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Als Mina und Urs endlich Nachwuchs erwarten, müssen sie darüber nachdenken, Helfer für die Arbeiten auf der Alm einzusetzen. Ein junges Pärchen, das hier seinen Urlaub verbringt, nimmt spontan eine Festanstellung auf dem urigen Hof an. Die Schüchts wissen, einen Glücksgriff getan zu haben, denn die beiden arbeiten hervorragend. Nicht einmal der hellsichtige Urs ahnt, was schon sehr bald noch geschehen wird.
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Es ist zwei Jahre her, seit die Landwirte Urs und Mina auf dem Schüchthof die Sagenfeuer ins Leben gerufen haben. Durch den ständigen Publikumsverkehr an den Sonnabenden kommen sie kaum noch zum Verschnaufen und so bleibt es nicht aus, dass sie über weitreichende Veränderungen nachdenken müssen.
„Wir brauchen Saisonhelfer während der Heuernte und jemanden, der im Stall mit anfasst“, sagte Urs, als wieder mal Trubel wie in einem Tollhaus herrschte.
„Zu dieser Erkenntnis bin ich heute auch endgültig gekommen“, seufzte Mina. „Und wir brauchen noch was – einen festen Zaun oder eine Mauer am unteren Ende des Hangs. So viel Unvernunft, wie wir heute wieder von zwei Personen erlebt haben, geht auf keine Kuhhaut!“
„Ich habe ja eine Idee. Ich weiß nur nicht, wie wir die umsetzen könnten. Mir schwebt vor, große Steinblöcke von der Mure als Mauer zu legen, die sagt: bis hierher und nicht weiter. Nur, wie kriegen wir die Felsbrocken nach oben? Es sind ja einige Meter zu überwinden.“
„Einige Meter ist gut“, lachte Mina. „Aber das erscheint mir auch sinnvoller, als Pfähle zu setzen. Und ganz nebenbei würde ich mich ebenfalls sicherer fühlen, wenn ich mit dem Traktor zugange bin.“
„Ich habe schon hin und her gerechnet, ob man eine Seilwinde nehmen könnte“, verriet Urs. „Das Ansinnen ist utopisch.“
„Was, wenn wir die Murenreste abhaken, und nehmen, was noch auf dem Hang liegt? Da können wir uns in Ruhe heraussuchen, was von der Größe passt, um mit Max gezogen zu werden“, warf Mina ein. „Notfalls muss eben noch ein Klecks Mörtel dran, damit es eine Mauer wird. Bei den Sockeln der Häuser hat es doch auch funktioniert. Kniehoch würde durchaus reichen. Oder hast du wirklich vor, megalithisch zu bauen?“
„Äh ... nein“, schmunzelte Urs. „Also ist es beschlossen, wir holen, was wir vor der Nase liegen haben.“
„Nächster Punkt: Die Schneefräse“, sagte Mina. „Die sollten wir schleunigst bestellen, denn dass es mit der Schiebemulde von Max nichts Halbes und nichts Ganzes wird, haben wir jetzt zwei Jahre durch.“
„Aber wenn, dann eine zum Draufsetzen, damit wir vielleicht auch die Straße ganzjährig befahrbar halten können“, schlug Urs vor.
„Angenommen!“ Mina hakte den nächsten Punkt ab. „Kommen wir zur Personalfrage. Wen kann man heute noch begeistern, in aller Herrgottsfrühe aufzustehen und bis in die Abendstunden zu arbeiten?“
„Keinen, vermute ich“, murmelte Urs. „Wie wäre es mit Praktikanten im Zweischichtbetrieb? Kost und Logis gratis.“
„Das ist eine Option. Ich werde für beide Varianten Anzeigen an die Tafel im Landhandel pinnen“, erklärte Mina, mit den Händen ihr Gesicht reibend.
Urs nahm sie in den Arm. „Ich mache mir Sorgen um dich. Seit fast zwei Wochen bist du auffallend blass. Vielleicht solltest du ein paar Tage Auszeit nehmen, zu Andreas und Brenda fahren, und dich erholen.“
„Und dich mit der ganzen Arbeit allein lassen. Na klar!“ Mina schüttelte missbilligend den Kopf. „Ich war der Meinung, wir hätten soeben darüber gesprochen, dass es zu zweit schon nicht mehr zu schaffen ist.“
„Struppi scheint sich auch Sorgen zu machen, so, wie er dir auf Schritt und Tritt folgt“, merkte Urs an.
Mina zog Urs an der Hand auf die Eckbank neben sich. „Ist besser, wenn du dich hinsetzt.“ Und ehe er erschrecken konnte: „Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit.“
Eine Sekunde nichts, außer tellergroße Augen, dann ein Freudenheuler, der Struppi veranlasste, den Weltrekord im hundert Meter Lauf zu brechen. „Oh, mein Gott! Und das sagst du so ganz nebenbei? Seit wann weißt du es?“, rief Urs.
„Seit heute Morgen“, blinzelte Mina.
„Ich muss eine Wiege bauen und ein Kinderbett!“, rief Urs hektisch.
Mina schüttelte lachend den Kopf. „Ich brühe dir erst mal einen Kaffee auf. Du beruhigst dich ein bisschen und dann reden wir weiter.“
„Wir brauchen auf jeden Fall eine sichere Mauer am unteren Ende der Wiese“, murmelte Urs besorgt. „Nicht, dass das Krümelchen in den Abgrund stürzt.“
„Was gab es in deiner Kindheit für Absperrungen?“, fragte Mina.
„Keine“, erwiderte Urs kleinlaut.
