Der perfekte Dreh - Jeffrey Archer - E-Book + Hörbuch
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Der perfekte Dreh Hörbuch

Jeffrey Archer

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Beschreibung

Zwölf meisterhafte Erzählungen des Sensationsautors voll schillernder Geheimnisse und stilistischem Glanz: »Archer ist wahrscheinlich der beste Geschichtenerzähler unserer Zeit«, urteilt Mail on Sunday. Ein Finanzminister nimmt große Strapazen auf sich, um die Korruption in seinem Land auszumerzen. Doch ist er selbst vor ihr gefeit …? Ein reicher Aristokrat lädt auf seinem Weingut zu einem Wettkampf zwischen Gentlemen ein. Ohne zu ahnen, dass er sich mit seiner Herausforderung fatal verschätzt hat … Ein führender Angestellter besucht seine Affäre. Eine halbe Stunde später ist sie tot. Es ist der perfekte Mord … Von Afrika bis zum Nahen Osten, von London bis Peking – Jeffrey Archer gewährt uns in seinen Erzählungen Einblick hinter die verschlossenen Türen der globalen Elite, wo vereitelte Ambitionen, unsterbliche Leidenschaft und grenzenlose Gier lauern … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der brillante Kurzgeschichten-Sammelband »Der perfekte Dreh« von Jeffrey Archer – hochkarätige Unterhaltung, die seinen Weltbestsellern in nichts nachsteht! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Zeit:7 Std. 55 min

Sprecher:Monty Arnold
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Über dieses Buch:

Ein Finanzminister nimmt große Strapazen auf sich, um die Korruption in seinem Land auszumerzen. Doch ist er selbst vor ihr gefeit …? Ein reicher Aristokrat lädt auf seinem Weingut zu einem Wettkampf zwischen Gentlemen ein. Ohne zu ahnen, dass er sich mit seiner Herausforderung fatal verschätzt hat … Ein führender Angestellter besucht seine Affäre. Eine halbe Stunde später ist sie tot. Es ist der perfekte Mord …

Von Afrika bis zum Nahen Osten, von London bis Peking – Jeffrey Archer gewährt uns in seinen Erzählungen Einblick hinter die verschlossenen Türen der globalen Elite, wo vereitelte Ambitionen, unsterbliche Leidenschaft und grenzenlose Gier lauern …

»Der perfekte Dreh« erscheint außerdem als Hörbuch bei SAGA Egmont, www.sagaegmont.com/germany.

Über den Autor:

Jeffrey Archer (geboren 1940 in London) ist ein britischer Bestsellerautor und gehört zu den erfolgreichsten Autoren der Gegenwart. Nach seinem Studium in Oxford schlug er eine bewegte unternehmerische und politische Karriere ein, die in einem Skandal endete. Nachdem er 2001 wegen Meineids inhaftiert wurde, wandte er sich voll und ganz der Schriftstellerei zu und hat seitdem zahlreiche internationale Bestseller geschrieben. Jeffrey Archer ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in abwechselnd in London, Cambridge und auf Mallorca.

Bei dotbooks als eBook erhältlich sind seine hochkarätigen Anthologien »Der perfekte Dreh«, »Falsche Spuren«, »Ein echter Gentleman«, »Der gefälschte König« und »Verbrechen lohnt sich«. »Der perfekte Dreh« und »Falsche Spuren« sind auch als Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich.

Außerdem erscheinen bei dotbooks der Thriller »Die Stunde der Fälscher« und der Kurzroman »Das Evangelium nach Judas«.

Die Website des Autors: www.jeffreyarcher.com/

Der Autor bei Facebook: www.facebook.com/JeffreyArcherAuthor/

Der Autor auf Instagram: www.instagram.com/jeffrey_archer_author/

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eBook-Ausgabe August 2024

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1988 unter dem Originaltitel »A Twist in the Tale« bei Hodder & Stoughton, London.

Copyright © der englischen Originalausgabe Jeffrey Archer, 1988

Copyright © der deutschen Erstausgabe Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft m.b.H., Wien/Darmstadt 1989

Copyright © der eBook-Ausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Sir Armstrong, ASDF_MEDIA

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98952-166-7

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13, 4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Jeffrey Archer

Der perfekte Dreh

Stories

Aus dem Englischen von Daniel Bontjes van Beek

dotbooks.

Widmung

Für Henry und Suzanne

Anmerkung des Autors

Von den hier vorliegenden zwölf Kurzgeschichten, die ich auf meinen Reisen zwischen Tokio und Trumpington zusammengetragen habe, beruhen zehn auf mir bekannt gewordenen, tatsächlichen Vorfällen. Ein paar von ihnen habe ich mit einiger dichterischer Freiheit ausgeschmückt. Lediglich zwei der Geschichten entstammen ganz und gar meiner eigenen Fantasie.

Ich möchte all denen danken, die mir einige sehr private Dinge aus ihrem Leben anvertraut haben.

September 1988

J. A.

DER PERFEKTE DREH

Hätte ich mich an jenem Abend nicht anders besonnen, ich wäre der Wahrheit nie auf die Spur gekommen.

Ich konnte einfach nicht glauben, dass Carla mit einem anderen Mann geschlafen hatte, dass ihre Liebe zu mir eine Lüge war – und dass ich als Objekt ihrer Zuneigung bei ihr vielleicht nur an zweiter oder gar an dritter Stelle fungierte.

Carla hatte mich tagsüber im Büro angerufen, etwas, was ich ihr verboten hatte, aber da ich ihr auch ausdrücklich untersagt hatte, mich je zu Hause anzurufen, war ihr nichts anderes übriggeblieben. Wie sich herausstellte, wollte sie mich lediglich wissen lassen, dass sie es heute nicht schaffte, mich für ein »cinq à sept«, wie die Franzosen es züchtig nennen, zu empfangen. Sie müsse ihre Schwester in Fulham besuchen, die erkrankt sei, erklärte sie.

Ich war enttäuscht. Es war wieder einmal ein deprimierender Tag gewesen, und nun sollte ich auf die einzige Sache verzichten, die ihn erträglich machen würde.

