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Der Pfaffenspiegel Otto von Corvin - Aus der Vorrede zur 5. Auflage 1885:Das wurde vom Publikum sowohl als der Presse ganz außerordentlich günstig aufgenommen, wenn auch einige zartbesaitete Kritiker meine Sprache hin und wieder zu offen und derb fanden. Ich habe aber für jedes meiner Bücher einen besonderen Stil, wie ich ihn für den behandelten Gegenstand und für die Klasse des Publikums, für welche das Buch bestimmt ist, für zweckmäßig halte. Der Erfolg hat bewiesen, dass ich, was die "Historischen Denkmale usw." betrifft, das Richtige getroffen habe.Corvin
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Seitenzahl: 601
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Dem Ross eine Peitsche, dem Esel einen Baum und dem Narren eine Rute auf den Rücken. Sprüchew. Salom. Kap. 26, V.3
Stuttgart
Vogler & Beinhauer
1870
Pio Nono!
"Sollte Dir, heiligster Vater, dieses Büchlein gefallen und Du mir solches öffentlich zu erkennen geben, so will ich mich bemühen, mit ähnlichen Geschenken aufzuwarten." Ulrich von Hutten
Vorrede zur zweiten Auflage
"Welchen nun diese Bienen werden stechen, der mag, schreien und sich rächen. So werden sie ihn noch mehr stechen." Philipp von Marnir Herr von St. Aldegonde
Es sind nun mehr als zwanzig Jahre verflossen, seit die erste Auflage dieses Buches in Leipzig erschien. Es begann damals sich überall zu regen. Der sich mündig fühlende Geist der Menschheit empörte sich gegen die ihm von dem Despotismus vergangener Jahrhunderte aufgezwängten Formen und die Regierungen wandten die schon oft erprobten Mittel an, ihn zur Unterwürfigkeit zu bringen. Die Zensur übte ihr Amt mit bornierter Strenge; Zeitungen wurden widerrechtlich unterdrückt und Schriftsteller gemaßregelt und eingesperrt, denn durch sie sprach der Geist der Zeit zum Volk, welches nicht wissen sollte, dass es der Kinderstube entwachsen war.
Die Kirche blieb nicht zurück. Die alten und bereits beiseite gestellten Dogmen und Reliquien wurden aus der römischen Rumpelkammer wieder hevorgesucht und mit mitleidsvollem Zorn sah der Genius des neunzehnten Jahrhunderts die gläubige Herde zu Hunderttausenden nach Trier wallfahrten, einen von dem dortigen Bischof ausgestellten, angeblichen Rock Christi anzubeten.
Leipzig war zu jener Zeit noch die ziemlich unbestrittene Metropole des deutschen Buchhandels und in ihr vereinigte sich ein Kreis tüchtiger, strebsamer Männer, deren Namen zum Teil schon damals ruhmvoll bekannt waren, oder es seitdem geworden sind. In dem neu entstandenen deutschen Schriftstellerverein fanden sie einen Vereinigungspunkt, wo mancher Gedanke geboren wurde, der später zur Tat reifte.
Ich war einer der vierzehn Stifter dieses Vereins und kein untätiges Mitglied. Wir erlebten das Jahr 1848. Ich hatte den fünften Band meiner Geschichte der großen niederländischen Revolution vollendet und mit Held die illustrierte Weltgeschichte begonnen. Zu meiner geistigen Erfrischung diente mir die Teilnahme an Helds Wochenschrift "Die Lokomotive", deren scharfer Pfiff dem verschlafenen Volk verkündete, dass die Zeit der geistigen Hauderer und Landkutscher vorüber sei, dass der Genius der Freiheit mit neuer Kraft durch die Welt brause und dass die abgetriebenen Mähren des geistlichen und weltlichen Despotismus dem Abdecker verfallen seien.
Die Rockfahrt nach Trier empörte selbst die gebildete katholische Welt. In den von Robert Blum inspirierten sächsischen Vaterlandsblättern erschien der bekannte Absagebrief von Johannes Ronge. Es entstand eine große Bewegung, von der man sich viel versprach und die auch bedeutendere Folgen gehabt haben würde, wenn die Leiter derselben ihrer Aufgabe mehr gewachsen gewesen wären. Sie hatten guten Willen, aber zu wenig Talent.
Ich teilte die Hoffnungen Vieler und beschloss, mein Teil zur Erfüllung derselben beizutragen. Meine historischen Quellenstudien, namentlich die für meine Geschichte der niederländischen Revolution gegen Philipp II. von Spanien, in welcher das religiöse Element eine Hauptrolle spielte, hatten mich mit Dingen näher bekanntgemacht, welche dem Volk von den seine Erziehung eifersüchtig bewachenden Priestern sorgfältig verhehlt oder nur verstümmelt oder kirchlich zurechtgemacht mitgeteilt wurden. Ich hatte die Schriften der "Kirchenväter" und die der geachtetsten Kirchenschriftsteller zu lesen und je mehr ich las und forschte, desto mehr wurde mir die Nichtswürdigkeit des entsetzlichen Verbrechens klar, welches die römische Kirche an der Menschheit verübt hatte, desto mehr erstaunte ich über die unerhörte Dreistigkeit und Perfidie, mit welcher es begangen wurde und noch immer begangen wird. Ich sah immer mehr ein, dass die Knechtschaft, unter welcher das Menschengeschlecht seufzt, in der Kirche wurzelte und dass all unsere Bestrebungen zur Freiheit ohnmächtig sein würden, wenn wir uns nicht zuerst von den Fesseln befreiten, in welche die Kirche den Geist der Menschen geschlagen hatte. Dieser Erkenntnis entsprach der Entschluss, ein Buch zu schreiben, welches dem von den Priestern betörten Volk die Decke von den Augen nahm und ihm gestatten sollte, einen Blick in die Werkstatt zu tun, in welcher seine Fesseln geschmiedet wurden.
Der religiösem Glauben entspringende Fanatismus zeigte sich überall als der entsetzlichste Feind der Freiheit, und um ihn zu bekämpfen und zu vernichten, schien es mir nötig, dem Volk nicht allein die grässlichen Folgen des Fanatismus durch historische Beispiele vorzuführen, sondern auch zugleich die trüben Quellen des Glaubens selbst nachzuweisen, dessen Folge er ist. Da nun dieser Glaube auf angeblichen Tatsachen beruht, an deren Wahrheit das Volk deshalb nicht zweifelt, selbst wenn sie der Erfahrung und der Vernunft widersprechen, weil sie von Priestern erzählt werden, an deren größeren Verstand, Wahrheitsliebe, Uneigennützigkeit und sittlichen Charakter das Volk glaubt: so habe ich zur Bekämpfung dieses Autoritätsglaubens ebenfalls für nötig gehalten, die Natur dieser Autoritäten, das heißt der Päpste und Priester, historisch zu beleuchten und nachzuweisen, dass das gläubige Volk in dieser Hinsicht von durchaus falschen Voraussetzungen ausgeht.
Um diese verschiedenen Zwecke zu erreichen, beschloss ich, in einer Einleitung darzulegen, wie sich die Macht der Päpste und Priester im Laufe der Zeit entwickelte, welche Mittel sie dazu benutzten und welche Wirkung diese Mittel auf die Gesellschaft im Allgemeinen und auf die Priester selbst hatten. Dann sollte die Geschichte der Geißler, der Albigenser und Waldenser, der Wiedertäufer, der Inquisition, der Judenverfolgung etc. nachfolgen.
Die Einleitung bot sehr große Schwierigkeiten, denn ein seit Jahrhunderten angesammeltes Material sollte in den engen Rahmen eines mäßigen Bandes gezwängt werden. Ferner geboten die Umstände ganz besondere Sorgfalt und Vorsicht in der Auswahl dieses Materials. Die Zensur existierte noch und abgesehen von dieser Beschränkung durfte ich nur solche Tatsachen benutzen und anführen, deren Wahrheit nicht allein mir als unzweifelhaft schien, sondern die auch von den römischen Priestern selbst angefochten werden konnten.
Der damalige Zensor in Leipzig war ein Professor Hardenstern. Er sandte mir häufig mein Manuskript mit dicken Strichen versehen zurück, allein er hatte die missliebigen Stellen meistens wieder freizugeben, wenn ich ihm bewies, dass sie dem von der römischen Kirche approbierten Buch eines Heiligen oder andern großen Kirchenlichtes entnommen waren.
So erschien also die Einleitung zu meinem Werk gewissermaßen bestätigt durch die sächsische Regierung, an deren Spitze ein römisch-katholischer König stand. Das Buch wurde auch, außer in Österreich, nirgends konfisziert, und die Wahrheit nicht einer einzigen der darin angegebenen Tatsachen ist selbst von der römischen Geistlichkeit, obwohl sie das Buch wie begreiflich höchlich verdammte, angefochten oder gar widerlegt worden.
Von der Kritik wurde mein Buch durchweg äußerst günstig aufgenommen und meinem Fleiß und Bestreben die vollste Anerkennung zuteil.
Einige wohlmeinende Freunde sprachen gegen mich die Meinung aus, dass mein Buch eine noch bessere Wirkung hervorgebracht haben würde, wenn ich die empörendsten Tatsachen weggelassen und bei Beurteilung der mitgeteilten mehr Mäßigung beobachtet hätte.
Gegen diese Ansicht muss ich mich entschieden erklären. Wollte ich handeln, wie diese Wohlmeinenden es verlangen, so handelte ich jesuitisch. Eine Linie, die nicht gerade ist, ist krumm und entstellte Wahrheit ist Lüge.