„Na also! Dann wird auch die kleine Mauer reichen, gepaart mit Aufsicht und Struppis Bewacherinstinkt. Wir sollten nur langsam einen zweiten Hund ins Auge fassen, weil Struppis Alterswehwehchen immer deutlicher zutage treten. Es weiß ja keiner wirklich, wie alt er schon war, als wir ihn aufgenommen haben. Du wirst also am besten mit ihm zusammen zum Tierheim fahren und nach Zuwachs Ausschau halten, mit dem er sich gut verträgt.“
„T ... Tierheim“, stotterte Urs. „Hm. Eigentlich gar nicht so übel, die Idee. Ich will morgen sowieso Späne für die Hühner aus dem Sägewerk holen, da komme ich ja fast dran vorbei“, erklärte er mit fragendem Unterton.
„Von mir aus auch gleich morgen“, schmunzelte Mina, weil Urs immer noch völlig konfus zu sein schien.
In den abendlichen Nachrichten für Minas Bruder und seine Frau verrieten sie, dass Nachwuchs unterwegs war. Andreas rief im Bruchteil eines Wimpernschlags mit Videotelefonat bei ihnen an. „Juhuuuu, ich werde Onkel!“
„Oder Tante, falls es ein Mädchen wird“, witzelte Urs, worauf Andreas in schallendes Lachen ausbrach.
„Der war gut“, kicherte er vergnügt. „Nun werdet ihr aber ernsthaft über Hilfe nachdenken müssen.“
„Das haben wir heute Nachmittag getan“, verriet Mina und zählte die wichtigsten Punkte auf.
Andreas hörte sich die Sache mit der Mauer aufmerksam an, besonders was Urs‘ erster Gedanke gewesen war.
„Da die Bergflanke mit zu seinem Besitz gehört, wie wir nun ganz sicher wissen, schlage ich eine Hubschrauberaktion vor“, sagte Andreas. „Ausbildung für Industrieflieger oder so. Sie können unten lernen, die Blöcke anzuschlagen und aufzunehmen und oben, sie mit Präzision an der Hangkante abzusetzen. Ich werde Bruno umgehend beauftragen, sich mit entsprechenden Ausbildern zu beschäftigen.“
„Wer soll denn das bezahlen?“, entsetzte sich Urs.
„Keiner von uns. Die können froh sein, wenn sie einen Übungsplatz für schwierige Einsätze kostenlos kriegen“, grinste Andreas. „Das Beste wird sein, wir kommen am Wochenende zu euch.“
„Prima Idee!“, freute sich Mina. „Da ist kein Sagenfeuertermin und uns tut es gut, mit euch Zeit verbringen zu können.“
Als das Gespräch beendet war, begab sie sich in die Käserei, um die fertigen Laibe mit Salzlake abzubürsten und zu wenden. Sie schmunzelte, als von nebenan das Kreischen der Kreissäge erklang. Urs war garantiert dabei, Bretter für eine Wiege zuzuschneiden. Sie ließ ihn gewähren, denn das war wohl das Einzige, womit er sich jetzt ein wenig herunterfahren konnte. Sie sollte sich auch nicht geirrt haben.
„Eine Wiege war damals mein Gesellenstück“, verriet er freudestrahlend, als Mina in seiner Minischreinerei auftauchte. „Wenn du sie am Ende noch verzierst, wird sie bestimmt die Schönste auf der ganzen Welt sein.“
„Gute Idee!“ Mina hatte schon lange ein elektrisches Gerät bekommen, um nicht mehr mühsam mit Propangasflamme und Nägeln die kleinen Dosen, Etuis und Tabletts in Brenntechnik verzieren zu müssen, die sie in den Wintermonaten fertigten. Besonders die mit ihren eigenen Teemischungen gefüllten Kästchen waren der Renner, seit Mina auch fertige Teebeutel zum Aufbrühen abpackte.
Für jene, die keine Verzierungen mochten, hatte Urs mit Walter vom Sägewerk einen Handel abgeschlossen. Der legte ihm alles an Brettern beiseite, was eine besonders auffällige Maserung hatte. Urs nahm sogar Holz mit Astlöchern, das sonst keiner haben wollte.
„Mir ist gerade noch etwas eingefallen“, sagte Mina. „Wir sollten zukünftig nur aller zwei Monate ein Sagenfeuer veranstalten. Die Leute werden immer unvernünftiger, richten immer öfter Schäden an und bei Schuldgefühlen herrscht komplette Fehlanzeige.“
„Ja, da gebe ich dir recht“, seufzte Urs. „Ich werde unsere Homepage entsprechend ändern. Die bereits gebuchten Veranstaltungen führen wir noch durch, aber alles andere wird stark herunter gefahren. Unter 15 Personen wird es nicht mehr stattfinden, 20 Personen sollen das Maximum sein. Alles wird verhandelbar, aber nicht mehr selbstverständlich, sein. Ich rufe unsere beiden Reiseveranstalter heute noch an, damit sie sich darauf einrichten können. Wenn unser Kleines da ist, werden wir ein ganzes Jahr pausieren.“
„Einverstanden.“ Mina strich mit den Fingerspitzen über die zugeschnittenen Bretter. „Ich bewundere deine Kunstfertigkeit.“
„Schatz, ich glaube, das beruht auf Gegenseitigkeit“, sagte Urs lächelnd.
„Noch was: Die windgeschützte Stelle, die wir als Parkplätze vorgesehen hatten, bepflanze ich mit robusten Obstbäumen“, offerierte Mina.