»Ich dachte, du verstehst dich nicht gut mit deiner Schwester«, sagte ich scharf.

Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. Schließlich sagte Carla: »Sehen wir uns also nächsten Dienstag zur gewohnten Zeit?«

»Ich weiß nicht, ob es mir dann passt«, antwortete ich. »Ich rufe dich am Montag an, sobald ich mehr weiß.« Ich legte auf.

Verdrossen rief ich meine Frau an, um ihr Bescheid zu sagen, dass ich auf dem Heimweg sei – etwas, was ich gewöhnlich von der Telefonzelle aus tat, die vor Carlas Haus stand. Es war ein Trick, den ich oft anwandte, um Elizabeth das Gefühl zu geben, sie wisse, wo ich mich zu jeder Sekunde des Tages aufhielt.

Die meisten Büroangestellten hatten schon Feierabend gemacht und waren gegangen, also suchte ich mir einige Akten zusammen, an denen ich noch zu Hause arbeiten könnte. Seit unserer Übernahme durch die neue Firma vor über sechs Monaten hatte die Geschäftsleitung nicht nur meine Nummer zwei in der Rechnungsabteilung gefeuert, sondern erwartete auch von mir, dass ich zusätzlich zu meiner auch noch seine Arbeit erledige. Ich konnte es mir schwerlich leisten, mich zu beschweren, da mein neuer Boss mir in aller Deutlichkeit klar gemacht hatte, falls diese Regelung mir nicht zusage, stünde es mir ja frei, mir woanders eine Anstellung zu suchen. Vielleicht hätte ich das auch getan, aber mir fielen nicht eben viele Firmen ein, die ohne weiteres einen Mann einstellten, der jenes magische Alter irgendwo zwischen Gefragtsein und Verfügbarkeit erreicht hatte.

Als ich aus dem Firmenparkplatz herausfuhr und mich in den abendlichen Stoßverkehr einfädelte, begann es mir leid zu tun, dass ich so schroff mit Carla umgegangen war. Schließlich konnte ihr die Rolle der »Anderen« wohl kaum behagen. Ich fing an, mich schuldig zu fühlen, also sprang ich, als ich die Ecke vom Sloane Square erreichte, aus meinem Wagen und rannte hinüber auf die andere Straßenseite.

»Ein Dutzend Rosen«, sagte ich und fummelte an meiner Brieftasche herum.

Ein Mann, der seinen Lebensunterhalt mit Liebenden verdient haben musste, suchte kommentarlos zwölf Rosen mit noch geschlossenen Knospen aus. Meine Wahl bewies nicht gerade viel Fantasie, aber wenigstens würde Carla wissen, dass ich mir Mühe gab.

Ich fuhr in Richtung ihrer Wohnung weiter, voller Hoffnung, dass sie noch nicht unterwegs zu ihrer Schwester war und wir vielleicht sogar noch Zeit für einen schnellen Drink haben würden. Dann fiel mir ein, dass ich meiner Frau gesagt hatte, ich sei auf dem Heimweg. Ein paar Minuten Verspätung ließen sich mit einem Verkehrsstau erklären, aber diese Entschuldigung würde kaum ausreichen, falls ich noch auf einen Drink blieb.

Als ich bei Carlas Wohnung ankam, hatte ich die üblichen Schwierigkeiten, einen Parkplatz zu finden, bis ich gegenüber dem Zeitungsladen eine Lücke entdeckte, in die ein Rover eben noch hineinpassen würde. Ich hielt an und wollte gerade rückwärts einparken, als ich einen Mann bemerkte, der aus der Tür zu ihrem Wohnblock trat. Ich hätte dem keine weitere Beachtung geschenkt, wäre Carla nicht einen Moment später hinter ihm aufgetaucht. Sie stand im Eingang und hatte einen weiten blauen Morgenrock an. Sie beugte sich vor und gab dem sich Verabschiedenden einen Kuss, den man kaum schwesterlich nennen konnte. Als sie die Tür schloss, fuhr ich meinen Wagen um die Ecke und parkte dort in zweiter Spur.

Im Rückspiegel beobachtete ich, wie der Mann die Straße überquerte, in den Zeitungsladen hineinging und wenige Augenblicke später mit einer Abendzeitung und etwas, das wie ein Päckchen Zigaretten aussah, wieder auftauchte. Er ging hinüber zu seinem Wagen, einem blauen BMW, blieb stehen, um einen Strafzettel von seiner Windschutzscheibe zu entfernen, und schien zu fluchen. Wie lange hatte der BMW wohl schon da gestanden? Ich begann mich sogar zu fragen, ob der Mann bei Carla gewesen war, als sie anrief, um mir zu sagen, ich solle nicht vorbeikommen.

Der Mann stieg in den BMW, schnallte den Sicherheitsgurt fest und zündete sich, bevor er losfuhr, eine Zigarette an. Ich übernahm seinen Parkplatz vor der noch laufenden Parkuhr, sozusagen als Abschlagszahlung für die Frau, die mir gehörte. Ein fairer Ausgleich war es in meinen Augen nicht. Ich schaute erst links und rechts die Straße hinunter, so wie ich es immer tat, bevor ich ausstieg und hinüber zum Wohnblock ging. Es war schon dunkel, und niemand nahm Notiz von mir. Ich drückte den Klingelknopf.

Als Carla die Haustür öffnete, wurde ich mit einem strahlenden Lächeln begrüßt, das sehr schnell in einem verkniffenen Mund erstarb und sich daraufhin ebenso schnell in ein Lächeln zurückverwandelte. Das erste Lächeln konnte nur dem Mann mit dem BMW gegolten haben. Ich hatte mich schon oft gefragt, warum sie mir keinen Hausschlüssel geben wollte. Ich starrte in ihre blauen Augen, die mich vor Monaten als Erstes in ihren Bann gezogen hatten. Obwohl sie lächelte, zeigten diese Augen eine Kälte, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.

