Der Stellar-Approach - Simon Berkler - E-Book

Der Stellar-Approach E-Book

Simon Berkler

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Beschreibung

Der Transformationsbaukasten für alle, die die Zukunft ihres Unternehmens und die Zukunft unserer Welt in Einklang bringen wollen. Alle Unternehmen wollen nachhaltig sein, aber das ist in unserem aktuellen Wirtschaftssystem gar nicht so einfach. Wie baut man also eine ganze Organisation so um, dass sie nicht nur wirtschaftlich gesund ist, sondern sich auch um das Erhalten und Wiederherstellen unseres Lebensraums sorgt? Wie geht man mit Zielkonflikten zwischen Gewinnorientierung und Nachhaltigkeitsanforderungen um? Müsste sich für wirklich nachhaltiges Wirtschaften nicht eigentlich das ganze Wirtschaftssystem verändern? Stimmt, und trotzdem kann man als einzelne Organisation anfangen. »Der Stellar-Approach« beschreibt, wie das gelingen kann. Er ist ein Transformationsbaukasten, der Organisationen ein Framework an die Hand gibt, nach dem sie sich Schritt für Schritt auf nachhaltiges und regeneratives Wirtschaften ausrichten und damit sowohl die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens gestalten als auch zum regenerativen Wandel der Wirtschaft beitragen können. »Der Stellar-Approach« richtet sich an alle, die in ihrem jeweiligen Einflussbereich anfangen wollen. Denn jeder Job ist heute ein Nachhaltigkeitsjob. »Der Systemwandel der Wirtschaft braucht beides: mutige Vereinbarungen auf politischer Ebene und aktive Gestaltungsarbeit in den Unternehmen. ›Der Stellar-Approach‹ zeigt, wie nachhaltiges und regeneratives Handeln auf allen Ebenen einer Organisation verankert werden kann und hilft damit, das riesige Thema in machbare Schritte zu unterteilen.« Prof. Dr. Maja Göpel, Transformations- und Nachhaltigkeitsexpertin, Bestsellerautorin »Ein wichtiger Baustein für den Übergang zu einer wirklich nachhaltigen Wirtschaft.« C. Otto Scharmer, Senior Lecturer am MIT und Co-Founder des Presencing Institute »Es ist die große Aufgabe unserer Zeit, zu verstehen, wie komplexe lebendige Systeme funktionieren und wie wir diese Erkenntnisse auf unsere Wirtschaft und unsere Organisationen anwenden können. ›Der Stellar-Approach‹ bietet einen äußerst nützlichen Leitfaden für die bevorstehende Reise.« John B. Fullerton, Gründer und Präsident des Capital Institute »Ein pragmatischer, leichtfüßiger und ermutigender Ansatz! Echte Nachhaltigkeit braucht viele, die vorangehen – Unternehmen haben einen tiefgreifenden Wandel vor sich, der ambitioniertes Handeln erfordert. ›Der Stellar-Approach‹ verdeutlicht die Dynamik gegenseitiger Abhängigkeiten und bietet relevante Werkzeuge für die Entwicklung regenerativer Fähigkeiten in der eigenen Organisation. Neben einer fundamentalen Umgestaltung der Geschäftsmodelle ist das ein wichtiger Baustein, um die Menschheit in den ›Safe and just space‹ des Doughnut zu bringen. Dieses Buch hilft dabei, diese riesige Aufgabe in machbare Schritte zu unterteilen.« Erinch Sahan, Business & Enterprise Lead beim Doughnut Economics Action Lab (DEAL)

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Cover for EPUB

Simon Berkler Ella Lagé

Der Stellar-Approach

Wie deine Organisation zum regenerativen Wandel der Wirtschaft beiträgt

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Der Transformationsbaukasten für alle, die die Zukunft ihres Unternehmens und die Zukunft unserer Welt in Einklang bringen wollen.Alle Unternehmen wollen nachhaltig sein, aber das ist in unserem aktuellen Wirtschaftssystem gar nicht so einfach. Wie baut man also eine ganze Organisation so um, dass sie nicht nur wirtschaftlich gesund ist, sondern sich auch um das Erhalten und Wiederherstellen unseres Lebensraums sorgt? Wie geht man mit Zielkonflikten zwischen Gewinnorientierung und Nachhaltigkeitsanforderungen um? Müsste sich für wirklich nachhaltiges Wirtschaften nicht eigentlich das ganze Wirtschaftssystem verändern?Stimmt, und trotzdem kann man als einzelne Organisation anfangen. »Der Stellar-Approach« beschreibt, wie das gelingen kann. Er ist ein Transformationsbaukasten, der Organisationen ein Framework an die Hand gibt, nach dem sie sich Schritt für Schritt auf nachhaltiges und regeneratives Wirtschaften ausrichten und damit sowohl die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens gestalten als auch zum regenerativen Wandel der Wirtschaft beitragen können. »Der Stellar-Approach« richtet sich an alle, die in ihrem jeweiligen Einflussbereich anfangen wollen. Denn jeder Job ist heute ein Nachhaltigkeitsjob.»Der Systemwandel der Wirtschaft braucht beides: mutige Vereinbarungen auf politischer Ebene und aktive Gestaltungsarbeit in den Unternehmen. ›Der Stellar-Approach‹ zeigt, wie nachhaltiges und regeneratives Handeln auf allen Ebenen einer Organisation verankert werden kann und hilft damit, das riesige Thema in machbare Schritte zu unterteilen.«Prof. Dr. Maja Göpel, Transformations- und Nachhaltigkeitsexpertin, Bestsellerautorin

Vita

Dr. Simon Berkler ist Co-Founder von TheDive und seit über 20 Jahren als Unternehmer und Organisationsberater tätig. Er studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und promovierte im Bereich der Medienökonomie. Er ist ausgebildeter systemischer und integraler Organisationsentwickler und verfügt über langjährige Erfahrung in der Begleitung mittlerer und großer Unternehmen bei ihren jeweiligen Transformationsprozessen. Mit TheDive arbeitet er an der Frage, wie eine lebensdienliche Weiterentwicklung des Wirtschaftssystems gelingen kann.Ella Lagé (Dipl.-Des., M.A.) arbeitete viele Jahre als Service Designerin in Innovationsprojekten mit großen Konzernen daran, gewohntes Handeln dauerhaft zu verändern. Heute erkundet sie mit TheDive, was Organisationen brauchen, um Erneuerung zu ermöglichen und als etwas Gutes zu erfahren. Zu ihren Schwerpunkten gehören agile Arbeitsweisen, Führungskräfteentwicklung sowie die Gestaltung der nachhaltig-regenerativen Transformation.

Denglisch

Der Titel dieses Buches lässt es schon vermuten: Der Stellar-Approach ist nicht allein für deutsche Nutzer*innen gemacht, sondern ein Produkt für Organisationen auf der ganzen Welt. Im Englischen heißt unser Ansatz The Stellar Approach, im Deutschen Der Stellar-Approach. Wir haben uns aufgrund der Wiedererkennbarkeit dagegen entschieden, den Stellar-Ansatz daraus zu machen.

Die Frage, wie viel Denglisch wir euch zumuten können, hat uns an vielen Stellen im Buch beschäftigt. Klar ist, dass wir unsere Sprache nicht unnötig verkomplizieren wollen. Wir versuchen, so klar zu schreiben, dass das, was wir sagen wollen, für alle Leser*innen gut verständlich ist – auch für diejenigen, die in ihrem Alltag nicht ständig mit den Begrifflichkeiten aus der regenerativen Welt und der Organisationsentwicklung in Kontakt kommen. Und doch ist es so, dass es mitunter Sinn ergibt, Lehnwörter aus dem Englischen zu verwenden, weil sie manchmal treffender und prägnanter zum Ausdruck bringen, worum es uns geht.

Damit ihr nicht ständig Begriffe recherchieren müsst, gibt es am Ende des Buches ein Glossar, in dem viele der englischen und auch andere wichtige Begriffe zum Nachschlagen aufgeführt sind.

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

Inhalt

Impressum

Inhalt

Check-in

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Warum es dieses Buch gibt

Für wen wir dieses Buch geschrieben haben

Bevor es losgeht

Teil 1

Den regenerativen Wandel gestalten

Einstieg

Die Spielregeln ändern, während wir das Spiel spielen

Transformation von innen heraus

Systemische Abhängigkeiten in den Blick nehmen

Welche Wirtschaft wollen wir?

Zwischen dem »Nicht mehr« und dem »Noch nicht«

»It’s the economy, stupid«

Nicht mehr: The system is broken?