„Da haben vor dem Lawinenabgang auch welche gestanden“, erklärte Urs, „Und auf dem Stück, wo jetzt das Geröll liegt.“
„Ein Grund mehr, den Hang zu beräumen“, blinzelte Mina. „Aber so, dass es am Rand des flachen Teils einen Steinwall ergibt. Damit wir keine Angst um unser Krümelchen haben müssen, wenn es naschen geht.“
Sie liefen gemeinsam zum Wohnhaus. Urs blieb vor der Tür stehen und taxierte Struppis Fressnapf. „Ist genug Platz, damit sie sich beim Fressen nicht ins Gehege kommen.“
„Oha! Wenn du so reagierst, spinnen die Parzen doch schon die Fäden!“, rief Mina. „Ich werde also morgen nicht in Ohnmacht fallen, wenn du tatsächlich einen neuen Hund mitbringst.“
„Sachte, sachte“, dämpfte Urs die Euphorie. „Du weißt doch, dass man mehrmals vorstellig werden muss, um einen mitnehmen zu dürfen. Mit gleich mitbringen, dürfte es also kaum etwas werden.“
Struppi freute sich riesig, als er mit Urs auf Autotour gehen durfte. Das kam äußerst selten vor und so wedelte er derart wild mit dem Schwanz, dass Mina in schallendes Lachen ausbrach. Als er später im Sägewerk von Walter noch eine halbe Bockwurst bekam, war Struppi endgültig selig.
Urs lud die Säcke mit den Sägespänen ein, sicherte Struppi und schlug den direkten Weg zum Tierheim ein. Als er den letzten Hügel hinunter fuhr, konnte Urs schon mehrere Hunde in den Außenanlagen sehen. „Vielleicht sind wir ja für einen von denen heute die Glücksfeen“, murmelte er, im Rückspiegel nach Struppi schauend, der die Ohren spitzte. Er suchte sich einen schattigen Parkplatz, ließ Struppi aus dem Auto, hakte die Leine ein und schritt auf das Tor zu, als er aus einem anderen Auto heraus angesprochen wurde. „Müssen Sie Ihren Hund auch abgeben?“
Urs drehte sich erstaunt herum. „Meinen Hund abgeben? Niemals! Er ist mit hier, damit er sich einen Kameraden aussuchen kann, mit dem er gut klar kommt.“ Urs trat nah heran, der Fremde bekam riesengroße Augen. Im Kofferraum fiepte jämmerlich sein Hund, der zu spüren schien, was man ihm angedacht hatte. Struppi lauschte irritiert.
Der Mann erzählte unter Tränen: „Meine Frau hat eine schwere Allergie gegen Tierhaare entwickelt. Auf die Desensibilisierung spricht ihr Immunsystem nicht an. Im Gegenteil – es ist dadurch nur noch viel schlimmer geworden. Ich habe versucht, den Kleinen privat zu vermitteln. Aber alle schrecken vor seinem Bewegungsdrang zurück. Ich sitze seit einer halben Stunde hier und bringe es einfach nicht fertig, dort hinein zu gehen.“
„Was ist es denn für ein Hund?“, fragte Urs.
„Ein Australian Shepherd, acht Monate alt“, erklärte der Fremde, mehrmals die Nase hochziehend.
Urs überlegte einen Moment. „Darf ich ihn sehen?“
Der Mann nickte, stieg aus und öffnete den Kofferraum, wo in einem Transportkäfig der winselnde Hund hockte. Struppi schaute Urs erwartungsvoll an.
„Du möchtest ihn auch sehen“, stellte Urs lächelnd fest, Struppi sanft kraulend, worauf der Fremde in wahre Sturzbäche von Tränen ausbrach. Er machte die Tür des Käfigs auf und hob den Hund heraus.
„Na so was! Der hat ja fast die gleiche Augenfarbe wie ich!“, rief Urs völlig überrascht. Nun verstand er auch, warum der todunglückliche Besitzer des Tieres bei seinem Anblick in Tränen ausgebrochen war.
Struppi machte es nichts aus, dass ihn der ungestüme Jungspund ansprang. Er schnüffelte überaus interessiert. Nur die Aufforderung zum Spielen nahm er nicht an, weil ihn die Leine störte. Er lief aber ein ganzes Stück neben dem Fremdling her und stöberte mit ihm im Gras.
„Wie heißt er?“, fragte Urs.
„Astor“, gab der Fremde leise Auskunft.
Urs beugte sich zu den beiden Hunden hinunter und bekam von Astor einen feuchten Kuss, ohne dass Struppi knurrte. „Was meinst du, Struppi? Wollen wir Astor mit nach Hause nehmen? Da kann er mit dir den ganzen Tag über die Wiese tollen, die Ziegen hüten und aufpassen, dass ihnen nichts geschieht. Ich glaube, der Job wird ihm gefallen. Denn dazu sind Shepherds ja eigentlich gezüchtet worden.“
„Sie ... Sie ... Sie würden ihn wirklich mitnehmen?“, fragte der Besitzer hoffnungsvoll.
„Sofort und auf der Stelle“, gab Urs bekannt. „Struppi bekommt einen Kumpel, den er jetzt schon zu mögen scheint, ich einen Hund, der Hütequalitäten in den Genen hat. Dem armen Kerl bleibt es erspart, in einer kahlen Zelle sein Dasein zu fristen und von einem zum anderen gereicht zu werden, weil man einen unbändigen Bewegungsdrang, der genetisch bedingt ist, nicht einfach aberziehen kann.“ Urs nahm das Handy aus der Tasche. „Schauen Sie, das ist unsere Ziegenherde. Mir gehören mehrere Hektar Land, bis hinunter ins Tal, Auslauf ist also garantiert. Und wenn Sie möchten, können Sie Astor besuchen kommen.“ Er reichte ihm eine Visitenkarte.
„Bei Ihnen wird er es wirklich gut haben. Darf ich zum Abschied Bilder von beiden Hunden machen?“, bat der Mann.
„Aber gern doch. Was bekommen Sie von mir für Astor?“, fragte Urs.