Sie wandte sich ab, um die Tür zu öffnen und mich in ihre Erdgeschosswohnung einzulassen. Mir fiel auf, dass sie unter ihrem Morgenrock das weinrote Negligé trug, das ich ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Sobald ich in der Wohnung war, ertappte ich mich dabei, wie ich das mir so vertraute Zimmer inspizierte. Auf dem Glastisch in der Mitte des Zimmers stand die Snoopy-Kaffeetasse, aus der ich gewöhnlich trank – leer. Gleich daneben Carlas Tasse, ebenfalls leer, und ein Dutzend Rosen in einer Vase. Die Knospen fingen gerade erst an, sich zu öffnen.

Kritik ist mir schon immer schnell von den Lippen gekommen, und der Anblick der Blumen machte es mir unmöglich, meinen Ärger zu verbergen.

»Und wer war der Mann, der eben gegangen ist?«, fragte ich.

»Ein Versicherungsmakler«, antwortete sie und nahm die Tassen vom Tisch.

»Und was hat er versichert«, wollte ich wissen, »dein Liebesleben?«

»Warum nimmst du automatisch an, dass er mein Liebhaber ist?«, sagte sie mit erhobener Stimme.

»Trinkst du in der Regel Kaffee mit einem Versicherungsmakler in deinem, oder besser gesagt, meinem Negligé?«

»Ich trinke Kaffee, mit wem ich will, verdammt noch mal«, entgegnete sie, »und trage dabei, verdammt noch mal, was mir gefällt, besonders wenn du auf dem Weg nach Hause zu deiner Frau bist.«

»Aber ich wollte zu dir –«

»Und anschließend zurück zu deiner Frau. Jedenfalls sagst du mir immer, ich soll mein eigenes Leben führen und mich nicht auf dich verlassen«, fügte sie hinzu, ein Argument, auf das Carla immer zurückgriff, wenn sie etwas zu verheimlichen hatte.

»Du weißt, ganz so einfach ist es nicht.«

»Ich weiß, dass es immerhin ziemlich einfach für dich ist, mit mir ins Bett zu hüpfen, wann immer es dir passt. Dazu bin ich gerade gut genug, oder?«

»Das ist nicht fair.«

»Nicht fair? Hast du dir nicht erwartet, bei mir um sechs dein Gewohntes zu kriegen, um dann noch, rechtzeitig zum Abendessen mit Elizabeth wieder zu Hause zu sein?«

»Ich habe jahrelang nicht mehr mit meiner Frau geschlafen!«, rief ich.

»Das kann jeder sagen.« Ihre Stimme war eisig vor Zorn.

»Ich bin dir absolut treu gewesen.«

»Was wohl heißen soll, dass ich dir auch immer treu zu sein habe?«

»Hör auf, dich wie eine Hure zu benehmen.«

Carlas Augen funkelten, sie schoss auf mich zu und schlug mir mit aller Kraft, die sie aufbieten konnte, ins Gesicht.

Ich war immer noch ein wenig aus dem Gleichgewicht, als sie ihren Arm zum zweiten Mal erhob, doch als ihre Hand in vollem Schwung auf mich zukam, fing ich sie ab, und es gelang mir, Carla gegen den Kaminsims zurückzustoßen. Sie erholte sich jedoch schnell und ging von neuem auf mich los.

In einem Moment unkontrollierter Wut, gerade als sie sich auf mich stürzen wollte, ballte ich die Faust und holte zu einem Schlag aus. Ich traf sie am Kinn, und die Wucht des Schlags drehte sie herum. Ich sah, wie sie einen Arm ausstreckte, um ihren Sturz zu bremsen. Aber bevor sie sich wieder aufraffen und zum Gegenangriff übergehen konnte, wandte ich mich ab, ging hinaus und schlug die Wohnungstür hinter mir zu.

Ich lief durch die Halle und hinaus auf die Straße, sprang in meinen Wagen und fuhr schnell davon. Das Ganze konnte nicht länger als zehn Minuten gedauert haben. Obwohl ich nicht übel Lust gehabt hatte, sie umzubringen, tat es mir, lange bevor ich zu Hause ankam, Leid, sie geschlagen zu haben. Zweimal wäre ich fast umgekehrt. Alles, was sie mir vorgeworfen hatte, war gerechtfertigt, und ich überlegte, ob ich den Mut aufbringen würde, sie von zu Hause aus anzurufen. Sicher, unsere Liebesaffäre war erst ein paar Monate alt, aber Carla musste wissen, wie viel sie mir bedeutete.

Wenn Elizabeth beabsichtigt hatte, sich kritisch über mein Zuspätkommen zu äußern, dann besann sie sich in dem Moment eines Besseren, als ich ihr die Rosen überreichte. Sie machte sich daran, sie in einer Vase zu arrangieren, während ich mir einen großen Whisky eingoss. Ich wartete darauf, dass sie etwas sagen werde, denn ich trank selten vor dem Dinner, aber sie schien vollauf mit den Blumen beschäftigt. Obgleich ich mir bereits vorgenommen hatte, Carla am Telefon um Verzeihung zu bitten, entschied ich, dass ich dies nicht von zu Hause aus tun konnte. Jedenfalls würde sie sich, wenn ich damit wartete, bis ich morgen früh im Büro war, inzwischen ein wenig beruhigt haben.

Ich wachte am folgenden Tag zeitig auf, und während ich noch im Bett lag, erwog ich, in welcher Form ich mich entschuldigen sollte. Ich fasste den Entschluss, sie zum Lunch in das kleine, von ihr so geliebte französische Bistro einzuladen, das auf halbem Wege zwischen unseren beiden Büros lag. Carla wusste es immer sehr zu schätzen, wenn wir uns mitten am Tag trafen, denn da stand für sie fest, dass es nicht um Sex gehen konnte. Nachdem ich mich rasiert und angezogen hatte, setzte ich mich zu Elizabeth an den Frühstückstisch, und da auf dem Titelblatt der Zeitung nichts Interessantes stand, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den Wirtschaftsteil. Die Aktien der Firma waren wieder gefallen – eine Folge der Vorhersagen aus der City, dass es dürftige Zwischengewinne geben werde. Bei so schlechter Publicity würde es bei unseren Wertpapieren zweifellos zu Kursverlusten in Millionenhöhe kommen. Ich wusste, dass die Firma zur Jahresbilanz rote Zahlen schreiben würde. Nachdem ich eine zweite Tasse Kaffee hinuntergestürzt hatte, küsste ich meine Frau auf die Wange und machte mich auf den Weg zu meinem Wagen. Das war der Moment, in dem ich beschloss, doch lieber in Carlas Briefkasten eine Nachricht zu hinterlassen, als die Peinlichkeit eines Anrufs auf mich zu nehmen.

