Der Raubzug der Banken - Malte Heynen - E-Book

Der Raubzug der Banken E-Book

Malte Heynen

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Beschreibung

Millionenboni für gefährliche Geschäfte

»Was machen die eigentlich mit meinem Geld?«, fragte sich Malte Heynen, als er merkte, wie sein sauer Erspartes langsam zerrann. Der Journalist wollte es genau wissen und begann zu recherchieren. Bald fand er sich in einem Irrgarten von Spekulation, gefährlichen Geschäften und sich selbst maßlos überschätzenden Analysten wieder. Ist unser Finanzsystem, das doch die Aufgabe hat, die Kapitalströme in wirtschaftlich sinnvolle Unternehmungen zu lenken, wirklich so irrational, so marode, so betrügerisch?

Die Antwort: leider ja! Die Folge: Wir stehen nicht am Ende, sondern erst am Anfang der großen Finanzkrise, die mit einem Crash enden wird, wenn das Bankensystem nicht radikal umgebaut wird.

Denn die Geldhäuser produzieren gewaltige Risiken und ziehen immer wieder ihre Kunden über den Tisch. Was man persönlich in dieser Situation noch retten kann und was die Politik tun muss, damit Banken wieder zu gesellschaftlich nützlichen Instituten werden, das verrät dieser Report.

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MALTE HEYNEN

DER RAUBZUG

DER BANKEN

VON EINEM, DER AUSZOG,

SEINE ERSPARNISSE ZU

RETTEN, UND ENTDECKTE,

WAS WIRKLICH MIT

UNSEREM GELD PASSIERT.

KARL BLESSING VERLAG

Vorbemerkung:

Die in diesem Buch beschriebenen Finanztransaktionen und Finanzprodukte sind zum Teil hochkomplex. Der hier verfolgte Ansatz, einen auch für Nicht-Experten verständlichen Blick hinter die Fassade der Finanzbranche zu werfen, hat es deshalb hier und da erforderlich gemacht, Sachverhalte und Abläufe zu vereinfachen, um das Wesentliche herauszuarbeiten. Für ergänzende Einblicke wird ausdrücklich auf die zahlreichen Fußnoten verwiesen.

1. Auflage 2012

Copyright © by Karl Blessing Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Hauptmann und Kompanie Werbeagentur, Zürich

Bildredaktion: Annette Mayer

Satz: Leingärtner, Nabburg

ePub-ISBN 978-3-641-09082-1

www.blessing-verlag.de

INHALTSVERZEICHNIS

Wie die Idee für dieses Buch entstand

Überblick: Die Konstruktionsfehler des Bankensystems und ihre dramatischen Folgen

Exportware faule Kredite – die dubiosen Deals der Deutschen Bank

Der bedrohliche Berg aus notleidenden Krediten

Versagen wird belohnt: die neuen Geschäftsmodelle der Banken

Die wahren Gründe für die explodierenden Bonuszahlungen

Trügerische Ruhe – warum die »Hilfspakete« das Problem nicht lösen

Banken 2.0: Gewinne auf Kosten der Wirtschaft

Wie Joe Cassano die Weltwirtschaft in Grund und Boden spekulierte

Die Todeswetten der Deutschen Bank

Der Siegeszug der gefährlichen synthetischen Finanzprodukte

Wie Deregulierung die Gewinne der Banken steigen lässt

Deregulierte Finanzmärkte führen immer wieder zur Katastrophe

Die größte Spekulationsblase der Menschheit: der US-Immobilienmarkt

Verbriefungen – wie giftige Kredite nach Düsseldorf verschoben wurden

Ratingagenturen – Millionengewinne mit Gefälligkeitsgutachten

Stefan Ortseifen aus Düsseldorf, Großimporteur toxischer Kredite

Was geschah wirklich hinter den Kulissen der Deutschen Bank?

Die Deutsche Bank verdient viel Geld mit dem Aufpumpen der Blase

Die Gefahr wird immer offensichtlicher. Die Deutsche Bank macht weiter.

