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Dieser 1961 geschriebene Roman war damals noch Science Fiction: Der rote Regen kollidiert frontal mit der überaus realen Angst der Gegenwart, dass nämlich unser Planet aufgrund von Klimaveränderungen auf eine unumkehrbare Katastrophe zusteuert. Die Bedrohung durch einen Atomkrieg wird zur Tatsache, als der Dritte Weltkrieg entfesselt wird, welcher einen nuklearen Winter und eine genetische Veränderung zur Folge hat. Und der Menschheit, wie wir sie kennen, droht die völlige Vernichtung...
Lawrence Lovell Schoonover (geboren am 6. März 1906 in Anamosa, Iowa; gestorben am 8. Januar 1980 in Mineola, New York) war ein amerikanischer Schriftsteller.
Die deutsche Erstausgabe von Der rote Regen erfolgte im Jahr 1964. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe in seiner Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
LAWRENCE SCHOONOVER
Der rote Regen
Roman
Apex Science-Fiction-Klassiker, Band 68
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DER ROTE REGEN
ERSTER TEIL
ZWEITER TEIL
DRITTER TEIL
Dieser 1961 geschriebene Roman war damals noch Science Fiction: Der rote Regen kollidiert frontal mit der überaus realen Angst der Gegenwart, dass nämlich unser Planet aufgrund von Klimaveränderungen auf eine unumkehrbare Katastrophe zusteuert. Die Bedrohung durch einen Atomkrieg wird zur Tatsache, als der Dritte Weltkrieg entfesselt wird, welcher einen nuklearen Winter und eine genetische Veränderung zur Folge hat. Und der Menschheit, wie wir sie kennen, droht die völlige Vernichtung...
Lawrence Lovell Schoonover (geboren am 6. März 1906 in Anamosa, Iowa; gestorben am 8. Januar 1980 in Mineola, New York) war ein amerikanischer Schriftsteller.
Die deutsche Erstausgabe von Der rote Regen erfolgte im Jahr 1964. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe in seiner Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER.
Erstes Kapitel
Das ist ja nun seit Anbeginn so, dachte sie, sonst gäbe es uns alle nicht.
Als sie die ersten Male im Supermarkt in weiten, losen Kleidern auftauchte, sahen die anderen Frauen sie neugierig an, kamen aber nicht auf das entscheidende Thema zu sprechen. Erst später einmal sagte eine von ihnen: »Betty, du wirst jeden Tag hübscher! Wie du es nur machst, dass dein Teint so rein bleibt!«
Die meisten ihrer Freundinnen hatten schon Kinder, und es entging ihnen nichts.
»Ich fühle mich aber gar nicht so großartig«, erwiderte sie.
»Wann wird es denn soweit sein?«, fragte die Frau.
»Oh, ziemlich bald, meint der Arzt«, sagte Betty und wurde rot.
»Nach der Taufe veranstalten wir eine tolle Party«, meinte ihre Freundin. »Weißt du, Betty, du hättest es mir früher verraten sollen. Ich kaufe doch gerne für dich ein, wenn du dich nicht wohl fühlst. Beim ersten Mal ist es immer ein bisschen schwierig.«
Betty hatte keine angenehme Zeit hinter sich. Gewiss, mit Übelkeit und Schwindel musste man rechnen, vor allem am Morgen, ganz bestimmt während der ersten drei Monate. So stand es ja auch in den Büchern, und alle Freundinnen hatten es ihr bestätigt; aber bei Betty zeigten sich diese unerfreulichen Begleiterscheinungen auch jetzt noch, obwohl der Zeitpunkt bald gekommen sein musste. Sie sorgte sich.
»Man kann da keine festen Regeln aufstellen«, hatte der Arzt gesagt. »Vor allem beim ersten Kind nicht. Sie haben nichts zu befürchten.«
Hoffentlich hat er recht, dachte Betty, obwohl sie sich nicht vorzustellen vermochte, dass ein Marinearzt, Junggeselle, mit neunundzwanzig Jahren Praxis auf Kriegsschiffen, wo es Frauen nicht gab, große Erfahrungen in der Geburtshilfe besaß.
