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Eine Sturmflut. Zwei Tote. Unzählige Geheimnisse. Mehr als eine Woche ist es her, dass bei einer Sturmflut auf dem Darß zwei Skelette freigelegt wurden. Kriminalhauptkommissar Tom Engelhardt und Kryptologin Mascha Krieger ist es gelungen, einen dreißig Jahre alten Fall aufzuklären, aber die beiden Toten vom Kliff sind noch immer nicht identifiziert. Auch eine CD, die bei den Gebeinen lag, konnte bisher nicht weiterhelfen. Durch einen Ring gelingt es schließlich, die Identität der Frau zu ermitteln. Angeblich wanderte sie vor Jahren in die USA aus. Hat ihr Mann mit ihrem Tod zu tun? War es ein Eifersuchtsdrama und das zweite Opfer ihr Geliebter? Bevor Mascha und Tom den Ehemann mit ihrem Verdacht konfrontieren können, verschwindet dieser spurlos. Dann schafft es Mascha endlich, die Dateien auf der CD zu entschlüsseln, und plötzlich stellt sich der Fall in einem vollkommen neuen Licht dar …
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Seitenzahl: 366
Karen Sander
Thriller
Zwei Tote am Strand. Ein alter Fall aufgeklärt.Doch der Mörder ist noch nicht gefasst.
Mehr als eine Woche ist es her, dass bei einer Sturmflut auf dem Darß zwei Skelette freigelegt wurden. Kriminalhauptkommissar Tom Engelhardt und Kryptologin Mascha Krieger ist es gelungen, einen dreißig Jahre alten Fall aufzuklären, doch die beiden Toten vom Kliff sind noch immer nicht identifiziert. Auch eine CD, die bei den Gebeinen lag, konnte bisher nicht weiterhelfen.
Durch einen Ring gelingt es schließlich, die Identität der Frau zu ermitteln. Angeblich wanderte sie vor Jahren in die USA aus. Hat ihr Mann mit ihrem Tod zu tun? War es ein Eifersuchtsdrama und das zweite Opfer ihr Geliebter? Bevor Mascha und Tom den Ehemann mit ihrem Verdacht konfrontieren können, verschwindet dieser spurlos. Dann schafft es Mascha endlich, die Dateien auf der CD zu entschlüsseln, und plötzlich stellt sich der Fall in einem vollkommen neuen Licht dar …
Tom Engelhardt & Mascha Krieger ermitteln.
Karen Sander arbeitete als Übersetzerin und unterrichtete an der Universität, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie hat über die britische Thriller-Autorin Val McDermid promoviert. Ihre Bücher wurden in verschiedene Sprachen übersetzt und haben allein bei Rowohlt eine Gesamtauflage von über einer halben Million Exemplaren. Zuletzt war sie mit ihrer Trilogie «Der Strand – Der Fall Lilli Sternberg» monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem Mann lebt sie die Hälfte des Jahres in ihrer Heimatstadt Düsseldorf. Die übrige Zeit reist sie durch die Welt und schreibt darüber in ihrem Blog.
Mehr unter: writearoundtheworld.de
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Mai 2024
Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
Redaktion Tobias Schumacher-Hernández
Covergestaltung Hafen Werbeagentur, Hamburg
Coverabbildung Shutterstock
ISBN 978-3-644-01822-8
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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Das Haus duckte sich einsam und dunkel unter einer Gruppe hoch aufragender Kiefern. Schneeflocken segelten vom nachtschwarzen Himmel und bildeten eine glitzernde Puderzuckerschicht auf dem Dach und den Sträuchern im Vorgarten. Hier auf dem Darß war es kälter als in Greifswald, die Luft roch salzig. Ein entferntes Grollen war zu hören, das von der Brandung herrühren musste, ansonsten war es still. Nele durchzuckte der Gedanke, wie abgelegen ihr Refugium war. Wenn sie hier um Hilfe schrie, würde niemand sie hören.
Unsinn. Was sollte schon passieren? Hier war sie sicher. Kein Mensch wusste, dass sie für zwei Wochen ein Ferienhaus in Sellnitz gemietet hatte, nicht einmal ihre Familie. Sie hatte allen erzählt, dass sie eine Auszeit brauche und ein paar Tage Urlaub machen würde, mehr nicht. Wenn keiner wusste, wo sie war, konnte sie auch keiner versehentlich verraten.