Die Schattenseiten des heutigen Finanz- und Asset-Kapitalismus

1.

Unvollständige und verzerrte Abbildung der Realität

Ökologische Verzerrung: Negative Externalitäten

Soziale Verzerrung: Nicht bezahlte Arbeit und Ausbeutung

Ökonomische Verzerrung: Schuldenfinanziertes Wachstum

Institutionelle Verzerrung: Staatliche Leistungen versus staatliche Unterstützung

2.

Grenzenlose Akkumulation, Beschleunigung und ökonomische Hegemonie

Stetiger Wachstumszwang

Steigende Finanzialisierung

Steigende Ungleichheit

Steigende Geldmenge und Pseudoquantifizierung

Überproduktion und Abfälle

Kurzfristorientierung

Ökonomische Hegemonie

Das Narrativ von Wachstum, Fortschritt und Erfolg bröckelt

Noch nicht: Aufbruch in eine Regenerative Wirtschaft

Von Nachhaltigkeit zu Regenerativität

Schlüsseldimensionen einer Regenerativen Wirtschaft

Eine Wirtschaft, die sich als Teil des Lebens versteht: Ein kleiner Ausflug in unsere Grundannahmen

Vom linearen Denken zum systemischen Denken

Vom extraktiven Handeln zum treuhänderischen Handeln

Ein neuer Blick auf den Erfolgsbegriff

Multi Capital Accounting

Absolute und kontextsensible Messgrößen

ESGs, CSRD, ESRS – Regulierung in Richtung einer Regenerativen Wirtschaft?

Regenerative Narrative: Brauchen wir neue Held*innen?

Der Übergang: Die Spielregeln ändern, während wir das Spiel spielen

Die systemtheoretische Perspektive

Arbeit am System und Arbeit im System

Was das für Organisationen bedeutet: Das Paradox gestalten

Warum sollte ich das tun, wenn ich heute mit meinem Geschäftsmodell gutes Geld verdiene? Oder auch: Wie erkläre ich das meinen Shareholdern?

Vom »Mehr desselben« zum »Mehr des anderen«

Wie Organisationen zum regenerativen Wandel beitragen

Die Stellar-Prinzipien

Prinzip Embedded

Prinzip Diverse

Prinzip Circular

Prinzip Long-term

Das Transformationsdesign des Stellar-Approach

Das Innovationspotenzial der gesamten Organisation nutzen – Team für Team

Regeneratives Wirtschaften iterativ ins Leben bringen

Zielkonflikte integrieren

Teil 2

Der Stellar-Approach

Reisevorbereitungen für den Stellar-Approach

Die Ausrüstung für die Reise: Die Stellar-Praktiken

Stellar-Praktik 1: Vernetztheit verstehen

Stellar-Praktik 2: Eigenen Einflussbereich nutzen

Stellar-Praktik 3: Gemeinsame Intention setzen

Stellar-Praktik 4: Prozesse als Kreisläufe gestalten

Stellar-Praktik 5: Regenerative Entscheidungen treffen

Stellar-Praktik 6: Fortschritt sichtbar machen

Stellar-Praktik 7: Wirksam bleiben

Das innere Fitnesstraining: Die Stellar-Tugenden

Stellar-Tugend 1: Mut

Stellar-Tugend 2: Gestaltungsfreude

Stellar-Tugend 3: Ausdauer

Die Stellar-Reiseroute: Kontext, Richtung und Wirkung

Modul 1: Kontext

Modul 2: Richtung

Modul 3: Wirkung

Wie wir uns auf der Reise bewegen: Große Veränderungen beginnen mit kleinen Schritten

Die Stellar-Reise: Module und Methoden

Modul 1: Kontext

Konzepte, die die Komplexität etwas übersichtlicher machen

Nachhaltige und Regenerative Wirtschaft verstehen

Den sicheren und gerechten Raum des Regenerativen Wirtschaftens erfahren

Den Doughnut auf uns selbst anwenden

Diversität und Inklusion als Bestandteil der regenerativen Transformation

Die eigenen Privilegien erkennen

Stellar-Praktik 2: Eigenen Einflussbereich nutzen

Regenerative Business Canvas: Wie können wir die Beziehungen zu unseren Stakeholder*innen verbessern?

Stellar-Praktik 3: Gemeinsame Intention setzen

Der Beitrag unseres Teams, der unsere Organisation regenerativer macht

Vom Spannungsspeicher ins Backlog des ersten Sprints

Innere Arbeit in Modul 1

Gedanken machen Gefühle: Emotionen in Transformationsprozessen nutzen

Mut trainieren mit dem Tugendtrainer

Resilienz in Modul 1

Immer ausreichend Wasser unterm Kiel?

Modul 2: Richtung

Stellar-Praktik 4: Prozesse als Kreisläufe gestalten

Iteratives Arbeiten und langfristige Ausrichtung

Vorfreude auf die Erfolge in fünf bis zehn Jahren

Entwicklungspfade in die Zukunft

Erste Schritte ins zirkuläre Wirtschaften

Ein kurzer Blick auf die Grundlagen der Kreislaufwirtschaft

Closing Loops: Zirkuläres Denken im operativen Alltag verankern

Stellar-Praktik 5: Regenerative Entscheidungen treffen

Regenerative Rollen definieren

Mittelbare und langfristige Auswirkungen einbeziehen: Die Stellar-Standardrollen

Regenerative Standardrollen besetzen

Durch veränderte Entscheidungen Schritt für Schritt regenerativer werden

Welche Entscheidung darf’s denn sein?

Regenerative Argumente in Entscheidungen integrieren (rIDM)

Innere Arbeit in Modul 2

Gestaltungsfreude trainieren mit dem Tugendtrainer

Innehalten und Hoffnung schöpfen

Resilienz in Modul 2

Diese drei Kräfte bringen uns ins Gleichgewicht

Modul 3: Wirkung

Stellar-Praktik 6: Fortschritt sichtbar machen

Was bedeutet regenerativer Erfolg, und wie messen wir ihn?

Regenerative Wirkung messen

Storytelling: Eine gute Geschichte öffnet jede Tür

Ein Angebot, das du kaum ablehnen kannst

Stellar-Praktik 7: Wirksam werden und bleiben

Kompetent mit Dilemmasituationen umgehen

Vom Dilemma zum Möglichkeitsraum

Beziehung stärken im Team

Sich verbinden im Circle Way

Innere Arbeit in Modul 3

Ausdauer trainieren mit dem Tugendtrainer

Abschluss des Moduls und der Stellar-Reise

Deine Gedanken sind gefragt im Journaling

Wirksamkeit durch kollegiale Fallberatung

Das größere Bild: Der Stellar-Approach als Teil der regenerativen Transformation

Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren

Es braucht einen klaren organisationalen Willen

Alle Führungsebenen auf die Reise mitnehmen

Inseln der Transformation schaffen

Team ist nicht gleich Team

Starke interne Transformationsgestalter*innen aufbauen

Auf Pionier*innen setzen

Kontinuierlich kommunizieren

Keine Wunder erwarten

Teil der Lösung zu sein, darf Spaß machen

Pfadabhängigkeiten überwinden

Offen bleiben für Überraschungen

Die Transformationsarchitektur: Die Bausteine eines regenerativen Transformationsprozesses

Analyse und Konfiguration

Prozesssteuerung und Stakeholder*innen-Management

Strategisches Alignment

Ambition

Purpose

Narrativ

Einbettung in die Governance

Ziele

Metriken

Stellar-Teamreisen

Stellar-Reisen in den Führungsteams

Facilitator-Trainings

Business-Design

Kommunikation

Teil 3

Zum Weiterdenken und Anfangen

Das 5+1-Modell: Die »Life-centric- Organization«

Purpose: Von »Profit over impact« zu »Impact over profit«

Eigentum und Governance-Modell: Von kurzfristiger Wertsteigerung zu langfristiger Verantwortung

Finance: Von Profitorientierung zu finanzieller Resilienz

Organisationales Betriebssystem: Von der Personenhierarchie zum lebendigen Organismus

Leistungserbringung: Von linearer Ausbeutung zur wechselseitigen Wertbildung

»+1« Ökosystem: Vom Kampf um begrenzte Ressourcen zur Co-Evolution

Acht Ermutigungen für den regenerativen Entwicklungsweg

Check-out

Anhang

Checkliste für die Workshops

Basiskonzepte des nachhaltigen und Regenerativen Wirtschaftens

Sustainable-Development-Goals der Vereinten Nationen (SDG)