Wie die Finanzbranche deutsche Privatkunden über den Tisch zieht

Aktiv verwaltete Investmentfonds für Privatanleger

Das dubiose Geschäft mit den Provisionen – Beispiel Lebensversicherungen

Zertifikate – und täglich grüßt Lehman Brothers

Der Kampf der Banken um die versteckten Provisionen

Immer weitere Fälle – zum Beispiel bei der Deutschen Bank

Die Welt am Abgrund: das Schlimmste liegt noch vor uns

Gefährliche Kreditblase, Teil 1: Die Banken erzeugen Kredite aus dem Nichts

Gefährliche Kreditblase, Teil 2: Die Banken haben die Geldmenge immer weiter erhöht

Immobilienblasen rund um den Globus: Überall droht der Crash

Staatsschuldenkrise: Die Crashgefahr in Europa steigt von Monat zu Monat

Was die Politik jetzt tun müsste – und was sie tatsächlich tut

Staatsgelder fließen in die Banken hinein, Boni heraus

Regierungen und Zentralbanken pumpen Milliarden in das System – ist das notwendig?

Investoren laden zweifelhafte Papiere bei der Europäischen Zentralbank ab

Bankrotte Schuldner können nicht zahlen – der Staat springt ein

Warum es trotz »Brandschutzmauern« immer wieder brennt

Finanzmärkte in Dauerpanik – das gefährliche »hot money«

Viel Geld ohne strenge Auflagen – wie haben die Banken das erreicht?

Der drohende Zusammenbruch der Eurozone – und die unterschätzten Gefahren in den USA

Die Banken sind immer noch tickende Zeitbomben

Wie schütze ich meine Ersparnisse vor dem drohenden Crash?

Hyperinflation oder das Gegenteil? Welches Szenario ist wahrscheinlich?

Die größten Risiken: schlechte Schuldner und undurchsichtige Deals

Sparbuch und Festgeld – wie gut ist die Einlagensicherung?

Gold – der beste Schutz gegen Krisen oder riesige Spekulationsblase?

Staatliche Rente, private Rente – was ist überhaupt noch sicher?

Aktien – solide Realwerte, die vor der Inflation schützen?

Eigenheime und Grundstücke – eine krisensichere Investition?

Die Lehren aus der Krise

Ich danke

Für Jule

Wie die Idee für dieses Buch entstand

Alles begann Anfang 2007: Damals wollte ich eigentlich nur mein Erspartes vor der Wirtschaftskrise retten. Ich hatte schon viele Jahre vorher angefangen, Aktien zu kaufen: als Student. Während meines Studiums hatte ich durch die Arbeit als freier Journalist Geld verdient, unter anderem beim Bayerischen Rundfunk, und einen Teil davon in Aktien investiert. Seitdem las ich auch oft die Wirtschaftsteile von ZEIT und FAZ. Doch Anfang 2007 veränderte sich etwas: Ich las nicht mehr nur – ich begann, intensiv zu recherchieren. Denn mehr und mehr stieß ich auf Vorgänge, die aus einem Wirtschaftskrimi stammen könnten, die aber real waren.

Ich arbeite seit mehr als 20 Jahren als Journalist, zunächst für Radio und Zeitung, später für das Fernsehen, und habe in dieser Zeit meine Begeisterung für die Recherche nie verloren. Ich liebe es, hinter die Kulissen zu schauen und so lange Indizien zusammenzutragen, bis sich ein klares Bild der Wirklichkeit ergibt. Diese Begeisterung für das Entdecken und Nachforschen versuche ich an andere weiterzugeben: Seit einigen Jahren bilde ich Journalisten aus und berate Redaktionen.

Anfang 2007 warnten Experten vor einem Börsencrash, nicht viele zwar, aber ihre Argumente klangen überzeugend. Ich begann, mehr über das Thema zu lesen. Die Warnungen erschienen mir immer einleuchtender. Merkwürdig nur: Im Laufe des Jahres 2007 stiegt der DAX von 6.600 auf über 8.000 Punkte. Hatten die Crashpropheten doch Unrecht? Zum Glück hatte ich mich noch nicht dazu durchringen können, meine Aktien zu verkaufen: Der Wert meines Depots stieg um 15 Prozent. Die Warner waren ja auch nur eine kleine Minderheit: Die meisten Analysten, also die Experten der Banken, rieten zum Kauf von Aktien und verkündeten neue Rekordziele für den Dax.