Es ist allerdings möglich, dass einigen Katholiken die von mir mitgeteilten Tatsachen so unglaublich scheinen, dass sie dieselben für böswillige Erfindungen halten, worin sie natürlich von ihren Geistlichen bestärkt werden; allein sollte ich aus diesem Grunde mich gerade der wirksamsten Waffen berauben? Wer mich der Lüge beschuldigt, der mag offen auftreten; ich will ihm beweisen, dass, was er als Lüge bezeichnet, den Schriften eines verehrten Heiligen, Bischofs oder Prälaten wörtlich entnommen ist.
Was nun meine Urteile anbetrifft, so sind sie allerdings oft in herben und derben Worten ausgedrückt, allein ich frage, welche Ansprüche hat denn die römische Kirche auf eine rücksichtsvolle und zarte Behandlung? Die Wahrheit sagen ist in der Tat nicht so grob, als jemand verbrennen, weil er an eine handgreifliche Lüge nicht glauben kann! Nein! was ich für schlecht halte, das werde ich schlecht nennen. Der Ausdruck meiner Entrüstung über diese oder jene römische Niederträchtigkeit muss dieser Entrüstung angemessen sein, und ist dies absichtlich nicht der Fall, dann lüge ich und bin ebenso verächtlich wie diejenigen, welche ich tadele.
Die römische Kirche ist kein Freund der Menschheit, dessen Schwächen und Gebrechen aufzudecken und zu verhöhnen mir Schande bringen könnte; sie ist der noch immer starke, freche und gewissenlose Feind unserer Freiheit, der die empörendsten Mittel nicht verschmäht, seine Zwecke zu erreichen; Torheit und Schwäche wäre es, im offenen und ehrlichen Kampf mit dem Todfeind dieser Freiheit die Blößen nicht zu benutzen, die er bietet: ich stoße hinein mit aller Kraft, und wenn ich kann, nach dem Herzen.
Das Buch ist nicht für den Gelehrten, auch nicht für den Salon bestimmt, es ist für das Volk geschrieben, und damit dasselbe es lese, ist es geschrieben wie es geschrieben ist. Sind darin vorkommende Tatsachen und Worte nicht immer anständig, dann halte man sich deshalb an diejenigen Heiligen, Päpste oder Priester, welche solche unanständigen Handlungen begingen, oder unanständige Worte gebrauchten; - auf die zarten Nerven parfümierter Dandys kann man nicht Rücksicht nehmen, wenn man gegen einen frechen, unverschämten Fein und für die Wahrheit kämpft.
Der zweite Band, "Die Geißler", folgte bald dem ersten; allein ehe der dritte noch erscheinen konnte, brach der Sturm von 1848 los, der mich in Paris fand, wo ich Zeuge der Februar-Revolution wurde. Die Zeit des Schreibens war nun vorläufig vorüber, und mit Tausenden Gleichgesinnter griff ich zum Schwert. Ich focht in erster Reihe und bis zuletzt. Die fürstliche Gewalt hatte bereits überall in Deutschland gesiegt, als wir die Festung Rastatt übergaben, deren Verteidigung ich als Chef des Generalstabes geleitet hatte.
Ich wurde zum Tode verurteilt, aber nicht einstimmig. Die eine dissentierende Stimme, die Anwendung eines in Bezug darauf erlassenen Gesetzes und ein Zusammentreffen anderer glücklicher Umstände retteten mich vom Tod; allein ich ward volle sechs Jahre in der einsamen Zelle eines pennsylvanischen Gefängnisses lebendig begraben.
Wen die Einsamkeit eines solchen Gefängnisses nicht geistig zertrümmert, den läutert und kräftigt sie. Manche meiner Leidensgefährten starben, manche kehrten mit zerstörtem Körper und Geist hilflos in die Welt zurück. Es war im Herbst 1855, als ich mein Grab verließ. Weder mein Geist noch meine Gesundheit hatten gelitten; im Gegenteil, was andere zerstörte, hatte mich gekräftigt.
Von der regierenden Gewalt verfolgt und von Ort zu Ort getrieben, hatte ich nach England zu fliehen, "to eat the bitter bread of banishment" - das bittere Brot der Verbannung zu essen.
Der große Bürgerkrieg in Amerika brach aus und im Herbst 1861 schiffte ich hinüber, als Special-Correspondent der Augsburger Allgemeinen Zeitung und Correspondent der London Times.
Ich sah dort viel und lernte viel. In der sechsjährigen Einsamkeit des Gefängnisses machte ich innere Entdeckungen und Erfahrungen, und durch den sechsjährigen Aufenthalt mitten in dem jugendkräftigen Leben und Treiben der großen Republik wurde mir reichlich Gelegenheit gegeben, die praktischen Resultate der Prinzipien zu beobachten und zu prüfen, für deren Verwirklichung wir in Europa Gut und Blut daran gesetzt hatten.
In Amerika wird man häufig von Amerikanern und Deutschen hören "um Amerika und die Amerikaner zu verstehen, muss man wenigstens fünf Jahre im Land gelebt haben" und ich kann das zur Beherzigung für die Leute hier bestätigen, welche so schnell und absprechend über amerikanische Zustände urteilen.
Vertrieben aus meinem Vaterland wurde ich zwar ein Bürger der großen Republik, in welcher meine Ansichten und Überzeugungen mich nicht zum Verbrecher stempelten; allein wenn auch dem erweiterten Verstand die ganze Welt als Vaterland nicht zu klein ist, so hängt doch das Herz jedes Menschen mehr oder weniger an dem Land, in welchem seine Wiege stand und in welchem er seine Jugend verlebte. Das Herz des Deutschen bleibt überall deutsch, wenn auch seine Zunge englisch redet, und jeder sehnt sich danach, Deutschland wiederzusehen.
Diese Sehnsucht erfasste auch mich und es verlangte mich, an Ort und Stelle zu sehen, wie die Saat stände, welche wir vor zwanzig Jahren mit Blut und Tränen eingesät hatten. Ich kehrte daher im vorigen Jahr als Correspondent der New Yorker "Times" für "Deutschland und angrenzende Länder" in mein Geburtsland zurück.
"Der aus dem Jahr 1848 bekannt Corvin ist aus Amerika zurückgekehrt" berichtete eine befreundete Zeitung und die andern druckten es nach. Als ich diese brillante Anerkennung für ein der Freiheit und dem Volk gewidmetes Leben las, lachte ich hell auf; nicht bitter, sondern mit dem glücklichen, heiteren Sinn, der mich in den Stand setzte, ruhigen Auges den standrechtlichen Kugeln entgegenzusehen, in der wehedurchzitterten, brotsuppendurchdufteten Einsamkeit der entsetzlichen Zuchthauszelle geistig und körperlich gesund zu bleiben; die großen und kleinen Miseren des Flüchtlingslebens mit Humor zu tragen; in des "Schiffbruchs Knirschen", wo die Gläubigen zittern, ruhig zu schlafen und mitten im "Schlachtendonnerwetter" meinen Zeitungsbericht zu schreiben.
Wer kümmert sich heute noch um die Leute, welche die Bäume pflanzten, die uns Schatten und Nutzen gewähren! - Ich war mit dem zufrieden, was ich in Deutschland sah. Das Blut der Märtyrer von 1848 und 49 und die Tränen ihrer Weiber und Kinder sind nicht umsonst geflossen. Die Veränderungen in der menschlichen Gesellschaft entwickeln sich eben in ähnlicher Weise wie die in der Natur, - allmählich und langsam und es ist unvernünftig von denen, die doch sonst die Wunder leugnen, Wunder zu verlangen.
Von den politischen Folgen der Jahre 1848 und 49 will ich indessen hier nicht reden; ich habe mit ihnen hier nichts zu tun, ich will nur den geistigen Fortschritt in Betracht ziehen.
Der unvernünftige Glauben hat in diesen zwanzig Jahren viel Terrain verloren und die Hauptstütze desselben, das Papsttum hängt noch an einem schwachen Lebensfaden. Die Macht der Pfaffen ist unterwühlt selbst in Österreich, Italien und Spanien und die ungeheuren Anstrengungen, die gemacht werden, die aufrecht zu erhalten, sind nutzlos. Die Presse ist frei und sogar dem Papsttum treusten Regierungen sind von der öffentlichen Meinung gezwungen worden, die Wissenschaft gewähren zu lassen, und selbst in die Notwendigkeit versetzt, die Anmaßungen der Pfaffen zu bekämpfen.
Unsere Aufgabe ist es, die errungenen Vorteile zu benützen, und der zweckmäßigste Weg dazu, das Wissen unter dem Volk zu verbreiten und vor allem danach zu streben, den Pfaffen mit und ohne Tonsur die Erziehung der Jugend aus den Händen zu winden.
Wohl weiß ich, dass die protestantischen orthodoxen Pfarrherren ebenso fanatisch sind, wie die dummgläubigen Mönche, und dass sie, wenn sie die Macht hätten, ihre despotischen Gelüste zu befriedigen, dies mit ähnlichen Mitteln tun würden, wie sie die römische Kirche gebrauchte; allein wir können Herrn Knaak und ähnliche Stillstandshelden ruhig ihre Glaubensdummheiten zu Markt bringen lassen, das protestantische Volk lacht darüber und die paar alten Weiber, die ihnen glauben, tun wenig Schaden. Ich lasse daher die innerhalb der protestantischen Kirche auftauchenden Dummheiten unberücksichtigt, wenigstens sind sie nicht der Hauptgegenstand dieses Buches. Ich habe es hier speziell mit den von Rom ausgehenden Dummheiten und Nichtswürdigkeiten zu tun und zeige dem Volk das Gesicht der römischen Pfaffheit, wie es in dem Spiegel der Geschichte erscheint.