Was es ist

Leitfragen

Scope 1-3

Was es ist

Leitfragen

Science Based Targets for Nature (SBTfN)

Was es ist

Leitfragen

Ökosystem-Dienstleistungen (Ecosystem Services)

Was es ist

Leitfragen

Der »safe and just space« der Doughnut-Ökonomie

Was es ist

Leitfragen

Infinite Games

Was es ist

Leitfragen

Biomimikry

Was es ist

Leitfragen

Permakultur-Prinzipien für Organisationen

Was es ist

Leitfragen

Inner-Development-Goals (IDG)

Was es ist

Leitfragen

Literatur

Quellenangaben

Literaturempfehlungen

Nachhaltige und Regenerative Wirtschaft

Systemtheorie und Systemische Anwendung

Naturverständnis

Transformation

Circular Design

Permakultur

Wachstum, Green Growth, Degrowth

Kolonialismus

Feminismus und Patriarchat

Komplexität

Leadership

Resilienz

Innere Prozesse

Storytelling

Business-Design und Innovation

Purpose

Eigentum

Regeneratives Glossar

Anmerkungen

Einstieg

Zwischen dem »Nicht mehr« und dem »Noch nicht«

Wie Organisationen zum regenerativen Wandel beitragen

Reisevorbereitungen für den Stellar-Approach

Die Stellar-Reise: Module und Methoden

Das größere Bild: Der Stellar-Approach als Teil der regenerativen Transformation

Das 5+1-Modell: Die »Life-centric-Organization«

Anhang

Bildnachweise

Check-in

Wenn wir etwas Neues beginnen, starten wir mit einem Check-in. Wir tauschen uns darüber aus, wie es uns gerade geht und teilen, was für einen guten Start noch gesagt werden möchte.

Dann fangen wir mal an. Wenn wir auf den aktuellen Zustand der Welt blicken, geht es uns so: Wir sind besorgt. Oft alarmiert. Manchmal resigniert. Wir befinden uns in einer Welt, in der die natürlichen Ökosysteme jeden Tag so stark geschädigt werden, dass das Überleben von uns Menschen und noch viel mehr anderen Lebewesen ernsthaft gefährdet ist. In der die soziale Ungleichheit massiv zugenommen hat und immer weiter zunimmt. In der die Privilegien der letzten Jahrhunderte noch immer die Realität der Gegenwart bestimmen. In der uns leider die Zeit zum Gegensteuern davonläuft.

Da kann man sich manchmal schon sehr ohnmächtig fühlen.

Gleichzeitig sind wir aufgeregt und freudig gespannt. Weil wir mit dem Stellar-Approach einen Lösungsbeitrag anbieten. Weil wir nicht warten, bis »irgendwer« die Welt schon retten wird, sondern weil wir uns auf den Weg machen, um unseren eigenen Beitrag zu leisten, und andere dazu ermuntern, das Gleiche zu tun. Weil wir in diesem Buch Möglichkeiten aufzeigen, wie jeder und jede in seinem und ihrem Einflussbereich dazu beitragen kann, unseren angeschlagenen Planeten und unsere erschöpften Gesellschaften zu regenerieren. Stück für Stück und Schritt für Schritt.

Noch ein Nachhaltigkeitsbuch? Stimmt schon, es gibt bereits viele Bücher, in denen Aspekte eines wirksamen Nachhaltigkeitsmanagements beleuchtet werden. Außerdem gleich noch mehr Bücher, die beschreiben, warum ein Wandel zu mehr Nachhaltigkeit nötig ist. Was aus unserer Sicht bislang allerdings fehlt, ist ein Ansatz, der Unternehmen und Organisationen einen Leitfaden bietet, wie sie dort hinkommen. Diese Lücke soll Der Stellar-Approach füllen. Das Buch ist ein Debattenbeitrag zur Frage, welche Wirtschaft wir eigentlich wollen. Und es liefert einen konkreten Methodenbaukasten, mit dem sich jede Organisation und jedes Team auf den Weg machen kann.

Unser Bezugspunkt sind Organisationen – genauer: Teams in Organisationen. Im Kern ist der Stellar-Approach ein Entwicklungsprogramm, das Teams befähigt, zum regenerativen Wandel der eigenen Organisation beizutragen. Je mehr Teams sich auf diese Reise begeben, desto stärker verändert sich die Organisation. Je mehr Organisationen sich auf die Reise begeben, desto stärker verändert sich die Wirtschaft.

Natürlich ist das im echten Leben eine ziemlich verzwickte Aufgabe. Was in den letzten zwei Sätzen einfach und unkompliziert daherkam, ist in Wahrheit eingebettet in eine Vielzahl von Abhängigkeiten. Andernfalls hätte die Menschheit vermutlich längst schon umgesteuert. Wir werden uns im Stellar-Approach daher auch mit den Dynamiken des Wirtschaftssystems beschäftigen. Wir werden darauf blicken, wie es sich derzeit selbst destabilisiert und dazu beiträgt, dass wir uns sozial und ökologisch in eine ziemlich gefährliche Lage manövriert haben. Wir werden darüber nachdenken, wie ein neuer, regenerativer Zukunftsentwurf aussehen kann, der Gesundheit und Resilienz von Gesellschaft und Planet fördert. Und wir werden uns damit beschäftigen, was es für den Übergang braucht.

Damit wären wir auch direkt bei ein paar Themen, die uns noch wichtig sind, bevor wir anfangen, und die man als grundlegende Prämissen dieses Buches bezeichnen könnte:

Anerkennen von Komplexität: Das Leben ist ein komplexes Ding. Wir können noch so viel planen und vorausdenken – was dann tatsächlich passiert, ist das Ergebnis von miteinander verbundenen Systemdynamiken. Die Unvorhersagbarkeit komplexer Systeme konnte man in den vergangenen Jahren ganz gut im Weltgeschehen beobachten. Das heißt nicht, dass wir uns keine Richtung geben sollten. Wir sollten uns nur nicht der Illusion hingeben, dass wir in einem sozialen System alle Schritte in diese gewünschte Richtung kontrollieren könnten.

Vereinfachung, ohne zu trivialisieren: Um in komplexen Umfeldern zu navigieren und kommunikationsfähig zu bleiben, brauchen wir Vereinfachung. Jedes Modell, jedes Konzept, jede Theorie muss notwendigerweise immer einzelne Aspekte der Wirklichkeit ausblenden oder gewichten. Das gilt genauso für den Stellar-Approach. Aus unserer Sicht sind Vereinfachungen in Ordnung (und unausweichlich), solange sie sich der dahinterliegenden Komplexität bewusst bleiben.

Radikale Entwicklungsorientierung: Das Leben besteht aus Entwicklung. Entwicklung findet immer statt, ob wir wollen oder nicht. Daraus ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen: Erstens kann es hilfreich sein, ab und zu die Flughöhe zu ändern und sich zu fragen, ob die eingeschlagene Entwicklungsrichtung noch hilfreich ist. Zweitens liegt diesem Entwicklungsverständnis eine organische und iterative Haltung zugrunde. Auch große Entwicklungen bestehen in unserem Verständnis aus vielen kleinen Schritten. Und die vielen kleinen Schritte sind ja bekanntermaßen manchmal leichter zu gehen als der eine große Schritt.

Hilfreich statt richtig: Auf der Grundlage dieser Prämissen wird auch schon klar, dass wir nicht den Anspruch erheben (können), dass unsere Vorschläge objektiv »richtig« seien. Sinnvoller finden wir die Frage, ob sie hilfreich für eine gewünschte Entwicklungsrichtung sind. In unserem Fall lautet die gewünschte Richtung: Wie kommen wir zu mehr Regenerativität in der Wirtschaft?

Praxisbezug: Wenn man darüber spricht, was sich in der Wirtschaft verändern könnte oder sollte, dann brauchen wir einen Abgleich unserer theoretischen Grundannahmen, damit wir nicht aneinander vorbeireden. Uns ist es aber genauso wichtig, praktisches Handwerkszeug zu liefern, das du unmittelbar anwenden kannst. Der Stellar-Approach bemüht sich, beide Bedürfnisse zu berücksichtigen.

Beyond Human Supremacy (jenseits menschlicher Vorherrschaft): Dieser Aspekt liegt uns sehr am Herzen. Wir Menschen halten uns allzu oft für die intelligenteste Spezies auf diesem Planeten und sind gleichzeitig diejenige Spezies, die unseren Ökosystemen den größten Schaden zugefügt hat. Wenn wir hier über Regenerativität schreiben, sollten wir uns immer wieder bewusstmachen, dass es viele Bestandteile eines Ökosystems braucht, um Leben zu ermöglichen. Und manchmal haben nicht menschliche Lebewesen die besseren Herangehensweisen als wir Menschen.