»Vergib mir«, schrieb ich. »Marcel’s, 1 Uhr. Seezunge Véronique am Freitag. In Liebe, Casaneva.« Ich schrieb selten an Carla, und wenn ich es tat, unterschrieb ich immer nur mit dem Kosenamen, den sie mir gegeben hatte.

Ich fuhr den kleinen Umweg, um an ihrem Haus vorbeizukommen, wurde aber durch einen Verkehrsstau aufgehalten. Als ich mich dem Wohnblock näherte, konnte ich sehen, dass die Stockung durch irgendeinen Unfall verursacht wurde. Es musste sich um etwas ziemlich Ernstes handeln, denn ein Krankenwagen blockierte die andere Straßenseite und verzögerte den Verkehrsfluss. Eine Verkehrspolizistin versuchte zu helfen, verlangsamte aber alles nur noch mehr. Es war offensichtlich, dass es unmöglich sein würde, in der Nähe von Carlas Wohnung zu parken, daher fand ich mich damit ab, sie doch anrufen zu müssen. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken.

Ein paar Augenblicke später bekam ich ein flaues Gefühl im Magen, als ich sah, dass der Krankenwagen nur wenige Meter von der Eingangstür ihres Wohnblocks entfernt parkte. Ich wusste, dass ich nicht logisch dachte, aber ich fing an, das Schlimmste zu befürchten. Ich versuchte mir einzureden, dies sei wahrscheinlich nur ein Verkehrsunfall und habe nichts mit Carla zu tun.

In diesem Moment sah ich den Polizeiwagen, der hinter der Ambulanz versteckt stand.

Als ich bis auf gleiche Höhe mit dem Krankenwagen vorgerückt war, sah ich, dass Carlas Wohnungstür weit offenstand. Ein Mann in einem langen weißen Mantel kam eilig herausgerannt und öffnete die hintere Tür des Krankenwagens. In der Hoffnung, der Mann hinter mir würde nicht ungeduldig werden, hielt ich den Wagen an, um genauer beobachten zu können, was da vor sich ging. Fahrer, die aus der entgegengesetzten Richtung kamen, hoben die Hand zum Dank dafür, dass ich sie vorbeiließ. Ich dachte, ich könne ungefähr ein Dutzend von ihnen passieren lassen, bevor die hinter mir sich beschweren würden. Die Verkehrspolizistin tat weiterhin ihr Bestes.

Dann wurde am Fuße des Treppenhauses eine Bahre sichtbar. Zwei Sanitäter in Uniform trugen einen mit einem Tuch bedeckten Körper heraus auf die Straße und schoben ihn hinten in den Krankenwagen. Es war mir nicht möglich, das Gesicht zu sehen, da es von dem Tuch verdeckt war, aber ein dritter Mann, der nur ein Kriminalbeamter sein konnte, ging unmittelbar hinter der Bahre. Er trug eine Plastiktüte, in der ich ein rotes Kleidungsstück erkennen konnte, bei dem es sich unverkennbar um das Negligé handelte, das ich Carla geschenkt hatte.

Ich erbrach mein Frühstück über den ganzen Beifahrersitz, und schließlich ruhte mein Kopf auf dem Lenkrad. Einen Augenblick später schlugen sie die Türen des Krankenwagens zu, eine Sirene heulte auf, und die Verkehrspolizistin fing an, mich vorbeizuwinken. Die Ambulanz entfernte sich schnell, und der Mann hinter mir drückte ungeduldig auf seine Hupe. Er war schließlich nur ein nichts ahnender Passant. Mein Wagen schlingerte vorwärts, und später wusste ich nicht mehr, wie ich eigentlich in mein Büro gekommen war.

Sobald ich auf dem Firmenparkplatz angekommen war, entfernte ich die Schweinerei auf dem Beifahrersitz, so gut ich konnte, und ließ ein Fenster offen, bevor ich zum Waschraum im siebten Stock hinaufging. Ich zerriss meine Einladung an Carla zum Lunch in kleine Stücke und spülte sie in der Toilette hinunter. Ich erreichte mein Büro im zwölften Stock kurz nach halb neun und fand dort den Direktor vor, der im Raum auf und ab ging und offensichtlich auf mich wartete. Ich hatte völlig vergessen, dass Freitag war und er immer die neuesten Hochrechnungen zu seiner persönlichen Begutachtung vorgelegt haben wollte.

Es stellte sich heraus, dass er an diesem Freitag außerdem die Buchführungsplanung für die Monate Mai, Juni und Juli haben wollte. Ich versprach, sie würde bis Mittag auf seinem Schreibtisch liegen. Was ich jetzt gebraucht hätte, war ein ungestörter Vormittag, und der würde mir nicht vergönnt sein.

Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, die Tür sich öffnete oder mich jemand auch nur ansprach, blieb mir das Herz stehen – ich dachte jedes Mal, es könne nur die Polizei sein. Bis Mittag hatte ich eine Art Bericht für den Direktor fertig, aber mir war klar, dass er ihn weder als angemessen noch als exakt ansehen würde. Sobald ich die Papiere bei seiner Sekretärin hinterlegt hatte, brach ich zu einem frühen Lunch auf. Ich wusste, ich würde keinen Bissen hinunterkriegen, mir aber wenigstens die Frühausgabe des Standard besorgen können, um darin nach Neuigkeiten zu suchen, die man vielleicht in Verbindung mit Carlas Tod herausgefunden hatte.

Ich saß in meiner Stammkneipe, wo ich wusste, dass man mich von jenseits der Bar nicht sehen konnte. Mit einem Tomatensaft vor mir auf dem Tisch, begann ich langsam die Zeitung durchzublättern.