Die erste Auflage dieses Buches war bald vergriffen und meine lange Abwesenheit von Deutschland hinderte mich daran, eine zweite zu veranstalten. Als ich jedoch im vorigen Jahr von Amerika zurückkehrte, wurde ich von sehr verschiedenen Seiten dringend dazu aufgefordert. Im Buchhändler-Börsenblatt wurde das Buch fast wöchentlich gesucht und es war selbst antiquarisch nirgends zu haben. Ich selbst konnte kein Exemplar auftreiben und hatte es mir von einem Privatmann zu borgen, welcher es an jemanden verliehen, der es wiederum einem Freunde in einer anderen Stadt mitgeteilt hatte!
Obwohl mit mancherlei Arbeiten überhäuft, entschloss ich mich nun zu einer zweiten Auflage. Die Veränderungen, welche während dieser zwanzig Jahre in Deutschland stattgefunden hatten, machten eine teilweise Umarbeitung notwendig. Die ganze Einleitung passte nicht mehr und ich schrieb eine andere. Zeitanspielungen durchzogen das ganze Buch und ich hatte es durchaus zu revidieren und vermehrte dasselbe durch ein Kapitel, welches ich hauptsächlich dem zweiten Band entnahm. Ich veränderte auch den Titel, da mir christlicher Fanatismus eine contradictio in adjecto schien.
Wenn ich an den mitgeteilten Tatsachen nichts änderte, höchstens einige hinzufügte, und ebenso wenig an dem Stil und Ton des Buches, so tat ich das mit voller Überlegung. "Narren muss man mit Kolben lausen" heißt das derbe deutsche Sprichwort und wie ein Anatom, der zum Besten der Menschheit in faulen Körpern wühlt, keine Handschuhe anziehen kann, so kann auch ich den faulen Pfaffenkörper nicht mit Glacéhandschuhen anfassen. Dass ich mir aber bei dem ekelhaften Geschäft eine humoristische Zigarre anstecke, kann mir kein Mensch übel nehmen, und sie kommt ja auch dem Leser zu gut. Ebenso wenig halte ich es für angemessen es aufzugeben, die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Wenn ich einen für unanständig gehaltenen Gegenstand überhaupt so bezeichnen muss, dass man versteht, was ich meine, so wird der Gegenstand dadurch nicht anständiger, dass ich umschreibe, was ich mit einem deutschen Wort bezeichnen kann.
Hoffentlich wird mein Buch noch zur Kirchenversammlung fertig, von der sich der Papst die Wiederherstellung der römischen Herrlichkeit verspricht; mein Buch mag den Herren zum Nachschlagen dienen, wenn sie vielleicht vergessen haben sollten, was die römische Kirche vorschreibt und glaubt.
1868 im Oktober. Corvin
Vorrede zur dritten Auflage
Ich war freilich vollständig davon überzeugt, dass mein Pfaffenspiegel ein zeitgemäßes Buch sei; allein dennoch überraschte es mich sehr angenehm, dass bereits nach einigen Wochen eine dritte Auflage nötig wurde, welche hoffentlich nicht die letzte sein wird.
Ein günstiges Geschick unterstützte die in dem Buch vertretene gute Sache dadurch, dass es gerade um die Zeit seines Erscheinens Dinge an das Tageslicht brachte, welche die in demselben aufgestellte Behauptung bewahrheiteten, dass die in früheren Zeiten innerhalb der römischen Kirche, namentlich in den Klöstern, verübten Ruchlosigkeiten und himmelschreienden Verbrechen keineswegs allein barbarischen Zeitaltern angehörten, sondern dass sie eine natürliche Folge des in der römischen Kirche herrschenden, unwandelbaren Prinzips sind, und heute noch ebenso vorkommen wie vor tausend Jahren, nur in vielleicht noch schrecklicherer und mehr raffinierter Nichtswürdigkeit.
Als die römische Kirche noch über Kaiser, Könige und Volk unumschränkt gebot, hielten es die Pfaffen kaum für der Mühe wert, ihre Gewalttätigkeiten zu verbergen, da die Kirche selten den Willen, und das weltliche Gesetz nicht die Macht hatte, die unter dem Deckmantel der Religion verübten Scheußlichkeiten zu verhindern, oder zu bestrafen. Das hat sich indessen seit der Reformation und den aus derselben sich entwickelnden Revolutionen geändert. Selbst solche Kaiser und Könige, welche noch sehr geneigt wären, die römische Kirche gewähren zu lassen, weil die durch dieselbe geförderte Verdummung der Despotie günstig ist, - sind von der öffentlichen Meinung, welche durch den Arm des Volkes manchmal Throne zertrümmert und Kronen, - samt den Köpfen - herunterschlägt, gezwungen worden, ihrer unumschränkten Gewalt feierlich zu entsagen und ihre despotischen Gelüste hinter sogenannten Konstitutionen zu verbergen, über welche sie lachen mögen, die aber das Volk sicher zur Wahrheit machen wird, wenn es sich erst von der geistigen Knechtschaft der Kirche befreit und damit unehrlichen Fürsten alle Hoffnung auf die Rückkehr zur alten despotischen Herrlichkeit abgeschnitten hat.
Die Fürsten, die sich selbst dem Gesetz fügen müssen, können die Pfaffen nicht länger schützen, welche verfassungsmäßige Gesetze verletzen, denn die öffentliche Meinung verlangt gleiches Recht für alle und will Privilegien der Kirche und ihrer Diener nicht länger dulden.
Die römische Kirche hält jedoch ihre Grundsätze und Gesetze für vollkommen und erklärt, dass der Zeitgeist auf Abwegen sei und durch ein Konzil wieder in das althergebrachte Gleis gebracht werden müsse; und die einzige Konzession die sie, aus Notwendigkeit, macht, ist, dass sie die ihr unberechtigt erscheinende staatliche Gewalt, welche ihren ungesetzlichen Handlungen Schranken setzen und gar bestrafen will, betrügt und als Verbrechen denunzierte Vorgänge mit der dreistesten Unverschämtheit ableugnet und alle Beweise möglichst schnell vernichtet oder sonst aus dem Weg räumt. Dass bei einem solchen Zustand die Opfer kirchlicher Tyrannei nicht besser wegkommen, als im Mittelalter, liegt auf der Hand.
Nach den Enthüllungen, welche innerhalb der letzten zwanzig Jahre gemacht worden sind, lässt es sich mit Bestimmtheit annehmen, dass alle Verbrechen, welche in meinem "Pfaffenspiegel" nach authentischen Quellen berichtet sind, auch noch heutzutage innerhalb der römischen Kirche und namentlich in den Klöstern begangen, aber nur sorgfältiger geheim gehalten werden, und dass es daher eine von der Menschlichkeit gebotene Pflicht ist, die Regierungen auf dem gesetzlichen Weg zu veranlassen, die strengsten Untersuchungen anzuordnen, und ferner alle Ausnahmegesetze für Priester, oder die Kirche im Allgemeinen, aufzuheben und die Gleichheit vor dem Gesetz eine Wahrheit werden zu lassen.
Schließlich ersuche ich nochmals alle Leser, welche es mit der Menschheit wohl meinen, mir unter der Adresse der Verlagshandlung Mitteilungen über pfäffische Nichtswürdigkeiten zu machen, die zu ihrer Kenntnis kommen, und deren Untersuchung und geeigneter Stelle angeregt werden soll, ohne den Namen der Mitteiler zu nennen. Unzweifelhafte Fälle sollen dann in folgenden Auflagen und auch durch die Zeitungen zur Kenntnis des Publikums gebracht werden.
Rorschach am Bodensee, August 1869. Corvin
Inhalt
Vorrede zur zweiten Auflage Vorrede zur dritten Auflage Einleitung Wie die Pfaffen entstanden sind Die lieben, guten Heiligen Die heilige Trödelbude Die Statthalterei Gottes in Rom Sodom und Gomorrha Die Möncherei Der Beichtstuhl
Einleitung
"Je erhabener göttliche Dinge sind, je ferner sie von der Sinnenwelt abliegen, desto mehr muss sich das Streben unserer Vernunft nach ihnen richten; der Mensch wird wegen der ihn auszeichnenden Vernunft mit dem Bild Gottes verglichen; daher soll der Mensch sie auf nichts lieber richten, als auf den, dessen Bild er durch sie vorstellt." Abälard
Wenn der schwache Mensch sich unter den Schlägen des Unglücks erliegen fühlt und weder in sich selbst, noch in andern, noch überhaupt irgendwo auf Erden Trost und Hilfe für seine Leiden findet, dann treibt ihn ein natürlicher Hang dazu, sich mit der in Gefühlen, Gedanken oder Worten ausgedrückten Bitte an die von jedem geahnte, wenn auch nicht begriffene Macht zu wenden, welcher er den Ursprung und die Erhaltung alles Bestehenden, der Welt, zuschreibt und die wir mit dem allgemeinen Namen Gott bezeichnen.
Es kann nur eine Weltursache, einen Gott geben, aber das Wesen - die Beschaffenheit und Art dieser schaffenden und erhaltenden Kraft ist das große Weltgeheimnis, welches nie ergründet wurde, nie ergründet werden wird und nie ergründet werden kann.
Jeder Mensch, der überhaupt eines Gedankens fähig ist, macht sich indessen von diesem Wesen eine Vorstellung, welche dem Grade der Ausbildung der ihm mit der Geburt gegebenen Vernunft angemessen ist. Diese Vorstellung ist sein Gott, und somit jeder Mensch der Schöpfer seines Gottes.