Und noch etwas ist uns wichtig: Der Diskussion rund um die Weiterentwicklung des Wirtschaftssystems wird schnell politische Einseitigkeit oder gar eine ideologische Agenda unterstellt. Diese Projektionen können wir natürlich nicht vermeiden. Wir bemühen uns aber darum, den Stellar-Approach aus einer unaufgeregten Matter-of-fact-Haltung heraus zu verfassen.

Wir möchten weder auf »das Alte« einprügeln noch »das Neue« glorifizieren. Unsere heutige Wirtschaftsordnung ist zunächst einmal eine kulturelle Errungenschaft. Zugleich sehen wir es als unsere Verantwortung an, kritisch zu hinterfragen, wo dieses System herkommt, was davon hilfreich oder auch weniger hilfreich ist, und an welchen Stellen ein Update oder ein Umbau nötig ist. Wenn wir eine Wirtschaft wollen, mit der wir uns nicht nach und nach unsere Lebensgrundlagen entziehen, werden wir uns diese Fragen stellen müssen. So einfach ist das. Und so schwierig zugleich.

Eingecheckt!

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Wir wollen nun noch einen Überblick über die Inhalte dieses Buches geben, um dir die Orientierung etwas leichter zu machen.

In Teil 1 geht es um den regenerativen Wandel der Wirtschaft und die Frage, wie Organisationen zu diesem Wandel beitragen können. Wir beschäftigen uns mit dem Wirtschaftssystem und seiner möglichen Weiterentwicklung. Und wir werfen einen Blick auf das grundsätzliche Transformationsdesign, nach dem der Stellar-Approach aufgebaut ist.

Teil 2 ist der ausführlichen methodischen Beschreibung des Stellar-Approach gewidmet. Wir reisen gemeinsam durch drei Workshop-Module, die sämtliche Inhalte und Methoden gut verdaulich in eine Ordnung bringen. Wir geben außerdem einige Hinweise, wie der Stellar-Approach in die übergreifende Nachhaltigkeitstransformation eingebettet werden kann.

In Teil 3 des Buches schauen wir von oben auf alle Inhalte und nehmen die Systemperspektive ein. Für einen wirksamen regenerativen Wandel gibt es weitere Gestaltungsebenen in Organisationen, die über die Kerninhalte des Stellar-Approach hinausgehen. Im Sinne eines Ausblicks stellen wir sechs verschiedene Ebenen vor, die uns wichtig erscheinen.

Du kannst die Teile aufeinander aufbauend lesen. Es ist aber auch möglich, einzelne Kapitel herauszugreifen, die dir besonders interessant erscheinen.

Warum es dieses Buch gibt

Wir erkunden schon seit vielen Jahren, wie Organisationen dazu beitragen können, dass eine lebensdienliche Wirtschaft auf dieser Welt entsteht. Eine Wirtschaft, die das Leben selbst in den Mittelpunkt stellt und alle Lebensprozesse auf diesem Planeten mitdenkt. Wir sind fest davon überzeugt, dass in den Zeiten, die wir gerade erleben, jede*r von uns aufgerufen ist, im jeweiligen Einflussbereich einen positiven Unterschied zu machen.

Wir bauen mit dem Stellar-Approach auf vielen schlauen Gedanken und Konzepten auf, die andere bereits entwickelt haben. Wir wollen mit dem Buch aber nicht nur nützliche Tools zur Verfügung stellen und Inspiration für die regenerative Reise bieten. Wir wollen auch Mut machen. Denn die regenerative Transformation braucht mutige Pionier*innen wie dich, um diesen Weg zu gehen.

Das Buch erhebt nicht den Anspruch, vollständig oder in irgendeiner Form fertig im Sinne von abgeschlossen zu sein. Such dir die Elemente heraus, die dir am nützlichsten erscheinen, und verwende sie in deiner Arbeit. Behalte bei, was für dich funktioniert, verwirf, was dir nicht weiterhilft. Und wenn dir etwas fehlt oder du Ideen hast, wie der Stellar-Approach noch wirkungsvoller sein könnte, lass es uns wissen – damit künftige Leser*innen von deinen Erfahrungen profitieren können.

Für wen wir dieses Buch geschrieben haben

Der Stellar-Approach ist geschrieben …

für Führungskräfte aller Ebenen, die mutig vorangehen und nicht weitere fünf oder zehn Jahre warten wollen, um eine umfassende, organisationsweite Transformation in Richtung Nachhaltigkeit und Regenerativität einzuleiten;

für Nachhaltigkeitsmanager*innen, die echte Nachhaltigkeit und Regenerativität in der Breite der Organisation verankern wollen;

für Organisationsentwickler*innen, die Transformationsprozesse in Organisationen planen und begleiten und die sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Agenda geschrieben haben;

für HR-Verantwortliche, die eine Antwort auf die Frage bekommen wollen, welche Rolle sie in der nachhaltigen Transformation spielen können;

und nicht zuletzt für alle, die nicht nur reden, sondern praktisch anpacken und zur Umgestaltung der Wirtschaft beitragen wollen. Für Pionier*innen, für Innovator*innen, für Andersmacher*innen. Für die 3,5 Prozent der Gesellschaft, die gebraucht werden, um große Veränderungen anzustoßen.1

Bevor es losgeht

Zum Ende dieses Check-ins möchten wir dir selbst Zeit geben, damit du dich fragen kannst:

Was muss dieses Buch leisten, damit das Lesen für mich ein voller Erfolg wird? Welche großen Fragen will ich mir mit dieser Lektüre beantworten?

Wenn du auf der letzten Seite angekommen bist, kannst du zurückblättern, nachlesen, was du dir von dem Buch erhofft hast, und es damit abgleichen, was es dir wirklich gegeben hat.

Wir hoffen, dir mit dem Stellar-Approach einen Kompass und einen Werkzeugkasten an die Hand zu geben, mit dem du in deinem Einflussbereich sofort wirksam werden kannst. Für ein gutes Heute und ein besseres Morgen.

Wir haben viel zu tun. Legen wir los – einen Schritt nach dem anderen.

Teil 1

Den regenerativen Wandel gestalten

Einstieg

Nachhaltigkeit1 ist als Topthema in der Wirtschaft und in den Unternehmen angekommen. Gerade einmal 50 Jahre, nachdem zum ersten Mal in der breiten Öffentlichkeit vor den Gefahren des Klimawandels gewarnt wurde. Okay, Zynismus beiseite: Spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 gewinnt Nachhaltigkeit als politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Thema stetig an Relevanz und öffentlicher Aufmerksamkeit. Die Welt ringt um wirksame Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakatastrophe. Die EU ruft den Green Deal aus. CO2-Emissionen werden bepreist, neue Taxonomien und Reportingstandards für die Wirtschaft eingeführt.

In einer Vielzahl von Unternehmen hat Nachhaltigkeit eine hohe Priorität und bestimmt die Transformationsagenda. Unter der Überschrift »Nachhaltigkeitstransformation« haben etliche Unternehmen begonnen, sich Nachhaltigkeitsziele zu setzen, Dekarbonisierungsstrategien zu entwerfen, Umsetzungspläne zu gestalten und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Also alles im Griff?

Die andere Realität: Eine im Fachmagazin nature veröffentlichte Studie geht davon aus, dass die Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 2 Grad bis zum Jahr 2100 nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 Prozent erreicht wird.2 Der Verlust an Biodiversität ist dramatisch und kaum noch aufzuhalten. Soziale Ungleichheiten nehmen zu und wurden durch die Corona-Pandemie noch verschärft. Die Netto-Null-Ziele von Unternehmen, aber auch von Regierungen sind zu großen Teilen noch Jahrzehnte entfernt. Die 17 Sustainable-Development-Goals der UN werden nach aktuellen Berechnungen nicht vor 2082 erreicht werden.

»As we reflect on the past 20 years, it seems that everything has changed, and nothing has changed« – so beschrieb es Business for Social Responsibility, eines der führenden US-Netzwerke im Bereich nachhaltiger Wirtschaft bereits im Jahr 2012. Mehr als zehn Jahre später dürfte das Fazit zwar etwas differenzierter ausfallen, da die Auswirkungen der Klimakatastrophe deutlich spürbarer geworden sind – nicht nur im Globalen Süden, wo viele Länder schon längst jeden Tag die Konsequenzen des Konsumverhaltens der sogenannten entwickelten Länder zu spüren bekommen, sondern auch in Europa und Nordamerika. Im Kern stimmt die Aussage aber immer noch: Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden zwar immer breiter diskutiert, die Anstrengungen aller Akteur*innen nehmen zu – allein der weltweite Energieverbrauch springt weiter von Rekord zu Rekord, es gelingt nicht, die CO2-Emissionen weltweit zu reduzieren, den Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten, die soziale Ungleichheit zu verringern.