Bill hatte herzlich lachen müssen, als sie ihn darauf hinwies. »Du bist aber ahnungslos«, meinte er. »Marineärzte unterscheiden sich kaum von ihren Kollegen. Sie entfernen Blinddärme, verabreichen Pillen und Spritzen gegen Polio und wer weiß was, und außerdem verstehen sie noch etwas von Geburtshilfe. Sie sind oft vorsichtiger als andere Ärzte, weil sie im Krieg waren und wissen, was es heißt, Schmerzen zu haben.«
Bills Zutrauen zur Marine war unbegrenzt, und Betty schloss sich seiner Meinung nur allzu gerne an.
Bill war groß, schwerfällig und zärtlich. Er begriff durchaus, dass viele Menschen klüger waren als er, aber er kannte keinen Neid. Manchmal sagte er: »Betty, wenn ich einmal dreißig Jahre lang Dienst getan habe, werden sie mir noch ein Offizierspatent geben. Am Tag meiner Pensionierung kommt es dann vielleicht so weit, dass die anderen strammstehen müssen.«
»Bill, so lange dauert es bestimmt nicht.«
»Na ja, auf jeden Fall können wir uns nicht beschweren. Wenigstens kann ich meine Stellung nicht verlieren.«
Er war gewissenhaft und tüchtig. Er würde seinen Weg machen.
»Dafür, dass ich nur die Volksschule besucht habe, kann ich ganz zufrieden sein«, meinte er beinahe entschuldigend.
»Wir werden ihn Wilson Young jr. nennen«, sagte sie lächelnd. »Dann verwechselt ihn keiner mit Wilson Young sr., dem Admiral.«
Bill grinste. Sie hatte eine bessere Bildung genossen als er, kam sich aber durchaus nicht überlegen vor.
»Du scheinst dir ja schon sehr sicher zu sein, dass es ein junge wird«, erwiderte er vorsichtig.
»Wir wollen doch beide einen Jungen, also wird es auch einer.«
»Ich wäre sogar mit einem Mädchen einverstanden«, erklärte er ernsthaft.
»Sogar!«, Sie lachte. »Ach, Bill, du hast dich nie verstellen können!«
»Warum auch? Aber es ist mein Ernst, Betty, ich hätte auch gern ein Mädchen. Sie sind so niedlich. Viele Väter haben Töchter.«
»Lieber Bill!«, sagte sie und warf die Arme um seinen Hals. »Lieber, lieber Bill. Es wird ein Junge werden. Ich verspreche es dir.«
»Können wir ihn dann nicht William statt Wilson nennen?«, fragte er. »Ich war nie begeistert von meinem Vornamen.«
»Er wird nach dem großartigsten und nettesten Mann der Welt genannt, und das bist du.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich dich erwischt habe«, erklärte er mit so ehrlicher Bewunderung, dass sie ihn plötzlich leidenschaftlich küsste. Seine starken Arme, gebräunt von der Sonne Panamas, pressten die Frau an sich. Sie zuckte zusammen.
»Ach du lieber Himmel«, sagte er zerknirscht. »Das hätte ich nicht tun sollen.«
»Ich glaube nicht, dass etwas beschädigt ist«, erwiderte sie lachend. »Vielleicht geht es jetzt noch ein bisschen schneller.«
Ich glaube, er ist ein bisschen altmodisch, dachte Betty verliebt. Seine Zärtlichkeit und Wärme ließen sie aufblühen; denn sie wusste, dass sie ihm sehr ähnlich war, trotz ihrer etwas besseren Bildung. Wir sind eben ganz normale Menschen, sinnierte sie, und dafür bedarf es keiner Entschuldigung.
Auch das Baby würde ganz normal sein, und das war sicher das Beste. Genies hatten selten Freunde, niemand verstand sie. Wie einsam wäre die Welt, wenn es nur Genies gäbe!
