinen Vater aus dem Ölimport hinausdrängen. Sie wollten ihn umbringen und hätten es auch beinahe geschafft. Luca Brasi setzte sich auf ihre Spur. Es heißt, dass er in zwei Wochen sechs Männer umgebracht und so dem berühmten Ölkrieg ein Ende gemacht hat.» Er lächelte, als habe er einen guten Witz erzählt.

Kay schauderte. «Du meinst, dass dein Vater von Gangstern angeschossen wurde?»

«Vor fünfzehn Jahren», beruhigte Michael sie. «Seither ist alles friedlich geblieben.» Er fürchtete, zu weit gegangen zu sein.

«Du willst mir Angst machen!», sagte Kay. «Du willst nicht, dass ich dich heirate.» Sie lächelte und versetzte ihm einen Rippenstoß. «Kluger Knabe.»

Michael lächelte zurück. «Ich möchte, dass du ein bisschen darüber nachdenkst.»

«Hat er denn wirklich sechs Männer umgebracht?», fragte Kay.

«Die Zeitungen behaupten es», sagte Michael. «Bewiesen hat es bisher noch niemand. Aber es existiert noch eine andere Geschichte von ihm, über die keiner spricht. Sie soll so furchtbar sein, dass sogar mein Vater sie niemals erwähnt. Tom Hagen kennt sie, aber auch er will sie mir nicht erzählen. Einmal habe ich im Spaß zu ihm gesagt: ‹Wann bin ich endlich alt genug für die Geschichte über Luca?› Und Tom hat geantwortet: ‹Wenn du hundert bist.›» Michael trank von seinem Wein. «Das muss eine wilde Geschichte sein. Und dieser Luca ist ein wilder Knabe.»

In der Tat war Luca Brasi ein Mann, der sogar dem Teufel Angst eingejagt hätte. Klein, untersetzt, mit wuchtigem Schädel, brachte schon seine bloße Anwesenheit Alarmklingeln zum Schrillen. Sein Gesicht war nichts als eine wütende Maske. Seine Augen waren von einem kalten, tödlichen Lohgelb. Sein schmaler Mund wirkte leblos und hatte die blässliche Farbe rohen Fleisches.

Brasi hatte einen erschreckenden Ruf der Grausamkeit, doch seine Ergebenheit für Don Corleone war legendär. Er war eine der stärksten Säulen, auf denen das Machtgefüge Don Corleones ruhte. Er selbst war eine Rarität.

Luca Brasi fürchtete nicht die Polizei, er fürchtete nicht die Gesellschaft, er fürchtete nicht Gott, er fürchtete nicht die Hölle, er fürchtete nicht seine Mitmenschen und liebte sie auch nicht. Zum einzigen Gegenstand seiner Furcht und seiner Liebe hatte er Don Corleone erwählt. Als er nun vor den Don geführt wurde, nahm der schreckliche Brasi eine steife, respektvolle Haltung an. Er stotterte ein paar blumige Gratulationen und gab der Hoffnung Ausdruck, das erste Enkelkind möge ein Junge sein. Dann reichte er dem Don als Geschenk für das Brautpaar einen Umschlag voll Geld.

Das also hatte er gewollt! Hagen bemerkte die Veränderung an Don Corleone. Der Don empfing Brasi wie ein König seinen Untertan, der ihm einen großen Dienst geleistet hat: nicht vertraulich, aber mit würdevollem Respekt. Mit jeder Geste, mit jedem Wort gab Don Corleone Luca Brasi zu verstehen, wie sehr er ihn schätzte. Nicht einen Augenblick war er erstaunt, dass ihm das Hochzeitsgeschenk persönlich überreicht wurde. Er hatte Verständnis dafür.

