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In dieser schönen Zusammenfassung der Lehren Johannes' vom Kreuz über den Weg des christlichen Mystikers zur Vereinigung mit Gott, finden sich in 36 Kapiteln Anweisungen zur Erreichung derselben, außerdem Hinweise auf die vielen Stolpersteine, die dem Suchenden auf seinem Weg begegnen können. Abgerundet wird das Werk mit Denksprüchen, Verweisen für Ordensleute und Auszügen aus den Briefen des großen Lehrers zu diesem Thema.
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Seitenzahl: 196
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Schätze der christlichen Literatur
Band 13
Einleitung.
Begriff der Reinigung der Seele von den Wahrnehmungen durch die Sinne.
Von der Notwendigkeit der Abtötung der sinnlichen Neigungen.
Von der Notwendigkeit, alle, auch die kleinsten Gelüste abzulegen, wenn man zur Vereinigung mit Gott gelangen will.
Unterweisungen, wie wir unsere Gelüste überwinden sollen.
Von dem bloßen Glauben, als sicheren Führer zur Vereinigung mit Gott.
Erklärung, was die Vereinigung mit Gott sei.
Von der Reinigung der drei Seelenvermögen durch die drei theolog. Tugenden.
Von dem engen Weg, der zum Leben führt.
Von den möglichen Nachteilen übernatürlicher Erscheinungen, Erleuchtungen, Tröstungen etc., die dem Verstand durch die körperlichen Sinne zukommen, und wie man sich dabei zu verhalten habe.
Von der Reinigung der Seele von geistlichen Bildern in der Einbildungskraft oder Phantasie zur gehörigen Zeit, und Kennzeichen derselben.
Von der Reinigung der Seele von übernatürlichen Bildern der Phantasie oder Einbildungskraft.
Von den Nachteilen, wennman auf außerordentliche Dinge einen Wert legt.
Warum Gott dennoch manchmal auf Verlangen Antwort gibt, warum dies im Alten Bund geschah, und wie sich Beichtväter zu benehmen haben, wenn Gott Seelen solche Wege führt.
Von zwei Arten übernatürlicher Anschauungen, und wie man sich dabei zu verhalten habe.
Von rein geistigen oder unmittelbaren Offenbarungen, und wie man sich dabei zu verhalten habe.
Von den übernatürlichen Ansprachen ohne Dazwischenkunft eines körperlichen Sinnes, die der gesammelte Geist selbst in sich ausbildet, und wie man sich dabei zu verhalten habe.
Von den förmlichen und wesentlichen, im Geist übernatürlich zugesprochenen, Worten, und dem Verhalten bei denselben.
Von der rein geistigen Empfindung, durch die der Verstand auf übernatürliche Weise ein Licht erhält, und dem Verhalten bei derselben.
Von der Entleerung des Gedächtnisses in Bezug auf alle unnötigen Kenntnisse und Gedanken natürlicher Gegenstände.
Von der Entleerung des Gedächtnisses von allen durch die Einbildungskraft aufgefaßten übernatürlichen Kenntnissen und Bildern, und geistigen Anschauungen.
Von der Reinigung des Willens überhaupt zur ungeteilten Liebe Gottes.
Von den Unvollkommenheiten der Anfänger auf dem Weg der Liebe Gottes in Bezug auf die Hoffart und den Geiz.
Von den Unvollkommenheiten der Anfänger in Hinsicht der Unkeuschheit.
Von den Unvollkommenheiten der Anfänger in Hinsicht des Zorns und der geistlichen Geschmackslust.
Von den Unvollkommenheiten der Anfänger in Hinsicht des geistlichen Neids und der geistlichen Trägheit.
Von der göttlichen Reinigung der Seele in ihrem sinnlichen Teil.
Von den Kennzeichen des Zustands der Reinigung der Seele in ihrem sinnlichen Teil.
Von dem Verhalten der Seele während der Reinigung in ihremsinnlichen Teil.
Von den Vorteilen, welche die Seele durch die Reinigung des sinnlichen Teiles gewinnt.
Von den Versuchungen mancher Seelen im Übergang aus dem Zustand der Anfänger in jenen der Zunehmenden.
Von den Kennzeichen des Übergangs aus dem Zustand der Reinigung der Sinne in den des Geistes.