Die Vernunft entwickelt sich infolge sehr mannigfaltiger Einflüsse sehr verschieden, und wie es kaum zwei Menschen gibt, die durchaus körperlich gleich sind, so gibt es auch nicht zwei, deren geistige Ausbildung oder Entwicklung genau dieselbe ist. Daraus folgt, dass es, streng genommen, ebenso viele Götter als Menschen gibt, - das heißt Vorstellungen von Gott.
Was verschiedenen Menschen für eine Ansicht über die Natur der Sonne haben, ändert die Sonne nicht, und Gott bleibt derselbe, wie verschieden sich auch die Vorstellung der Menschen gestalten mag. Der Neger, der vor dem von ihm selbst geschnitzten Fetisch kniet, welcher der verkörperte Ausdruck seiner Gott-Vorstellung ist, wie der Inder, der Feueranbeter, der Mohammedaner, Jude oder Christ, - alle beten zu demselben Gott, und die sogenannten Materialisten und Atheisten, die nicht beten, haben nur eine von der mehr allgemeinen abweichende Ansicht. Die sogenannten Gottesleugner verneinen nicht eigentlich das Vorhandensein Gottes, was eine absolute Dummheit wäre, sondern erklären sich nur gegen die Vorstellung von einem persönlichen Gott.
Alle Gottesvorstellungen sind zwar aus ein und derselben Urquelle geschöpft; allein je nach den Einfluss übenden verschiedenen Verhältnissen bildeten sie sich verschieden und oft zu so seltsam und wunderlich erscheinenden Formen aus, dass es selbst dem kundigen, denkenden Forscher schwer wird, den gemeinschaftlichen Ursprung nachzuweisen.
Da nun die Gottesvorstellung die Grundlage jeder Religion ist, so erklärt sich einerseits das Vorhandensein so vieler verschiedener Religionen und andrerseits wieder der Umstand, dass Völker, die sich unter denselben oder ähnlichen Verhältnissen entwickelten, dieselbe Religion haben.
Das Nachweisen des gemeinschaftlichen Ursprungs der verschiedenen Religionen würde ein eigenes Werk erfordern, und da es für den mir vorliegenden Zweck genügt, so beschränke ich mich darauf, eine Skizze von dem allgemeinen Entwicklungsgange aller Religionen zu geben.
Als die Erde in ihrer Entwicklung auf dem dazu geeigneten Punkte angelangt war, entstanden Menschen. Diese empfanden die angenehmen und unangenehmen Wirkungen der verschiedenen Naturerscheinungen zum ersten Mal, und da sie mit Vernunft begabt waren, so forschten sie bald, oder vielmehr machten sich Gedanken über deren Ursprung.
Die unmittelbarsten Eindrücke empfanden sie von der Witterung, und Regen, Wind, Gewitter, Hitze und Kälte waren umso mehr geeignet, ihre Neugierde zu erregen, als deren Urheber ihren Augen verborgen waren.
Die Veränderungen, welche vor Regen und Gewitter am Himmel vorgingen, konnten sie indessen sehen, und da der Regen und der Blitz aus den Wolken kamen, so lag es sehr nahe, die verborgenen Urheber "im Himmel", das heißt in den Wolken zu suchen.
Die Sonne, von welcher Tag und Nacht, Hitze und Kälte mit ihren Wirkungen abhängen, musste natürlich ebenfalls ein hauptsächlicher Gegenstand ihrer verwunderten Betrachtung werden.
Auch der Wechsel der Jahreszeiten mit seinen Annehmlichkeiten und Unannehmlichkeiten musste die Frage nach dessen Ursache erzeugen.
Da die Erfahrung, die Mutter aller Wissenschaft, noch in der Kindheit war, so bewegte sich die Phantasie, das ungeregelte Spiel der Vernunft, nur in dem sehr beschränkten Kreis des Sichtbaren und knüpfte daran ihre Schlüsse in Bezug auf das Verborgene. Als handelnde Wesen kannte man nur Tiere und Menschen und die Geschöpfe der Phantasie, die man als die Urheber der genannten Naturerscheinungen dachte, konnten nur tier- oder menschenähnliche Wesen sein.
In manchen Menschen ist die Phantasie reger als in andern, und sie teilten mit, was sie über die Handlungen und Verhältnisse dieser Wesen zueinander dachten und aus den Äußerungen der ihnen zugeschriebenen Tätigkeit erfanden. So entstanden Märchen und Sagen, welche durch die mit besonders lebhafter Phantasie begabten Menschen, Dichter, immer weiter ausgesponnen, in mehr oder minder vernünftigen Zusammenhang gebracht und mit Personen bevölkert wurden.
Solche in der Kinderstube des Menschengeschlechts entstandene Märchen pflanzten sich als wirklich geschehen, von Geschlecht zu Geschlecht fort, und ihre Spuren sind noch nach Jahrtausenden selbst unter den am weitesten entwickelten Völkern nachzuweisen, und üben noch heute einen gewissen Einfluss. Das wird einem jeden begreiflich sein, der sich über seine eigenen Gefühle und Empfindungen Rechenschaft gibt. Selbst der aufgeklärteste und gebildetste Mann wird noch am Ende seines Lebens Anklänge der Eindrücke entdecken, die er in seiner Kinderstube empfing; es wird keinem gelingen, sich absolut von dem Ammenmärchen loszumachen.
Da sich die Urmenschen die in den Wolken oder an andern ihnen unzulänglichen Orten vermuteten Urheber der Naturerscheinungen - "Götter" - nur als mächtigere Tiere oder Menschen dachten, so schrieb man ihnen natürlich auch dieser Vorstellung angemessene Empfindungen zu, wie Zorn, Hass, Rache, Wohlwollen, Güte usw. Da sich nun der Zorn von Menschen besänftigen und dessen Äußerung abwenden lässt, so lag der Gedanke nahe, dies auch mit den Göttern zu versuchen, und so entstanden die Opfer.
Diese Opfer bestanden in Gegenständen, die Menschen angenehm waren, und da die Götter im Himmel wohnten und diese Opfer nicht abholten, so musste man sie ihnen in den Himmel senden, was in keiner anderen Weise geschehen konnte als dadurch, dass man sie verbrannte, da doch wenigstens der Geruch und Rauch zum Himmel aufstiegen.
Die geschäftige Phantasie bildete sich bald eine Theorie über die Wirkung dieser Opfer, und da man dabei nie den menschlichen, oder rein sinnlichen Standpunkt verließ, so kam man natürlich zu dem Schluss, dass das, was Menschen ganz besonders angenehm, was selten und daher schwer zu verschaffen, was ihnen vorzüglich lieb war, den Göttern das angenehmste Opfer sein müsse.
Da nun aber der Zorn der Götter schwer zu besänftigen war, das heißt da unangenehme Naturerscheinungen oft lange dauerten und man viele Opfer gebrauchte, bis sie mit ihren Wirkungen aufhörten, solche seltene den Göttern besonders angenehme Opfer aber schwer zu verschaffen waren und dem einzelnen oft fehlten, so vereinigten sich viele, den Bedarf für die Götter herbeizuschaffen, da alle den Wunsch haben mussten, sie zu versöhnen. So bildeten sich Opfervereine, die wohl als der Anfang der Religion bezeichnet werden können.
Die herbeigeschafften Opfervorräte mussten aufbewahrt und endlich den Göttern dargebracht werden, und es wurden bald besondere Personen mit diesem Geschäft beauftragt. So entstanden Priester.
Da diese Priester diejenigen Personen waren, welche den Göttern, die man sich stets als mehr oder weniger idealisierte Menschen dachte, die Opfer darbrachten, also mit ihnen in unmittelbare Verbindung traten, so lag der Gedanke nahe, dass die Götter ihnen als den wirklichen Spendern besonders günstig seien und ihnen zunächst ihre Wünsche mitteilten. Daraus folgte wieder, dass man ihnen einen gewissen Einfluss auf die Entschlüsse der Götter zuschrieb und sich um ihre Gunst bemühte, damit sie diesen vorausgesetzten Einfluss für diejenigen anwendeten, welche sich ihre Zuneigung zu erwerben verstanden.
Herrschsucht liegt aber in der Natur jedes Menschen, und es ist begreiflich, dass den Priestern der von ihnen erlangte Einfluss angenehm war und sie denselben zu erhalten und zu vermehren trachteten. Sie wussten freilich, dass die in Bezug auf ihr Verhältnis zu den Göttern gehegten Voraussetzungen irrtümliche waren; allein der Irrtum hatte dieselbe Wirkung, wie ihn die Wahrheit gehabt haben würde, und es lag in ihrem Interesse, denselben zu erhalten und zu vermehren.
Die Priester in dieser Kinderperiode der Menschheit glaubten übrigens selbst an die Götter und hatten von ihrer Natur im Hauptsächlichen dieselbe Vorstellung wie die übrigen Menschen; sie hielten daher eine unmittelbare Verbindung mit denselben für keineswegs unerhört oder unmöglich, und Träume und Visionen, über deren Ursprung und Natur die Erfahrungen noch gering waren, mochten sie darin bestärken, dass ein solcher Verkehr mit den Göttern nicht nur möglich sei, sondern auch wirklich stattfinde.
So entstand denn allmählich infolge unabsichtlicher und absichtlicher Täuschung über die Beziehung zwischen Göttern, Priestern und den anderen Menschen ein System, welches auf dem Glauben beruhte, den das Volk den Aussagen der Priester schenkte. Diese, die vertraut mit den Göttern waren, wussten was diesen angenehm und unangenehm war, und sie verstanden es, die Sprache zu deuten, durch welche sie sich den Erdenkindern mitteilten. Die Priester ordneten die Art und Weise an, wie die Opfer gebracht werden sollten, und dass sie bei all diesen Anordnungen sich selbst nicht vergaßen, versteht sich wohl von selbst. So wuchs das Ansehen der Priester von einem Menschenalter zum andern immer mehr, und sie waren die eigentlichen Herrscher des Volkes.