All diese Gespräche und Überlegungen fanden vor dem Zwanzig-Minuten-Krieg statt.
Aber es sollte nicht mehr lange dauern.
Zweites Kapitel
Die Soziologen lächeln heutzutage amüsiert über die Weigerung verschiedener großer Staaten, damals die Weltausstellung in New York zu beschicken. Man sieht darin ein typisches Beispiel der politischen Engstirnigkeit jener Zeit. Aber es ist nicht schwer, hinterher klüger zu sein. Damals betrachtete man das Zögern jener Staaten, sich an der Weltausstellung zu beteiligen, mit Besorgnis. Die angeführten Gründe schienen an den Haaren herbeigezogen. Ein Staat behauptete, sich schon anderweitig gebunden zu haben, ein anderer wandte ein, die Weltausstellung verdiene ihren Namen gar nicht, weil nicht alle Länder vertreten seien, und ein dritter Staat sah nicht alle Formalitäten bei der Einladung gewahrt. Die Großmächte zogen es vor, ihre Fortschritte in der Atomwissenschaft zu verschleiern.
Um gefährlichen Spekulationen in der Presse vorzubeugen, stellten schließlich auch diese Staaten aus, wobei man es aber vermied, Dinge zu zeigen, die Schlüsse auf den jeweiligen Stand der Atomforschung zugelassen hätten.
Selbst so war die Einigung schwierig genug, und zahlreiche Delegationen mussten hin- und herreisen.
Auf dem Flughafen von Washington bestieg Andrei Anapolskoi die Düsenmaschine, mit der die sowjetische Kulturdelegation nach Moskau zurückflog. Die Delegation hatte ihre Arbeit beendet, alle Vorbereitungen für die Teilnahme Sowjetrusslands an der Weltausstellung waren getroffen, und die amerikanische Presse hatte zum Abschied ihre Vertreter geschickt.
Anapolskoi stieg als letzter die Gangway hinauf; denn er war kein offizielles Mitglied der Delegation. Er missgönnte es den anderen nicht, dass sie von den Reportern umdrängt und gefeiert worden waren. Nur natürlich, dass sich die amerikanischen Journalisten mehr für die Maße der Primaballerina des Bolschoi-Balletts interessierten, die der Direktor so eingehend beschrieb, als für die geophysikalische Tatsache, dass sich der Golfstrom in drei Arme teilt, bevor er Europa erreicht, und dann nach Panama zurückkehrt. Seit Hunderttausenden von Jahren hatte sich der Golfstrom an diese Wege gehalten. Aber das besaß eben keinen Neuigkeitswert, obwohl es ohne den Golfstrom wahrscheinlich keine Menschheit, gewiss aber keine Primaballerina gegeben hätte.
Andrei Anapolskoi war eben aus Panama zurückgekehrt, wo man ihm gestattet hatte, seinen wissenschaftlichen Neigungen nachzugehen und die Kanalanlagen zu besichtigen. Er schätzte sich glücklich, überhaupt ein Visum bekommen zu haben, weil man ja heutzutage allzu leicht in den Verdacht geriet, Spion oder Helfershelfer von Spionen zu sein.
Eigentlich musste er sich sogar glücklich schätzen, dass er noch am Leben war. Er entstammte einem alten Adelsgeschlecht, und die neuen Herren Russlands betrachteten diese Relikte einer alten Zeit mit Misstrauen. Aber gute Ozeanographen fand man nicht überall, und Andrei Anapolskoi war der führende Mann auf diesem Gebiet. Seine Karten über Meeresströmungen übertrafen an Qualität und Genauigkeit sogar die in England hergestellten.
Man hatte Anapolskoi zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR gemacht, und er genoss all die Annehmlichkeiten des täglichen Lebens, wie man sie in seiner Position auch in Russland nicht zu entbehren brauchte.