Von den Unvollkommenheiten und Gefahren der Zunehmenden.
Von den inneren Leiden in der Reinigung des Geistes.
Von den beseligenden Wirkungen der Leiden der Reinigung des Geistes.
Von zehn Stufen der Liebesvereinigung mit Gott.
Warumso wenige Seelen zur Liebesvereinigung mit Gott gelangen?
Geistliche Vorsichtsregeln für Ordensleute.
Geistliche Denksprüche.
Auszüge aus den Briefen.
DIE sämtlichen Schriften des heiligen Johannes von Kreuz bestehen aus dem Werk vom Aufsteigen zum Berge Karmel, aus zwei Büchern der dunklen Nacht, aus der lebendigen Liebesflamme, dem Wechselgesang zwischen der Seele und ihrem Bräutigam, aus Regeln für Ordenspersonen, zehn Briefen, Denksprüchen und vermischten Geistesgesängen. Alle, bis auf die hier gleichfalls auszugsweise mitgeteilten Regeln für Ordenspersonen, Denksprüche und Briefe, sind zunächst nur Erklärungen geistlicher, schwerverständlicher Lieder, welche gleichfalls vielfältig dunkle und leicht mißverständliche Ausdrücke enthalten, und versetzen daher den Leser in die unangenehme Notwendigkeit, den Zusammenhang des eigentlichen Inhalts aus der oft so weitläufigen Erklärung der aufeinanderfolgenden Verse verschiedenen Inhalts erst mühsam herauszusuchen.
Sowohl dies, als eine mir sehr achtbare Aufforderung, bewog mich, aus dem Werk vom Aufsteigen zum Berge Karmel, und der dunklen Nacht, mit Aushebung dahin gehöriger Stellen aus den übrigen ungleich kleineren Schriften, den wesentlichen Inhalt derselben, mit Weglassung der dunklen und leicht mißverständlichen Ausdrücke oder mit Veränderung derselben ohne Nachteil ihres Inhaltes, in ein zusammenhängendes Ganzes, beinahe immer mit den Worten des heiligen Verfassers, zu sammeln und der Form oder Darstellungsweise nach, dem Inhalt, oder Sinn und Geist unbeschadet, frei zu bearbeiten, um ihren wesentlichen, jeden Christen angehenden Inhalt allgemeiner zugänglich zu machen, da der heilige Johannes vom Kreuz in allen seinen Schriften nur lehrt, was der Mensch tun muß, und Gott tut oder anordnet und zuläßt, damit der von Gott abgefallene Mensch dem alten, sinnlichen und selbstsüchtigen Menschen absterbe, und den neuen, nach dem Vorbild Jesu, anziehe. Nur darin besteht, nach ihm der Weg und das höchste Ziel der Vollkommenheit, nicht in außergewöhnlichen Mitteilungen, die nur Mittel für Schwache sind und Zeichen besonderer Begnadigung, von denen er sagt, daß man nach ihnen kein Verlangen haben dürfe, um ihrer günstigen Wirkung teilhaftig werden zu können, und um den so leicht möglichen Betrügereien des Teufels, und der so mächtigen Einbildungskraft, besonders bei weiblichen Personen, zu entgehen.
In Hinsicht dessen, was in dieser Beziehung hier vorkommt, und was Gott tut, zur Abtötung und Reinigung der Seele, kann diese Schrift auch ein Kern der christlichen Mystik genannt werden. Da der Evangelist von Jesus schreibt: Zu allen aber sagte er: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich, und folge mir nach1; so dürfte diese Schrift über die von unserem Erlöser uns zur Bedingung, zur Aufnahme in den Himmel, gesetzten Selbstverleugnung unstreitig zu den nützlichsten gehören.
Seelsorger, welche, aus eigener Erfahrung, die außergewöhnlichen Führungen Gottes auf dem Weg des Heils nicht kennen, finden hier die nötigen Aufschlüsse, um solche Seelen verstehen und sicher führen zu lernen, deren ich während meiner 28 Seelsorgejahre viele auch auf dem Land gefunden habe, die hier und da als überspannt und dergleichen, vernachlässigt werden. Der mir so unvergeßliche Lehrer, Wohltäter und Freund – Bischof von Sailer pflegte zu sagen: Der Geist Gottes weht, wo er will; wer kann, wer darf ihm wehren!