Da erinnerte ich mich an den Crash des »Neuen Marktes« in Deutschland, bei dem ich einige tausend Euro verloren hatte. Ich kramte einen alten Artikel heraus, aus einem Magazin der Deutschen Bank. Sie hatte im November 2000 ihren Kunden empfohlen, Aktien am Neuen Markt zu kaufen, insbesondere die Medienfirma EM.TV. Deren Aktie hatte bereits zwei Drittel ihres Wertes verloren,1 doch die Deutsche Bank schrieb unverdrossen: »Anlage-Strategie Privatkunden bewertet die Kursrückgänge am Neuen Markt als übertrieben. […] Ein […] Beispiel für das vorherrschende schlechte Marktsentiment, bei dem fundamentale Daten nicht beachtet werden, sondern Nervosität und Unsicherheit die Oberhand behalten, ist EM.TV.«2 Als diese Empfehlung ausgesprochen war, fiel der Kurs von EM.TV weiter wie ein Stein, und bereits im Dezember 2000 war die Aktie nur noch 6 Euro wert. Sie hatte seit ihrem Höchststand 95 Prozent verloren.

Fast alle Banken hatten damals bis kurz vor dem Crash empfohlen, Aktien am Neuen Markt zu kaufen. Die Kurse dieser Internet- und Medienunternehmen waren ja auch jahrelang nach oben geschossen, nur um dann genauso schnell wieder abzustürzen.

Im Jahr 2000 hatte ich das alles etwas verwundert an mir vorüberziehen lassen. Jetzt, sieben Jahre später, war ich zumindest ein bisschen klüger. Ich kannte nun die Hintergründe: EM.TV und viele andere Firmen am Neuen Markt hatten die Anleger hinters Licht geführt. Sie hatten mit ihren Börsengängen Millionen eingenommen. Die Manager dieser Firmen sorgten dafür, dass einige dieser Millionen auf ihren Privatkonten landeten. Der Trick dabei: Die Börsengänge brachten nur deshalb so viel Geld, weil EM.TV und andere Firmen ihre Geschäftsaussichten vollkommen übertrieben dargestellt hatten. Deshalb steckten viele Anleger viel Geld in unsolide Unternehmen. Und die »Analysten«, die Experten der Banken, hatten die Euphorie angefacht. Inzwischen wusste ich, warum: Analysten empfehlen viel häufiger, Aktien zu kaufen, als sie zu verkaufen. Denn ihre Arbeitgeber verdienen nun einmal viel mehr bei steigenden Aktienkursen.

Ich wollte mehr wissen, las Berichte über den Japan-Crash, den Bilanzfälschungsskandal des US-Konzerns Enron, die Asienkrise, die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre. Was ich las, verdichtete sich zu einem erschreckenden Bild: Immer wieder spielen Finanzmärkte vollkommen verrückt, und zwar jahrelang. Einzelne Personen verdienen durch die Euphorie Millionen. Und zurück bleibt jedes Mal ein riesiger wirtschaftlicher Schaden: Milliarden werden in Projekte geleitet, die Geld vernichten, statt Mehrwert zu schaffen. Immer wieder versagen die Finanzmärkte also bei ihrer wichtigsten Aufgabe, nämlich wertvolles Kapital dorthin zu leiten, wo es hingehört: in solide, wirtschaftlich sinnvolle Projekte.