Außer den im Himmel, das heißt in den Wolken, wohnenden Göttern gab es aber auch auf der Erde dem Menschen mehr oder weniger furchtbare Gewalten; zunächst starke und reißende Tiere und endlich Menschen, die ihre größere körperliche Kraft zum Nachteil anderer anwandten. Gegen diese musste man sich schützen, und es ist begreiflich, dass diejenigen, welche vermöge größerer Kraft, größeren Mutes und Geschicklichkeit sich bei der Jagd und im Kriege auszeichneten, Einfluss und Macht unter ihren Mitmenschen erwarben. Sie wurden Häuptlinge, - Fürsten.
Verstand und Körperkraft sind nur selten in gleichem Maße in denselben Menschen vereinigt, und als im Laufe der Zeit die Verhältnisse der Gesellschaft verwickelter wurden, ward auch das Herrschen schwieriger, und Fürsten und Priester fanden es zweckmäßig, sich gegenseitig zu unterstützen, wobei je nach den Umständen bald die Gewalt der Fürsten, bald die der Priester überwog.
Die Religion wurde daher die Stütze der Despotie und umgekehrt.
Viele sind stärker als einer, und da sich die Interessen des Einen nicht immer mit denen der Vielen vertragen, so würde es noch häufiger vorkommen, als es der Fall war und ist, dass die Vielen den Einen zwingen, nach ihrem Willen zu regieren, wenn nicht die Religion, die auf die Furcht vor den verborgenen, mächtigen Göttern gegründet war, ein solches Auflehnen durch den Mund ihrer anerkannten Vertreter, der Priester, als ein Verbrechen gegen diese Macht schon deshalb gestempelt hätte, weil durch die Verminderung der Macht der Despoten die der Priester gefährdet wurde, indem diese sie dazu gebrauchten, den gefährlichsten Feind der von ihnen erfundenen Religion zu bekämpfen.
Dieser Feind ist die Vernunft, das Denken und die daraus folgende Erkenntnis, die Wissenschaft.
Die Macht der Priester und alle Religion beruhte auf der Phantasie, welche in der Kinderperiode der Menschheit die Götter erschuf. Die Spekulation der Priester bildete diesen traditionellen Glauben zu einem komplizierten System aus, welches aus Täuschungen und Dichtungen zusammengesetzt und von vornherein auf Einbildungen erbaut war.
Je mehr sich in den Menschen die Vernunft entwickelte und sie anfingen zu beobachten und zu denken, das heißt aus Erfahrungen Schlüsse zu ziehen, desto häufiger entdeckten sie, dass manche von den Priestern als positive Wahrheiten ausgegebene Dinge gerade das Gegenteil waren, was natürlich Misstrauen gegen andere Behauptungen erzeugte, auf denen die Priestergewalt hauptsächlich gestützt war. Jeder Schritt, den die Wissenschaft vorwärts tat, trat irgendeiner Priesterlüge auf den Kopf.
Es war daher eine Lebensfrage für das Ansehen der Priester oder was sie mit sich selbst zu identifizieren verstanden, der Religion, die Entwicklung der Vernunft nach Kräften zu hemmen und die Verbreitung der unvertilgbaren Resultate der Wissenschaft zu verhindern, was zunächst durch die despotische Macht geschehen konnte.
Da nun aber häufig Konflikte zwischen der Herrschsucht der Priester und derjenigen der Fürsten entstanden, so waren die ersteren darauf bedacht, für ihre Macht eine noch festere Begründung zu schaffen, als sie das sie mit den Despoten verbindende gemeinschaftliche Interesse darbot, welches nur bis zu einer gewissen Grenze gemeinschaftlich war. Das Verfahren der Priester, um diesen selbstsüchtigen Zweck zu erreichen, war ebenso praktisch als für die Menschheit und deren geistige Entwicklung verderblich; der menschliche Geist musste der Aufklärung möglichst unzugänglich und schon von Kindheit an in eine Form gezwängt werden, welche ihn nötigte, sich in der gewünschten Weise zu entwickeln. Zu diesem Ende bemächtigten sie sich der Erziehung der Jugend.
Das genügte indessen ihrer Vorsicht noch nicht. Dieses Lehrerverhältnis musste für das ganze Leben beibehalten und die Herrschaft der Priester über die Seele der Menschen in solcher Weise ausgedehnt werden, dass diese von der Wiege bis zum Tod keinen Gedanken denken konnten, von dem die Priester nicht Kenntnis erhielten.
Das Mittel, dies vollkommen zu erreichen war, in den Menschen die Furcht zu pflanzen vor entsetzlichen Gefahren (die einzig in dem Gehirn der Priester ihren Ursprung fanden) und gegen welche allein die Priester die Mittel zu vergeben hatten.
Es ist hiermit keineswegs gesagt, dass alle Priester bewusste Betrüger waren. Das wohlersonnene und konsequent durchgeführte System verfehlte seine Wirkung auf die Priester selbst nicht, welche aus dem Volk hervorgingen und nach der als zweckmäßig und notwendig erkannten Art erzogen worden waren. Ein großer Teil der Priester glaubte wirklich, was sie lehrten, und diejenigen, die nicht glaubten, begriffen bald den Vorteil, den es ihnen brachte, den Glauben im Volk zu erhalten.
Der Glaube war der Hauptpfeiler des ganzen von den Priestern erbauten Religionsgebäudes, und da mit seiner Zerstörung dasselbe durchaus fallen musste, so war es die Hauptsorge aller Priester, diesen Glauben als das Heiligste und Unantastbarste hinzustellen und schon den bloßen Zweifel, welcher der Vernunft den Weg bahnte, als ein Verbrechen darzustellen, welches die Götter als das schrecklichste von allen bestraften.
Dieser Gedanke, welcher schon seit Jahrtausenden von Priestern aller Religionen den Kindern eingeprägt wurde und sich von Generation zu Generation weiter vererbte, behauptete sich unter den Menschen mit solcher Gewalt, dass noch heute, nachdem die Vernunft und die trotz aller Hemmnisse unaufhaltsam fortschreitende Wissenschaft die Abgeschmacktheit aller auf den Glauben gegründeten Religionen erkannt hatte, selbst Nichtgläubige es nicht wagen dürfen zu sagen: ich glaube nicht an Gott, ohne unter Millionen Entsetzen zu erregen, obwohl mit diesen Worten doch weiter nichts ausgedrückt ist als: die Vorstellung, welche ich, ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts, von der Weltursache, von Gott habe, ist eine durchaus andere als diejenige, welche die Mehrzahl der Menschen vor Jahrtausenden hatte, und welche noch die Basis der heutigen herrschenden Religion bildet.
Da nun der Glaube sich als der Hauptfeind des menschlichen Fortschritts erwies und noch erweist, und es Zweck dieses Buches ist, zu der Wegräumung dieses mächtigen Hindernisses beizutragen, so wird es nötig sein, die Natur desselben zu untersuchen.
Was ich aus eigener Erfahrung kenne, brauche ich nicht zu glauben, das weiß ich; ich kann nur glauben oder nicht glauben, was ich aus dieser Erfahrung schließe, oder was mir andere als ihre Erfahrung, oder als Schlüsse, die aus derselben gezogen sind, mitteilen.
Es gibt zwei Arten von Glauben: der vernünftige und der unvernünftige, und ihre Erklärung liegt schon im Beiwort. Was meine Vernunft als möglich annimmt, kann ich glauben ohne unvernünftig zu sein, selbst wenn das mir als Faktum mitgeteilte nicht wahr sein sollte; glaube ich aber an das Geschehensein einer Handlung, welche meine Vernunft als unmöglich erkennen muss, so ist mein Glaube ein unvernünftiger.
Der Maßstab, den die Vernunft für die Möglichkeit einer Sache hat, ist ursprünglich einzig und allein die Erfahrung. Beispiele werden meine Ansicht klarer machen als Definitionen.
Erzählt mir jemand, er habe im Oktober einen Kastanienbaum blühen gesehen und ich glaube ihm, so ist mein Glaube ein vernünftiger, selbst wenn derjenige, der mir die Sache erzählt, eine Unwahrheit sagen sollte. Ich selbst habe Kastanienbäume oder andere Pflanzen um diese Zeit blühen gesehen, welche sonst nur im Frühjahr zu blühen pflegen und dasselbe ist mir von vielen Personen bekannt, von denen ich keinen Grund habe anzunehmen, dass sie eine Unwahrheit sagen.
Man sagt, die Sonne sei einundzwanzig Millionen Meilen entfernt. Ich glaube es, und mein Glaube ist kein unvernünftiger, obwohl ich die Entfernung nicht gemessen habe, da mir dazu die Mittel, das heißt die nötigen Kenntnisse fehlen. Ich habe aber Kenntnisse genug, um durch Berechnung der Entfernung von mir zu Punkten zu messen, zu denen ich nicht mit dem Maßstab gelangen kann und habe die Richtigkeit meiner Rechnung durch Abschreiten oder mit dem Maßstab nicht selten geprüft, wenn das Hindernis, welches mich von dem Gegenstand trennte, vielleicht später weggeräumt wurde. Ich weiß daher, dass die Wissenschaft Mittel bietet die Entfernung von Punkten zu messen, zu denen man nicht gelangen kann. Mein Glaube ist daher auf Erfahrung begründet, also vernünftig.
Es teilt mir jemand mit, ein Mensch sei von Liverpool nach New York durch die Luft geflogen. Wenn ich es glaube, so mag man mich leichtgläubig nennen, allein mein Glaube ist kein absolut unvernünftiger, denn ich weiß aus Erfahrung, dass der Unterschied zwischen der Schwere des Körpers und der Luft durch verschiedene Mittel ausgeglichen werden kann und sehe Vögel fliegen mit Hilfe einer mechanischen Vorrichtung, der Flügel.