Die Summe in diesem Umschlag war zweifellos höher als in jedem einzelnen der anderen Kuverts. Viele Stunden lang hatte Brasi darüber nachgedacht, hatte überlegt, wie viel wohl die anderen Gäste bringen mochten. Er wollte der großzügigste sein, er wollte zeigen, dass seine Hochachtung vor dem Don die allergrößte war. Darum hatte er dem Don seinen Umschlag persönlich gegeben – ein Formfehler, den der Don bei seinen eigenen, nicht minder blumigen Dankesworten taktvoll überging. Hagen sah, dass Brasis Gesicht die wütende Starre verlor und es vor Stolz und Freude zu strahlen begann. Ehe er dann zur Tür hinausging, die Hagen ihm öffnete, küsste er dem Don voll Ehrfurcht die Hand. Hagen schenkte ihm ein freundliches Lächeln, das der gedrungene Mann mit einem höflichen Verziehen der schmalen Lippen quittierte.

Als sich die Tür hinter ihm schloss, stieß Don Corleone einen kleinen, erleichterten Seufzer aus. Brasi war der einzige Mensch auf der Welt, der ihn nervös machen konnte. Dieser Mann war wie eine Naturgewalt, über die man keine Kontrolle hatte. Man musste mit ihm so vorsichtig umgehen wie mit Dynamit. Der Don zuckte die Achseln. Selbst Dynamit konnte man unbeschadet sprengen, sofern es notwendig war. Er sah Hagen fragend an. «Nur noch Bonasera?»

Hagen nickte. Don Corleone runzelte nachdenklich die Stirn, dann sagte er: «Bevor du ihn herbringst, hol mir Santino. Es wird langsam Zeit, dass er etwas lernt.»

Draußen im Garten suchte Hagen vergeblich nach Sonny. Er riet dem wartenden Bonasera, sich noch ein wenig zu gedulden, und trat dann zu Michael und seiner Freundin. «Habt ihr Sonny gesehen?», erkundigte er sich. Michael schüttelte den Kopf. Verdammt!, dachte Hagen. Wenn Sonny immer noch diese Brautjungfer bimst, dann gibt es einen ganz schönen Krach. Sonnys Frau, die Familie des Mädchens – es konnte eine Katastrophe geben. Eilig ging er zur Tür, durch die er vor fast einer halben Stunde Sonny hatte verschwinden sehen.

Während Hagen ins Haus ging, erkundigte sich Kay Adams bei Michael: «Wer ist denn das? Du hast ihn als deinen Bruder vorgestellt, aber er trägt einen anderen Namen, und außerdem sieht er überhaupt nicht italienisch aus.»

«Tom ist seit seinem dreizehnten Lebensjahr bei uns», erklärte Michael. «Seine Eltern waren beide tot, und er trieb sich auf der Straße herum. Eines Abends brachte ihn Sonny mit, und er blieb da. Er wusste nicht, wo er hinsollte. Und dann ist er bei uns geblieben, bis er geheiratet hat.»

Kay Adams war begeistert. «Mein Gott, ist das romantisch!», sagte sie. «Dein Vater muss ein sehr guter Mensch sein. Einfach einen Jungen zu adoptieren, wo er doch so viele eigene Kinder hat!»

Michael machte sich nicht die Mühe, ihr zu erklären, dass vier Kinder bei italienischen Einwanderern als eine sehr kleine Familie galten. Er sagte nur: «Tom wurde nicht adoptiert. Er hat nur bei uns gelebt.»

«Ach!», sagte Kay. Dann fragte sie neugierig: «Und warum habt ihr ihn nicht adoptiert?»

Michael lachte. «Weil Vater sagte, es wäre respektlos von Tom, seinen Namen zu ändern. Respektlos seinen Eltern gegenüber.»

Sie sahen, wie Hagen Sonny durch die Fenstertüren ins Büro scheuchte und dann Amerigo Bonasera heranwinkte. «Warum lässt sich dein Vater an so einem Tag mit geschäftlichen Dingen belästigen?», fragte Kay.

Abermals lachte Michael. «Weil alle wissen, dass ein Sizilianer traditionsgemäß am Hochzeitstag seiner Tochter niemandem eine Bitte abschlagen darf. Und eine solche Chance wird sich kein Sizilianer entgehen lassen.»