„Nichts. Ich bin glücklich, dass er ohne Tierheim ein neues Zuhause gefunden hat.“ Sie setzten auf einem Blatt Papier einen Kaufvertrag auf, den sich der Verkäufer abfotografiert. Er händigte Urs alle Papiere und persönlichen Dinge von Astor aus, sogar die Kofferraumtransportbox. Jegliche Bezahlung schlug der Mann aus. Er schaute zu, wie Astor ohne Zögern zu Struppi auf die Rückbank des großen Geländewagens sprang und seine Leine am Gurtsystem festgemacht wurde.
Urs schichtete zwei Säcke auf die vorderen Rücksitze um, verstaute die Box im Kofferraum und hob zum Abschied grüßend die Hand. Als er davon fuhr, ließ auch der Fremde sein Auto an.
Mina glaubte, zu träumen, als ihr strahlend blaue Augen neugierig entgegenschauten. „Was bist du denn für ein Süßer?“, staunte sie.
„Ein waschechter Hütehund“, schmunzelte Urs und erzählte die völlig verrückte Geschichte, wie er zu diesem gekommen war.
„Herzlich willkommen in Rübezahls Reich! Da hat der Berggeist wieder mal jemanden direkt vor Bösem bewahrt“, lachte sie. „Wir sollten ihn gleich mit allen Tieren bekannt machen. Bevor wir irgendwas anderes beginnen.“
Struppi war, endlich die Leine los, bei ihnen stehengeblieben. Er trabte mit, als Urs den Neuen herumführte.
Karli kam heran. „Mäh?“
Astor stutzte und beäugte den großen Pinzgauer Ziegenbock mit den gewaltigen Hörnern genau so neugierig, wie der ihn.
„Mähähäääääää!“, machte Karli, stupste den Neuen mit den Hörnern und schloss sich dem Rundgang an.
Urs grinste vergnügt. „Prima. Wenn er ihn akzeptiert, ist alles gut.“
Beim Anblick von Esel Sepp klemmte Astor zuerst die Rute ein, begann aber ganz schnell damit zu wedeln, weil er spürte, dass das große unbekannte Tier von der friedlichen Sorte war.
„Er wird schon lernen, wie ein richtiger Hund zu leben“, winkte Mina ab.
Die Kater Tom und Jerry machten einen Buckel und fauchten Astor an.
„Bei denen musste du dich nur vor den Krallen in Acht nehmen. Aber auch das wirst du schnell herausfinden“, merkte Mina an, ihn streichelnd.
Als Astor nach einem vorwitzigen Huhn schnappen wollte, sagte Urs scharf: „Nein!“
Astor legte die Ohren an.
Urs war sich sicher: „Er wird es schnell lernen. Auf alle Fälle stecke ich in das Klarsichtfach an seinem Halsband erst mal Adresse und Telefonnummer.“
„Ist er gechipt?“, fragte Mina.
Urs nickte. „Ist er. Da sollten wir auch umgehend den Kauf hin melden, damit man ihn zuordnen kann, falls er stiften geht.“
„Jetzt bekommt er erst mal seinen Napf neben den von Struppi gestellt.“ Mina füllte auch sofort für beide Hunde Futter ein und fotografierte, um die Abendnachrichten interessant zu machen. Ihr gelang es sogar, ein Bild mit beiden Hunden auf der Bank an der Quelle neben Urs aufzunehmen. Sie saßen, ihre Köpfe an seine Schultern gelegt. Perfekt, um das fast identische strahlende Blau der beiden Augenpaare richtig vergleichen zu können.
Kaum war das Bild mit dem Titel ‚tierischer Zuwachs‘ im Netz, kamen Daumen nach oben, Herzchen und unzählige Fragen. Der ehemalige Besitzer schickte Urs auf Facebook eine Freundschaftsanfrage, um aus der Ferne ein bisschen an Astors Leben teilhaben zu können und er bedankte sich im Namen seiner Familie für all das Gute, dass Astor nun erleben durfte.
Als Andreas und Brenda am Wochenende kamen, wurden sie von beiden Hunden in Empfang genommen. Die freudig wedelnde Rute von Struppi hatte Astor signalisiert, dass etwas sehr Angenehmes im Anmarsch war. Die Leckerli, die sie bekamen, bestätigten das.
„Ich dachte schon, den hättest du nach der Augenfarbe ausgesucht“, kicherte Brenda, als Urs erzählte, wie er zu Astor gekommen war.
Andreas sagte pathetisch: „Und wieder einmal ist Rübezahl aus dem Nichts erschienen, um zwei völlig verzweifelten Wesen Trost zu spenden.“
„Mir läuft es gerade wieder wohlig-schauerlich den Rücken runter“, seufzte Brenda, die Hunde mit Synchronstreicheln verwöhnend.
Karli kam heran, weil es ja gar nicht anging, dass die Schwanzwedler gestreichelt wurden, er aber leer ausgehen sollte.
„Mäh, mäh, mäh, mäh, mäh“, machte er mit selig verdrehten Augen, weil ihn Andreas sofort kräftig durch knuddelte.
„Hast immer noch dieselbe fürchterliche Parfümmarke“, grinste Andreas, nun genauso penetrant wie der Bock riechend.
„Mähähäääääää!“, erwiderte Karli mit fast schadenfrohem Ton und stupste ihn mit den Hörnern an.
Brenda lachte herzlich. Sie hatte sich Sepp gegriffen, der es ebenfalls sehr genoss, gekrault zu werden. „Gut siehst du aus, mein Großer. Hast eine frische Pediküre bekommen.“
„Da lässt Mina auch keine Luft ran. Alle acht Wochen kommt der Hufschmied, wie sich das gehört“, erklärte Urs. „Ausgenommen die Wintermonate, wo die Straße nicht befahrbar ist.“
Andreas wusch sich die Hände, dann trug er die Reisetasche ins Wohnhaus und zog strapazierfähige Freizeitkleidung an. Er liebte es, auf dem Hof zu helfen. Brenda beeilte sich, es ihm gleichzutun. Mina werkelte schon in der Küche. Sie hatte ihren berühmten Linsentopf mit Kassler vorbereitet und freute sich, dass alle mit strahlenden Augen am Tisch Platz nahmen.