Nachdem die Düsenmaschine gestartet war, kratzten amerikanische Techniker die versengte Zementoberschicht an verschiedenen Stellen der Startbahn ab. Man hätte zu gerne gewusst, wie sich der russische Düsentreibstoff zusammensetzte. Bei den Laboruntersuchungen fand man Spuren von Aluminium. In der Feststoffantriebstechnik war die Verwendung von Aluminium nicht neu, aber dass es nun erstmals auch in flüssigen Treibstoffen auftauchte, gab einigen Anlass zum Nachdenken.
Andrei saß inzwischen in der Maschine zwischen einem Musiker und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten eines Satellitenstaates, der sich, offensichtlich in dem Bemühen, Konversation zu machen, mit sämtlichen Titeln vorstellte, und dann auf das Washington-Monument hinunterdeutete.
»Die Amerikaner waren also auch einmal Revolutionäre«, meinte er ironisch.
»Gewiss«, erwiderte Anapolskoi, »und es ist vielleicht ein Fehler, anzunehmen, dass sie die Ideale ihrer Revolution vergessen hätten.«
»Umso schlimmer für sie«, erklärte der Mann, der, wenn man seine Titel einmal beiseite ließ, schlicht und einfach Chanuris hieß. »Das Gute zu erkennen und es nicht zu tun – das ist unmoralisch. Im Übrigen möchte ich wissen, was sie eigentlich der Weltrevolution entgegenzusetzen haben.«
Anapolskoi räusperte sich. »Von Politik verstehe ich nichts«, erwiderte er gleichmütig.
Chanuris lächelte freundlich und wechselte das Thema. »Ich habe in New York das Prähistorische Museum besucht und habe lange vor dem Skelett irgendeines Dinosauriers gestanden. Seltsam eigentlich, nicht wahr, dass diese Lebewesen über Nacht verschwanden?«
Anapolskoi zuckte die Achseln. »Die Entwicklung ihrer Gehirne hielt nicht Schritt mit der Entwicklung ihrer Körper. Es mag natürlich auch an einem abrupten Klimawechsel gelegen haben.«
»Nein«, erwiderte Chanuris, »es lag am Wechsel des politischen Klimas. Der Dinosaurier verurteilte sich zum Untergang, weil er Individualist war. Die Herrschaft über die Welt wurde von den Primaten übernommen, weil sie gesellige Wesen waren und sind. Man kann wohl mit einiger Berechtigung sagen, dass eine vergleichbare Umwälzung auch in unserer Zeit stattfindet.«
Anapolskoi warf dem stellvertretenden Ministerpräsidenten einen geringschätzigen Blick zu. Von wissenschaftlichen Dingen schien der Gute keine Ahnung zu haben.
»Diskutieren lässt sich über alle Hypothesen«, meinte Anapolskoi unverbindlich.
Chanuris seinerseits ärgerte sich über die Überheblichkeit dieser Russen. Er hatte sowieso Grund, verschnupft zu sein, weil man sich in Moskau weigerte, seinem Land und den anderen Staaten im Balkan Atomwaffen zu überlassen. Der stellvertretende Ministerpräsident empfand das beinahe als persönliche Beleidigung, als Anmaßung der Kreml-Gewaltigen, die einfach von oben herab verfügten, wem zu trauen sei und wen man als Kind behandeln dürfe, dem jedes Spiel mit Zündhölzern zu untersagen war.
Aber es hatte wohl wenig Zweck, mit diesem Wissenschaftler zu politisieren. Man musste sich auf ein Gebiet begeben, das ihn wirklich interessierte.
»Der Nikaragua-Kanal hätte den Amerikanern größere Vorteile gebracht«, sagte Chanuris unvermittelt.
»Versteht sich«, erwiderte Anapolskoi sofort. »Dann hätte man sich die zahlreichen Schleusen und die Sprengungen in den Bergen von Panama ersparen können. Man braucht nicht eigens zu betonen, dass ein Kanal auf Meereshöhe praktischer ist.« Andrei erläuterte ausführlich die ebenfalls zu berücksichtigenden Unterschiede zwischen den Pazifik- und Atlantik-Gezeiten. Chanuris langweilte sich.