 

Lucy Mancini raffte den Saum ihres rosafarbenen Kleides und lief die Treppe hinauf. Sonny Corleones derbes, sinnlich gerötetes Gesicht machte ihr Angst, aber eben das hatte sie ja die ganze vergangene Woche hindurch gewollt. Bei ihren beiden Liebesaffären im College hatte sie nicht viel empfunden, und keine von beiden hatte länger gedauert als eine Woche. Ärgerlich hatte ihr zweiter Liebhaber etwas davon gemurmelt, dass sie «da unten zu groß» sei. Lucy hatte begriffen und ging für den Rest ihrer Schulzeit mit niemandem mehr aus.

Im Laufe des Sommers, während sie bei den Vorbereitungen für die Hochzeit ihrer besten Freundin Connie Corleone half, hörte Lucy viel heimlichen Klatsch über Sonny. Und eines Sonntagnachmittags hatte Sonnys Frau Sandra in der Corleone-Küche freimütig aus der Schule geplaudert. Sandra war eine derbe, gutmütige Frau, die in Italien geboren, aber als kleines Kind schon nach Amerika gebracht worden war. Sie war kräftig gebaut, mit schweren Brüsten, und hatte in ihrer fünfjährigen Ehe bereits drei Kinder geboren. Sandra und die anderen Frauen zogen Connie mit den Schrecken des ehelichen Beilagers auf. «Mein Gott», hatte Sandra gekichert, «als ich zum ersten Mal sah, was Sonny da für einen Ständer hatte, und merkte, dass er den in mich reinstecken wollte, da habe ich zetermordio geschrien. Nach einem Jahr hat sich mein Bauch innen angefühlt wie Makkaroni, die mindestens eine Stunde gekocht haben. Als ich dann hörte, dass er es auch mit anderen Mädchen treibt, bin ich zur Kirche gegangen und hab keine Kerze gestiftet.»

Alle hatten gelacht, nur Lucy hatte gespürt, wie ihr zwischen den Beinen heiß wurde.

Als sie jetzt die Treppe emporeilte, durchfuhr die Begierde ihren Körper wie ein gewaltiger Blitz. Oben nahm Sonny sie bei der Hand und zog sie über den Flur bis zu einem leeren Schlafzimmer. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, wurden ihr die Knie weich. Sie fühlte Sonnys Mund auf dem ihren, den bitteren Geschmack nach verbranntem Tabak auf den Lippen. Sie öffnete ihren Mund. In diesem Augenblick merkte sie, wie seine Hand unter ihrem langen Kleid nach oben glitt, hörte das Rascheln des Stoffes, fühlte, wie seine große, warme Hand zwischen ihren Beinen das Seidenhöschen beiseite schob und sie streichelte. Sie legte ihm die Arme um den Hals und hängte sich an ihn, während er seine Hose öffnete. Dann legte er ihr beide Hände unter das nackte Hinterteil und hob sie hoch. Sie machte einen kleinen Hopser, sodass ihre Beine sich um seine Oberschenkel schlingen konnten. Seine Zunge war in ihrem Mund, und sie saugte an ihr. Er stieß mit wilder Begierde zu, so kräftig, dass ihr Kopf gegen die Türfüllung schlug. Sie spürte etwas brennend Heißes zwischen den Schenkeln, löste die rechte Hand von seinem Hals und griff hinunter, um ihn zu führen. Ihre Hand schloss sich um eine ungeheure, blutgeschwollene Muskelmasse, die in ihren Fingern pulste wie ein Tier. Fast weinend vor dankbarer Ekstase lenkte sie ihn in ihr feuchtes, geschwollenes Fleisch. Der Schock des Eindringens, das unglaubliche Lustgefühl ließ sie keuchen, ließ sie die Beine fast bis hinauf an seinen Hals schieben, und dann empfing ihr Körper wie ein Köcher die wilden Pfeile seiner blitzschnellen Stöße; zahllos, quälend. Höher und höher bog sie ihr Becken, bis sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine erschütternde Klimax erreichte, bis sie spürte, wie seine Härte zerbrach und dann die langsame Flut seines Spermas sich auf ihre Schenkel ergoss. Langsam lösten sich ihre Beine von seinem Körper, glitten herab, und ihre Füße erreichten den Boden. Außer Atem lehnten sie aneinander.