Sagt man mir, es habe ein Mensch durch sein Wort einen Körper geschaffen, das heißt ohne andere vorhandene Stoffe zur Hilfe zu nehmen, aus dem Nichts hervorgerufen, und ich glaube es, so ist mein Glaube ein unvernünftiger, denn ich selbst kann durch meinen Willen nicht einmal ein Staubkorn schaffen, noch ist es jemals bewiesen worden, dass es von einem Menschen geschehen ist.
Glaubt man, dass ein Gemälde oder ein Steinbild geredet oder eine willkürliche Bewegung gemacht habe, so ist dieser Glaube ein unvernünftiger, da eine solche Tat allen Erfahrungen widerspricht. Trotzdem mögen Personen, welche behaupten Ähnliches erlebt zu haben, nicht absolut Lügner zu nennen sein, da die Erfahrung lehrt, dass es Seelenzustände gibt, in denen sich Menschen so fest einbilden, Dinge zu sehen oder zu hören, dass sie dieselben für Wahrheit halten, während sie in der Tat nur auf Sinnestäuschung beruhen.
Der Kreis unserer persönlichen Erfahrung kann wegen der Kürze unseres Lebens selbst bei dem Gebildetsten nur beschränkt sein und wir würden uns gewissermaßen in die hilflose Lage der ersten Menschen versetzen, wenn wir allein das als wahr annehmen oder glauben wollten, was wir von unseren eigenen Erfahrungen und den daraus gefolgerten Möglichkeiten auf dem Wege des vernünftigen Denkens ableiten. Die wirklich festgestellten Erfahrungen vor uns lebender Beobachter sind das kostbarste, nie wieder zu verlierende Erbteil des lebenden Geschlechts.
Die Vernünftigkeit des Glaubens an diese die Erfahrung begründenden Tatsachen hängt von den Gründen ab, welche wir haben, an die Wahrhaftigkeit der Personen zu glauben, von welchen sie uns mitgeteilt wurden, wie auch von dem Grad ihrer geistigen Ausbildung, ihrem Charakter und ob sie fähig sind, eine absichtliche Unwahrheit zu sagen, wenn es ihrem Interesse dienen kann; ferner ob die berichtete Tatsache isoliert dasteht; ob gleichartige von andern beobachtet wurden; ob sie ganz bekannten Naturgesetzen in bestimmter Weise zuwider sind und von vielen andern Gründen. Die Glaubwürdigkeit einer mitgeteilten Tatsache beruht daher zunächst auf der Autorität der Person, von welcher sie berichtet wird, und ob sie wirklich als selbst gesehen oder erfahren, oder als geglaubt, von Hörensagen angegeben wird.
Auf Erfahrung beruht die Wissenschaft; die Tatsachen sind die Sprossen der Leiter, welche unsere Vernunft zur Erkenntnis der Wahrheit führen, und daher ist die Wissenschaft der Todfeind des unvernünftigen Glaubens, da sie ihn als solchen erkennen lehrt und mit dieser Erkenntnis vernichtet.
Unvernünftigen Glauben nennt man gewöhnlich Aberglauben und nach der Erklärung, die ich von der Entstehung der Religion gegeben habe, kann ich ohne alles Bedenken den religiösen Glauben als unvernünftigen oder Aberglauben bezeichnen. Dies gilt nicht nur von den Religionen der ersten Menschen, sondern von allen noch jetzt auf der Erde bestehenden Religionen, von denen sich ohne Schwierigkeiten nachweisen lässt, dass sie nur eine in der Form veränderte Erweiterung der "vom Himmel", das heißt aus den Wolken gekommenen Urreligion sind.
"Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind."
Wenn wir die vergangenen und bestehenden Religionen untersuchen, so finden wir, dass sie alle, ohne Ausnahme, auf Wunder gegründet sind, welche der Dichter sehr richtig als das Kind des (religiösen) Glaubens bezeichnet.
Im Allgemeinen nennt man Wunder jede Erscheinung, Handlung oder Tatsache, deren Ursprung die Wissenschaft nicht angeben und nachweisen kann; ja, wir dehnen den Begriff dieses Wortes auch auf solche Erscheinungen aus, deren Ursachen wir wohl kennen, die uns aber als ungewöhnlich oder besonders merkwürdig auffallen, und in diesem Sinne reden wir zum Beispiel von Naturwundern.
Obwohl nun auch die Religion, das heißt die Priester, solche natürliche Wunder zu ihrem Zwecke benutzte, als deren Ursachen dem Volk noch unbekannt waren, so ist doch das eigentliche religiöse Wunder ganz anderer Art und charakterisiert sich dadurch, dass es gegen die Natur ist, das heißt eine Aufhebung der bekannten Naturgesetze vorausgesetzt.
Den Völkern früherer Zeiten erschien eine Sonnen- oder Mondfinsternis, oder ein Komet als ein Wunder, und derselbe Fall war es mit einer Menge von Erscheinungen, deren Ursprung die jetzige Wissenschaft nicht nur ganz klar nachweist, sondern auch ganz genau im Voraus berechnet. - Manchen wilden Völkern ist ein Streichhölzchen noch ein Wunder und selbst unsern eigenen niederen Volksklassen erscheint manches als Wunder, was dem Gebildeten eine alltägliche Erscheinung ist.
Die Priester, welche hauptsächlich mit den Göttern zu verkehren und ihren Willen zu erforschen hatten, der sich, wie wir gesehen haben, für sie in Naturerscheinungen äußerte, mussten durch Beobachtung wohl zunächst mit der Tatsache bekannt werden, dass es bestimmte Naturgesetze gebe. Indem sie ihre Erfahrungen von Priestergeschlecht zu Priestergeschlecht fortpflanzten, kamen sie auf dem Wege der Wissenschaft allmählich zur Kenntnis von Dingen, die sie für sich behielten, da sie diese Kenntnis zur Erhöhung ihres Ansehens im Volk äußerst brauchbar fanden. Einen Beweis dafür finden wir in dem Verhalten der alten ägyptischen Priester, die in der Erkenntnis der Natur und der Eigenschaft vorhandener Dinge sehr weit fortgeschritten waren und Erfindungen und Entdeckungen machten, die erst nach sehr vielen Jahrhunderten auf anderen Wegen ebenfalls entdeckt und allgemein bekannt wurden. Man fand z.B. in ägyptischen Gräbern metallene Gegenstände, deren Hervorbringung man sich gar nicht erklären konnte, bis man erst in diesem Jahrhundert durch die Erfindung der Galvanoplastik in den Stand gesetzt wurde, zu erkennen, dass sie auf galvanoplastischem Wege gemacht waren. Diese Kunst setzt aber schon bedeutende andere Erfahrungen und Entdeckungen in Bezug auf die Eigenschaften natürlicher Substanzen voraus.
Dass die ägyptischen Priester die Wissenschaft zu dem eben angeführten Zwecke benutzten, wissen wir mit Bestimmtheit. Sie verrichteten Handlungen, welche die übrigen Menschen als Wunder betrachteten und viele Schriftsteller der alten Zeit berichten von ägyptischen Künsten und ägyptischer Wissenschaft.
Ich erwähne diese ägyptische Wissenschaft insbesondere deshalb, weil sie die Mutter der in der Bibel erzählten Wunder ist, die wieder die Veranlassung zu den Wundern der römisch-katholischen Kirche wurden, welche jedoch meistens keineswegs mit Hilfe der Wissenschaften hervorgebracht, sondern von den Priestern erfunden wurden. Wunder, wie sie die Ägypter taten, setzten Kenntnisse voraus, die schwer zu erlangen waren; allein die römischen Priester fanden, dass sich noch wunderbarere Dinge erfinden ließen, die mit Rücksicht auf ihren Zweck, ganz dieselbe Wirkung hervorbrachten, da sie geglaubt wurden; geglaubt, weil sie als Tatsachen von Männern erzählt wurden, an deren Autorität man nicht zweifelte und die zum Teil selbst glaubten.
Eigentliche Wunder, das heißt Dinge, welche gegen die Naturgesetze sind, kann es nicht geben; was geschieht, geschieht auf natürliche Weise und entspringt aus natürlichen Ursachen, und wenn wir diese Ursachen nicht erkennen können, da unsere Kenntnis von den Eigenschaften und Kräften der Natur noch beschränkt ist, so ist die Annahme doch eine durchaus vernünftige, wie aus den folgenden Auseinandersetzungen hervorgehen wird.
Viele gebildete Leser werden sich darüber wundern, dass ich mich bei den Wundern so lange aufhalte, da dies, um eine Modephrase zu gebrauchen, "ein längst überwundener Standpunkt" ist; allein wenn dies auch in Bezug auf den Gebildeten der Fall sein mag, so hat doch das Volk im Allgemeinen diesen Standpunkt noch keineswegs überwunden und selbst der größte Teil derer, die sich zu den Gebildeten zählen, werden aus den folgenden Beweisen erkennen, dass sie an Wunder glauben.
Die Verteidiger des Wunderglaubens sagen zum Beispiel: Gott ist allmächtig, aus Nichts hat Gott die Welt gemacht; und Millionen nehmen dies als eine so unumstößliche Wahrheit an, dass sie es mit Abscheu als ein Verbrechen betrachten, wenn jemand sagt: "Gott ist nicht allmächtig; Gott hat nicht die Welt aus Nichts gemacht; denn ein solcher Glaube ist unvernünftig."