Es war ihr nicht gelungen, auf die Seite eins zu kommen, auch nicht auf Seite zwei, drei oder vier. Und auf Seite fünf hatte man ihr nur einen winzigen Absatz eingeräumt. »Miss Carla Moorland, 31, wurde heute Morgen in ihrer Wohnung in Pimlico tot aufgefunden.« Ich erinnerte mich, dass mir der Gedanke kam, sie hätten nicht einmal ihr Alter richtig angegeben. »Kriminalinspektor Simmons, der die Ermittlungen in diesem Fall leitet, teilt mit, die Untersuchung sei im Gange und man warte auf den Bericht des Gerichtsmediziners. Es gebe zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch keine Veranlassung zu der Annahme, dass ein Verbrechen stattgefunden habe.«

Nach dieser Meldung konnte ich sogar ein wenig Suppe und ein Brötchen essen. Als ich den Bericht ein zweites Mal gelesen hatte, ging ich zum Firmenparkplatz zurück und setzte mich in meinen Wagen. Ich kurbelte auch das linke Seitenfenster herunter, um mehr frische Luft hereinzulassen, bevor ich mir im Radio World At One anhörte. Carla wurde nicht einmal erwähnt. Im Zeitalter von Pumpguns, Drogen, Aids und Goldbarrenraub nahm man bei der BBC vom Tod der zweiunddreißigjährigen Chefsekretärin eines Industriebetriebes keinerlei Notiz.

Ich kehrte in mein Büro zurück und fand dort auf meinem Schreibtisch eine Notiz mit einem langen Fragenkatalog des Direktors vor, womit es für mich hinsichtlich der Beurteilung meines Berichtes keinen Zweifel geben konnte. Es gelang mir, mit fast allen seiner Rückfragen fertig zu werden und die Antworten bei seiner Sekretärin abzugeben, bevor ich an jenem Abend das Büro verließ, und das, obwohl ich den größten Teil des Nachmittags damit verbracht hatte, mir einzureden, was immer Carlas Tod verursacht haben mochte, müsse passiert sein, nachdem ich gegangen war, und könne auf gar keinen Fall damit zusammenhängen, dass ich sie geschlagen hatte. Aber ich musste immer wieder an das rote Negligé denken. Konnte es auf irgendeine Weise bis zu mir zurückverfolgt werden? Ich hatte es bei Harrod’s gekauft – sündteuer, doch im Grunde kein Einzelstück, und es war das einzige ernstzunehmende Geschenk, das ich ihr je gemacht hatte. Aber die Begleitkarten, die daran angeheftet gewesen waren – hatte Carla sie vernichtet? Würden sie entdecken, wer Casaneva war?

Ich fuhr an diesem Abend direkt nach Hause, im Bewusstsein, dass ich nie wieder durch die Straße würde fahren können, in der Carla gewohnt hatte. Ich hörte dem Ende des Nachmittagsprogramms im Autoradio zu, und sobald ich zu Hause angekommen war, stellte ich die 6-Uhr-Nachrichten an. Um sieben schaltete ich hinüber auf Channel Four und um neun zurück zur BBC. Um zehn kehrte ich zu ITV zurück und sah mir zum Schluss noch Newsnight an.

In den Redaktionen war man offenbar geschlossen der Meinung, dass Carlas Tod weniger wichtig war als ein Fußballergebnis aus der dritten Division. Elizabeth widmete sich weiterhin der Lektüre ihres neuesten Buches aus der Leihbücherei, ahnungslos, in welcher Gefahr ich möglicherweise schwebte.

Ich schlief unruhig in jener Nacht, und sobald ich am nächsten Morgen hörte, wie die Zeitungen durch den Briefschlitz gesteckt wurden, rannte ich die Treppe hinunter, um die Schlagzeilen zu überfliegen.

»Bush als Kandidat nominiert«, starrte es mich von der Titelseite der Times an.

Ich ertappte mich bei der völlig belanglosen Überlegung, ob er es je zum Präsidenten bringen würde. »Präsident Bush« klang in meinen Ohren irgendwie sonderbar.

Ich hob den Daily Express meiner Frau vom Boden auf. Die drei Worte der Schlagzeile gingen quer über den oberen Teil der Titelseite. »Mord nach Liebesstreit«.

Meine Beine gaben nach, und ich fiel auf die Knie. Ich muss einen merkwürdigen Anblick geboten haben, wie ich, auf dem Boden zusammengesackt, versuchte, die erste Spalte unter dem Titel zu lesen. Den Text des zweiten Absatzes konnte ich ohne Brille nicht entziffern. Ich stolperte mit der Zeitung wieder die Treppe hinauf und griff hastig nach der Brille, die auf dem Tischchen neben meinem Bett lag. Elizabeth schlief noch immer fest. Trotzdem schloss ich mich im Badezimmer ein, wo ich die Geschichte langsam und ohne unterbrochen zu werden lesen konnte.

»Die Polizei behandelt nunmehr den Tod der hübschen Sekretärin Carla Moorland, 32, wohnhaft in Pimlico, als Mordfall. Sie war am gestrigen frühen Morgen tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden. Kriminalinspektor Simmons von Scotland Yard, der die Ermittlungen leitet, war anfangs der Meinung, Carla Moorlands Tod sei auf natürliche Umstände zurückzuführen, doch die Röntgenaufnahme zeigt, dass die Tote einen gebrochenen Kiefer hat, was durch einen Kampf verursacht worden sein könnte. Eine Untersuchung der Todesursache wird am 19. April stattfinden.«

Bei einem Exklusivinterview hatte Miss Moorlands Hausangestellte, Maria Lucia, 48, dem Express mitgeteilt, ihre Arbeitgeberin habe einen männlichen Besucher bei sich gehabt, als sie, Maria Lucia, die Wohnung um fünf Uhr verlassen habe. Eine Nachbarin, Mrs. Rita Johnson, die in dem angrenzenden Wohnblock wohnte, gab an, sie habe gesehen, wie ein Mann Miss Moorlands Wohnung gegen sechs verlassen, daraufhin den Zeitschriftenladen gegenüber betreten habe und wenig später davongefahren sei. Mrs. Johnson fügte hinzu, sie sei sich nicht sicher über den Wagentyp, aber es könnte ein Rover gewesen sein . . .