Es mochte schon eine geraume Zeit geklopft haben, aber sie hörten es jetzt erst. Hastig knöpfte sich Sonny die Hose zu und stellte sich dabei so vor die Tür, dass sie von außen nicht geöffnet werden konnte. In hektischer Eile strich Lucy sich das rosafarbene Abendkleid glatt und schielte dabei zu Sonny hinüber. Aber das Ding, das ihr so großes Vergnügen bereitet hatte, war wieder hinter nüchternem schwarzem Tuch verschwunden. Dann hörten sie Tom Hagens leise Stimme: «Sonny, bist du da?»

Sonny seufzte auf vor Erleichterung. Er zwinkerte Lucy zu. «Ja, Tom. Was ist denn?»

Hagens Stimme sagte, noch immer sehr leise: «Du sollst zum Don ins Büro kommen. Sofort.» Sie hörten, wie sich seine Schritte wieder entfernten. Sonny wartete ein Weilchen, dann drückte er Lucy einen kräftigen Kuss auf den Mund und ging hinaus, um Hagen zu folgen.

Lucy ordnete ihr Haar. Sie prüfte den Sitz ihres Kleides und zog ihre Strumpfhalter zurecht. Sie fühlte sich wie zerschlagen. Ihre Lippen waren geschwollen und schmerzten. Sie verließ das Zimmer. Obwohl sie zwischen ihren Schenkeln eine klebrige Feuchtigkeit spürte, ging sie nicht ins Bad, um sich zu waschen, sondern lief gleich die Treppe zum Garten hinunter. Am Brauttisch nahm sie ihren Platz neben Connie ein, die schmollend fragte: «Wo bist du gewesen, Lucy? Du siehst betrunken aus. Bleib doch bei mir.»

Der blonde Bräutigam schenkte Lucy ein Glas Wein ein und lächelte verständnisvoll. Lucy war es egal. Sie hob den dunkelroten Wein an ihre trockenen Lippen und trank. Sie spürte die klebrige Feuchte zwischen ihren Schenkeln und presste die Beine zusammen. Ihr Körper bebte. Über den Glasrand hinweg suchten ihre Augen beim Trinken sehnsüchtig nach Sonny. Sie wollte keinen anderen Menschen mehr sehen. Verstohlen flüsterte sie Connie ins Ohr: «Nur wenige Stunden noch, dann weißt du Bescheid.» Connie kicherte. Sittsam legte Lucy die gefalteten Hände auf den Tisch. Sie empfand einen hinterhältigen Triumph, als habe sie der Braut einen kostbaren Schatz gestohlen.

 

Amerigo Bonasera folgte Hagen ins Eckzimmer des Hauses und sah Don Corleone an einem wuchtigen Schreibtisch sitzen. Am Fenster stand Sonny und sah in den Garten hinaus. Zum ersten Mal an diesem Nachmittag war das Verhalten des Don merklich kühl. Er umarmte den Besucher nicht, schüttelte ihm auch nicht die Hand. Der blasse Bestattungsunternehmer verdankte seine Einladung nur der Tatsache, dass seine Frau die beste Freundin Signora Corleones war. Amerigo Bonasera selber stand bei dem Don in Ungnade.

Bonasera begann seine Bitte auf Umwegen und fädelte sie sehr geschickt ein. «Meine Tochter, das Patenkind Ihrer Frau, müssen Sie bitte entschuldigen, Don Corleone. Sie kann Ihrer Familie heute leider nicht die Aufwartung machen, denn sie liegt noch immer im Krankenhaus.» Er sah zu Hagen und Sonny hinüber, um anzudeuten, dass er nicht sprechen wolle, solange sie anwesend waren. Aber der Don blieb hart.

«Wir alle haben von dem bedauerlichen Unglück deiner Tochter gehört», sagte er. «Wenn ich ihr irgendwie helfen kann, so brauchst du es mir nur zu sagen. Schließlich ist meine Frau ihre Patin. Ich habe diese ehrenvolle Tatsache niemals vergessen.» Das war eine Zurechtweisung: Obwohl es der Brauch so verlangte, hatte der Bestattungsunternehmer den Don niemals padrino genannt.

Mit aschgrauem Gesicht bat Bonasera nunmehr direkt: «Dürfte ich wohl einen Augenblick mit Ihnen allein sprechen?»