Dass das Weltall, welches aus getrennten Körpern besteht, die nach bestimmten Gesetzen zusammengesetzt und vermöge der jedem Körper innewohnenden Eigenschaften miteinander zu dem großen Ganzen vereinigt sind, einen Ursprung, eine Ursache haben muss, muss jeder mit Vernunft begabte Mensch zugeben. Die Ursache oder Macht, welche das was ist bewegt und erhält, ist Gott; und was ich in dem hier Folgenden sage, bezieht sich durchaus auf diesen Begriff und auf keine subjektive Vorstellung der Weltursache, wie sie irgendeiner der bestehenden oder vergangenen Religionen zu Grunde liegt.
Ich rede auch nicht von der Vorstellung, die ich mir selbst von Gott mache, denn diese, so vernünftig sie auch sein oder erscheinen mag, hat doch immer nur einen subjektiven Wert wie jede andere Gottesvorstellung; ich untersuchte mit meiner Vernunft einfach, inwieweit sich die Idee der Allmacht und einer Erschaffung aus dem Nichts mit dem von mir oben definierten Begriff Gott verträgt. Ein Streben, das Wesen Gottes zu erkennen, ist gewiss der erhabenste Gebrauch, den der Mensch von dieser ihm von Gott gegebenen Vernunft machen kann.
Wir erkennen die Beschaffenheit einer Ursache einzig aus ihrer Wirkung, und zunächst erscheint uns als eine solche das Weltall mit den Gesetzen, die es erhalten und bewegen. Wir haben keinen anderen Anhaltspunkt für die Beurteilung dieser Kraft, welche den Stoff zu organischen Körpern vereinigt, als unsern eigenen Gedanken, kraft dessen wir im Stande sind, aus vorhandenem Material, dessen Eigenschaften wir aus Erfahrung kennen, Zusammensetzungen herzustellen, durch deren Aufeinanderwirken ein bestimmter Zweck erreicht wird, wie es durch eine Maschine oder durch ein chemisches Präparat geschieht.
Vergleichen wir eine Sperlingsfalle, die sich ein Kind aus Ziegelsteinen baut, mit einer Dampfmaschine, die ein Schiff bewegt, so ist es klar, dass ein bedeutend mehr ausgebildeter Geist dazu gehörte, diese Letztere zu erdenken, allein die Tätigkeit oder Kraft, durch die beide hervorgebracht wurden, die Ursache, ist gleichartig.
Vergleichen wir nun aber den gewöhnlichen Organismus, der einen Teil des großen Ganzen, der Welt bildet, zum Beispiel ein Blume oder einen Baum, mit der allervollkommensten Maschine, welche der menschliche Gedanke hervorbrachte, so sieht auch der oberflächliche Beobachter, dass beide in Bezug auf Vollkommenheit noch unendlich verschiedener sind als die Falle des Kindes und die Dampfmaschine; allein trotzdem ist der Schluss vernünftig, dass der Organismus, den wir bewundern, seinen Ursprung einer geistigen Tätigkeit verdankt, die derjenigen ähnlich ist, welche die Sperlingsfalle und die Dampfmaschine zusammensetzte.
Wenn wir aber den wunderbaren Organismus der ganzen Welt betrachten, so weit wir denselben erkennen können, so schließen wir aus der Vollkommenheit, die wir überall entdecken, dass der Geist, welchem dieser Organismus seinen Ursprung verdankt, die höchste Potenz geistiger Vollkommenheit sein müsse.
Manches in der Welt erscheint dem Beobachter allerdings unzweckmäßig und unvernünftig, also unvollkommen; allein die Erfahrung lehrt uns, dass eine unendliche Menge von Einrichtungen und Dingen, die früher den Menschen so erschienen, später als bewundernswürdig und vollkommen erkannt wurden, nachdem man den Zweck entdeckt hatte. Diese Erfahrung ist so häufig gemacht und die Menschen sind so oft von ihrem Irrtum überführt worden, dass es vollkommen vernünftig ist anzunehmen, dass der Weltorganismus vollkommen, dass er der angewandte Gedanke der höchsten Vernunft, und dass alles, was ist, vernünftig ist.
Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die geistige Ursache der Weltorganisation, von der wir selbst einen Teil bilden, also Gott, dem menschlichen Geiste ähnlich sei und sind daher vernunftgemäß berechtigt, von diesem Anhaltspunkt weiter zu schließen.
Der menschliche Geist kann vorhandenen Stoff zu bestimmten Zwecken zusammensetzen, allein er kann durch seien Gedanken oder Willen keinen Körper aus dem Nichts hervorrufen oder schaffen, auch nicht einmal das kleinste Sandkörnchen. Da nun unser Geist der einzige Anhaltspunkt für das Verständnis geistiger Kraft ist, und wir aus der erkannten Gleichartigkeit des menschlichen Geistes mit Gott auf die Eigenschaften Gottes nur von denen schließen, die wir selbst besitzen, so kommen wir zu dem logischen Schluss, dass Gott die Welt, das heißt den Stoff, nicht geschaffen haben kann.
Da wir aber wissen, dass alles, was innerlich dieser Welt - von einem darüber Hinausliegenden können wir überhaupt gar keinen Begriff haben, - geschieht und ist, eine Ursache hat, so fragen wir natürlich, welches ist die Ursache des Stoffes? - und um sie zu lösen, sind wir wieder auf unsere Erfahrung und Vernunft angewiesen, die jedes Urteil überhaupt begründen.
Kein Mensch kann einen Körper aus dem Nichts schaffen; allein ebenso wenig vermag er es, den Stoff zu vernichten. Die Form, in welcher sich der Stoff zeitweilig darstellt, sehen wir täglich zerstören und wir vermögen das ebenfalls; allein von dem Stoff selbst, aus dem irgendein Körper zusammengesetzt ist, geht auch nicht das kleinste Teilchen verloren, wie jeder Chemiker am besten weiß, der sich täglich damit beschäftigt, Körper in ihre verschiedenen Bestandteile zu zersetzen.
Unser eigener Körper kehrt nach den Tode "zur Erde zurück". Das heißt, die Bestandteile, aus denen er besteht, zersetzen sich und werden wieder Bestandteile anderer Körper. Legen wir Silber in Salpetersäure, so löst dieselbe das Metall auf und verwandelt dasselbe in eine Flüssigkeit, in der das Silber durch das Auge nicht zu erkennen ist; allein wir wissen, dass es darin steckt und haben Mittel, es wieder in seiner Gestalt als Metall herzustellen. - Verbrennen wir einen Körper, das heißt zerstören wir seine Form durch Feuer, so zersetzt er sich in Asche, Rauch und Gase, in andere Körper; denn wenn auch das Gas unsichtbar ist, so ist es doch andern Sinnen wahrnehmbar, zum Beispiel dem Geruch, und wir können es messen und wiegen und aus der Verbindung von Gasen sogar wieder sichtbare Körper herstellen, wovon das Wasser das bekannteste Beispiel ist.
Da unsere Erfahrung keinen aus dem Nichts entstandenen Körper kennt und ebenso wenig von der absoluten Vernichtung eines solchen weiß, so kommen wir zu dem Schluss, dass der Stoff, das Körperliche, die Materie weder geschaffen wurde noch vernichtet werden kann, also vorwärts und rückwärts ewig ist.
Der Begriff der Ewigkeit ist für uns unfassbar, weil wir zu ihrer Beurteilung nur die Zeit haben, welche ein endlicher Begriff ist. Ob wir zu der Ewigkeit eine Minute oder eine Million Jahrhunderte hinzutun oder davon hinwegtun, ist gleichgültig, denn es bleibt immer Ewigkeit.
Noch unfassbarer, weil wir dafür auch nicht den Schein eines Anhaltspunktes haben, ist für uns ein absoluter Geist oder absolute geistige Kraft; denn jeder Geist und jede geistige Äußerung, die wir kennen, steht in Verbindung mit der Körperwelt, und ebenso ist uns ein Körper undenkbar ohne geistige Beeinflussung, denn selbst der Stein ist gewissen Gesetzen unterworfen.
Wir kommen daher zu dem Schluss, dass der Stoff und der ihn belebende Geist ewig verbunden waren, und dass ein von der Welt abgesonderter Gott undenkbar und unmöglich ist.
Da Gott die höchste Potenz der Vernunft und der zur Welt zusammengesetzte Stoff das Werk derselben ist, so ist alles, was ist, vernünftig, vollkommen und keiner Verbesserung fähig, wie auch keiner Änderung, die nicht nach den ewigen, absolut vollkommenen Gesetzen vor sich geht. Da nun ein Wunder nach der früher gegebenen Erklärung eine Handlung oder ein Ereignis ist, welches den Naturgesetzen widerspricht, so ist ein solches selbst Gott unmöglich, denn die höchste Vernunft kann nicht irren.
Gott kann also kein Wunder tun und kann keinen Stoff aus dem Nichts erschaffen, ist also nicht allmächtig, und die Vorstellung von einem wundertuenden, allmächtigen Gott ist eine in sich selbst zerfallende. Diejenigen, welche damit ihrer Verehrung vor dem höchsten Wesen den höchstmöglichen Ausdruck gegeben zu haben meinen, sind im Irrtum, da, wie eben gezeigt wurde, diese Vorstellung von Gott eine zu geringe ist.
Sie würde für die Welt im Allgemeinen keine größere Bedeutung haben, wie irgendwelche andere, wenn sie nicht einer Religion zu Grunde läge, welche als Hauptstütze des Despotismus gilt und seit Jahrhunderten zu diesem Zwecke benutzt wurde.
