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Der spirituelle Weg, den Bertram Dickerhof als das Ergebnis eines mehr als 40 Jahre währenden "Selbstversuchs" vorstellt, ist ein alle Bereiche durchdringender Lebens-Weg. Grundlage ist ein Innehalten und Hören auf die eigene Wirklichkeit, die sich auf einen Grund hin öffnet, in dem "alles verankert" ist. Das so erfahrene neue Leben gilt es durch Entscheidungen und Handlungen wirklich werden zu lassen. Basierend auf einem intensiven Austausch eines Christen mit anderen Weltreligionen, insbesondere dem Buddhismus, Hinduismus und Sufismus, gibt das Buch spirituell Suchenden Orientierung und kann zur Verständigung zwischen den Religionen und damit zum Frieden in einer aus ihren Fugen geratenen Welt beitragen.
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Seitenzahl: 386
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BERTRAM DICKERHOF
Der spirituelle Weg
Eine christlich-interreligiöse
BERTRAM DICKERHOF
Der
spirituelle
Weg
Eine christlich- interreligiöse Lebensschule
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2016
© 2016 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: wunderlichundweigand.de
(Foto: Michael Thaler/shutterstock.com)
Satz: Hain-Team (www.hain-team.de)
ISBN
978-3-429-03928-8 (Print)
978-3-429-04849-5 (PDF)
978-3-429-06268-2 (ePub)
eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de
Inhalt
Vorwort
Die zweite Bekehrung
1. Am Ganges
2. Hören in der Bibel
Der Schritt auf dem spirituellen Weg
1. Von außen nach innen – das erste Moment des Schrittes auf dem spirituellen Weg
1.1 Das Leben weist über das Außen hinaus
Gebundene Freiheit
Beziehung
Erfüllung jenseits des Äußeren
Das Innere: verschlossen und vermieden
1.2 Idiopolis
Verdrängung
Unbewusste Konstruktion der Welt
Platos Höhlengleichnis
Idiopolitischer Alltag
Widerstand gegen die Befreiung
Die Dekonstruktion der Idiopolis
Sünde
1.3 Die Wende nach Innen
Die Bedeutung der äußeren Wirklichkeit für die Erkenntnis des Inneren
Annehmen, was ist
Das Beispiel meiner ersten Bekehrung
2. In die Tiefe – zweites Moment des Schritts auf dem spirituellen Weg
2.1 Verweilen in der Wahrnehmung der inneren Wirklichkeit hier und jetzt
Verweilen im Wahrnehmen
Schwierigkeiten
2.2 Verweilen in der Wahrnehmung des Inneren und die spirituellen Wege der Religionen
2.3 Wegbegleitung
Begleitung im Angesicht der Idiopolis
Geistliche und therapeutische Begleitung
2.4 Spirituelle Gemeinschaft
Integration der Person und Integration der Gemeinschaft
Konflikt und Versöhnung
3. In der Tiefe
3.1 Durchbruchserfahrungen
Die erste Bekehrung
An Fundamenten meiner Idiopolis
Eine Meditationserfahrung
3.2 Annahme des Todes und Verwandlung des Selbst
Annahme des im Leben begegnenden Todes
Annehmen des Todes impliziert Glauben und Hoffen
Verwandlung der Persönlichkeit
In der Tiefe stirbt das Ego
Geburt einer neuen Identität
3.3 Der Durchbruch als spirituelle Erfahrung
Unbedingte Bejahung
Ernüchterung – Über-Erfüllung – Liebe
Der Durchbruch ist Offenbarung und Verhüllung Gottes
3.4 Wandlung des Gottesbildes
4. Von innen nach außen – drittes Moment des Schrittes auf dem spirituellen Weg
4.1 Der geistliche Kampf
Der Kampf um die tägliche spirituelle Übung
Der Kampf um geistliche Nüchternheit
Der Kampf um Vertrauen und Demut
Askese
4.2 Neues Verhalten
4.3 Handeln
Drei Zeiten
Der Wille Gottes
Der spirituelle Schritt und das Evangelium
1. Nachfolge Christi
1.1 „Hassen“ der Familie
1.2 Armut
1.3 Selbstverleugnung und tägliches Kreuz
2. Die Bedeutung Jesu
2.1 Freilassende Liebe als geschichtliches Ereignis