»Auch militärisch wäre es besser gewesen«, warf er ein. »Mit einer einzigen Bombe könnte man den Panamakanal lahmlegen.«
»Eine theoretische Möglichkeit, gewiss«, sagte Anapolskoi, »aber man möchte doch annehmen, dass die Großmächte eine friedliche Lösung ihrer Probleme vorziehen.«
»Sie stammen ja noch aus einem anderen Jahrhundert«, meinte Chanuris wegwerfend.
»Zugegeben. Warum ärgern Sie sich eigentlich darüber?«
»Weil ich in der Welt von heute lebe«, erwiderte Chanuris hitzig, »und weil die Kapitalisten nicht ruhen werden, ehe sie uns den Garaus gemacht haben, und vor allem, weil Ihr Land, Professor Anapolskoi, weil Ihre Regierung es ablehnt, uns mit jenen Waffen auszurüsten, die man einfach braucht, um der reaktionären Drohung begegnen zu können.«
»Es tut mir leid, aber davon verstehe ich nichts«, gab Anapolskoi nüchtern zurück.
»Das ist doch gar nicht wahr. Sie haben sogar beträchtlichen Einfluss.«
»Sie sind an der falschen Adresse«, beharrte Anapolskoi auf seinem Standpunkt. »Waffentechnik ist nicht mein Gebiet.«
»Aber Sie verstehen etwas davon.«
Anapolskoi zuckte die Achseln. »Nur so viel, wie jeder andere auch. Die Hiroshima-Bombe war noch primitiv; das Verhältnis von Masse zu Energie war noch sehr ungünstig. Alles übrige war radioaktiver Niederschlag. Man hat, wie Sie wissen, die Atom- und Wasserstoffbomben verbessert, wiewohl dieses Wort hier nicht am Platz ist.«
»Es müsste also doch noch eine große Anzahl von Atombomben geben, die im Endeffekt veraltet sind.«
Anapolskoi nickte. »Sicherlich. Damit ist aber nicht gesagt, dass man diese Bomben nicht mehr verwenden könnte. Meines Wissens ist man dazu übergegangen, durch eine besondere Art von Mantel um die kritische Masse die Energieausbeute erheblich zu steigern. Radioaktiver Niederschlag kommt kaum mehr vor; zumindest kann er auf ein Mindestmaß beschränkt werden.«
»Nun ja, diese Dinge sind für den Laien doch wohl zu schwierig«, meinte er abschließend, und er wusste gar nicht, wie recht er hatte.
Drittes Kapitel
»Ich habe mir einen Monat Urlaub genommen«, verkündete Bill Young eines Tages triumphierend. »Wir fahren nach Jamaika und ruhen uns einmal richtig aus.«
Er blies sich ein bisschen auf und grinste, als er sah, wie sie sich freute.
»Wie hast du denn das zuwege gebracht?«
»Ach, das mit dem Urlaub war ganz einfach.«
»Aber das Geld, Bill.«
»Na, ich hatte doch einiges gespart.«
»Bill, ich weiß ganz genau, wieviel wir auf der Bank haben.«
»Den Rest habe ich mir eben ausgeborgt. Ich bekomme Kredit, so viel ich will.«
»Wir haben uns doch noch nie etwas borgen müssen, warum fängst du jetzt damit an?«
»Lass nur, das ist schon alles in Ordnung. Ich hatte es schon seit langem geplant.«
Betty umarmte ihn, und in ihren Augen glitzerte es verräterisch.
»Was ist denn?«, fragte er. »Freust du dich denn nicht? Du weinst ja!«
»Ich weine nur, weil ich so glücklich bin, Bill.«
»Na!«, sagte er und küsste sie auf die Augen. »So seid ihr. Nur gut, dass ich dich immer durchschaue.«
Sie hatte sich nicht beschwert, aber es war für sie in ihrem Zustand sehr unangenehm gewesen, einkaufen und kochen zu müssen. Die Hitze und die Gerüche in der Küche verursachten Übelkeit. Sie war immer hungrig, konnte aber nach dem Kochen meist nichts essen.