Die Regierungen selbst der als aufgeklärt geltenden Staaten gehen noch immer von der Idee aus, welche ursprünglich Priester und Despoten verband, dass nur Furcht vor der unsichtbaren Macht, welche doch der Hauptfaktor der Religion der Religiösen ist, im Stande sei, die Achtung vor dem Gesetz und dem Fürsten zu erhalten. Aus diesem Grunde wird die Erziehung der Jugend auf das strengste vom Staat überwacht und der Kontrolle der Priester überlassen, damit diese die Kinderseele bereits mit dem Glauben vergiften, welcher zur Erhaltung der Religion absolut nötig ist.
Der Grund dieser Religionspflege, dieser Sorge für den religiösen Sinn von Seiten der Regierungen ist eine mehr oder weniger bewusste Maßregel despotischer Gelüste und Tendenzen und das Vorgeben, dass der religiöse Sinn zum individuellen Wohl der Untertanen mit solcher Strenge aufrechterhalten werde, eine offenbare Heuchelei und handgreifliche Lüge.
Königin Christina von Schweden, die Tochter Gustav Adolfs, war katholisch geworden und hielt sich viel in Rom auf. Als sie den alten Oxenstierna einlud, dorthin zu kommen, entsetzte sich der orthodoxe Protestant bei dem Gedanken, dass der Papst es auf seine Seele abgesehen habe. Christina, die den Papst und seine Absichten besser kannte, antwortete lachend: "Glaubt mir, der Papst gibt nicht vier Taler für eure Seele". Ich glaube kaum, dass irgendeine Regierung aus bloßer väterlicher Teilnahme für das Schicksal einer Seele, nachdem deren Inhaber durch den Tod aus dem Untertanenverband ausgeschieden ist, - vier Silbergroschen geben würde.
Ich habe nicht nötig, über diesen Vorwand für den ausgeübten Religionszwang noch ein Wort zu sagen und darf dreist behaupten: je sorgfältiger eine Regierung die Religion durch Zwangsmaßregeln unterstützt, je ängstlicher sie darauf bedacht ist, die Erziehung in der Hand der Priester zu lassen, desto despotischer sind ihre Neigungen.
Die Behauptung, dass der Religionszwang zur Erreichung des vernünftigen Staatszwecks noch immer notwendig sei, dass ohne denselben die Gesetze nicht hinreichen würden, Verbrechen zu verhindern, ist eine falsche, welche durch die Erfahrung widerlegt wird. Diese lehrt, dass in denjenigen Ländern, in welchen durch die Reformation ein Teil des religiösen Glaubenswustes weggeräumt und der durch die Wissenschaft verbreiteten Aufklärung mehr Spielraum gewährt wurde, weit weniger Verbrechen begangen werden, als in den katholischen. Wilberforce beweist uns, dass bereits dreißig Jahre nach der Reformation die Zahl der in England hingerichteten Verbrecher sich von 2000 auf 200 jährlich verminderte.
Seit die Reformation der "Freiheit eine Gasse" bahnte, sind aber über drei Jahrhunderte vergangen, und wenn auch die reformierten Fürsten und Priester über die Nützlichkeit des Religionszwanges ganz dieselben Ansichten hatten wie die katholischen, so war die Organisation der reformierten Kirche doch nicht so geeignet wie die der katholischen, der Entwicklung der Wissenschaft hindernd in den Weg zu treten, obwohl es an dem aufrichtigen Willen hierzu besonders bei den Geistlichen wahrhaftig nicht fehlte. Die Wissenschaft hat der Tat nach den Aberglauben vollständig überwunden und trotz aller Bemühungen der Finsterlinge, trotz aller Hausmittel der Despoten, wie Zensur, Lehrzwang usw., gewinnt sie täglich mehr und mehr Einfluss im Volk und dasselbe sieht täglich klarer, dass es seit Jahrhunderten das Opfer des grandiosesten Schwindels war, den die Geschichte kennt; und dass der Eigennutz der Priester und Despoten an der Menschheit ein Verbrechen beging, welches an Schlechtigkeit und Gemeinschädlichkeit jedes andere übertrifft.
Wäre die Ansicht richtig, dass der kirchliche Glaube nötig sei, die Achtung vor dem Gesetz zu erhalten, dann müsste die größte Zahl der Verbrecher aus den gebildeten Ständen kommen, die, wenn sie sich aufrichtig prüfen, gestehen müssen, dass sie von dem was im Katechismus gelehrt wird, sehr wenig oder gar nichts so glauben, wie es die Kirche verlangt.
Der wirklich Gebildete verletzt nicht das Gesetz, weil er sich vor irgendwelcher Strafe fürchtet, die ihn hier oder nach dem Tode treffen könnte, sondern einfach, weil das Gefühl für Recht und Unrecht in ihm Fleisch und Blut geworden ist. Je ausgebildeter der Verstand eines Menschen ist, desto weniger wird er selbst der Versuchung ausgesetzt sein, ein Verbrechen zu begehen; und durch ein Befördern der Mittel, welche die Bildung erzeugen, würde die Regierung am besten dazu gelangen, in Bezug auf die zur Erreichung des vernünftigen Staatszweckes nötigen Gesetze einen Zustand herzustellen, wie er bereits faktisch in Bezug auf die Anstandsgesetze besteht. Selbst wenn die Polizei es gestattete, würde es doch unter tausend Menschen kaum einem einfallen, entblößt durch die Straßen zu gehen, und wenn es jemand tut, so bedarf es meistens nicht der gesetzlichen Gewalt ihn daran zu verhindern, oder dafür zu bestrafen, denn es geschieht durch die Gesellschaft selbst.
Mag die Religion auch in den früheren Jahrhunderten einen guten Einfluss geübt und nicht allein zur Unterdrückung der Despotie, sondern überhaupt der gesellschaftlichen Ordnung gedient haben; im gegenwärtigen Jahrhundert ist sie für den Staatszweck nicht nur durchaus unnütz, sondern geradezu schädlich, da sie der Entwicklung der Wissenschaft und der durch sie erzeugten Bildung hinderlich ist.
Die tägliche Erfahrung lehrt, dass heutzutage die Menschen, selbst der ungebildeten Klassen, nicht durch religiöse Furcht von Verbrechen abgehalten werden. Man frage nur einen Polizei- oder Kriminalbeamten auf sein Gewissen, und jeder wird gestehen müssen, dass - mit äußerst seltenen Ausnahmen - selbst der dümmste Bauer einen Gendarmen, also das Gesetz und die durch dasselbe diktierte Strafe, mehr fürchtet als Gott oder den Teufel. Alles, was die Regierungen durch ihre Zwangsmaßregeln in Bezug auf Religion erzeugen, ist einerseits Gleichgültigkeit dagegen, wenn nicht Hass und Verachtung gegen die bornierte oder despotische Zwecke verfolgende Regierung, oder eine zur Gewohnheit gewordene, alle Schichten der Gesellschaft durchdringende und sie demoralisierende Heuchelei.
Was wir von unseren Regierungen verlangen, ist, dass sie als solche von der Religion gar keine Notiz nehmen und sie nicht, wie es jetzt fast noch überall der Fall ist, den Aberglauben aussäen und sein Wachstum befördern zu können glauben. Wer das Bedürfnis zur Religion fühlt, mag dieselbe ausüben und sich mit andern zu diesem Zwecke vereinigen; das Gesetz wird ihn in dieser Ausübung beschützen und sich erst dann hindernd einmischen, wenn durch diese Ausübung die gesetzlichen Rechte anderer beeinträchtigt werden. Ist die Religion durch sich selbst stark, so braucht sie keine Unterstützung und Begünstigung von Seiten der Regierung; hat sie aber Grund, die Wissenschaft zu fürchten, so beruht sie auf Aberglauben, und je eher sie dem Feind desselben unterliegt, desto besser ist es für die Menschheit.
Wie wir allmählich die Regierungen gezwungen haben, den Despotismus aufzugeben, oder wenigstens seine Unberechtigung dadurch anzuerkennen, dass sie ihn unter konstitutionellen und anderen Masken verstecken, so werden sie auch durch die Macht der öffentlichen Meinung gezwungen werden, ihre schützende Hand von dem Aberglauben abzuziehen und seine Ausrottung der Wissenschaft zu überlassen.
Wir wissen sehr wohl, dass die Trennung von Kirche und Staat nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten geht und können die Natur derselben nach denen beurteilen, mit welchen in diesem Augenblick die österreichische Regierung nur deshalb zu kämpfen hat, weil sie die zu anmaßend gewordene Dienstmagd in ihre Schranken zurückzuweisen gezwungen wurde. Der Widerstand geht nicht allein von den Pfaffen aus, sondern er wird durch das von ihnen im Aberglauben erzogene und erhaltene Volk teilweise unterstützt. Nun rächt sich "der Fluch der bösen Tat" an der Regierung, welche, als sie es noch wagen durfte, despotisch zu sein, mit allem Eifer den Pfaffen die Waffen schmieden half, welche dieselben nun gegen sie anwenden.
Der Kampf gegen die Anmaßungen der in ihren Ansprüchen durchaus logischen römischen Kirche würde ohne besondere Schwierigkeiten zu Ende geführt werden können, wenn die Regierungen sich entschließen könnten, ehrlich mit dem Aberglauben zu brechen; allein sie wünschen von demselben zu behalten, was den despotischen Tendenzen ihrer Leiter nützt, welche freiere Institutionen meistens nicht deshalb bewilligen, weil sie von der Berechtigung des Volkes zur Freiheit und Selbstregierung überzeugt, sondern einfach, weil sie zu Konzessionen und Aufgabe eines Teils ihrer Macht gezwungen sind, um nicht alles zu verlieren. Sie fühlen, dass der religiöse und politische Aberglaube Zweige desselben Stammes sind, deshalb hüten sie sorgfältig die Wurzel.