Sie trat an die Tür und schloss auf. Drinnen war es kalt und roch nach Putzmittel und Feuchtigkeit. Kein Wunder. Bestimmt stand das Haus seit Wochen leer. Wer mietete schon mitten im Winter ein Feriendomizil an der Ostsee?
Nele stellte das Gepäck auf den Boden und schloss sorgfältig hinter sich ab, erst dann schaltete sie das Licht ein. Ein mulmiges Gefühl stieg in ihr auf, als alles um sie herum hell aufstrahlte. Obwohl sie allein war, kam es ihr vor, als würden sie tausend Augen anstarren. Würde sie je wieder ohne Angst einen Raum betreten, oder würde das Gefühl des Ausgeliefertseins sie für den Rest ihres Lebens begleiten?
Um die düsteren Gedanken zu verscheuchen, erkundete Nele ihr Zuhause auf Zeit. Die Räume waren klein, aber sehr gemütlich eingerichtet, mit massiven Kiefernholzmöbeln und farbenfrohen weichen Teppichen auf den abgenutzten Dielen.
Als Nele im Schlafzimmer im Obergeschoss ihre Reisetasche auspackte, glaubte sie, unten eine Tür zu hören. Ihr Herzschlag setzte aus, sie hielt inne und horchte.
Nichts.
Angsthase, schalt sie sich selbst. Ein altes Haus macht ständig irgendwelche Geräusche. Du solltest dich besser daran gewöhnen, sonst hast du in spätestens drei Tagen den Verstand verloren. Sie verstaute die Kleidung im Schrank, breitete ihre Waschutensilien auf der Ablage über dem Waschbecken aus und stieg die steile Treppe wieder hinunter, um die Lebensmittel auszupacken. Als sie die Diele durchquerte, kam es ihr vor, als ob jemand hinter ihr wäre.
Entsetzt fuhr sie herum und glaubte, eine Bewegung im Wohnzimmer zu sehen. Ihre Kehle wurde eng. Sie tastete in ihrer Hosentasche nach dem Handy. Verdammt, sie hatte es oben auf dem Bett liegen gelassen.
Zögernd blickte sie die Treppe hinauf. Sollte sie ihrer Angst nachgeben und das Handy holen?
Nein, entschied sie. Es war niemand im Haus, sie war allein mit ihrer Angst. Sie straffte die Schultern und ging in die Küche. Ihre Hände zitterten, als sie die Einkäufe im Kühlschrank verstaute. Eigentlich hatte sie vorgehabt, sich etwas Feines zum Abendessen zu kochen, sie hatte Zutaten für ein leckeres Curry besorgt. Doch ihr war der Appetit vergangen. Ein heißer Kakao mit einem Schuss Cognac, um die Nerven zu beruhigen, dann im Bett noch etwas lesen und hoffentlich schnell einschlafen, mehr brauchte sie nicht. Morgen bei Tageslicht würde sie über ihre Panik lachen. Hoffentlich.
Während sie die Milch auf dem Herd erwärmte, kehrte das unangenehme Gefühl zurück, nicht allein im Raum zu sein. Es kribbelte so stark in ihrem Nacken, dass sie fast glaubte, den Atem des Eindringlings an ihrem Hals zu spüren. Sie versuchte, das Gefühl zu ignorieren, so gut es ging, und gab dem Drang, sich umzuschauen, nicht nach. Mit vor Kälte und Angst steifen Fingern rührte sie das Kakaopulver ein und goss das heiße Getränk in einen Becher.
Mit dem Kakao in der Hand wandte sie sich der Tür zu und erstarrte. Ein Mann stand dort, die Arme verschränkt, den Oberkörper lässig an den Türrahmen gelehnt. Er trug eine von diesen Mützen, die nur Schlitze für die Augen freiließen.
Nele schrie auf und ließ den Becher fallen. Heißer Kakao ergoss sich über ihren Fuß, doch sie nahm den Schmerz kaum wahr. Sie blinzelte, starrte den Eindringling fassungslos an. Das war ein Albtraum, das musste ein Albtraum sein. Niemand wusste, dass sie hier war, sie hatte mit keinem Menschen über dieses Haus gesprochen. Er konnte sie nicht gefunden haben.
«Überrascht, mich zu sehen?», fragte der Mann, und seine blauen Augen blitzten amüsiert.