»Es ist nur gut, dass du mich in eine Gegend bringst, wo mich keiner kennt«, meinte sie. »Ich sehe schrecklich aus.«
»Für mich bist du jünger und hübscher als je zuvor.«
Sie zuckte ein bisschen zusammen, bei dem für mich, als hätte er zugegeben, dass andere Leute bei ihrem Anblick unangenehm berührt waren.
»Ich denke wohl zu viel über mich nach«, meinte sie lachend. »Ich sollte mich lieber um Wilson Young jr. kümmern. Er ist doch kein Engländer, wenn er in Jamaika geboren wird, Bill?«
»Du lieber Himmel, nein. Kinder von amerikanischen Eltern sind grundsätzlich Amerikaner, gleichgültig, wo sie geboren werden.«
»Bill, ich habe doch ein bisschen Angst. Wenn es nur schon vorbei wäre«, sagte sie plötzlich.
»Heutzutage ist doch gar nichts mehr dabei«, beruhigte er sie. »Du wirst narkotisiert und spürst gar nichts.«
»Ihr Männer habt es gut«, erwiderte sie. »Ihr braucht ja die Kinder nicht auf die Welt zu bringen.« Aber sie wusste, dass er ihr nur die Angst ausreden wollte.
Bill erzählte ihr, dass der Ort, den er ausgesucht hatte, Las Palmas hieß und etwa zwanzig Meilen von Kingston entfernt war. Las Palmas lag auf einer Hochebene, und das Häuschen, das er gemietet hatte, befand sich an einem Berghang. Es war sieben Meilen von der Stadt entfernt, in der es ein gutes Krankenhaus gab. Auf einer ordentlichen Teerstraße konnte er es mit dem Wagen in fünfzehn Minuten erreichen. »Von der Veranda aus wird man es sicher sehen«, sagte er. »Es steht unten im Tal. Wir haben einen herrlichen Weitblick von unserem Haus aus.«
Es würde ihre Zuversicht stärken, wenn sie es bequem hatte und doch in unmittelbarer Nähe des Krankenhauses war. Auch er durfte beruhigt sein. Wenn sich das Baby zu nachtschlafender Zeit anmeldete, ließ sich das Krankenhaus binnen einer Viertelstunde erreichen; ohne größere Sorgen konnten sie den Tag herankommen lassen.
Bill und Betty flogen mit einer Kuriermaschine nach Jamaika. Sie war eines der letzten Flugzeuge, die Panama verließen.
Viertes Kapitel
In Moskau legte Anapolskoi seinen Bericht über die ozeanographischen Forschungen der Akademie der Wissenschaften vor, die Mitglieder der Kulturdelegation äußerten sich zu ihren Spezialfragen, und Chanuris meldete sich im Kreml. Sein Rapport fand gute Aufnahme. Von Revisionismus konnte bei ihm keine Rede sein. Gewiss, er verlangte Atomwaffen für sein Land. Er erklärte, dass sich sein Volk erst dann als gleichberechtigtes Mitglied der sozialistischen Welt fühlen könne, wenn ihm die UdSSR moderne Waffen anvertraue; man sei bereit, in vorderster Linie als Bollwerk gegen die Imperialisten zu stehen, aber dann könne die Sowjetregierung nicht verlangen, dass man sich mit einer Armbrust als Abwehrwaffe begnüge. Und die Herren im Kreml waren zwar nicht geneigt, ihre modernsten Waffen zu verteilen, aber warum sollte man diesem Balkanesen nicht ein paar veraltete Atombomben überlassen? Passieren konnte nichts. Die Satellitenvölker würden sich mächtig und bedeutend Vorkommen, und das war eine Chance mehr, sich ihrer unverbrüchlichen Treue zu versichern, zumal eine unauffällige Modifizierung der Bomben ihr Zerstörungspotential erheblich abzuschwächen vermochte. Außerdem schuf man damit ein Gegengewicht für die amerikanischen Bestrebungen, auch ihre Alliierten mit Atomwaffen auszurüsten. Ganz zu schweigen davon, dass es nahezu jedem Industriestaat möglich war, Nuklearbomben herzustellen. Selbst Japan hatte erstmals Raketen gestartet.