Don Corleone schüttelte den Kopf. «Diese beiden Männer besitzen mein vollstes Vertrauen. Sie sind meine beiden rechten Hände. Ich kann sie unmöglich fortschicken, das würde sie kränken.»

Sekundenlang schloss Bonasera die Augen, dann begann er zu sprechen. Sein Ton war ruhig, es war der Ton, den er beim Trösten trauernder Hinterbliebener anschlug. «Ich habe meine Tochter amerikanisch erzogen. Ich glaube an Amerika. Amerika hat mich reich gemacht. Ich ließ meiner Tochter jede Freiheit, aber ich habe sie gelehrt, keine Schande über ihre Familie zu bringen. Sie fand einen Freund, aber er war kein Italiener. Sie ging mit ihm aus, ins Kino. Sie kam oft erst spät nach Hause. Aber er kam nicht ein einziges Mal zu uns, um sich ihren Eltern vorzustellen. Ich nahm das alles ohne Widerspruch hin, das war mein Fehler. Vor zwei Monaten unternahm er mit ihr einen Autoausflug. Er hatte einen Freund bei sich. Sie zwangen sie, Whisky zu trinken, und dann versuchten sie, sie zu missbrauchen. Sie wehrte sich. Sie verteidigte ihre Ehre. Sie schlugen sie. Wie ein Tier. Als ich sie im Krankenhaus besuchte, hatte sie verquollene Augen. Ihr Nasenbein war gebrochen. Ihr Kinn zerschmettert. Man musste es mit Draht zusammenflicken. Trotz ihrer Schmerzen weinte sie. ‹Vater, Vater, warum haben sie das getan? Warum haben sie mir das angetan?› Und ich weinte mit ihr.» Bonasera konnte nicht weitersprechen: Er weinte, obwohl seiner Stimme nichts anzumerken war.

Don Corleone machte unwillkürlich eine mitfühlende Geste, und Bonasera fuhr fort. Kummer und Leid verliehen seiner Stimme echte Töne. «Warum ich geweint habe? Sie war das Licht meines Lebens. Ein schönes Mädchen. Sie hatte Vertrauen zu den Menschen, aber sie wird nie wieder Vertrauen haben. Sie wird nie wieder so schön werden, wie sie war.» Er zitterte, sein fahles Gesicht hatte eine hässliche dunkelrote Farbe.

«Ich ging zur Polizei, wie es sich für einen guten Amerikaner gehört. Die beiden Burschen wurden verhaftet. Sie wurden vor Gericht gestellt. Die Beweise waren überwältigend, und sie bekannten sich schuldig. Der Richter verurteilte sie zu drei Jahren Gefängnis und setzte die Strafe zur Bewährung aus. Am selben Tag noch konnten sie ungehindert nach Hause gehen. Ich stand im Gerichtssaal wie ein Narr, und diese Schweine lächelten noch über mich. Da sagte ich zu meiner Frau: ‹Wenn wir Gerechtigkeit wollen, müssen wir zu Don Corleone gehen.›»

Aus Achtung vor dem Leid des Mannes hatte der Don den Kopf gesenkt. Doch als er nun sprach, klang kalte, gekränkte Würde in seinen Worten. «Warum bist du zur Polizei gegangen? Warum bist du nicht gleich zu mir gekommen?»

Fast unhörbar murmelte Bonasera: «Was verlangen Sie von mir? Sagen Sie, was Sie von mir verlangen, aber tun Sie, worum ich Sie bitte!» Es lag beinahe etwas Anmaßendes in seinen Worten.

Don Corleone fragte ernst: «Und was soll ich tun?»

Mit einem Blick auf Hagen und Sonny schüttelte Bonasera den Kopf. Der Don, der noch immer an Hagens Schreibtisch saß, beugte sich zu ihm vor. Bonasera zögerte sekundenlang, dann beugte er sich herunter und brachte die Lippen so nahe an das haarige Ohr des Don, dass sie es berührten. Don Corleone lauschte ihm wie ein Priester im Beichtstuhl, den Blick unbeteiligt in die Ferne gerichtet. So blieben sie eine ganze Weile, bis Bonasera endlich aufhörte zu flüstern und sich wieder aufrichtete. Der Don sah Bonasera mit ernstem Blick an. Bonasera erwiderte unerschrocken den Blick. Sein Gesicht war immer noch gerötet.