»O mein Gott!«, rief ich so laut, dass ich befürchtete, Elizabeth aufgeweckt zu haben. In aller Eile rasierte ich mich, duschte und versuchte dabei, klar zu denken. Ich war angezogen und fertig, mich auf den Weg ins Büro zu machen, noch bevor meine Frau aufgewacht war. Ich küsste sie auf die Wange, aber sie drehte sich nur auf die andere Seite. Daher kritzelte ich eine Nachricht auf ein Papier, in der ich erklärte, ich müsse schon früh im Büro sein, da ich einen wichtigen Bericht fertig zu stellen hätte, und legte den Zettel auf ihre Seite des Bettes.

Auf meiner Fahrt ins Büro übte ich ein, was genau ich sagen würde. Ich kam kurz vor acht an und ließ meine Tür weit offen, sodass ich die kleinste Störung rechtzeitig bemerken würde. Ich war zuversichtlich, noch gut und gern fünfzehn oder sogar zwanzig Minuten Zeit zu haben, bevor irgendjemand kommen würde.

Noch einmal ging ich genau durch, was ich sagen musste. Ich fand die Nummer im Band L–R des Telefonbuchs und kritzelte sie auf einen Notizblock, bevor ich in großen Lettern fünf Stichworte aufschrieb – so wie ich das immer vor einer Sitzung machte.

BUSHALTESTELLE

MANTEL

NR. 19

BMW

STRAFZETTEL

Dann wählte ich die Nummer.

Ich nahm meine Armbanduhr ab und legte sie vor mich hin. Ich hatte einmal gelesen, dass der Apparat, von dem aus jemand telefonierte, in ungefähr drei Minuten ausgeforscht werden konnte.

Eine weibliche Stimme sagte: »Scotland Yard.«

»Inspektor Simmons, bitte«, war alles, was ich von mir gab.

»Kann ich ihm sagen, wer der Anrufer ist?«,

»Nein, ich ziehe es vor, meinen Namen nicht zu nennen.«

»Ja, selbstverständlich, Sir«, sagte sie ungerührt.

Ein weiteres Klingeln. Mein Mund wurde trocken, als sich die Stimme des Mannes mit »Simmons« meldete und ich den Inspektor zum ersten Mal sprechen hörte. Ich war verblüfft, dass ein Mann mit einem so englisch klingenden Namen einen dermaßen breiten Glasgower Akzent haben konnte.

»Was kann ich für Sie tun?«

»Danke, nichts, aber ich glaube, ich kann etwas für Sie tun«, sagte ich in ruhigem Tonfall und wesentlich tiefer, als meine Sprechstimme üblicherweise klang.

»Und das wäre?«

»Sind Sie der Beamte, der mit dem Fall Carla-wie-war-noch-gleich-der-Name beauftragt ist?«

»Ja, der bin ich. Aber wie können Sie mir helfen?«

Meine Uhr zeigte, dass bereits eine Minute vergangen war.

»Ich habe gesehen, wie an dem Abend ein Mann ihre Wohnung verließ.«

»Wo waren Sie zu dem Zeitpunkt?«

»An der Bushaltestelle auf derselben Straßenseite.«

»Können Sie mir eine Beschreibung des Mannes geben?« Simmons Ton war ganz genauso beiläufig wie mein eigener.

»Groß. Ich würde sagen, etwa einsachtzig. Gut gebaut. Trug einen von diesen piekfeinen City-Mänteln – Sie wissen schon, die schwarzen mit Samtkragen.«

»Warum sind Sie sich bei dem Mantel so sicher?«, fragte er.

»Es war kalt, als ich im Freien stand und auf die Nr. 19 wartete, sodass ich mir wünschte, ich hätte ihn selber angehabt.«

»Erinnern Sie sich, ob noch irgendetwas Besonderes passierte, nachdem er die Wohnung verlassen hatte?«

»Nur, dass er in den Zeitungsladen gegenüber ging, bevor er in seinen Wagen stieg und wegfuhr.«

»Ja, so viel wissen wir auch schon«, sagte der Chefinspektor. »Sie wissen wohl nicht, welche Wagentype es war?«

Zwei Minuten waren jetzt verflossen, und ich begann den Sekundenzeiger genau zu beobachten.

»Ich glaube, es war ein BMW«, sagte ich.

»Erinnern Sie sich zufällig an die Farbe?«

»Nein, dazu war es zu dunkel.« Ich hielt inne. »Aber ich sah, wie er einen Strafzettel von der Windschutzscheibe riss, also sollte es nicht zu schwer für Sie sein, ihn ausfindig zu machen . . .«

»Und um wie viel Uhr war das alles?«

»Etwa zwischen Viertel nach sechs und halb sieben, Inspektor«, sagte ich.

»Und können Sie mir sagen . . .«

Zwei Minuten achtundfünfzig Sekunden. Ich legte auf. Der Schweiß brach mir aus allen Poren,

»Schön, Sie an einem Samstag im Büro zu sehen«, sagte der Direktor grimmig, als er an meiner Tür vorbeiging. »Sobald Sie fertig sind, würde ich Sie gerne kurz sprechen.«

Ich verließ meinen Schreibtisch und folgte ihm den Korridor entlang in sein Büro. Während der folgenden Stunde ging er die von mir vorgelegten Zahlen mit mir durch, doch sosehr ich mich bemühte, ich konnte mich nicht konzentrieren. Es dauerte nicht lange, bis er seine Ungeduld nicht mehr verbergen konnte.

»Denken Sie an etwas ganz anderes?«, fragte er und schloss seine Akte. Sie scheinen geistesabwesend zu sein.«

»Nein«, beteuerte ich, »ich habe nur in letzter Zeit eine Menge Überstunden gemacht«, und stand auf, um zu gehen.

Wieder in meinem Büro, verbrannte ich das Stück Papier mit den fünf Stichworten und machte mich auf den Weg nach Hause. In der ersten Ausgabe der Nachmittagszeitung war die »Liebesstreit«-Geschichte nach hinten auf Seite sieben gerückt worden. Sie hatten nichts Neues zu berichten.

Der verbleibende Rest des Samstags schien nicht enden zu wollen, doch dann verschaffte mir der Sunday Express meiner Frau doch noch so etwas wie Erleichterung.