Simon Buchfelner, Pfarrvikar.
Am Fest Maria Himmelfahrt, 1840.
ES gibt mehrere Seelen, welche die Bahn der Tugend wohl antreten, aber keine Fortschritte machen, wenn der Herr sie durch Entziehung innerlicher Tröstungen reinigen will, um zur Vereinigung mit ihm zu gelangen, teils weil sie sich selbst nicht verstehen, teils weil es ihnen an erfahrenen, einsichtsvollen Wegweisern mangelt. Sie halten sich auf der untersten Stufe des Umgangs mit Gott auf, weil ihr Wille entweder nicht aufrichtig genug, oder ihre Erkenntnis sehr mangelhaft ist, oder weil man sie nicht lehrt, von den Anfängen des geistlichen Lebens sich loszureißen, und nach höherer Vollkommenheit zu streben. Verleiht ihnen Gott dennoch die Gnade, ohne Unterricht eines Führers auf dem Weg der Abtötung der Natur und des Willens Fortschritte zu machen; so gelangen sie nur sehr spät, mit großen Schwierigkeiten und mit geringerem Verdienst zum Ziel, weil sie sich der Führung Gottes nicht mit der gehörigen Folgsamkeit überlassen, sondern ihm oft widerstehen. Sie gleichen hierin den kleinen Kindern, die sich weinend sträuben, und durchaus auf eigenen Füßen zu gehen verlangen, wenn die Eltern sie auf den Armen tragen wollen.
Damit nun solche Seelen lernen, sich von Gott führen zu lassen, wenn er sie weiter fördern will, so wollen wir mit Gottes Beistand sowohl den Anfängern, als denen, die schon weiter fortgeschritten sind, Unterweisungen und Vorschriften geben, wodurch sie lernen, sich selbst zu verstehen, oder wenigstens sich von Gott leiten zu lassen. Denn einige Beichtväter und Führer im geistlichen Leben halten, aus Mangel am Licht und selbstgemachter Erfahrung, solche Seelen zurück, und sind ihnen mehr hinderlich als förderlich.
Zuweilen führt Gott eine Seele auf den erhabendsten Weg des bloßen Glaubens und der Dürre. Da wähnt sie, weil sie solche Ereignisse nicht versteht, und es ihr an einem erfahrenen Führer mangelt, sie sei vom rechten Weg abgekommen und habe sich verirrt. Während sie nun von Finsternis, Trübsal, Angst und Versuchung allenthalben geplagt wird, kann sie jemanden finden, der zu ihr sagt, sie leide an der Melancholie, oder jenes dürre Wesen des Geistes komme von einer natürlichen Beschaffenheit ihres Körpers her2; oder ihre Fehler seien Schuld, daß sie von Gott auf diese Art verlassen werde. Solche Menschen machen gewöhnlich den raschen Schluß, jene Seele sei eine große Sünderin, oder sei es zuvor gewesen, weil sie solche Drangsale auszustehen habe. Auch an Menschen wird es nicht fehlen, die ihr den Rat geben, ihre frommen Übungen zu unterlassen, weil sie jenen inneren Wohlgeschmack, jenen Trost in göttlichen Dingen, den sie vorher kostete, nicht mehr erfährt. Auf solche Weise muß der bemitleidenswerten Seele die Pein verdoppelt werden; denn gerade die Erkenntnis des eigenen Elends ist vielleicht ihre größte Plage. Da wird es ihr klarer, als Mittagslicht, sie sei voll arger Dinge und Übel; denn in ebendiesem Zustand erteilt ihr Gott solche Erkenntnis, wie wir in der Folge näher zeigen werden. Trifft sie nun jemanden an, der ihr beistimmt und sagt, dies rühre aus ihrer Schuld her, so wächst die Pein ins Unendliche, und ihre Angst wird mehr als Todesangst. Manche Beichtväter begnügen sich nicht mit diesem, sondern, weil sie glauben, solche peinlichen Seelenzustände kämen von begangenen Sünden her, befehlen, den ganzen Lebenslauf sorgfältig zu prüfen, und mehrere Generalbeichten abzulegen. Auf solche Art heften sie die Seelen aufs neue an das Kreuz, weil sie nicht einsehen, daß für jetzt zu jenen Dingen nicht Zeit sei, sondern daß man sie in diesem Zustand der Läuterung, die Gott in ihnen vornimmt, lassen müsse, und daß man sie nur zu trösten und zu ermutigen habe, diese Beängstigungen geduldig zu ertragen, so lange es Gott gefalle; denn bevor Gott hierin nicht eine andere Wendung schafft, ist alles vergeblich: die Seelen mögen tun, und ihre Treiber mögen sagen, was sie wollen.