Die Spielregeln ändern, während wir das Spiel spielen

Viele Menschen in den Unternehmen haben das Gefühl, dass »das mit der Nachhaltigkeit« eine etwas andere Herausforderung ist als zum Beispiel die Herausforderung der Digitalisierung in den vergangenen 20 bis 30 Jahren. Einerseits, weil die Klimakatastrophe die Menschheit ganz unmittelbar und existenziell gefährdet.3 Andererseits, weil sich die Frage aufdrängt, ob die gesellschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Spielregeln nicht grundsätzlich geändert werden müssten, wenn wir die überlebenswichtigen Klimaziele in den nächsten Jahren noch erreichen wollen. Wie sähe eine Wirtschaft aus, die sich innerhalb der planetaren Grenzen bewegt, statt ständig über ihre Verhältnisse zu leben? Eine Wirtschaft, die globale Gerechtigkeit statt soziale Ungleichheit fördert? Wäre das überhaupt noch die gleiche Wirtschaft wie heute? Und vor allem: Wie kommen wir dahin, ohne auf dem Weg die soziale Stabilität zu gefährden und ins gesellschaftliche Chaos zu rutschen?

Es ist paradox: Wir müssen die Spielregeln ändern, während wir das Spiel spielen. Dafür gibt es leider keine Blaupausen, keine Masterpläne, keine vorgefertigten Gebrauchsanweisungen. Klar ist nur: Wenn wir das schaffen wollen, brauchen wir die kollektive Anstrengung vieler Akteur*innen. Wir brauchen die Menschen, die an den Systemen arbeiten und gesetzliche Rahmenbedingungen gestalten – die Regierungen, die Politik, die Verwaltung. Wir brauchen aber auch alle, die im System mitwirken und es von innen heraus verändern: die Zivilgesellschaft, Aktivist*innen, Bürger*innen – und eben die Organisationen und Unternehmen selbst.

Transformation von innen heraus

Genau da setzen wir mit dem Stellar-Approach an. Er ist ein Lösungsangebot für Organisationen, er richtet sich also an Akteur*innen im System. Er beschreibt einen Entwicklungsweg in eine mögliche Zukunft und hilft der Organisation, auf diesem Weg Schritt für Schritt zur Lösung der aktuell so drängenden Herausforderungen beizutragen – und damit die Resilienz der eigenen Geschäftsmodelle zu stärken. Der Stellar-Approach empfiehlt eine Richtung, aber er gibt nicht das Ergebnis vor.

Nachhaltigkeit und Regenerativität sind kein Zustand, sondern ein Prozess. Niemand weiß heute ganz genau, wie die Wirtschaft der Zukunft aussehen wird. Viele Unternehmen wissen heute noch nicht einmal, wie sie ihre selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele für 2030 oder 2045 erreichen sollen. Dieses Nichtwissen und diese Unsicherheit sind im Stellar-Approach Teil der Lösung. Die Organisation macht sich mit dem Stellar-Approach auf die Reise und lernt dazu. Das Brauchbare wird verstetigt, das weniger Brauchbare aussortiert.

Der Stellar-Approach arbeitet im Kern mit Teams, ganz gleich, ob es sich um funktionale, cross-funktionale oder auch Führungsteams handelt. Warum? In den Teams einer Organisation wird die eigentliche Arbeit gemacht, dort werden die Entscheidungen getroffen, die eine Organisation in eine mehr oder weniger nachhaltige Richtung bewegen. Wenn alle Teams4 einer Organisation sukzessive nachhaltiger und regenerativer werden in dem, was sie tun, wird damit auch die gesamte Organisation nachhaltiger und regenerativer. Und über verändertes Handeln ändert sich auch die vielbeschworene Kultur in der Organisation, sodass weitere Schritte der Veränderung wahrscheinlicher werden.

Im Stellar-Approach nutzen wir Prinzipien, Praktiken und Tugenden, die dabei helfen, im Gehen neue Muster zu etablieren. Die drei Elemente fügen sich nach und nach im Buch zusammen:

Stellar- Prinzipien

Die vier Stellar-Prinzipien sind unsere Leitsterne. Als Gestaltungsprinzipien geben sie der regenerativen Reise eine klare Richtung und bieten den Teams Orientierung auf dem Weg.

Stellar- Praktiken

Die sieben Stellar-Praktiken versorgen die Teams mit der passenden Ausrüstung. Mit den Praktiken bauen die Teams Fähigkeiten und Gewohnheiten auf, die sie für die Reise benötigen.

Stellar- Tugenden

Die drei Stellar-Tugenden sind innere Kompetenzen, die jedem*jeder Einzelnen helfen, im Übergang zum Regenerativen Wirtschaften bei Kräften zu bleiben.

Systemische Abhängigkeiten in den Blick nehmen

Auch wenn wir mit einzelnen Teams arbeiten, denken wir die systemischen Abhängigkeiten mit. In Teams wirken mehrere Menschen zusammen. Teams sind nicht allein auf der Welt, sondern sie sind Teil der Organisation und ihrer Rationalität. Die Organisation ist Teil des Wirtschaftssystems und seiner Grundbedingungen, sofern sie privatwirtschaftlich tätig ist. Die Art und Weise, wie wir wirtschaften, hat wiederum Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf den Planeten. Hier eine stark vereinfachte Darstellung:

Wenn Unternehmen sich auf den Weg der Nachhaltigkeitstransformation begeben, kommen sie immer wieder an fundamentalen Fragen vorbei, die nicht vollständig im Unternehmen beantwortet werden, sondern letztlich auf der Ebene des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems oder auf der Ebene der ökologischen Systeme: Wie ist das mit dem Wachstum? Ist eine wachsende Wirtschaft überhaupt möglich in einem begrenzten Ökosystem? Inwieweit vertragen sich Nachhaltigkeit und der Vorrang von Shareholder-Interessen? Können Profitstreben und Nachhaltigkeit koexistieren oder müssen Trade-offs in Kauf genommen werden? Inwiefern bedroht die steigende Ungleichheit die soziale Stabilität von Wirtschaft und Gesellschaft – und was können Organisationen dagegen tun? Das heutige Wirtschaftssystem eröffnet bestimmte Möglichkeitsräume, es verhindert aber auch andere.

Gleichzeitig ist »die Wirtschaft« natürlich nichts Statisches. Sie verändert sich stetig – nicht nur durch Gesetzgebung und Regulierung, sondern auch »von innen«, also dadurch, dass einzelne Akteur*innen des Systems die Systemgrenzen dehnen, Dinge anders machen als früher – eben neue Muster etablieren.

Welche Wirtschaft wollen wir?

Wenn wir Unternehmen so gestalten wollen, dass sie sich innerhalb der planetaren Grenzen bewegen und zur sozialen Gerechtigkeit beitragen, werden wir nicht umhinkommen, auch die Grundbedingungen des Wirtschaftssystems einem Update zu unterziehen, da diese einer solchen Entwicklung teilweise im Wege stehen. Wir müssen die Frage mitdenken, in welchen Systemdynamiken sich die Unternehmen heute bewegen und wie ein neuer, erweiterter Möglichkeitsraum aussehen könnte. Es geht darum, nicht nur ein neues Bild für das eigene Unternehmen zu malen, sondern gleichzeitig auch den Bilderrahmen zu verschieben. Natürlich wird es dabei zu Zielkonflikten kommen, und diese müssen benannt werden! Denn nur im Wissen um diese Zielkonflikte und die jeweiligen Konsequenzen können wir informierte Entscheidungen treffen.

Im Stellar-Approach nehmen wir beide Ebenen in den Blick – die der Organisation und die des Wirtschaftssystems. Wir arbeiten mit einzelnen Organisationen beziehungsweise Teams, die sich in eine nachhaltige oder gar regenerative Richtung entwickeln und damit gleichzeitig ihren Teil zu einem Update der Wirtschaft beitragen – nicht von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt.

Nachhaltig oder regenerativ?