Im Laufe des Jahres 2007 wurde mein Interesse immer größer: Standen wir wieder vor einem gewaltigen Börsencrash? Diesmal ging es nicht nur um einige Internetfirmen. Diesmal ging es um die Weltwirtschaft. Das Szenario der Warner: Die USA seien die Wirtschaftslokomotive der Welt. Ein Viertel der Weltwirtschaftsleistung konzentriert sich in diesem einen Land. Doch der jahrelange Boom dort sei nur künstlich. Banken auf der ganzen Welt hätten Millionen von US-Privathaushalten immer höhere Kredite gegeben. Ob diese Haushalte kreditwürdig waren, hätten die Banken oft nicht geprüft. Immer mehr Geld sei an immer schlechtere Schuldner gegangen. Allein dieses zusätzliche Geld habe den Boom angetrieben. Konsum auf Pump. Doch jede Kreditorgie sei irgendwann zu Ende. Und dann drohe ein Einbruch der Weltwirtschaft und aller Börsen.

Im Jahr 2006 hatte ich selbst mit einigen Wohnungseigentümern in den USA gesprochen: Ich arbeitete mit einem Kamerateam im Trump World Tower, dem höchsten Wohnhaus von New York. Wir drehten einen Fernsehbeitrag über dieses Hochhaus, in dem die Millionäre unter sich waren: Selbst die billigsten Wohnungen in den unteren Etagen kosteten eine halbe Million Dollar. Eine der Bewohnerinnen erzählte mir, sie habe ihre Eigentumswohnung als sichere Geldanlage gekauft. Ich fragte sie, ob sie keine Angst habe, mit diesem Investment Verluste zu machen. Ihre schlichte Antwort: Nein, die Preise für Immobilien seien ja jahrelang nur gestiegen. Daraus könne man ableiten, dass sie auch in Zukunft weiter steigen würden. Später las ich, dass die Investitionen mancher Banken sogar auf noch gewagteren Annahmen beruhten als der Wohnungskauf dieser Frau: Sie konnte nur bei fallenden Immobilienpreisen Geld verlieren – die Banken dagegen schon dann, wenn die Preise auf der Stelle traten. So extrem waren die Finanzwetten, die sie abgeschlossen hatten.

Schon damals sprachen viele Indizien dafür, dass die Immobilienpreise nicht nur auf der Stelle treten, sondern drastisch einbrechen würden.

Je mehr ich herausfand, desto schwieriger schien es, eine Antwort auf die entscheidende Frage zu finden: Welche Geldanlage ist in einer solchen Krise noch sicher? Vieles probierte ich aus, das meiste verwarf ich wieder. Manches aus ethischen Gründen. Manches, weil ich immer mehr über die Finanzmärkte lernte und so nach und nach erkannte, dass oft versteckte Risiken in Investments lauern, die von den »Analysten« in renommierten Medien empfohlen werden. Im Laufe der Jahre kaufte und verkaufte ich unter anderem: Anteile an einem Hedgefonds, Aktien einer Forstfirma in China, Gold, Bundesanleihen und Aktien von Immobilienfirmen. Inzwischen weiß ich mehr darüber, was eine Geldanlage wirklich sicher macht, doch der Weg zum Wissen verlief im Zickzack. Unter dem Strich gelang es mir immerhin, einen kleinen Gewinn zu erzielen.

Gleichzeitig passierte noch etwas viel Wichtigeres: Das Thema selbst packte mich. Ich wollte den Dingen auf den Grund gehen. In diesen Jahren bin ich auf beunruhigende Rechercheergebnisse renommierter Wissenschaftler, Journalisten und Brancheninsider gestoßen: Die aktuelle Krise verläuft offensichtlich nach einem ähnlichen Muster wie die Internetblase – nur in viel größerem Maßstab. Einige Akteure haben die Blase immer weiter aufgepumpt. Sie haben riesige Summen in die falschen Kanäle gelenkt, denn sie verdienen an diesen Fehlinvestitionen. Damals verdienten sie Millionen, heute Milliarden.

Und inzwischen verdienen die Akteure auch noch durch die Hilfszahlungen der Staaten und Zentralbanken. Hunderte von Milliarden Euro fließen in das Bankensystem. Je weiter ich recherchierte, desto mehr erhärtete sich der Verdacht, dass dieses Geld die Probleme nicht löst, sondern vor allem ein marodes System noch eine Weile am Leben erhält.