Und weil sie das an frischer Luft vor dem Haus machten, stellten sich auch sofort die „Schnorrer“ ein, wie Andreas jedes Mal lachend feststellte. Hunde und Katzen lauerten auf der Wiese, ob sich etwas abstauben ließe. Die Kater hatten sich inzwischen an Astor gewöhnt. Sie fauchten nicht mehr, wenn er in ihre Nähe kam.
„Ist das Zufall?“, fragte Brenda überrascht, als sich Minuten später Astor und Sepp ein Wettrennen auf der Ziegenweide lieferten.
„Das dachten wir gestern auch“, erwiderte Urs. „Aber wenn sie es heute schon wieder tun, steckt vielleicht ein tieferer Sinn dahinter, der sich uns noch nicht erschließt. Karli ist im Augenblick ganz mit seinen Damen beschäftigt, Struppi kommt in die Jahre und Astor hat frischen Wind mitgebracht. Bisher flitzte Sepp ja nur, wenn ein Pferdetransporter aufkreuzte. Seit gestern haben wir ihn mehrmals galoppieren sehen.“
„Zuerst dachten wir sogar, Astor würde ihn hetzen“, erzählte Mina. „Aber das war ganz und gar nicht der Fall, weil Sepp hinter ihm her lief. Ich habe sogar ein kurzes Video aufgenommen, weil ich ziemlich erstaunt war, dass Sepp auch anders kann, als zögernd ein Bein vor das andere zu setzen. Möglich, dass er in Astor einen Seelenzwilling hat und aus purer Lebensfreude so reagiert. Das wäre die schönste Variante. Astor scheint für ihn der ideale Partner, zum Herumtoben zu sein. Schaut mal, wie sanft die beiden ihre Nasen aneinanderlegen.“
Da wanderten die ungleichen Tiere auch schon Seite an Seite zur Tränke, um sich zu laben, worauf sie zur Ziegenherde zurückkehrten. Struppi hatte die ganze Zeit in der Sonne gelegen. Nun gesellte er sich zu ihnen.
Die Frauen räumten den Tisch ab und bestückten den Geschirrspüler, der seit einem Jahr die vergrößerte und modernisierte Küche komplettierte. Andreas war es gelungen, einen Bergwerkspezialisten anzuheuern, der die alten Pläne lesen und mit hightech zu neuem Leben erwecken konnte. Sie hatten sogar einen Wasserturm in Optik eines kleinen Silos errichtet, um immer genügend Druck für alle Gebäude zu haben.
„Bruno ist fündig geworden“, begann Andreas zu berichten, als die Frauen zurückkamen. „Wir haben zwei Interessenten, die sich die Örtlichkeiten anschauen und Gesteinsproben nehmen möchten, ehe sie für ihre Piloten einen Ausbildungsplan erstellen.“
„Selbstverständlich, irgendwie müssen sie ja das Gewicht errechnen“, sagte Urs. „Wir haben übrigens beschlossen, den flachen Hang zu beräumen und Obstbäume zu pflanzen. Wenn sie es vorziehen, die Steine von da zu holen, ist das für uns auch okay. Aus dem, was dann noch liegt, werden wir eine Begrenzung an der Abbruchkante zusammenschieben. Was für jeglichen Transport zu groß ist, wird ganz einfach in die Gestaltung einbezogen.“
„Der erste Interessent wird am Dienstag zehn Uhr kommen“, gab Andreas bekannt. „Vermutlich per Heli.“
„Der Landeplatz wird frei sein“, versprach Urs. „Das Heu pressen und beräumen wir ab heute Nachmittag.“
„Rückentraining“, blinzelte Brenda. „Ich bin dabei.“
„Dem zweiten Firmeninhaber genügt Bildmaterial“, erklärte Andreas, Urs genau beobachtend.
Urs verzog das Gesicht. „Möge es der liebe Gott regeln, dass der Erste zusagt. Beim Zweiten bekäme ich vermutlich Bauchschmerzen. Dem würde ich nur Papiere bereitstellen, wenn der andere kategorisch ablehnt.“
Andreas atmete auf. In seinem Kopf kreisten Horrorszenarien, wenn er an solch ein Vorgehen dachte.
„Wir müssen“, sagte Mina mit Blick auf die Uhr.
„Geht los!“ Urs koppelte die Ballenpresse an Traktor Max.
Mina schwang sich auf den Sitz. „Ich presse nur so viel, wie ihr mit Aufladen nachkommt.“
Urs schob den Hänger auf die Wiese, als die erste Reihe lag. Er klappte das Standbein des Einachsers aus und sie begannen, die kleinen Ballen einzusammeln.
„Seid ihr voll ausgebucht?“, stellte Andreas in fragendem Tonfall fest, als zwei Geländewagen die Straße herauf kamen.
„Ja. Es sind vier junge Pärchen, die Klettertouren und Bergwanderungen unternehmen“, erklärte Urs. „Eine wirklich angenehme Gesellschaft. Die krakeelen nicht und morgens ist der Grillplatz tipptopp aufgeräumt.“
Die beiden Fahrzeuge erreichten den Hof, Autotüren klappten und einen Augenblick später tauchten alle Gäste auf, um ohne Federlesen mit anzupacken. Nach zwei Stunden war das gesamte Heu gepresst und der letzte volle Hänger musste nur noch in der Scheune entladen werden. Urs bedankte sich recht herzlich für die große Hilfe und spendierte zwei Kisten Bier.