Wir nutzen im Stellar-Approach das Konzept der Regenerativen Wirtschaft als Zukunftsbild. Wir werden noch genauer darauf eingehen, was der Unterschied zwischen nachhaltigem und Regenerativem Wirtschaften ist. An dieser Stelle reicht es, zu verstehen:

Nachhaltiges Wirtschaften hat zum Ziel, negative soziale und ökologische Effekte der Wirtschaft abzuschwächen, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern und damit Klimaneutralität zu erreichen (Net Zero).

Regenerative Ansätze bemühen sich um systemische Lösungen. Sie verstehen Wirtschaft, Gesellschaft und Planet als lebende, aufeinander bezogene Systeme und haben zum Ziel, dass die Wirtschaft im Einklang mit den unverhandelbaren Prinzipien des Lebens steht und positiv zu den Lebensprozessen beiträgt (Net Positive).

Nachhaltig und regenerativ sind kein Entweder-oder. Wir verstehen nachhaltiges Wirtschaften als ein mögliches Etappenziel auf dem Weg zu einer regenerativen Wirtschaftspraktik.5

Im nächsten Kapitel nehmen wir zunächst das Wirtschaftssystem und seine mögliche regenerative Weiterentwicklung unter die Lupe. Wo stehen wir in der Welt, und was hat die Wirtschaft damit zu tun? Wir wagen einen Ausblick in eine regenerative Zukunft: Wie könnte eine Regenerative Wirtschaft aussehen, und wie kann der Übergang gelingen?

Im letzten Kapitel dieses ersten Teils schauen wir genauer darauf, wie Organisationen die regenerative Transformation gestalten können. Du lernst die Stellar-Prinzipien kennen und wir erklären dir, wie der Stellar-Approach die schrittweise Transformation unterstützt.

Eine Warnung vorweg: Diese Reise wird nicht frei von Paradoxien bleiben! Transformationszeiten sind voll von Widersprüchlichkeiten und Dilemmata. Wir können nicht versprechen, dass sich all diese Knoten auflösen. Wir versprechen aber, dir Mut zu machen, die ersten Schritte zu gehen – auch und gerade dann, wenn der sechste, siebte oder achte Schritt von heute aus noch nicht klar benannt werden kann.

Zwischen dem »Nicht mehr« und dem »Noch nicht«

»Regeneration offers a bold vision of the future we need to achieve, rather than the climate catastrophe we need to avoid.«1

Wir haben uns als Menschheit in eine gefährliche Situation gebracht und stehen jetzt an einem Wendepunkt. Wir leben in einer Zeit, in der sich globale krisenhafte Zustände immer schneller aneinanderreihen. Eine unvollständige Auswahl aus den letzten 15 Jahren: Die durch die Lehman-Pleite ausgelöste Finanzkrise, die nur dadurch aufgefangen wurde, dass die Staaten erhebliche Summen in den Finanzsektor gepumpt haben. Die sich seit Jahrzehnten verschärfende Klimakrise, die sich mit exponentieller Wucht in Richtung Klimakatastrophe auswächst. Die steigende soziale Ungleichheit, in der einige wenige reiche Menschen genauso viel besitzen wie die ärmsten 50 Prozent der Weltbevölkerung. Die ökologische Ungleichheit, in der das reichste Prozent der Menschen genauso viel CO2 verursacht wie die ärmsten 66 Prozent.2 Der dramatische und oft stille Verlust an Biodiversität. Die strukturelle Diskriminierung von marginalisierten und nicht privilegierten Gruppen, die sich lange Zeit ebenfalls nur sehr still vollzogen hat und die heute immer mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhält. Die Corona-Krise, in der sich ein Virus rasend schnell um den Erdball verbreitet, weil wir den Tieren immer weniger Lebensraum zugestehen und Zoonosen leichtes Spiel haben. Geopolitische Krisen, in denen macht- und wirtschaftspolitisches Kalkül über jede Form von Leben gestellt wird. Vielfältige Migrationskrisen, weil bestimmte Gebiete der Erde aus ökologischen, sozialen oder militärischen Gründen nicht mehr bewohnbar sind. Die diffuse Bedrohung durch Künstliche Intelligenz (KI), die erhoffte Chancen wie auch potenziell unbeherrschbare Risiken gleichermaßen in sich birgt.

Die Zahlen sprechen für sich

Krisen und Endzeitstimmung gab es vermutlich in jeder Generation. Neu aber sind die Reichweite und der Grad an Vernetztheit. Viele der oben genannten Krisen sind nicht lokal oder regional begrenzt, sondern entfalten sich simultan auf der ganzen Welt. Mit der fortschreitenden Zerstörung unseres Planeten und unseres Lebensraums haben wir mittlerweile einen Eskalationsgrad geschaffen, in dem zuerst die menschliche Zivilisation und dann irgendwann auch die menschliche Existenz ernsthaft bedroht sind. Dazu kommt, dass die Krisen untereinander auf vielfältige Art und Weise miteinander verbunden und daher nicht voneinander getrennt lösbar sind. Multiple Systemkrisen werden sie häufig genannt, auch die Begriffe »Polykrise« oder »Metakrise« werden oft zusammenfassend verwendet.

Durch die anhaltende exponentielle Beschleunigung der vergangenen Jahrzehnte entsteht zudem eine besondere Form der Dringlichkeit. Am Beispiel der Klimakatastrophe: Bereits heute sind die Auswirkungen des eingeschlagenen Weges deutlich spürbar, dabei befinden wir uns im globalen Mittel »erst« bei 1,5 Grad Klimaerwärmung im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten.3 Keiner weiß ganz genau, welche Welt wir vorfinden werden, wenn wir global bei 2,0 oder auch 4,5 Grad landen. Durch die gegenseitigen Abhängigkeiten der Kipppunkte des globalen Ökosystems können Kettenreaktionen ausgelöst werden, die sich wechselseitig verstärken und daher kaum vorhersagbar sind. Klar ist: Wenn wir die Erwärmung in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaabkommen bei 1,5 Grad eindämmen wollen, dürften wir global noch circa 230 Gigatonnen CO2 beziehungsweise CO2-Äquivalente emittieren. Beim Tempo des jetzigen globalen CO2-Ausstoßes haben wir dieses verbleibende »CO2-Budget« in weniger als sechs Jahren aufgebraucht.4

»It’s the economy, stupid«

Die Dauerkrise ist zum Standardprogramm geworden. So langsam dämmert es uns, dass es nicht nur keinen Weg zurück in den »Normalzustand« gibt, sondern dass der vorgebliche Normalzustand der letzten 50 bis 100 Jahre alles andere als normal war. Wir haben so viel Energie produziert wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte und haben damit weltweit ein bis dahin unbekanntes Produktivitätsniveau erreicht. Auf diesem Weg haben wir allerdings auch den Planeten an den Rand des Kollapses gebracht, soziale Probleme aufgetürmt, Problemlösungen auf unverantwortliche Weise in die Zukunft verlagert und uns in eine Wachstumsfalle manövriert, aus der wir jetzt nur noch schwerlich einen Ausweg finden.

Als Einzelne stehen wir vor diesen Entwicklungen manchmal aktiviert und lösungsorientiert, dann wieder ungläubig und ohnmächtig, teils vielleicht auch gleichgültig, weil sie uns schlicht überfordern. Individuell haben wahrscheinlich die wenigsten Menschen ein Interesse daran, den Planeten zu zerstören oder ganze Arten auszurotten. Kollektiv produzieren wir aber tagtäglich genau diese Ergebnisse. Es kann einem so vorkommen, als hätten wir ein System geschaffen, das eine Eigendynamik entfaltet, die nicht mehr aufzuhalten ist.

Natürlich ist »die Wirtschaft« nicht monokausal für alle weltweiten Krisen verantwortlich zu machen. Dafür ist die Sache zu komplex. Dennoch haben alle genannten Krisen etwas damit zu tun, wie wir heute wirtschaften. In diesem ersten Kapitel soll es daher etwas genauer um die systemischen Eigendynamiken des Wirtschaftssystems gehen. Um dem »Nicht-mehr« und dem »Noch-nicht« aus der Überschrift einen konzeptionellen Rahmen zu geben, greifen wir auf das Modell der Three Horizons zurück.5 Wie jedes Modell ist es eine Vereinfachung, kann uns aber helfen, die eigenen Beobachtungen und Wahrnehmungen auf einer inneren Landkarte zu verorten.