2.2 Jesus weist den spirituellen Schritt
2.3 Christus als Gestalt des wahren Selbst
3. Der spirituelle Schritt und die Heilige Messe
3.1 Beginn der Messe, Wortgottesdienst, Gabenbereitung
3.2 Wandlung, Mahl und Sendung
Der Weg
1. Der spirituelle Weg in den Religionen
2. Der hinabsteigende Weg
2.1 Beziehung lernen
2.2 Die ent-täuschende Nicht-Annahme von Enttäuschungen
Wie es mit Enttäuschungen in der Praxis geht
Der entschwindende Gott
2.3 Die Frucht eines hörenden Lebens reift heran
Ashram Jesu
1. Der Name
2. Die Hinreise
3. Haus und Kursrahmen
4. Der Kurs beginnt
5. Schriftbetrachtung und Eucharistiefeier
6. Karma Yoga
7. Die Rückreise
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Vorwort
Der spirituelle Weg, von dem dieses Buch handelt, ist ein Lebens-Weg. Er ist nicht auf eine Phase oder einen Bezirk des Lebens begrenzt, sondern ist von der Art, dass er das Leben allmählich in seiner Gänze durchdringt. Er ist eine Weise, sein Leben zu leben, ja durchzuerleben. Wer sich auf diesen Weg einlässt, der stellt sich Leben und Tod und überprüft seine Vorstellungen an der Wirklichkeit, der er sich öffnet. Der Inhalt dieses Buches ist weder Spekulation noch Ideologie. Er ist Niederschlag eines nun über vierzig Jahre währenden „Selbstversuchs“ eines Christen, dessen Erfahrungen immer wieder einfließen werden. Die grundlegenden Prinzipien des Weges begegnen in unterschiedlicher Akzentuierung bei den spirituellen Suchern der Weltreligionen gleichfalls. So werden insbesondere der Buddhismus, der hinduistische Vedanta und der Sufismus zu anregenden Gesprächspartnern und Helfern für den abendländischen Pilger. Christen, die sich vor allem als Glieder ihrer Gemeinde oder Kirche fühlen, werden sich erinnern, dass die frühe Kirche sich als „der neue Weg“ (Apg 9,2) verstand, der das Ende aller Religionen und Kulte bedeutete, die es damals im Mittelmeerraum in großer Zahl gab.
Meinen Weg in Gang gebracht haben Erfahrungen von Mangel und Sehnsucht nach Erfüllung. Der Mangel, den ich erlitt, war kein äußerer. Ich wuchs behütet auf, konnte ein Mathematikstudium abschließen, trat in den Jesuitenorden ein, in dem ich auf vielerlei Weise Förderung und sinnvolle Arbeitsmöglichkeiten erhielt. Was mir fehlte, war etwas Inneres: Sinn und Lebendigkeit; die Fähigkeit, Liebe geben und empfangen und Enttäuschungen meistern zu können. Arbeit und Ablenkung, Erfolg und Anerkennung können das Innere eine Zeit lang zudecken. Heilen können sie es nicht. Der Schlüssel zur Erfüllung kann nicht allein außen liegen; er ist im eigenen Herzen verwahrt.
Ich wurde gläubiger Christ und lernte beten. Mein Gebet entwickelte sich, es wurde einfacher und stiller. Eines Tages entschwand mir das Gegenüber, an das ich bis dahin meine Gebete gerichtet hatte. Ich erkannte, dass alles von Gott erfüllt war, dass „alles aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist“. Mein Gebet wurde in der Folge zu einem achtsamen, gelassenen und liebevollen Hören nach innen. Die inneren Bewegungen, die dabei wahrgenommen werden, also Gedanken, Körperempfindungen, Gefühle, Wünsche, geistige Haltungen usw., sind die Resonanz der eigenen Person auf die Ereignisse des Lebens. Somit ist das Innere, wie es jetzt und hier erlebt werden kann, Echo der eigenen Biographie auf aktuelle äußere Ereignisse. Insofern eröffnet das Leben selbst einen Zugang zum Inneren und zu seiner teils unbewältigten Geschichte. Ohne sich ihren konflikthaften Wahrheiten zu stellen, ist ein Weiterkommen auf dem spirituellen Pfad unmöglich. Dazu braucht es allerdings eine Begleitung.