»Laut Informationen, die uns zu dem Carla-Moorland-›Liebesstreit‹-Fall vorliegen, unterstützt ein Mann die Polizei bei ihren Ermittlungen.« Die abgedroschenen Phrasen, die ich schon oft in der Vergangenheit gelesen hatte, bekamen plötzlich eine neue, reale Bedeutung.

Ich durchstöberte die anderen Sonntagszeitungen, hörte jede Nachrichtensendung im Radio und sah mir jedes Nachrichtenprogramm im Fernsehen an. Als meine Frau neugierig wurde, erklärte ich, im Büro gehe das Gerücht um, die Firma sei in Gefahr, ein zweites Mal übernommen zu werden, was bedeuten könnte, dass ich meinen Job verlöre.

Bis Montagmorgen hatte der Daily Express den Mann in dem »Mord nach Liebesstreit«-Fall als Paul Menzies, (51), Versicherungsmakler aus Sutton, identifiziert. Seine Frau wurde in einem Krankenhaus in Epsom mit Beruhigungsmitteln behandelt, während er selbst in einer Zelle im Brixton Prison unter Arrest gehalten wurde. Ich fragte mich, ob Mr. Menzies Carla die Wahrheit über seine Frau gesagt hatte und welchen Kosenamen sie ihm wohl gegeben hatte.

Später am Morgen wurde Menzies vor die Richter beim Gerichtshof in der Horseferry Road geführt und des Mordes an Carla Moorland angeklagt. Die Polizei hatte mit Erfolg gegen eine Haftkaution Einspruch erhoben, lautete die für mich beruhigende Mitteilung des Standard.

Wie ich feststellen sollte, dauert es sechs Monate, bis ein Fall von dieser Schwere in Old Bailey zur Verhandlung kommt. Paul Menzies verbrachte diese Monate in Untersuchungshaft im Brixton Prison. Ich durchlebte dieselben sechs Monate in der Angst vor jedem Telefonanruf, jedem Klopfen an der Tür, jedem unerwarteten Besucher. Und alle diese Ereignisse riefen ihren eigenen Alptraum hervor. Unschuldige Leute haben keine Ahnung, wie oft sich solches jeden Tag ereignet. Ich verrichtete meine Arbeit, so gut ich konnte, und fragte mich oft, ob Menzies wohl von meiner Beziehung zu Carla wisse, ob er meinen Namen kenne oder überhaupt eine Ahnung von meiner Existenz habe.

Es muss ein paar Monate vor dem anberaumten Prozesstermin gewesen sein, als die Firma ihre Jahreshauptversammlung abhielt. Meinerseits war ein beachtliches Maß an fantasievoller Buchhaltung nötig gewesen, um Zahlenmaterial vorzulegen, das bewies, dass wir überhaupt Gewinne erzielten. In dem Jahr haben wir unseren Aktionären ganz gewiss keine Dividende gezahlt.

Ich kam aus der Sitzung mit einem Gefühl der Erleichterung, ja fast der freudigen Erregung. Sechs Monate waren seit Carlas Tod vergangen, und es hatte in diesem Zeitraum nicht ein einziges Vorkommnis gegeben, wodurch irgendjemand hätte vermuten können, dass ich sie überhaupt gekannt habe, geschweige denn die Ursache für ihren Tod gewesen sei. Ich fühlte mich oft schuldig wegen Carla, ich vermisste sie sogar, aber nach sechs Monaten war ich in der Lage, einen ganzen Tag ohne Angstgefühle zu verbringen. Seltsamerweise fühlte ich keinerlei Schuld an Menzies’ verzweifelter Situation. Schließlich war er das Instrument, mit dessen Hilfe ich mir ein Leben im Gefängnis ersparen würde. Als das Schicksal dann zuschlug, hatte es daher auf mich eine doppelt niederschmetternde Wirkung.

Es war am 26. August – ich werde den Tag nie vergessen –, als ich einen Brief erhielt, dessen Inhalt mir klar machte, dass ich möglicherweise gezwungen sein würde, jedes Wort des Verfahrens mitzuverfolgen. Wie sehr ich mir auch einzureden versuchte, es gäbe Gründe, es mir zu ersparen, wusste ich doch, ich würde es durchstehen müssen.

An demselben Morgen, einem Freitag – wahrscheinlich passieren diese Dinge immer an einem Freitag –, wurde ich – wie ich annahm, zu einem jener wöchentlichen Routinetermine – zum geschäftsführenden Direktor gerufen, um dann lediglich davon in Kenntnis gesetzt zu werden, dass man mich nicht länger benötige.

»Offen gesagt, während der letzten paar Monate hat sich Ihre Arbeit nur noch verschlechtert«, wurde mir mitgeteilt.

Ich fühlte mich außerstande, etwas zu meiner Verteidigung vorzubringen.

»Und Sie haben mir keine andere Wahl gelassen, als Sie durch eine andere Kraft zu ersetzen.«

Eine höfliche Art zu sagen: Sie sind gefeuert.

»Bis heute Nachmittag um fünf hat Ihr Schreibtisch geräumt zu sein«, fuhr der Direktor fort, »und dann erhalten Sie von der Rechnungsabteilung einen Scheck über 17 500 Pfund.«

Ich runzelte die Stirn.

»Die Abfindung für sechs Monate, wie in Ihrem Vertrag vereinbart, als wir die Firma übernahmen.«

Als der Direktor die Hand ausstreckte, tat er es nicht, um mir viel Glück zu wünschen, sondern weil er die Schlüssel zu meinem Rover zurückhaben wollte.

Ich erinnere mich an meinen ersten Gedanken, nachdem er mir seine Entscheidung mitgeteilt hatte: Wenigstens bin ich jetzt in der Lage, jeden Tag dem Gerichtsverfahren beizuwohnen.

Meine Frau nahm meine Entlassung schlecht auf, fragte aber nur, was ich unternehmen werde, um einen neuen Job zu finden.

Während des nächsten Monats tat ich so, als suchte ich nach einer Anstellung bei einer anderen Firma, merkte aber, dass keine Aussicht bestand, mich irgendeiner Angelegenheit in Ruhe widmen zu können, bevor der Prozess vorüber war.