Endlich sagte der Don: «Das kann ich nicht. Du vergisst dich.»

Laut entgegnete Bonasera: «Ich bin bereit, Ihnen jede Summe zu geben, die Sie verlangen.» Als Hagen dies hörte, fuhr er mit einem nervösen Kopfzucken zusammen. Sonny grinste ironisch, während er sich vom Fenster abwandte und seine Aufmerksamkeit zum ersten Mal auf die Szene im Zimmer richtete.

Don Corleone erhob sich hinter dem Schreibtisch. Seine Miene war immer noch ausdruckslos, aber seine Stimme klang kalt wie der Tod. «Du und ich, wir kennen uns nun schon seit vielen Jahren», sagte er, «aber bis heute hast du mich niemals um Rat oder Hilfe gebeten. Ich erinnere mich nicht, wann du mich das letzte Mal zum Kaffee in dein Haus geladen hast, obwohl meine Frau die Patin deines einzigen Kindes ist. Wir wollen offen sein: Du hast meine Freundschaft zurückgewiesen. Du hast Angst gehabt, in meiner Schuld zu stehen.»

Bonasera murmelte: «Ich wollte nur keinen Ärger haben.»

Der Don hob die Hand. «Nein. Sag lieber nichts. Du hast in Amerika das Paradies gefunden. Du hast ein gutgehendes Geschäft, du verdienst nicht schlecht. Du hast geglaubt, die Welt sei ein ungefährlicher Ort, wo du nach Belieben deinem Vergnügen nachgehen kannst. Du hast versäumt, dir den Schutz wahrer Freunde zu sichern. Schließlich war ja die Polizei zu deinem Schutz da, es gab Gerichte, dir und den Deinen konnte kein Leid geschehen. Du brauchtest Don Corleone nicht. Nun gut. Du hast mich gekränkt, aber ich bin nicht der Mann, der jemandem seine Freundschaft aufdrängt, der sie nicht zu schätzen weiß – jemandem, der mich für unwichtig hält.» Der Don machte eine Pause und schenkte Bonasera ein höfliches, ironisches Lächeln. «Jetzt aber kommst du zu mir und sagst: ‹Don Corleone, schaffe mir Gerechtigkeit.› Du zeigst nicht einmal Respekt. Bietest mir nicht deine Freundschaft an. Du kommst am Hochzeitstag meiner Tochter zu mir, du bittest mich, einen Mord zu begehen, und sagst …» Jetzt wurde die Stimme des Don zur spöttischen Imitation. «‹Ich zahle, was du willst.› Nein, nein, ich bin dir nicht böse, aber was habe ich dir jemals getan, dass du mich so respektlos behandelst?»

Bonasera in seiner Not und Angst rief laut: «Amerika ist gut zu mir gewesen. Ich wollte ein guter Bürger sein. Ich wollte, dass meine Tochter eine richtige Amerikanerin wird.»

Der Don schlug missbilligend die Hände zusammen. «Gut gesprochen! Sehr schön. Dann brauchst du dich ja über nichts zu beklagen. Der Richter hat das Urteil gesprochen. Bring deiner Tochter Blumen und eine Schachtel Pralinen, wenn du sie im Krankenhaus besuchst. Das wird sie trösten. Gib dich zufrieden. Schließlich ist dies keine schwerwiegende Angelegenheit, die Burschen waren jung, übermütig, und einer von ihnen ist der Sohn eines einflussreichen Politikers. Nein, mein lieber Amerigo, du bist immer aufrichtig gewesen. Obwohl du meine Freundschaft zurückgewiesen hast, muss ich zugeben, dass ich mich auf das Wort des Amerigo Bonasera eher verlassen würde als auf das eines Fremden. Darum verlange ich jetzt dein Wort, dass du diesen Wahnsinn vergisst. Es ist unamerikanisch. Vergib. Vergiss. Das Leben bringt manches Unglück.»