Im Alltag besteht der Schritt auf dem spirituellen Weg zunächst im Innehalten und Hören. Ohne innezuhalten und nach innen zu hören, bleibt das eigene Leben oberflächlich und ausgeliefert an die in der Luft liegenden Mächte. Was geschieht, kann dann nur als dumpfes Schicksal verstanden werden, das einmal günstig ausfällt, ein anderes Mal unbarmherzig zuschlägt. Hört die Person aber und verweilt sie dabei, wird sie dadurch in ihre Tiefe geführt. Aus Illusionen und selbstgemachten Vorstellungen erwacht sie zur Wirklichkeit. Dabei kommt sie bei sich selbst an, dort, wo sie ganz sie selbst und von tiefer Freude und Liebe erfüllt ist. In diesem Zustrom neuen Lebens erahnt sie ihren wahren Grund, einen Grund, der grundlos ist, und gewinnt Klarheit darüber, was zu tun ihr nun aufgegeben ist.
Dies auch tatsächlich zu tun, ob es um ein Handeln, eine Entscheidung oder ein Unterlassen geht, ist neben dem Innehalten und Verweilen das zweite wesentliche Moment des spirituellen Weges. Die Person macht sich dadurch nämlich das neue Leben zu eigen, das ihr in der Tiefe mitgeteilt wurde, und inkarniert zugleich die erfahrene Liebe und Versöhnung in die Geschichte. Wo aus diesem Geist heraus gehandelt und gelebt wird, gedeihen Friede, Freiheit und Gerechtigkeit auf Erden.
Solches Schreiten wird vermittelt und eingeübt im Ashram Jesu, einer Christlichen Lebensschule, die selbst eine Frucht eines solchen Schreitens ist. Der Weg, der daraus entsteht, öffnet denjenigen, der auf ihm pilgert, und stiftet Gemeinschaft. Und der Pilger braucht Gemeinschaft und Dialog. Denn er lebt in Kontrast zu jedem gesellschaftlichen Mainstream, der sich als Brot- und-Spiele-Betrieb organisiert. Heute muss das Brot meist unter Druck und unter der Herrschaft von Maschinen erworben werden, so dass der Mensch sich selbst dabei verliert. Um diesen Verlust nicht zu spüren, lenkt er sich mit den Möglichkeiten der Konsumgesellschaft ab und kommt sich so noch mehr abhanden. Kreativität und Bescheidenheit, Halt und Flexibilität sind damit bedroht. Die Zukunft einer solchen Gesellschaft macht Sorgen.
Ohne die Ermutigung, Hilfe und Kritik vieler Menschen, von Freunden und Feinden, aus meinem Orden und aus der Gesellschaft für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik hätte auch ich den Weg nicht finden können. Gleichfalls wäre dieses Buch ohne die Gäste des Ashram Jesu mit ihren Lebenserfahrungen, Fragen und Anregungen nicht entstanden. Ihnen allen sei von Herzen Dank gesagt. Eine besondere Erwähnung verdienen diejenigen, die mir bei der Abfassung des Buches geholfen haben, besonders Sr. Petra Maria Hothum.
Ich hoffe und wünsche, dass dieses Buch alle Leserinnen und Leser inspiriert, den ernsthaft Suchenden Orientierung gibt und zur Verständigung zwischen den Religionen und damit zum Frieden auf Erden beiträgt. In einer aus ihren Fugen geratenen Welt wird es immer dringlicher, die Wirklichkeit und sich selbst in einem Grund verankert zu erfahren, der tiefer als alles liegt, um das Leben bewältigen zu können.
Ashram Jesu, am 23. Oktober 2015
Bertram Dickerhof
Ich sah, wie unter der Tempelschwelle Wasser hervorströmte und nach Osten floss … Dieses Wasser fließt in das Meer, in das Meer mit dem salzigen Wasser. So wird das salzige Wasser gesund. Wohin der Fluss gelangt, da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können und sehr viele Fische wird es geben. Wohin der Fluss kommt, dort bleibt alles am Leben.