Neles Blick schoss suchend umher. Über dem Herd hing eine Magnetleiste mit Messern. Doch ihr Widersacher war schneller. Mit einem einzigen großen Schritt war er bei ihr und packte ihr Handgelenk.
«Denk nicht einmal daran», drohte er.
Nele wich zurück. «Was wollen Sie von mir?»
Er packte sie fester und beugte sich vor. «Ich möchte, dass du mir deine Narben zeigst», flüsterte er ihr ins Ohr.
Kriminalhauptkommissar Tom Engelhardt schlug den Kragen seines Mantels hoch und beobachtete mit zunehmender Beklemmung, wie der Mann das Kabel abrollte und sich dabei langsam von dem Haus entfernte, in dem der Sprengsatz deponiert war. Mehr und mehr überkam ihn das Gefühl, dass das hier ein kolossaler Fehler war. Welcher Teufel hatte ihn bloß geritten?
Trotz der eisigen Januarkälte schwitzte Tom. Der Anblick der kleinen Gestalt, die neben dem Mann herlief, zog ihm die Brust zusammen. Der viel zu große knallorangefarbene Kermel-Overall, der Helm und die riesige Schutzbrille ließen sie unfassbar verletzlich wirken. Tom presste die Zähne zusammen. Verdammt, was tat er hier eigentlich? Ein Kind hatte auf diesem Gelände nichts zu suchen. Am liebsten wäre er losgerannt, hätte seine Tochter gepackt und wäre mit ihr davongelaufen.
Aber dafür war es zu spät. Die beiden hatten ihn erreicht. Tom tauschte einen nervösen Blick mit dem Mann.
«Alles bestens, sie macht das wunderbar», sagte dieser so fröhlich, als hätte er Romy gerade beigebracht, wie man Pferde striegelt. Er hieß Günther Koopmann, hatte einen gigantischen Schnauzbart und war Sprengmeister beim Kampfmittelräumdienst.
«Ich bin eine gute Sprengmeisterin», bestätigte Romy selbstbewusst.
Tom nickte bloß, er traute seiner Stimme nicht. Eigentlich sollte diese Aktion seiner bald sechsjährigen Tochter demonstrieren, wie gefährlich es war, mit Sprengstoff zu hantieren, selbst wenn es nur der Inhalt von ein paar Feuerwerkskörpern war. Romy und ihr Kindergartenfreund Elias hatten aus den Überresten von Silvester eine Bombe gebaut und sie auf einem Baugrundstück in Sellnitz gezündet. Zum Glück war niemand verletzt worden. Tom hatte gedacht, dass eine Belehrung durch einen echten Sprengmeister effektiver sein würde als eine Strafe. Jetzt war er nicht mehr so sicher. Es kam ihm vor, als würde er Romy für ihren Leichtsinn auch noch belohnen.
Was Inga wohl dazu gesagt hätte? Tom hatte versucht, sich vorzustellen, wie sie mit der Situation umgegangen wäre, doch seine Gedanken hatten sich sinnlos im Kreis gedreht. In letzter Zeit hatte er das Gefühl, dass Inga ihm entglitt, dass das Bild von ihr, das er im Herzen trug, langsam verblasste. Bestimmt war das gut so, bestimmt bedeutete es, dass er endlich loslassen und sein Leben ohne sie leben konnte. Doch es machte ihm Angst.
Tom schüttelte unwillkürlich den Kopf und ließ seinen Blick über das mit Schneeresten gesprenkelte Gelände wandern. Koopmann, der sich bereit erklärt hatte, diese eher unkonventionelle Vorführung zu veranstalten, hatte extra ein kleines rotes Puppenhaus aus dem 3D-Drucker neben der ehemaligen Landebahn des Fliegerhorstes aufgestellt, samt Auto im Carport. Auf Figuren, die Menschen darstellen sollten, hatte er zum Glück verzichtet. Tom wollte nicht, dass seine Tochter nachts von Albträumen aus dem Schlaf gerissen wurde, die von Puppen mit abgerissenen Köpfen handelten.
Das Gelände, das im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht und später von den sowjetischen Luftstreitkräften genutzt worden war, lag weitgehend brach, bloß im Sommer fand hier ein Festival statt. Angeblich gab es Pläne für eine Feriensiedlung, denn der alte Flugplatz grenzte direkt an den Bodden.
Koopmann wandte sich an Romy. «Und was machen wir jetzt?»
«Die Schnur anzünden?»