„Ach, da ist ja der süße Ziegenbock“, rief eine der jungen Frauen, die Gelegenheit nutzend, den stattlichen Karli aus der Nähe zu betrachten. „Bist ein ausgesprochen hübscher“, stellte sie fest, ihn auf der Stirn kraulend.
„Mäh, mäh, mäh, mäh, mäh!“
„Schaut euch den Genießer an!“, lachte Andreas, weil Karli gar nicht genug bekommen konnte.
„Ich komm dich morgen wieder besuchen“, schmunzelte die junge Frau, den anderen rasch nachlaufend.
„Mähähäääääää! Mähähäääääää! Mähähäääääää!“
Ihm antwortete ihr vergnügtes Lachen.
„Karli, unser Frauenheld“, grinste Urs. „Egal, wie sehr er müffelt, jede findet ihn süß, niedlich, knuffig und knuddelig. Wir können schon gar nicht mehr mitzählen, auf wie vielen Fotos dieser Welt er mit Frauen abgelichtet ist.“
„Kriecht jetzt Neid hoch?“, stichelte Mina.
„Auf den Geruch oder die Bilder?“, fragte Urs mit treuherzigem Blick.
Andreas lachte schallend, über die Art, wie die beiden sich stets witzig behakelten. Da blieb keiner dem anderen etwas schuldig.
Als Mina und Urs die Tiere versorgten, bereiteten Andreas und Brenda den Grillabend vor.
„Ich habe eine brütende Araucana und eine Plymouth Rock entdeckt“, gab Mina freudig bekannt. „Vielleicht sollten wir doch einen extra Stall für die Hühner bauen, weil es langsam eng wird.“
Urs setzte zum Sprechen an, brach aber sofort ab, ehe der erste Ton überhaupt heraus war. Andreas schaute ihn fragend an. Urs antwortete mit einem Kopfschütteln.
„Habt ihr größere Probleme?“, fragte Andreas besorgt.
Beide schüttelten die Köpfe. „Ich habe nur letztens einen Traum laut ausgesprochen, der in der momentanen Situation völlig utopisch ist“, seufzte Mina.
„Utopischer als die Südseeinsel?“, staunte Brenda.
Mina hob hilflos die Hände. „Aber nur, weil es viel Arbeit mit sich bringt. Ich habe mir zwei Alpakas gewünscht. Wegen der Wolle“, fügte sie rasch hinzu.
„Ich habe lange darüber nachgedacht“, hob Urs zu erklären an. „Es birgt zu viele Risiken für die Alpakas, sie mit anderen Tieren zu halten, schon wegen der Darmparasiten der anderen Tiere, die für Alpakas tödlich sein können. Wenn es wirklich nur um Wolle geht, und die nicht unbedingt vom Alpaka sein muss, würde ich dir drei Braune Bergschafe zum Geburtstag schenken. Die haben dichte Wolle, geben Milch und sind alpentauglich, weil die Wolle wasserabweisend ist. Wenn wir für die technischen Geräte eine kleine Garage mit zweitem Heuboden errichten, haben alle Tiere in der großen Scheune Platz. Sogar das Hühnerhaus kann ich auf das Doppelte verlängern. Aber eben erst, wenn wir verlässliche Helfer für die Saison haben.“
„Dann könnte ich sogar Schafskäse machen“, überlegte Mina laut.
Die Hunde spitzten plötzlich die Ohren, blieben aber liegen.
„Entschuldigung“, sagte eine Stimme aus der Dunkelheit. Es war einer der Sommerfrischler. „Wir haben vorhin die Werbung an der Heckscheibe ihrer Gäste gesehen. Haben Sie zufällig direkten Kontakt mit dem Händler für Kletterausrüstung oder werben Sie nur?“
„Ich bin die Firmeninhaberin“, antwortete Brenda lächelnd.
„Oh. Sehr erfreut. Jetzt bin ich sprachlos“, stammelte der junge Mann völlig überrascht. „Ich bin auf der Jagd nach diesem Biwakpaket. Ich habe es vorbestellt, stehe aber an zehnter Stelle. Besteht eine Hoffnung, es bis zum nächsten Jahr zu haben?“
„Geben Sie mir Ihre Adresse. Ich lasse es Ihnen gleich am Dienstag aus dem Export-Kontingent zukommen. Da haben Sie es innerhalb 48 Stunden, also am Donnerstag“, versprach Brenda. „Jemand, der anderen hilft, ohne nach Bezahlung zu fragen, bekommt bei mir immer einen Sonderstatus.“
Sogar beim Schein der kleinen Laternen war zu sehen, dass der junge Mann feuerrot wurde. Er schrieb seine Adresse auf, bedankte sich hocherfreut, wünschte noch einen zauberhaften Abend und eilte glücklich davon.
„Ach, ist das schön“, strahlte Mina.
Brenda schmunzelte. „In Rübezahls Reich werden gute Taten immer belohnt. Heute ist eine Fee erschienen, die ihm ein bisschen bei der Erfüllung von Wünschen geholfen hat.“
Andreas hauchte ihr vergnügt einen Kuss auf die Wange. Brenda hatte den Finger genau auf dem Punkt.
„Zum Thema Rübezahl haben wir auch weitreichende Beschlüsse gefasst“, seufzte Urs, die vielen Punkte aufzählend.