Am Morgen der Gerichtsverhandlung brachten alle Zeitungen farbige Hintergrundberichte. Der Daily Express hatte auf seiner Titelseite sogar ein schmeichelhaftes Foto von Carla im Badeanzug am Strand von Marbella. Ich fragte mich, wie viel man ihrer Schwester in Fulham für dieses seltene Stück wohl gezahlt hatte. Direkt daneben war ein Foto von Paul Menzies im Profil, das ihn schon jetzt wie einen Sträfling aussehen ließ. Ohne jeden erläuternden Text überließen sie es ihren Lesern, selbst herauszufinden, bei wem ihrer Ansicht nach die Schuld lag.

Ich war unter den Ersten, denen man sagte, in welchem Gerichtssaal des Old Bailey der Fall »Die Krone gegen Menzies« verhandelt werden sollte. Ein uniformierter Polizist erklärte mir ausführlich den Weg, und zusammen mit etlichen anderen Leuten machte ich mich auf zu Saal Nr. 4.

Beim Gerichtssaal angekommen, marschierte ich in der Reihe hinein und sicherte mir einen Platz am Ende der Bank. Ich blickte um mich und dachte, jeder müsse mich anstarren, aber zu meiner Erleichterung zeigte niemand das geringste Interesse an mir.

Ich konnte den Beschuldigten, der auf der Anklagebank saß, gut sehen. Er war ein kränklich wirkender Mann; einundfünfzig Jahre alt, hatten die Zeitungen geschrieben, aber er sah eher aus wie siebzig. Wie sehr mochte ich wohl selber während der letzten paar Monate gealtert sein, fragte ich mich.

Menzies trug einen eleganten dunkelblauen Anzug, der lose an seinem Körper hing, ein sauberes Hemd und, wie ich zu erkennen glaubte, eine Krawatte in den Farben seines Regiments. Sein ergrauendes Haar wurde schon dünn und war streng nach hinten gekämmt; ein silbriger Schnurrbart verlieh ihm ein militärisches Aussehen. Er sah gewiss nicht wie ein Mörder aus, auch nicht wie der ideale Liebhaber, aber wer mich ansah, kam bestimmt zu genau demselben Schluss. In einem Meer von Gesichtern suchte ich nach Mrs. Menzies, aber auf niemanden im Gerichtssaal passte ihre Beschreibung in den Zeitungen.

Wir erhoben uns alle, als Richter Buchanan den Saal betrat. »Die Krone gegen Menzies«, las der Protokollführer laut vor.

Der Richter beugte sich vor, bedeutete Menzies, er könne sich setzen, und wandte sich dann langsam der Geschworenenbank zu.

Obwohl das Interesse der Presse an diesem Fall erheblich gewesen sei, erläuterte er, komme es allein auf ihre Meinung an, da nur von ihnen eine Entscheidung darüber erwartet werde, ob der Angeklagte schuldig oder nicht schuldig sei. Auch riet er den Geschworenen eindringlich, keine Zeitungsartikel, die den Prozess beträfen, zu lesen und sich auch nicht die Ansichten anderer anzuhören, besonders nicht solcher, die der Verhandlung nicht beigewohnt hatten: Diese seien, sagte er, immer die Ersten, die eine unverrückbare Meinung darüber hätten, wie das Urteil auszufallen habe. Er führte weiter aus, wie wichtig es sei, sich nur auf das Beweismaterial zu konzentrieren, denn das Schicksal eines Mannes stehe auf dem Spiel. Ich ertappte mich dabei, wie ich zustimmend mit dem Kopf nickte.

Ich ließ meinen Blick flüchtig durch den Gerichtssaal schweifen und hoffte, dass dort niemand säße, der mich erkannte. Menzies’ Augen waren starr auf den Richter geheftet, der sich jetzt dem Anklagevertreter zuwandte.

Sobald Sir Humphrey Mountcliff sich von seinem Platz erhob, war ich dankbar, dass er gegen Menzies antrat und nicht gegen mich. Ein Mann von imponierender Körpergröße, mit hoher Stirn und silbergrauem Haar, beherrschte er den Gerichtssaal nicht allein durch seine physische Präsenz, sondern auch durch seine Stimme, die um nichts weniger gebieterisch war.

Vor dem stumm dasitzenden Publikum legte er für den Rest des Morgens den Standpunkt der Anklage dar. Sein Blick wich selten von der Geschworenenbank.

Er beschrieb die Ereignisse jenes Abends im April, so wie er sich ihren Ablauf vorstellte.

Die Eröffnungsrede dauerte zweieinhalb Stunden, kürzer, als ich erwartet hatte. Dann schlug der Richter eine Mittagspause vor und bat uns alle, um zehn nach zwei wieder auf unseren Plätzen zu sein.

Nach dem Lunch rief Sir Humphrey seinen ersten Zeugen auf, Kriminalinspektor Simmons. Ich war unfähig, den Polizisten direkt anzusehen, als er seine Aussage machte. Jede Antwort, die er gab, klang, als wäre sie an mich persönlich gerichtet.

Ich fragte mich, ob er nicht schon die ganze Zeit vermutete, es sei noch ein anderer Mann in die Sache verwickelt. Nichtsdestotrotz gab Simmons eine höchst professionelle Darstellung, indem er ausführlich beschrieb, wie sie die Leiche gefunden und später durch die Aussagen zweier Zeugen und den verhängnisvollen Strafzettel Menzies aufgespürt hatten. Als Sir Humphrey sich setzte, konnten nur wenige Leute im Gerichtssaal der Meinung sein, Simmons habe den falschen Mann verhaftet.

Menzies’ Verteidiger, der sich erhob, um den Kriminalinspektor ins Kreuzverhör zu nehmen, war ein völlig anderer Typ als Sir Humphrey. Mr. Robert Scott war klein und untersetzt, mit dichten, buschigen Augenbrauen. Er sprach langsam und monoton. Es freute mich, zu sehen, dass einer der Geschworenen Schwierigkeiten hatte, bei seinen Ausführungen wach zu bleiben.