An beiden Ufern des Flusses wachsen alle Arten von Obstbäumen. Ihr Laub wird nicht welken und sie werden nie ohne Frucht sein. Jeden Monat tragen sie frische Früchte; denn das Wasser des Flusses kommt aus dem Heiligtum.
Aus Ezechiel 47
Die zweite Bekehrung
1.Am Ganges
Tertiat – das ist die dritte Probezeit im Jesuitenorden.1 Tertiat macht der Jesuit, der nun schon einige Jahre berufstätig ist, um seine letzten Gelübde ablegen zu können.
Ich erhoffte mir zunächst nicht viel von diesem Tertiat, absolvierte es in den USA, um nebenher zu erfahren, wie sie dort das sterbende Ordensleben und die sterbende katholische Kirche organisieren. Das entsprach meiner damaligen Situation durchaus: Beruflich in der Fortbildung von Ordensleuten engagiert, war ich mit dem Problem der Überalterung der Orden konfrontiert. Aber ich fühlte auch mein eigenes (geistliches) Leben stagnieren – trotz aller Mühe, die ich mir gab. Ich wollte Jesus nachfolgen, hatte eine Ahnung, was das bedeutet, und war doch nicht in der Lage, das Kreuz in meinem Leben anzunehmen. Heftige Teamkonflikte zwangen mich zum Ausscheiden, obwohl ich die Arbeit liebte. Ich pflegte die geistlichen Übungen meines Ordens (Schriftbetrachtung, Heilige Messe, Jahresexerzitien, aktives Mitleben in der Kommunität, deren Oberer ich überdies war) und praktizierte Meditation, meist in Form des Jesusgebets. Gleichwohl waren meine Lebensprobleme nicht gelöst: Meine Einsamkeit. Der Kampf mit dem Zölibat. Mein Verlangen nach nahen Beziehungen … . Vieles hatte ich unternommen, um besser damit zurechtzukommen. Würde ich mit diesem Stand bis zu meinem Lebensende auskommen müssen?
Und nun hatte ich mein Tertiat angetreten. Ich hatte keine Ahnung, dass es zu einer wesentlichen Zäsur in meinem Leben werden sollte. Es schenkte mir eine „zweite“ Bekehrung. Neben der Arbeit an der eigenen Biografie und den Geistlichen Übungen der dreißig Tage enthält diese geistliche Sabbatzeit auch ein sogenanntes Experiment, einen praktischen Einsatz, um mit der inneren Erneuerung in der Alltagspraxis zu experimentieren. Bei der Wahl des Experiments wurde mir, der ich zunächst einen Einsatz in den USA im Sinn hatte, allmählich ganz und unbezweifelbar klar, dass ich nach Indien gehen sollte, nach Kolkata, um dort den „armen und demütigen Jesus“ zu suchen und zu finden. Dort arbeitete ich zunächst in Mutter Teresas Sterbehaus für die Ärmsten mit. Aber ich fand ihn nicht, den ich suchte. Sollte ich vielleicht aufs Land gehen, um mich stärker auszusetzen? Um diese Frage zu entscheiden, verbrachte ich die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr südlich von Kolkata im Ashram eines Jesuiten. Dort geschah etwas mit mir, was mir Hoffnung gab: Von meinem Herzen schien etwas wie eine eiserne Klammer abzufallen, die es eingeengt hatte. Ich empfand Trost. Sollte ich auf die Spur zu der Erfüllung gestoßen sein, die ich ersehnte? Also entschied ich, länger an diesem Ort zu bleiben, an dem es „nichts“ gab: kein bequemes Bett, keinen Strom und damit kein Radio und kein Fernsehen, weder Internet noch Licht – es wurde morgens gegen sieben Uhr hell und nachmittags gegen sechs Uhr dunkel –, natürlich weder Zeitung noch Zeitschriften – allerdings eine kleine Bibliothek und ringsherum nur ärmlichste Fischerdörfchen: Shopping unmöglich.
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