„Der Situation angemessen“, murmelte Andreas. „Wenn der Ärger den Spaß überschattet, kann man nur die Notbremse ziehen. Die Menschen werden wirklich immer unbedachter und sorgloser. Brenda kann auch ganze Arien davon singen.“
Brenda lachte bitter auf. „Ich habe es zwei Mal erlebt, dass Nutzer der Kletterwände Verletzungen von woanders verschwiegen haben, die sie mir anlasten wollten. Nur gut, dass unser Rechtsanwalt die richtigen Spezialisten kennt und die nachweisen konnten, dass der Zustand schon ein paar Tage alt gewesen sein muss. Ich kann eure Entscheidung also bestens nachvollziehen.“
Als Urs am nächsten Morgen zwei Eimer frischer Ziegenmilch zur Käserei brachte, kam einer der Gäste gerade mit dem Auto vorbei. „Guten Morgen! Ich fahre zum Landhandel. Brauchen Sie irgendetwas?“
„Guten Morgen. Ich hätte zwei Blätter für das Schwarze Brett in der Rubrik Suche“, sagte Urs.
„Ich warte. Bringen Sie ruhig erst die Milch rein.“
Urs stellte die Eimer hinter die Tür, lief zum Wohnhaus und holte die beiden A5 Blätter herbei.
Der junge Mann warf einen Blick darauf, gab sie Urs zurück und erklärte: „Warten Sie bitte damit. Ich habe Interesse. Ich bin Facharbeiter für Tierproduktion in einer Rinderzuchtanlage und halte die Zustände nicht mehr aus, wie mit den Tieren umgegangen wird. Ich möchte nur vorher noch mit meiner Lebensgefährtin reden.“
„Kommen Sie einfach rüber, wenn Sie soweit sind. Ich werde wegen der Gäste den ganzen Tag irgendwo in der Nähe zu finden sein.“
Mina hatte die Szene beobachtet. Nun kam sie zur Käserei, weil sie die Milch ansetzen wollte. „Du wirkst nachdenklich. Gibt es Probleme im Gästehaus?“
„Hoffnung, mein Schatz, Hoffnung!“ Er wiederholte den Wortwechsel.
„Na, das klingt ja wirklich vielversprechend“, staunte Mina. „Und wir wissen, dass er anpackt. Schön wäre es, hielte der Trend, dass sich die Dinge fügen, noch eine Weile an.“
„Das wünsche ich mir auch“, seufzte Urs. „Ich würde dir so gern die Schafe schon in diesem Jahr schenken. Es wäre zwar eng im Stall, aber trotzdem als Minimum für ein paar Monate ausreichend.“
„Hast du denn Hoffnung, diese seltene Rasse überhaupt zu bekommen?“, fragte Mina. „Ich musste vorhin einfach im Internet schauen, was sie so besonders macht.“
„Ich kenne jemanden, der immer jemanden kennt, der einen Schwager hat, der einen kennt“, blinzelte Urs, worauf Mina herzlich lachte.
„Heh, heh, habt ihr im Lotto gewonnen?“, fragte Andreas, als er die fröhlichen Gesichter gewahrte.
„Möglicherweise den Sechser mit Zusatzzahl“, gab Urs bekannt und erklärte die Situation.
„Wir drücken alle verfügbaren Daumen!“, rief Brenda.
Eine Stunde später kam der Geländewagen wieder zurück und Urs atmete tief durch. „Bin ich gespannt!“
Es dauerte keine halbe Stunde, als der junge Mann mit seiner Lebensgefährtin um die Ecke kam. Mina und Urs ließen alles stehen und liegen, baten die beiden ins Büro und Mina servierte Kaffee.
„Wir haben beide Interesse“, sagte der junge Mann zur Eröffnung.
„Ich bin eigentlich Floristin, arbeite aber in einem Baumarkt fast nur als Gärtnerin, in der Art, dass ich aufsortiere und bewässere“, erklärte seine Gefährtin.
„Sie haben ja jetzt täglich erlebt, wann es morgens losgeht und bis wann es in Stoßzeiten gehen kann“, erwiderte Urs. „Dass Sie es trotzdem ins Auge fassen, auf einem Bauernhof zu arbeiten, stimmt uns froh. So, wie Sie uns gestern geholfen haben, wissen wir, dass Sie anpacken können. Das ist, was wir Ihnen bieten können.“ Er schob einen Arbeitsvertrag über den Tisch. „Zu beachten ist, dass man im Winter hier praktisch gefangen ist und viele völlig andere Arbeiten ausführen muss. Und ein kleiner Hinweis, warum wir händeringend Verstärkung suchen: Wir erwarten Nachwuchs.“
„Ein wirklich schöner Grund!“, sagten die jungen Leute wie aus einem Mund. „Wir können in vier Wochen unseren Dienst antreten“, erklärten beide nach kurzer Beratung.
„Mit dem Wissen können wir um einiges ruhiger schlafen“, seufzte Mina. „Wir werden Ihnen die etwas größere Ferienwohnung im ersten Stock als feste Unterkunft freihalten.“
„Und Wärmedämmung anbringen, sobald Sie da sind. Momentan läuft alles wirklich nur auf Sommerbetrieb. Aber das kriegen wir hin“, versprach Urs.
„Wir unterschreiben sofort!“
Mina trug die Daten in die Arbeitsverträge ein, alle unterschrieben. Dann stellte sie ihnen Zeit am Computer zur Verfügung, weil beide auch auf der Stelle ihre Kündigungen schrieben, die sie noch heute per Einschreiben abschicken wollten.
„Haben Sie etwas dagegen, wenn wir uns alle der Einfachheit halber mit Vornamen ansprechen?“, fragte Mina.
„Keinesfalls!“, antworteten die jungen Leute.
Auf Nachfrage erklärte Peter: „Der Geländewagen ist nur geliehen, ich habe aber einen Opel Corsa, mit dem wir mobil sind.“
„Wie stehen die Aktien?“, fragte Andreas, als alle aus dem Haus kamen.