Der Crash kann schon morgen kommen, oder erst im Jahr 2017. Doch dass er kommen wird, dafür gibt es leider erdrückende Indizien. Wir haben nur noch eine Chance: Die Politik muss das Ruder schnell herumreißen.

Immer mehr Schuldnern weltweit droht die Zahlungsunfähigkeit, zum Beispiel in den USA, Großbritannien, Spanien, Griechenland, China und Australien. Wir stehen wahrscheinlich vor dem gewaltigsten Wirtschaftscrash der Geschichte. Das Loch, in das wir fallen werden, könnte tiefer sein als während der berüchtigten Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre. Im Jahr 2012 zeichnet sich ein ähnliches Szenario ab wie damals – die massenhafte Pleite von Schuldnern – doch die Ausgangslage ist weit dramatischer. Noch nie in der Geschichte der Menschheit gab es so viele notleidende Kredite. Wir haben ein Schuldengebirge geschaffen, gewaltig und voller Risse.

1 Höchststand EM.TV war 115,50 , Ende Oktober 2000 lag der Kurs bereits bei 38,01 .

2 S. H.: »Neuer Markt – Nervosität bei Wachstumswerten«, Private Banking (Kundenmagazin der Deutschen Bank), 11-2000. Redaktionsschluss war frühestens am 24.10.2000.

Überblick: Die Konstruktionsfehler des Bankensystems und ihre dramatischen Folgen

Exportware faule Kredite – die dubiosen Deals der Deutschen Bank

New York, 8. Februar 2007: Im Wolkenkratzer der Deutschen Bank an der Wall Street Nummer 60 werden zwei brisante E-Mails verschickt. Absender der Mails: Managing Director Michael Lamont, der sein Büro in der 19. Etage hat.3

An jenem 8. Februar herrscht Panik im Deutsche-Bank-Hochhaus. Michael Lamont und seine Kollegen haben Angst, dass ein gewaltiger Deal platzen könnte. Der Deal trägt den Namen »Gemstone VII«, also Edelstein 7. Michael Lamont weiß: Wenn die Deutsche Bank diesen Deal abschließt, wird sie 6,79 Millionen Dollar Provision kassieren und Kreditrisiken im Umfang von mehreren hundert Millionen Dollar auf ihre Kunden abschieben. Doch es ist alles andere als sicher, dass der Plan aufgeht.4

In dieser Situation verschickt Lamont seine beiden E-Mails: »Wir müssen es verkaufen, solange wir noch können«, drängt er um 10:14 Uhr einen Mitarbeiter, der ebenfalls in der 19. Etage des Deutsche-Bank-Hochhauses seinen Arbeitsplatz hat. Keine zwei Stunden später mailt Lamont dem Mitarbeiter eines Hedgefonds in Dallas, der an der Konstruktion von Gemstone VII maßgeblichbeteiligt ist: »Daumen drücken, aber ich glaube, wir können es gerade noch absetzen, kurz bevor der Markt in den Abgrund stürzt.«5

Gemstone VII wird später für die Deutsche Bank ein Erfolg werden – aber nicht für ihre Kunden. Weniger als sechs Monate nach dem Abschluss des Deals bricht 6.036 Kilometer von New York entfernt die Industriekreditbank (IKB) zusammen, und die deutschen Politiker schaffen hektisch viele Milliarden Euro Steuergelder zu ihrer Rettung herbei. Gemstone VII ist eine der Ursachen für den Zusammenbruch der IKB. Doch der Reihe nach.