Von solchen Dingen sind wir mit Gottes Gnade zu handeln gesinnt: wie sich nämlich die Seele alsdann verhalten müsse, wie der Beichtvater sie leiten, und aus welchen Kennzeichen oder Wahrnehmungen man unterscheiden könne, ob es eine Läuterung der Seele sei; und, wenn sie es ist, ob es die Reinigung der Sinne oder des Geistes sei. Auch davon werden wir reden, wodurch bestimmt wahrzunehmen sei, ob jene Beängstigungen von melancholischer Feuchtigkeit, oder von einer gewissen Unvollkommenheit des Sinnes oder des Geistes entspringen. Denn einige Seelen finden sich, die wohl glauben, Gott führe sie auf dem Weg des dürren, dunklen Glaubens und der geistigen Läuterung; ja selbst ihre Beichtväter könnten so urteilen, und doch dürfte es nur Folge einer der genannten Unvollkommenheiten sein. Dabei gibt es viele Seelen, die sich darüber grämen, daß sie kein Gebet üben können, während sie wirklich sehr erhaben beten; wie im Gegenteil manche nicht beten, und doch sehr gut zu beten wähnen. Andere finden sich, die sich viele Mühseligkeiten und Abmattungen gefallen lassen, und doch immer nur rückwärts gehen, da sie den Gewinn ihres Fortgangs, statt in dem wahrhaft zuträglichen, eigensinnig vielmehr in dem suchen, was ihnen hinderlich ist. Dagegen nehmen wieder andere im Geist sehr viel zu, indem sie ruhig und still sind. Einige verwickeln sich, und halten sich auf dem Weg auf, daß sie nicht weiterkommen, obschon sie von Gott Erquickungen und Gnaden zum Fortschreiten empfangen. Überhaupt stoßen dem Wanderer auf dieser Laufbahn der Zufälle so manche auf, die bald zur Freude, bald zum Kummer, bald zu hohem Mut, bald zur schmerzlichen Kleinmütigkeit anreizen. Einige derselben kommen aus dem Geist der Vollkommenheit, andere hingegen entspringen aus Unvollkommenheiten. Mit Gottes Hilfe wollen wir von diesem allen etwas sagen, damit der Leser sich auf seiner Pilgerreise zurechtfinde, und erkenne, wohin er mit der größten Sicherheit seine Richtung zu nehmen habe, wenn er aufrichtig wünscht, zur Vollkommenheit zu gelangen. Übrigens findet sich hier nichts, das den Geschmack jener Geistesleute reizt, die nur durch angenehme, gefällige Dinge zu Gott gehen wollen; sondern nur eine wesentliche und gründliche Lehre für jedermann, der zur Nacktheit, Abgestorbenheit des Geistes, wovon hier die Rede ist, gelangen will. Besonders wird hier für jene3 geschrieben, die schon durch Selbstverleugnung von den zeitlichen Dingen dieser Welt entblößt sind.