„Darf ich vorstellen? Grit und Peter, unsere Mitarbeiter in vier Wochen“, sagte Urs zufrieden. „Und die beiden sind nicht einfach nur Gäste, sondern Minas Bruder und seine bezaubernde Gattin. Sie werden sie also öfter hier sehen.“
Grit und Peter fuhren auch wirklich auf der Stelle zur Post, um die Einschreibungen pünktlich vor Ort zu wissen.
„Und nun suche ich nach Schafen“, schmunzelte Urs. „Wie ich es versprochen habe.“
„Lass das Bruno machen. Der kann ein bisschen Abwechslung gebrauchen“, grinste Andreas, sein Handy zückend. Bruno meldete sich beim zweiten Klingeln und bekam die Order, nach einem Widder und zwei weiblichen Tieren der Rasse Braunes Bergschaf Ausschau zu halten. „Und nicht wundern, die Widder haben keine Hörner“, fügte er auf Minas Rat hinzu.
„Sie können, wie auch die Ziegen, auf schwierigem Gelände weiden“, erklärte Urs. „So, wie es aussieht, werde ich das Scheren lernen müssen, um Geld zu sparen.“
Eine Stunde später meldete sich Bruno. „Für dieses Jahr ist mit Braunen Bergschafen nichts zu machen. Ich könnte aber per sofort Tiroler Bergschafe bekommen.“
„Wo ist der Haken an der Sache, wenn du das so eigentümlich sagst?“, fragte Andreas.
„Ich bekäme den Widder nur, wenn ich drei weibliche Jungschafe aus der anderen Herde nähme“, erklärte Bruno. „Ich muss mich in einer Stunde entschieden haben, weil es mehrere Interessenten gibt.“
„Ich melde mich rechtzeitig“, sagte Andreas und legte auf.
„Laptop her!“, rief Urs und eilte ins Büro. Er stellte ihn draußen auf den Tisch. „So, dann schauen wir mal, ob diese Rasse geeignet wäre. Berg klingt schon mal gut.“
„Der Widder sieht auf den ersten Blick auch nicht wie einer aus“, blinzelte Brenda.
„Wollertrag gut, sehr fruchtbar. Aha. Nicht übel. Milchleistung gut. Früher Arme-Leute-Kuh genannt. Ich bin dafür“, murmelte Urs.
„Ich auch“, gab Mina bekannt. „Helle Tupfen in der dunklen Ziegenherde.“
„Hallo Bruno, nimm die vier Tiere und kümmere dich um die Anlieferung“, wies Andreas an. „Das vierte Schaf und die Lieferkosten bekommt Mina von uns zum Geburtstag. Aber verrate es ihr noch nicht“, blinzelte er.
„Ich habe auch gar nichts gehört!“, rief Mina kichernd.
„Wir werden also wieder mal Steine für einen Sockel von A nach B bewegen“, stellte Andreas mit einem Schulterzucken fest.
„Wir fragen mal Max, was er dazu sagt“, schlug Mina vor.
„Nach dem Essen, Schatz“, dämpft Urs, den Tatendrang.
„Ente?“, staunte Brenda, als Mina den Deckel von der Bratpfanne hob.
„Es hat sich zufällig so ergeben. Ein Bauer aus dem Dorf musste ein paar Enten schlachten, weil sie aus völlig unklaren Gründen in frischem Teer stecken geblieben sind. Möglich, dass sie die glänzende Oberfläche für Wasser gehalten haben. Er musste sie sofort erlösen. Ich habe ihm drei Stück abgenommen, von denen zwei jetzt in der Gefriertruhe auf Weihnachten warten“, erzählte Urs. „Dem, welchem das Fass umgekippt ist, kommt die Sache noch teuer zu stehen, weil der Inhalt bis in den Futterbunker gelaufen ist.“
„Apropos Gefriertruhe, werdet ihr schlachten lassen, wenn ihr eines Tages zu viele Schafe habt?“, fragte Brenda.
„An den Gedanken werden wir uns langsam gewöhnen müssen“, murmelte Mina. „Es wird ja schon bei den Hühnern losgehen, wenn sie altershalber nicht mehr legen. Wir sind kein Gnadenhof. Die Einzigen, die einen Sonderstatus haben, sind die Hunde, Katzen, Karli und Sepp. Die sind Familie.“
„Der Piepmatz ist lecker“, lobte Andreas. „Mina bekommt ein Bienchen fürs Braten und Urs, weil er die Vögelchen mitgenommen hat.“
„Es hat sich also seit Kindertagen nichts geändert. Wenn man Andreas hinterm Ofen vor locken will, reiche man ihm ein Stück gebratener Ente“, kicherte Mina. „Natürlich mit richtig knuspriger Haut, sonst funktioniert auch das nicht.“
„Hach. Ich gebe es ja zu.“ Andreas faltete satt und zufrieden die Hände auf dem Bauch. „In einer halben Stunde können wir meinetwegen Steine schubsen gehen.“
Urs baute Max die Schiebemulde an, legte Brecheisen und Spitzhacke hinein, Mina schwang sich auf den Sitz, Urs und Andreas stellten sich auf die Trittbretter und Brenda fuhr auf der Gerätekupplung mit. Mina wählte den Weg zwischen Käserei und Klärgrube hindurch, weil dort die ebenste Passage mit Wendemöglichkeit war.
„Du warst schon mit Max hier“, vermutete Urs.
„Öfter“, gab Mina zu. „Ich habe ein paar Mal in Gedanken durchgespielt, ob man ihn hier überhaupt einsetzen könne. Falls die Steine den Hang gerade hinab rollen, wenn man sie aus ihrer Lage stößt, sollte es kein Problem sein. Geht mal in Deckung. Ich versuche, die kleinen Randsteine aufzunehmen.“
„Lass mich das machen“, forderte Urs. „Du kannst die Steine rüber zum Bauplatz bringen, wenn es funktioniert.“