Unter der grausamen, verächtlichen Ironie dieser Worte schrumpfte Bonasera zu einem zitternden Häufchen Elend zusammen, aber noch einmal sagte er mutig: «Ich bitte Sie um Gerechtigkeit.»

Don Corleone erwiderte scharf: «Das Gericht hat dir Gerechtigkeit gegeben.»

Bonasera schüttelte trotzig den Kopf. «Nein. Es hat den Jungen Gerechtigkeit gegeben. Mir hat es keine Gerechtigkeit gegeben.» Der Don akzeptierte diesen feinen Unterschied mit beifälligem Nicken. Dann fragte er: «Und wie sieht deine Gerechtigkeit aus?»

«Auge um Auge», erwiderte Bonasera.

«Du hast aber mehr verlangt», sagte der Don. «Deine Tochter lebt.»

Zögernd gab Bonasera nach. «Sie sollen leiden, wie sie leidet.»

Der Don wartete ab, ob er noch etwas sagen wollte.

Bonasera nahm seinen letzten Mut zusammen und fragte: «Wie viel verlangen Sie?» Es klang wie ein verzweifeltes Stöhnen.

Don Corleone kehrte ihm abrupt den Rücken, ein deutlicher Wink, dass er das Gespräch als beendet ansah. Bonasera rührte sich nicht.

Endlich, mit dem Seufzer eines gutmütigen Mannes, der seinem irregeleiteten Freund nicht böse sein kann, wandte sich Don Corleone wieder zu Bonasera, der nun so bleich war wie eine seiner Leichen. Don Corleone war sanft und geduldig. «Warum fürchtest du dich davor, mir Treue zu schwören?», fragte er. «Du gehst zu Gericht und wartest monatelang. Du gibst viel Geld für Anwälte aus, die ganz genau wissen, dass du zum Narren gehalten werden sollst. Du nimmst das Urteil eines Richters hin, der sich verkauft wie die übelste Straßendirne. Vor vielen Jahren, als du Geld brauchtest, bist du zu den Banken gegangen, hast enorme Zinsen gezahlt, hast mit dem Hut in der Hand wie ein Bettler gewartet, während sie herumgeschnüffelt haben, um sich nur ja zu vergewissern, dass du das Darlehen zurückzahlen kannst.» Der Don machte eine Pause, sein Ton wurde strenger.

«Wenn du aber zu mir gekommen wärst – mein Geldbeutel hätte dir gehört. Wenn du zu mir um Gerechtigkeit gekommen wärst – dieser Abschaum, der deine Tochter ruiniert hat, würde jetzt bittere Tränen weinen. Wenn sich ein ehrlicher Mann wie du durch einen unglücklichen Zufall Feinde gemacht hätte – sie wären auch meine Feinde, und dann würden sie, das kannst du mir glauben», der Don hob den Arm, sein Finger richtete sich auf Amerigo Bonasera, «dann würden sie sich jetzt vor dir fürchten.»

Mit gesenktem Kopf und erstickter Stimme murmelte Bonasera: «Bitte, nehmen Sie meine Freundschaft an. Ich bin einverstanden.»

Don Corleone legte ihm die Hand auf die Schulter. «Gut», sagte er. «Du sollst Gerechtigkeit haben. Eines Tages, und dieser Tag wird vielleicht niemals kommen, werde ich dich bitten, mir dafür einen Gefallen zu tun. Bis dahin betrachte diese Gerechtigkeit als ein Geschenk meiner Frau, der Patin deiner Tochter.»

Als sich die Tür hinter dem dankbaren Bestattungsunternehmer schloss, wandte sich Don Corleone an Hagen und sagte: «Übergib Clemenza die Angelegenheit und richte ihm aus, er soll unter allen Umständen zuverlässige Leute nehmen, Leute, denen der Blutgeruch nicht so zu Kopf steigt, dass sie die Beherrschung verlieren. Schließlich sind wir keine Mörder, auch wenn dieser Leichenfledderer sich das so vorstellt.» Er sah, dass sein erstgeborener Sohn vom Fenster aus die Gartengesellschaft beobachtete. Es ist hoffnungslos, dachte Don Corleone. Wenn er nichts lernen will, kann Santino niemals die Geschäfte der Familie führen, kann