«Nein. Unser Sprengsatz wird mit Strom gezündet. Deshalb müssen wir das Pyrokabel am Zündmodul befestigen, hier unter dem Knopf, siehst du?»
«Ich mach das.» Romy beugte sich eifrig über das Gerät, der Sprengmeister zeigte ihr, wie sie es machen musste.
Nachdenklich betrachtete Tom seine Tochter, die mit Feuereifer bei der Sache war, obwohl ihre Finger, trotz mehrfach hochgekrempelter Ärmel, kaum aus dem Anzug ragten. Koopmann hatte ihm erklärt, dass er den Overall bei der Entschärfung von Bomben normalerweise gar nicht trug, weil er im Ernstfall ohnehin unzureichend Schutz bot und lediglich die Bewegungsfreiheit einschränkte. Das hatte er Romy gegenüber jedoch nicht erwähnt. Sie sollte ja begreifen, wie gefährlich das Hantieren mit Sprengstoff war und wie viele Sicherheitsvorkehrungen Experten dabei trafen – und hoffentlich daraus etwas lernen.
Das Kabel war jetzt befestigt, die Sprengung konnte erfolgen. Der Sprengmeister gab Romy Gehörschutz-Kopfhörer und deutete auf das Zündmodul. «Wenn ich dir Bescheid gebe, drückst du auf diesen Knopf. Aber keinesfalls früher. Man darf nie sprengen, ohne vorher ein Sprengsignal abzugeben. Verstanden?»
Romy nickte ernst und setzte die Kopfhörer auf.
Der Mann stieß mit dem Signalhorn einen lang gezogenen Ton aus. Dann ließ er zwei kurze Töne erschallen, nickte Romy zu und hob den Daumen.
Sie drückte auf den Knopf, und im selben Moment knallte es ohrenbetäubend. In hundert Metern Entfernung schoss eine Fontäne aus Sand und Kunststoffteilen in die Luft.
Wieder ließ Koopmann das Horn erklingen, diesmal waren es drei kurze Töne. Die Entwarnung.
Romy durfte Schutzbrille, Helm und Kopfhörer ausziehen, dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg, um das Resultat der Sprengung zu begutachten.
Tom schnappte nach Luft, als er sah, wie wenig von dem Häuschen übrig war. Bis auf ein paar verformte rote Teile, die in einem Radius von zwanzig Metern über das Gelände verstreut lagen, war nichts übrig. Von dem Auto im Carport, unter dem Koopmann den Sprengsatz befestigt hatte, fehlte jede Spur. Obwohl Tom darauf gefasst gewesen war, löste der Anblick ein Gefühl der Beklemmung in ihm aus.
Rasch blickte er zu Romy hinunter, die mit ernster Miene auf die Stelle starrte, wo das Haus gestanden hatte, und sich auf die Unterlippe biss.
«Das arme Haus», murmelte sie.
Tom ergriff ihre Hand. «Sieht ganz schön schlimm aus. Zum Glück hat niemand darin gewohnt.»
«Papa?» Sie sah zu ihm hoch.
«Ja, Schatz?»
«Wenn ich groß bin, will ich Sprengmeisterin werden.»
Mascha Krieger beobachtete durchs Fenster, wie ihre Kollegin Lisa den Kombi der Spurensicherung parkte, ausstieg und sich der Haustür näherte. Mit einem Mal kamen ihr Zweifel. Machte sie sich nicht lächerlich mit diesem Aufwand wegen einer Kleinigkeit, für die es bestimmt eine harmlose Erklärung gab? Nahm sie den Fall zu persönlich? Wurde sie allmählich paranoid?
Und wenn schon. Mascha drückte den Rücken durch, trat in den Flur und öffnete die Tür. «Hallo, Lisa, danke, dass du gekommen bist.»
Lisa Alandt arbeitete im Kommissariat für Spurensicherung in Anklam und half dabei, einen rätselhaften mutmaßlichen Doppelmord hier auf dem Darß zu untersuchen. Vor elf Tagen waren die sterblichen Überreste eines Mannes und einer Frau bei einer Sturmflut freigelegt worden. Die beiden waren noch immer nicht identifiziert.
Mascha versah ihren Dienst normalerweise ebenfalls nicht in Sellnitz, sondern beim LKA in Schwerin. Sie war als Kryptologin hinzugezogen worden, weil bei den Knochen eine CD mit verschlüsselten Daten entdeckt worden war.