»Horizont 1« (H1) ist das »Nicht-mehr« – die Wirtschaft, wie wir sie heute kennen und wie sie heute dominiert (Business-as-usual). Das heute weltweit vorherrschende Wirtschaftssystem können wir als neoliberalen Kapitalismus, als Finanzkapitalismus oder auch als Asset-Kapitalismus bezeichnen. Die H1-Systeme muten über lange Zeit stabil und zuverlässig an, doch mit einer sich verändernden Welt beginnen auch Aspekte des Business-as-usual sich fehl am Platz oder nicht mehr zweckmäßig anzufühlen. Wir werden im nächsten Kapitel kurz darstellen, warum das heute vorherrschende kapitalistische Wirtschaftssystem immer schon einen Hang zur Destabilisierung und zur Krise beinhaltet hat und warum ein Update notwendig ist – jedenfalls solange wir am Überleben der Menschheit interessiert sind.

»Horizont 3« (H3) ist das »Noch-nicht« – eine neue Form des Wirtschaftens, die es heute noch nicht gibt und die sich erst noch entwickeln muss (Business-as-the-world-needs6). Man kann diese Wirtschaft als nachhaltige Wirtschaft bezeichnen, im Stellar-Approach bevorzugen wir den Begriff und das Konzept der Regenerativen Wirtschaft. Wir werden im nächsten Kapitel genauer darauf eingehen, was mit Regenerativität gemeint ist. Klar ist: Keiner weiß heute ganz genau, wie eine solche Wirtschaft aussehen wird und welche gesellschaftlichen Veränderungen dafür erforderlich sind. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir die Anforderungen an eine zukunftsfähige Wirtschaft zwar in etwa kennen, aber noch herausfinden dürfen, wie wir diese Anforderungen konkret umsetzen können. Es lohnt sich, auf frühe H3-Manifestationen zu achten, die bereits heute beobachtet werden können (auch »Pockets of the future« genannt).

»Horizont 2« (H2) ist das Dazwischen. Hier geht es um Übergangsaktivitäten, um Innovationen und ums Ausprobieren. Manche dieser Innovationen werden von den H1-Systemen aufgegriffen und integriert, während andere den Weg ebnen für die Entstehung der radikal anderen H3-Systeme. Üblicherweise ist H2 ein Bereich, der mit Unsicherheit und Umbrüchen einhergeht, weil die Spielregeln geändert werden, während das Spiel gerade läuft. Mit dem Stellar-Approach sind wir genau in diesem (H2-)Raum unterwegs, da wir einen strukturierten Entwicklungsweg vom Business-as-usual zum Business-as-the-world-needs eröffnen – ohne die Zukunft exakt beschreiben zu können.

Reflexion

Fragen zur Reflexion

Nimm dir zum Start ein bisschen Zeit für einige Fragen. Es geht um deine professionellen Umfelder – deine eigene Organisation oder auch andere Organisationen, die du gut kennst. Reflektiere für dich:

Was will gerade zu Ende gehen – was funktioniert nicht mehr?

Wo habe ich das Gefühl, entsteht gerade Neues, und was ist meine eigene Rolle dabei?

Wo trage ich selbst zu einer nachhaltigen oder regenerativen Zukunft bei, wo stehe ich ihr eher im Weg?

Was bräuchte ich, um (noch stärker) zu einer regenerativen Welt beizutragen?

Nicht mehr: The system is broken?

Um es deutlich zu sagen: Die wirtschaftlichen Aktivitäten der letzten zwei Jahrhunderte haben eine Reihe von positiven Effekten auf die gesellschaftliche Entwicklung mit sich gebracht7 – wenn auch mit großen globalen Unterschieden. In den letzten Jahrzehnten werden die Begleitschäden und die Dysfunktionalitäten des heutigen Wirtschaftssystems aber immer sichtbarer.

Wir alle können die Symptome täglich beobachten. Die organischen Systeme werden krank: die Ökosysteme, in denen wir leben, Flora und Fauna stehen unter immensem Stress. Die sozialen Systeme werden krank: Ungleichheit und Polarisierung nehmen zu und stehen einer kollektiven Lösung der globalen Probleme im Weg. Die psychischen Systeme werden krank: Die Menschen und ihre Psyche stehen ebenfalls zunehmend unter Stress, da sie ja selbst ein Teil des belasteten Gesamtsystems sind. Die global steigenden Depressions- und Burn-out-Raten sprechen eine deutliche Sprache.

Die Wirtschaft, wie wir sie heute kennen, spielt in diesem Stück eine Doppelrolle, deren zwei Gesichter manchmal nicht leicht voneinander zu trennen sind. Sie ist Problemlöserin und Problemverschärferin zugleich.

Exkursion

Eine (sehr) kurze Zeitreise durch die neuere Wirtschaftsgeschichte8

Fangen wir noch einmal ganz von vorn an: Vor der industriellen Revolution waren wirtschaftliche Kreisläufe so geschlossen, dass jedes Verhalten relativ offensichtliche Folgen hatte. Wer mit seinen Ressourcen nicht verantwortungsvoll umgehen konnte, brachte die eigene Existenz in Gefahr. Arbeitsteilung war ein Fremdwort, das wirtschaftliche Handeln war geprägt durch persönliche Beziehungen. Wirtschaften diente im Wesentlichen der eigenen Lebenserhaltung.

Das änderte sich mit der fortschreitenden Industrialisierung. Aus dem merkantilen Frühkapitalismus formte sich im 18. und 19. Jahrhundert ein liberal-kolonialistisch geprägter Kapitalismus, der nach und nach in einen industriellen Kapitalismus überging. Von der Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre wurde die Wirtschaftsordnung sehr stark staatlich gelenkt, bevor sie in den heute vorherrschenden neoliberalen Finanzkapitalismus überging, der wiederum gerade dabei ist, sich in einen Asset-Kapitalismus zu wandeln.9

All diese Formen des Kapitalismus haben in ihrer Entwicklung immer wieder stabilisierend, aber auch destabilisierend für das Zusammenleben der Menschheit gewirkt. In Phasen der Destabilisierung kam es meist zu staatlichen Interventionen, um das Wirtschaftssystem zu stützen. Hierdurch wurden kurzfristige Probleme gelindert, es ergaben sich aber zumeist neue Herausforderungen. Die beiden großen ökologischen und sozialen Widersprüche des Kapitalismus wurden bis heute nicht gelöst, sondern mit jedem neuen Entwicklungskapitel vertagt:

Der Haupttreiber der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten zwei Jahrhunderte ist der massive Einsatz von Energie in einem Umfang, der über alle Belastungsgrenzen unseres Planeten hinausgeht.

Die kapitalistische Entwicklung beruht auf sozialer Ungleichheit und auf Ausbeutungsmechanismen, die bis heute fortwirken.

Bis zum 17. Jahrhundert wurde Energie hauptsächlich durch natürliche Prozesse erzeugt. Sonne und Niederschläge ermöglichten Nahrungsanbau; Transporte über weitere Strecken waren auf Muskelkraft oder Wind angewiesen. Der europäische Kolonialismus änderte das erheblich, denn durch die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen in den europäischen Kolonien konnte Europa seinen Reichtum enorm steigern. Das Privateigentum – an Menschen, an natürlichen Ressourcen, an Kapitalinvestitionen – wurde flächendeckend gesetzlich verankert, wissenschaftliche Forschung und technologische Innovationen befruchteten sich gegenseitig. Durch die Kombination von Kapitalinvestitionen und Technologie konnten im 19. und 20. Jahrhundert in großem Maßstab fossile Brennstoffe gefördert und zur Energiegewinnung genutzt werden. Zuerst »King Coal«, später dann »Big Oil«.

Die Energiemenge, die mit diesen Brennstoffen freigesetzt wurde, war gewaltig und entsprach dem Wert von Abermillionen Jahren alten Sonnenlichts. Die institutionalisierte Sklaverei wurde abgeschafft. Die Gesellschaft veränderte sich durch Verstädterung und Aufblühen der Mittelschicht. Die industrielle Nahrungsmittelproduktion sowie die Herstellung chemischer und pharmazeutischer Produkte ermöglichten der Menschheit das bei Weitem schnellste anhaltende Bevölkerungswachstum in der Geschichte.

Mitte des 20. Jahrhunderts bildete die Idee des wirtschaftlichen Wachstums den Standard in den Industrienationen. Nach der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren etablierte sich ein neues sozioökonomisches System, um Wachstum zu sichern – der Konsum. Werbung förderte den Konsum, Verbraucherkredite ermöglichten ihn, wodurch mehr Gewinne, Arbeitsplätze, Investitionsrenditen und Steuereinnahmen erzielt wurden. Die Wirtschaft konnte nun über das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessen und über die Zentralbanken gesteuert werden, wobei Wachstum das übergreifende Ziel war und es heute noch ist.