Man gab also Chanuris, was er verlangte; die Anzahl der Bomben war gering, ihre Zerstörungskraft beschränkt, aber er bekam sie.
Der stellvertretende Ministerpräsident versammelte seine Wissenschaftler und erzählte von dem Metallmantel um die kritische Masse, der es ermögliche, die Sprengkraft der Bombe zu steigern. Erfreut vernahm er, dass prinzipiell nichts dagegen einzuwenden sei und man entsprechende Vorbereitungen treffen würde.
Chanuris hätte jederzeit für seine Überzeugungen das Leben hingegeben. Er träumte von einem Sieg, dem letzten, entscheidenden, nach dem man ihm in der Hauptstadt der Union der Sowjetrepublik ein gewaltiges Denkmal errichten würde. Sein Name musste in allen Geschichtsbüchern stehen, wenn er jenen Krieg eingeleitet hatte, der die Welt von falschen Ideologien reinigte und die Vernichtung der kapitalistischen und imperialistischen Mächte mit sich brachte.
Allein, ganz auf sich gestellt, wollte Chanuris jenes Wunder wirken, das Frieden und Freundschaft auf der Erde schaffen musste. Die Amerikaner würden den Krieg nicht beginnen, nach dem er sich sehnte, denn er hatte ihre Geschichte studiert. Sie schlugen nur zurück, wenn man sie angriff. Selbst die Russen schienen an sich zu halten. Vielleicht waren auch sie zu weich geworden, dekadent, hatten ihre Ideale verloren. Nur Chanuris fühlte sich von einer Sendung durchdrungen.
Wäre er Realist gewesen, wie die Leute im Kreml, dann hätte er die Schwierigkeiten, auf eigene Faust einen Krieg auszulösen, vorausgesehen. Hätte er Ähnlichkeit mit Anapolskoi besessen, dann wäre ihm allein schon der Gedanke an solche Dinge abstoßend erschienen. Wäre er ein normaler Intrigant, ein durchschnittlicher Schurke gewesen, dann hätte ihn der sowjetische Geheimdienst gar bald unschädlich gemacht. Aber die Besessenen sind nicht nur geschickt, sie haben auch meistens Glück, und man merkt immer zu spät, dass ihr Weg in den Abgrund führt. Chanuris kam auf eine Idee, auf eine so simple Idee, dass man sie beinahe genial nennen musste.
Als Werkzeug wählte Chanuris einen verrosteten alten Frachtdampfer, der den poetischen Namen Jadwiga trug. Seit Jahren verkehrte das Schiff zwischen dem Mittelmeer und der Westküste Südamerikas.
Verborgen unter zahllosen anderen Kisten lag eine Atombombe. Auf den Kistenbrettern stand Stahltrossen, und das Ganze war an eine Ölfirma in Valparaiso adressiert. Die Bombe gehörte zum Typ Hiroshima. Nur der Mantel war neu. Chanuris zweifelte nicht im mindesten daran, dass durch diese Verbesserung der erwünschte Erfolg zu erzielen war, wenngleich seine Wissenschaftler sich nicht festlegen wollten, weil ja keine Möglichkeit bestanden hatte, die Waffe zu testen.
Zur rechten Zeit am rechten Ort sollte die Bombe explodieren und damit den Dritten Weltkrieg auslösen.
Als rechten Ort wählte Chanuris die Pedro-Miguel-Schleuse des Panamakanals. Der rechte Zeitpunkt war gekommen, sobald sich die Jadwiga dort aufhielt, sobald die Schleusentore geschlossen wurden und sobald das Schiff mit Stahltrossen an den sechs Treidel-Lokomotiven befestigt war.
Chanuris sehnte sich danach, an Bord der Jadwiga zu sein, wenn sie den Kanal erreichte, und persönlich dafür zu sorgen, dass die Bombe zur Explosion gebracht wurde.