1 Luc. 9, 23.
2 Was zwar möglich, aber seltener der Fall ist.
3 In oder außer den Ordensständen.
SOBALD Gott dem Körper die Seele gibt, ist dieselbe, wie die Weltweisen behaupten, wie eine glatte Tafel, auf welcher sich gar kein Bild befindet. Nimmt sie nicht durch den Dienst der Sinne von den Dingen irgendeine Kenntnis, so wird ihr, wenn man nach gemeinem Naturlauf reden will, anderswoher nichts mitgeteilt. Die Seele erfährt anderswoher nichts, als was ihr durch die Sinne mitgeteilt wird. Verachtet und verschmäht sie aber das, was sie durch den Dienst der Sinne in sich aufnehmen kann, so sagen wir richtig, sie bleibe leer und rein. Sie kann zwar entschieden immerfort hören, sehen, riechen, kosten und tasten, und doch wird sie, wenn sie kein Bild, keinen Eindruck von dem Gehörten, Gesehenen etc. in sich aufnimmt, sondern sie verleugnet, von allen diesen sinnlichen Wahrnehmungen keine Verhinderung fühlen. Alles wird ihr ebenso viel sein, als höre oder sehe sie es nicht; sie ist davon ganz entblößt. So sagte auch David von sich: Ich bin arm und in Mühseligkeiten von meiner Jugend an. Er war, wie wir wissen, reich, und doch nannte er sich arm, weil er mit dem Willen nicht am Reichtum hing: bei ihm galt daher dieses ebenso viel, als wirkliche Armut. Wäre er dagegen wirklich dürftig gewesen, und hätte er mit der Gemütsneigung eine Begierde nach Reichtum gehegt, dann hätte er nicht sagen können, ich bin arm: seine Seele wäre durch die Begierlichkeiten reich gewesen. Die Entbehrung der Dinge entblößt die Seele nicht, wenn sie danach verlangt; sondern die Verleugnung der Lust und Anhänglichkeit an sie macht die Seele leer und frei, obschon man den Besitz der Dinge nicht ablegt. Die Dinge der Welt nehmen die Seele nicht ein, sie fügen ihr auch keinen Schaden zu, wenn man sie nicht in sie eingehen läßt; aber der Wille und die Begierde danach schaden ihr viel, wenn ihnen ein Aufenthalt in der Seele gestattet wird. Es soll daher gelehrt werden, wie nützlich es ihr sei, wenn die sinnliche Neigung und Anhänglichkeit an die Dinge dieser Welt abgetötet wird.
DIE Ursache, welche es bei einer Seele, die nach der Vereinigung mit Gott strebt, notwendig macht, die Lust und Anhänglichkeit an vergängliche Dinge abzutöten, liegt darin, weil die Seele unfähig ist, von dem reinen und einfachen Licht Gottes erleuchtet, und in Besitz genommen zu werden, so lange sie in einer solchen Umhüllung bleibt. Der heilige Johannes sagt: Das Licht leuchtet in den Finsternissen, und die Finsternisse haben es nicht begriffen.4 Und der heilige Apostel Paulus hat gelehrt: Wie kann das Licht mit der Finsternis im Bunde stehen?5 Zwei entgegengesetzte Dinge können in einer Person nicht Raum finden. Deswegen kann die Seele das Licht der göttlichen Einigung nicht in sich aufnehmen, bevor die Anhänglichkeit und Liebesneigung zu den Geschöpfen aus ihr vertrieben wird. Um das bisher Gesagte besser zu verstehen, muß man wissen, daß die Liebe und Anhänglichkeit der Seele an die Geschöpfe die Seele selbst dem Geschöpf gleichmache, und sich eine um so größere Ähnlichkeit und Gleichheit ergibt, je stärker die Liebe ist; denn die Liebe erzeugt Gleichheit zwischen dem Liebenden und Geliebten. Wer sich daher mit Liebe an ein Geschöpf bindet, wird so geringfügig und verächtlich, wie dies Geschöpf ist; ja er wird in gewisser Hinsicht noch tiefer herabgedrückt; denn die Liebe macht nicht nur eine Gleichheit, sondern unterwirft auch den Liebenden dem geliebten Gegenstand, bewirkt folglich eine Untertänigkeit unter denselben. Wenn daher die Seele irgendeinem Ding, außer der Ordnung Gottes, mit verbindlicher Liebe anhängt, so macht sie sich unfähig, mit Gott rein verbunden zu werden. Eine Seele, die durch die Liebe an den Geschöpfen hängt, kann Gott nicht erfassen, bevor sie ganz von dieser Liebe gereinigt ist; sie wird ihn weder in diesem Leben durch die lautere Umgestaltung der Liebe besitzen, noch in dem zukünftigen durch die klare Anschauung.