Anfang der 1980er Jahre wurde der staatlich gelenkte Nachkriegskapitalismus erweitert um die Idee der Marktliberalisierung. Globalisierung, Effizienzsteigerung und die Privatisierung von vormals staatlichen Aufgaben waren die Folge. Der Finanzsektor wurde stark dereguliert und stieg zur dominierenden Kraft der Wirtschaft auf. Nach der Finanzkrise von 2008/2009 wurde dieses Narrativ wiederbelebt, wobei die Märkte im Wesentlichen durch die Erhöhung von Schulden bei gleichzeitigen Sparmaßnahmen im öffentlichen Sektor angefacht werden sollten. Das Ergebnis ist eine bis heute schrumpfende Mittelschicht, eine (relative) Abflachung der wirtschaftlichen Wachstumsraten und eine Steigerung der Ungleichheit. Heute finden wir uns in einem Wirtschaftssystem wieder, in dem Geld hauptsächlich verdient wird mit dem schwankenden Wert von Vermögensgegenständen, und in dem die Realwirtschaft, die auf Produktion, Konsum und Austausch basiert, nur noch einen untergeordneten Stellenwert hat.

Insgesamt haben die letzten Jahrhunderte einen nie dagewesenen materiellen Fortschritt gebracht. Mehr Menschen denn je zuvor profitieren heute von Wohlstand, Komfort, Sicherheit und Zugang zu Wissen; gleichzeitig leben Hunderte Millionen Menschen als (Spät-)Folge der systemischen wirtschaftlichen Ausbeutung in Armut. Der wirtschaftliche Fortschritt hat zu einer zunehmenden Verwundbarkeit und Verletzlichkeit geführt, sowohl in sozialer als auch in ökologischer Hinsicht. In sozialer Hinsicht war die fossil betriebene Industrie nur möglich auf der Grundlage sozialer Ungleichheit – mit großen vorübergehenden Vorteilen für einige wenige und dauerhaften Entbehrungen für viele andere. Aus ökologischer Sicht veränderte die Verbrennung fossiler Brennstoffe das globale Klima in einer Weise, die die Biosphäre immer weiter an den Rand des Kollapses bringt.

Die Schattenseiten des heutigen Finanz- und Asset-Kapitalismus

Um besser zu verstehen, an welchen Stellen sich das heutige Wirtschaftssystem selbst destabilisiert, wollen wir uns etwas genauer mit seinen Dysfunktionalitäten beschäftigen. Eine detaillierte Analyse würde dieses Buch sprengen, wir beschränken uns daher auf das Wichtigste. Sollte dir das alles bereits bekannt sein, kannst du die nächsten Seiten überblättern und direkt ins nächste Kapitel springen.

Die problematischen Seiten des heutigen Wirtschaftssystems unterteilen wir grob in zwei Bereiche: 1. eine unvollständige und verzerrte Abbildung der Realität durch die ökonomische Brille und 2. die Tendenz zur grenzenlosen Akkumulation, zur immer stärkeren Beschleunigung und zur ökonomischen Hegemonie. Getrennt nach diesen beiden Bereichen spazieren wir kurz an den wesentlichen Problemfeldern vorbei.

1. Unvollständige und verzerrte Abbildung der Realität
Ökologische Verzerrung: Negative Externalitäten

In den Theoriemodellen der Neoklassik bilden sich Preise durch ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Allerdings tauchen einige essenzielle Güter und Kostenpositionen nicht auf in dieser Logik: Natürliche Ressourcen stehen teilweise zum Nulltarif zur Verfügung, die Folgekosten, die durch die langfristige Schädigung der Ökosysteme entstehen, werden nur unzureichend in der Preisbildung berücksichtigt. Langfristige ökologische Kosten kommen in der kurzfristigen Preisbildung also nicht vor und entfalten daher auch keine Steuerungswirkung. Das beginnt sich zwar gerade schrittweise zu verändern (zum Beispiel im Rahmen der Debatte um die CO2-Besteuerung), von einer ganzheitlich informierten Preisbildung sind wir aber weit entfernt.

Soziale Verzerrung: Nicht bezahlte Arbeit und Ausbeutung

Nicht nur ökologische Leistungen werden aus der wirtschaftlichen Gesamtrechnung ausgeklammert, sondern auch eine ganze Reihe sozialer Leistungen. Im heutigen Finanzkapitalismus kann das vor allem anhand von Care-Arbeit und Erziehung verdeutlicht werden. Kapitalistische Gesellschaften brauchen Arbeitnehmer*innen, die ihre Arbeitskraft gegen Lohn zur Verfügung stellen. Die Leistungen, die in die Erziehung und Ausbildung dieser zukünftigen Arbeitnehmer*innen fließen, werden aber zu einem großen Teil ins Private verschoben oder von Berufsgruppen erbracht, deren Arbeit gesellschaftlich nur vergleichsweise gering entlohnt wird.10

Noch eklatanter sind die bereits erwähnten historischen Ungerechtigkeiten, die für die Entstehung der kapitalistisch geprägten Gesellschaften im Globalen Norden zwingend erforderlich waren. Der heutige Kapitalismus ist unmittelbar verknüpft mit der europäischen Kolonialgeschichte und der Sklaverei. Ohne die Ausbeutung anderer Länder und Menschen (vor allem im Globalen Süden) wäre die kapitalistische Gesellschaftsordnung nicht im selben Maße in Gang gekommen. Diese unbezahlten Rechnungen wurden nicht nur historisch niemals beglichen, sondern bis heute wirken struktureller Rassismus und Ausbeutungsmechanismen weiter fort.11 Beispiele sind leicht zu finden, wir müssen nur auf die fortgesetzten kolonialen Muster beim Abbau seltener Erden, das »Recycling« unseres Wohlstandsmülls oder auch die Arbeitsbedingungen in weiten Teilen der Textilindustrie schauen.

Ökonomische Verzerrung: Schuldenfinanziertes Wachstum

Besonders irrational wird es, wenn wir darauf blicken, wie im ökonomischen Bereich selbst die Realität verzerrt und bewusst ausgeblendet wird. Der heute vorherrschenden Fixierung auf das Wachstum der Wirtschaft ist es nämlich relativ egal, wo das Wachstum eigentlich herkommt.

Dadurch entstehen einerseits die paradoxen Effekte, die wir zuvor bereits benannt haben. Das Bruttoinlandsprodukt macht keinen Unterschied zwischen klimaschädlichen Kohlekraftwerken oder den Erzeugern regenerativer Energien. Es steigt, wenn irgendwo ein Auto gegen einen Baum fährt und repariert werden muss. Es berücksichtigt nicht, ob Menschen neben ihrer Arbeit noch Kinder erziehen oder Angehörige pflegen.

Das Bruttoinlandsprodukt macht darüber hinaus aber auch keinen Unterschied in der Frage, wie das Wachstum finanziert wird. Im heutigen Finanz- und Asset-Kapitalismus sind Schulden ein wichtiger Wachstumstreiber (unmittelbar für den Finanzsektor, aber auch mittelbar für Investitionen und Unternehmensübernahmen). Laut dem Janus Henderson Corporate Debt Index ist die Nettoverschuldung von Unternehmen weltweit zwischen 2016 und 2023 um über 30 Prozent gestiegen, das globale Schuldenvolumen liegt im ersten Quartal 2023 bei sagenhaften 305 Trillionen US-Dollar.

Ein großer Teil des heutigen Wirtschaftswachstums ist also nur geliehen: von unbezahlter Arbeit im Schatten der ökonomischen Betrachtung, von zukünftigen Generationen, die für ökologische Folgeschäden aufkommen müssen – oder eben auch von Banken und Investoren, die mit der Finanzierung ein gutes Geschäft machen. Kurzfristiger Profit schlägt langfristige Verpflichtungen – wir werden darauf später noch zurückkommen.

Institutionelle Verzerrung: Staatliche Leistungen versus staatliche Unterstützung

Der Kapitalismus hat neben dem Ökologischen und dem Sozialen auch ein eigentümlich widersprüchliches Verhältnis zum Staatlichen. Damit die Wirtschaft sich frei entfalten kann, benötigt sie eine Reihe von öffentlichen Gütern, die von Staaten und Institutionen bereitgestellt werden. Es bedarf zum Beispiel einer Rechtsordnung, die Eigentum schützt, Infrastrukturen, einer Geldversorgung und nicht zuletzt staatlicher Mechanismen, die bei Systemkrisen zu Hilfe eilen (wie etwa regelmäßig bei der Rettung von systemrelevanten Unternehmen).