Lisa grinste. «Ich gebe zu, du hast mich neugierig gemacht.» Sie stellte den Spurenkoffer ab und blickte sich um. «Das Haus ist ein Traum. Ich hab’s ja bisher nur von außen gesehen. Echt megagemütlich.»
Mascha deutete in die Küche. «Magst du einen Kaffee, bevor du loslegst?»
«Klar, gerne.» Wieder ließ Lisa den Blick schweifen. «Wo ist eigentlich Tom?»
«Ein Termin mit seiner Tochter.» Mascha mied Lisas Blick und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Tom wusste nichts davon, dass Mascha die Kollegin hergebeten hatte. In sein Haus. Zwar hatte ihn die Sache mit dem umgedrehten Bild gestern Abend genauso irritiert wie sie, aber heute Morgen hatte er nichts mehr davon hören wollen.
«Wir haben beide überreagiert», hatte er mit einer wegwerfenden Handbewegung gesagt. «Vergiss den Quatsch, wir haben genug mit dem Doppelmord zu tun.»
Mascha reichte Lisa eine dampfende Tasse und sah zu, wie die Kollegin vorsichtig nippte. Die Platzwunde auf ihrer Stirn war fast verheilt, die Haut darum jedoch noch gelbgrün verfärbt.
«Was ist?» Lisa schaute auf.
«Ich finde es bewundernswert, wie gut du den Unfall weggesteckt hast.» Die Kollegin war bei einem Erdrutsch am Kliff verschüttet und in letzter Sekunde gerettet worden.
«Na ja.» Lisa senkte den Blick.
Mascha trat näher und legte ihr die Hand auf die Schulter, plötzlich besorgt. «Was ist los?»
«Nichts.»
«Wenn du nicht darüber reden willst …»
Lisa seufzte. «Ich habe Albträume, in denen ich irgendwo eingesperrt bin und keine Luft kriege. Manchmal ist es ein dunkler Keller, manchmal ein Labyrinth, und ich finde den Ausgang nicht. Einmal war es ein Sarg. Nicht gerade angenehm. Inzwischen kriege ich schon Schweißausbrüche, wenn ich mein Bett nur sehe.»
«Oh Mist. Hast du dir Hilfe gesucht? Du weißt, dass dir das zusteht.»
«Schon klar.» Lisa stellte die Kaffeetasse auf dem Tisch ab. «Aber was, wenn die Psychologin mich für dienstuntauglich erklärt? Das will ich auf keinen Fall.»
«Das verstehe ich, aber …»
«Du verrätst mich doch nicht?», unterbrach Lisa und sah sie bittend an.
Mascha konnte die Sorge ihrer Kollegin gut nachvollziehen, und sie würde sich in ihrer Situation vermutlich genauso verhalten. Dennoch machte sie sich Sorgen.
«Wenn du mich ebenfalls nicht verrätst», sagte sie schließlich.
Lisa zog die Brauen hoch. «Wovon redest du?»
«Tom weiß nicht, dass ich dich hergebeten habe.»
«Na wunderbar. Ich riskiere also nicht nur, von meinem Chef eins auf den Deckel zu kriegen, weil ich unautorisierte Ermittlungen durchführe, sondern auch, es mir mit Tom zu verderben. Mein Chef ist mir egal, aber …»
«Ich nehme es auf meine Kappe», sagte Mascha rasch. «Ich habe dir gegenüber behauptet, Tom wäre eingeweiht.»
«Klar doch.» Lisa griff nach ihrer Tasse, leerte sie und stellte sie zurück. «Dann zeig mal her.»
Sie gingen ins Wohnzimmer, Mascha deutete auf den Kamin. «Das Bild steht auf dem Sims. Wir haben es nicht angerührt. Aber natürlich sind Toms Fingerabdrücke daran. Und Romys vermutlich auch.»
«Du hast mir noch nicht erklärt, worum genau es hier eigentlich geht. Hat das mit unserem Fall zu tun?»
Mascha zögerte. «Das glaube ich nicht.»