Die Seele ist daher höchst töricht, wenn sie wähnt, sie könne sich zu dem erhabenen Stand der Vereinigung mit Gott aufschwingen, ohne vorher die Begierde nach natürlichen, ja auch nach übernatürlichen Dingen, insofern die Eigenliebe daran eine Stütze nimmt, abgelegt und sich derselben entleert zu haben. Denn Christus sagte, da er uns diesen Weg lehren wollte: Wer nicht allen Dingen, die er6besitzt, entsagt, der kann nicht mein Jünger sein.7 Und dies liegt außer allem Zweifel; denn die Lehre, die der Sohn Gottes der Welt einzuprägen gekommen ist, war die Verachtung aller Dinge, wofür man den Heiligen Geist empfangen sollte. So lang sich die Seele nicht mit Gewalt jener Dinge entäußert, ist sie unfähig, den Geist Gottes zur lauteren Umgestaltung in vollkommener Ähnlichkeit mit Gott zu empfangen. Möchten doch geistliche Personen einsehen lernen, welcher Güter sie sich berauben, und welchen Überfluß des Geistes sie verlieren, weil sie ihre Lust von kindischen Albernheiten nicht losreißen wollen! Da kein Ding Gott gleich geachtet werden darf, so fügt ihm die Seele, die neben ihm etwas anderes liebt, oder demselben mit Neigung anhängt, auch eine schwere Unbill zu. Da dieses unleugbar ist, ach, was wäre es, wenn sie jene Sache noch mehr als Gott selbst liebte?
Der ganze Weg zur Vereinigung mit Gott ist nichts anderes, als ein ununterbrochenes Bestreben, die Begehrungen zu bezähmen, und zu verleugnen. Hat man den Stand der Vollkommenheit, Gott selbst, erreicht, so begibt sich alles Begehren zur Ruhe, und hört endlich gar auf. Bevor aber die Gelüste so abgetötet sind, daß alles Begehren aufhört, wird die Seele nicht dorthin gelangen, obgleich sie sich noch so sehr in Tugenden übt; denn es mangelt ihr die vollkommene Errungenschaft der Tugenden, die darin besteht, daß die Seele von allem Gelüste entblößt, leer und rein geläutert ist. Die unabgetöteten Neigungen sind der Seele nicht nur dadurch nachteilig, daß sie dem Geist Gottes entgegenkämpfen, sondern sie ermatten, quälen, verdunkeln, beflecken und schwächen sie auch.
4 Joh. 1, 5.
5 2. Kor. 6, 14.
6 Mit einer Anhänglichkeit des Willens.
7 Luc. 14, 33.
ES scheint eine zu schwere und harte Sache zu sein, wenn man behauptet, die Seele vermöge es, eine so große Blöße und Reinigkeit zu erringen, daß sie keinem Ding mehr mit Neigung und Willen anhänge. Die natürlichen Gelüste und Regungen der Natur, in welche der vernünftige Wille weder vor, noch nachher auf irgendeine Weise sich mischt, im gegenwärtigen Leben ganz zu ertöten und auszurotten, ist eine Unmöglichkeit. Solche halten aber die Seele auch nur wenig oder gar nicht von der Vereinigung mit Gott ab. Sie können in der Seele noch zum Vorschein kommen, und doch kann die Seele zugleich, dem vernünftigen Geist nach, von ihnen ganz frei und ungehindert sein. Es ist der Fall möglich, daß sie in dem Willen einer hohen und ruhigen Einigung mit Gott genießt, und daß sich zugleich in ihrem sinnlichen Teil solche Gelüste melden, während der obere Teil im Gebet zu Gott emporgerichtet ist, und keine Gemeinschaft mit ihnen hat. Unmöglich ist es aber, zur Vereinigung mit Gott zu gelangen, wenn sich die Seele nicht aller freiwilligen Gelüste entleert, es mögen dieselben sich auf schwere oder nur auf geringe Sünden und Unvollkommenheiten beziehen. Dieser sämtlichen Gelüste muß die Seele entledigt werden, um mit Gott ganz vereinigt werden zu können. Denn der Stand dieser Vereinigung ist nur dann ausgebildet, wenn die Seele ihren Willen in die Form des göttlichen Willens so gebracht hat, daß ihr ganzes Regen und Bewegen in allem und durch alles Gottes Wille allein sei. Aus diesem Grund sagen wir auch, in diesem Stand werde aus unserem Willen und aus