Geschäfte wie Gemstone VII machten Lamont und seine Kollegen damals fast im Monatsrhythmus.6 Die Deutsche Bank war Teil einer gigantischen Maschinerie, die die Großbanken seit den neunziger Jahren errichtet hatten: ein System zum weltweiten Weiterverschieben von Kreditrisiken. Es ist bis heute in Betrieb.7

Vereinfacht gesagt funktionierte das System so: Sobald eine Bank einen Kredit vergibt, erhält sie normalerweise monatliche Ratenzahlungen des Schuldners, der den Kredit abstottern muss. In der neuen Welt der Banken funktionierte dies ganz anders. Die Bank, zum Beispiel in den USA, verpflichtete sich, alle zukünftigen Zahlungen des Schuldners in die Maschinerie umzuleiten. Im Gegenzug erhielt sie einen hohen einmaligen Betrag. Sie war damit das Risiko los, dass der Schuldner eines Tages bankrottgehen könnte.

Das Risiko steckte nun in der Maschinerie, und die spuckte es irgendwo anders auf der Welt wieder aus, bei der Industriekreditbank in Deutschland beispielsweise. Dort lief der Deal umgekehrt: Die Bank zahlte einen hohen einmaligen Betrag in das System ein, und erhielt im Gegenzug das Versprechen, dass sie alle zukünftigen Ratenzahlungen des Schuldners in den USA erhalten würde. Im Grunde war es so, als hätte die Industriekreditbank den Kredit in den USA selbst vergeben, denn sie trug jetzt das Risiko eines Zahlungsausfalls.

Dieses Weiterverschieben von Kreditrisiken rund um den Globus nennt man »Verbriefung« (securitization). Angeblich verschob die Verbriefungsmaschinerie jedes Kreditrisiko genau zu demjenigen, der es am besten tragen konnte. Doch in Wirklichkeit landete das Risiko oft bei demjenigen, der es am meisten unterschätzte.

Denn das System hatte schwerwiegende Konstruktionsfehler. Es gab in seinem Inneren viele Akteure, die vor allem ein Interesse hatten: Dass die Verbriefungsmaschinerie immer schneller lief und dabei viel Geld ausspuckte. Großbanken, Ratingagenturen und Hedgefonds kassierten für jeden verschobenen Kredit gewaltige Provisionen – weitgehend unabhängig davon, ob der Kredit später zurückgezahlt wurde oder nicht.8 Das galt sogar für denjenigen, der die Kredite bewilligte. Seine Provisionen waren oft dann am höchsten, wenn er möglichst viele Kredite vergeben konnte, egal an wen. Kurzum: Die Maschinerie wurde immer mehr zu einem Räderwerk zur massenhaften Erzeugung von faulen Krediten.

Gemstone VII gehörte zu diesem Räderwerk. Mit dem Deal wollte die Deutsche Bank Kreditrisiken im Umfang von 1,1 Milliarden Euro verschieben, unter anderem an die Commerzbank in Frankfurt und die Industriekreditbank (IKB) in Düsseldorf. Hinter Gemstone VII standen Tausende von Schuldnern in den USA, meist Hauseigentümer, die einen Immobilienkredit aufgenommen hatten.9Gemstone VII war eine Art Paket, in das jeden Monat die Ratenzahlungen dieser Schuldner gepackt wurden. Wenn man einen hohen einmaligen Betrag zahlte, konnte man sozusagen einen Anteil an dem Paket erwerben, und würde in Zukunft regelmäßig von den Ratenzahlungen aus den USA profitieren. Ein Anteil an Gemstone VII war wie ein Sparbuch mit besonders hohen Zinsen. Allerdings ein Sparbuch, das einem jederzeit weggenommen werden konnte, wenn viele Schuldner in den USA pleitegingen und die Zwangsversteigerungen ihrer Häuser zu wenig einbrachten. Genau das sollte bei Gemstone VII passieren.10

Bis die Deutsche Bank Käufer gefunden hatte, war sie selbst das Zwischenlager für das Paket. Sie trug also für mehrere Wochen das Risiko möglicher Zahlungsausfälle.11 Michael Lamont aus der 19. Etage des Deutsche-Bank-Wolkenkratzers wollte das Paket deshalb am 8. Februar 2007 so schnell wie möglich verkaufen. Doch die Kunden zögerten. bestand zu einem Drittel aus -Schuldnern, also Personen, bei denen das Risiko von Zahlungsausfällen besonders hoch war.

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