dem Willen Gottes ein Wille so, daß die Seele nur will, was Gott will. Wollte also die Seele zu irgendeiner Unvollkommenheit, die Gott verwirft, eine Neigung fassen, so wäre sie ja in den Willen Gottes nicht eingegangen und verwandelt, weil sie das wollte, was Gott nicht will. Die Seele muß daher offenbar, um mit Gott, der Liebe und dem Willen nach, genau verbunden zu werden, vorher von allem, auch von der kleinsten freiwilligen sinnlichen Neigung frei werden; das heißt, der Wille darf mit Wissen nicht im geringsten einer erkannten Unvollkommenheit seine Zustimmung geben, und muß so kräftig und frei sein, daß er die bemerkte Unvollkommenheit unverzüglich verwerfen kann. Ich rede aber ausdrücklich von erkannter Unvollkommenheit; denn ohne Zweifel wird sie, ohne es zu bemerken, hin und wieder aus Unachtsamkeit, oder weil es nicht ganz in ihrer Gewalt liegt, in Unvollkommenheiten, in läßliche Sünden, und in nichtfreiwillige Gelüste fallen. Und von solchen, nicht ganz freiwilligen Sünden steht geschrieben: Der Gerechte wird siebenmal fallen und wieder aufstehen.8 Die gewohnte Neigung dazu muß allerdings besiegt und ertötet werden. Gewisse Unvollkommenheiten verursachen keinen großen Schaden, weil sie nicht von einer Lieblingsneigung entspringen; wiewohl man beständig dahin streben muß, auch von diesen frei zu werden.
Solche, von einer Lieblingsneigung kommende Unvollkommenheiten sind z. B. die Gewohnheit, viel zu reden, eine kleine Anhänglichkeit an eine Person, an ein Kleid, an ein Buch, an ein Zimmer, an diese oder jene Speise, an eine Bequemlichkeit, an kleine Vergnügungen etc. Jede derselben hält die Seele, wenn sie daran haftet, und daraus eine Gewohnheit macht, weit mehr vom Fortgang im guten ab, als wenn sie täglich mehrere andere, auch größere Unvollkommenheiten beginge, die aber von keiner Angewöhnung herkämen; denn sie würde davon nicht so sehr aufgehalten werden, als von der angewöhnten Anhänglichkeit an irgend etwas. So lang etwas solches, so klein es auch sein mag, in der Seele sich befindet, kann sie unmöglich die Vollkommenheit erringen. Was liegt daran, ob der Vogel mit einem starken oder schwachen Faden vom freien Flug zurückgehalten wird. Zwar wird ein schwacher leichter zerreißen, er hindert ihn aber dennoch im freien Aufflug. Auf dem Weg zur Vollkommenheit muß man immer so fortschreiten, daß man dem Ziel näher komme, und das geschieht, wenn man allezeit die Liebesneigungen abschneidet, und durchaus nicht pflegt; denn werden diese nicht ohne Ausnahme verleugnet, so gelangt man nie zum Ziel. Die Seele hat ja nur einen einzigen Willen; wenn der sich in etwas anderes verwickelt, und sich auf irgendeine Weise damit beschäftigt, so bleibt er schon nicht mehr so frei, einsam und lauter, wie es zur vollkommenen Ähnlichkeit mit Gott erfordert wird.
Das Hauptaugenmerk der geistlichen Lehrer muß also darauf gerichtet sein, daß sie unverzüglich an denen, deren Leitung sie auf ihr Gewissen genommen haben, jedes Gelüste zu ertöten streben, und zu diesem Ende ihnen alles hinwegnehmen, wonach sie ein unordentliches Verlangen haben. Denn jede freiwillige Neigung, es sei auf einen unter einer schweren oder geringen Sünde verbotenen Gegenstand, oder auch nur auf eine Unvollkommenheit, reicht hin, in der Seele Blindheit, Qual, Unlauterkeit, Abspannung etc. zu verursachen, wenn auch die Neigung zu läßlichen Sünden, weil diese die Seele der Gnade nicht ganz berauben, diese Übel nicht in einem so umfassenden und vollen Grad zur Folge hat. Sie müssen also ihre Zöglinge durch Anhaltung zur Verleugnung aller sinnlichen Neigungen von diesen Übeln zu befreien suchen.
8 Sprichw. 24, 16.
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