«Was mache ich dann hier?» Die junge Kollegin verschränkte die Arme. «Ich helfe dir gern. Aber wenn ich nicht weiß, wonach ich eigentlich suche …»
Mascha holte Luft. «Du hast doch mitbekommen, dass meine Kollegen beim LKA und ich einem Stalker auf der Spur sind. Genau genommen ist der Typ viel mehr als ein gewöhnlicher Stalker. Aber anfangs wussten wir nur von einem Opfer, einer Studentin. Zuerst ist er in ihren Computer eingedrungen, dann in ihre Wohnung. Inzwischen sind wir ziemlich sicher, dass es weitere Opfer gibt, und womöglich auch gewaltsame Übergriffe. Ich habe ihm unter einer falschen Identität eine Falle gestellt, um ihm auf die Spur zu kommen, aber dabei ist etwas schiefgegangen. Ich fürchte, er weiß, dass ich bei der Polizei arbeite. Und wahrscheinlich auch, dass ich im Augenblick in Toms Gästezimmer wohne.»
«Oh, fuck.»
«Gestern Abend ist uns aufgefallen, dass das Foto von Toms verstorbener Frau umgedreht wurde, mit dem Gesicht zur Wand.»
Lisas Blick wanderte zum Kamin. «Du glaubst, dieser Typ war hier im Haus?»
«Ich vermute, das mit dem Bild sollte eine Botschaft an mich sein, ja.»
«Scheiße, Mascha, was hast du jetzt vor?»
«Den Kerl schnappen, was denkst du, warum ich dich hergebeten habe?»
«Solltest du nicht in eine sichere Wohnung ziehen?»
«Und die Kollegen meine Arbeit machen lassen?» Mascha schüttelte den Kopf. «Ich wusste, was passieren kann, als ich zugestimmt habe, den Lockvogel zu spielen. Das gehört zum Job.» Ihre Worte klangen abgebrühter, als sie sich fühlte.
«Und Romy?»
«Übers Wochenende war sie bei ihrem Kindergartenfreund. Aber dann ist diese Sache mit dem Sprengstoff passiert …» Mascha hob hilflos die Schultern. «Stalker sind Feiglinge. Ich glaube nicht, dass der Kerl sich dem Haus nähern wird, wenn er weiß, dass sich zwei Polizeibeamte darin aufhalten.»
«Trotzdem …» Lisa wirkte nicht überzeugt.
Mascha wusste, dass sie mehrere Nichten und Neffen hatte, an denen sie sehr hing, eine beneidenswert große, fröhliche Familie, so anders als Maschas eigene. Und sie hatte recht. Romy könnte in Gefahr sein, sie mussten eine andere Lösung finden. «Ich werde noch einmal mit Tom darüber reden, es ist seine Entscheidung.»
«Wie du meinst. Dann mache ich mich mal an die Arbeit.»
«Danke.» Mascha griff nach ihrem Rucksack, der auf dem Sofa lag. «Ich habe noch was zu erledigen und fahre dann aufs Revier. Zieh einfach die Tür zu, wenn du fertig bist.» Sie stockte, dann fügte sie hinzu: «Wenn du was findest, Einbruchspuren oder so, lass es mich sofort wissen. Ich rede dann mit Tom. Und bitte zu niemandem sonst ein Wort.»
«Keine Sorge.» Lisa öffnete den Koffer und breitete Pinsel sowie weitere Utensilien auf dem Tisch aus, die sie brauchte, um Fingerabdrücke zu nehmen. «Ich bin nicht scharf darauf, mir Toms Zorn zuzuziehen, das überlasse ich gern dir.»
Auf dem Weg zum Auto blickte Mascha sich mit einem mulmigen Gefühl um. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie Tom hinterging. Aber sie hatte gute Gründe. Toms Haus lag am Ende einer Sackgasse, dahinter begannen die Dünen. Es sah idyllisch aus, mit dem schneebedeckten Reetdach und dem malerischen Vorgarten, aber es war auch ungeschützt. Es gab kein Sicherheitssystem, Haustür und Fenster waren höchstwahrscheinlich Jahrzehnte alt.
Im Grunde war es unverantwortlich, dass sie bei Tom wohnte, solange sie davon ausgehen musste, dass ein Perverser hinter ihr her war. Und dabei hatte sie Lisa noch nicht einmal erzählt, warum sie das Hotel verlassen hatte und zu Tom gezogen war. Der Unbekannte hatte sie auf dem Parkplatz überfallen und ihren Talisman aus ihrem Zimmer geklaut, während sie bewusstlos im Schnee lag. Sie war nur kurz ausgeknockt gewesen, aber in der Zeit hätte der Mistkerl mit ihr machen können, was er wollte.
Es hatte wieder angefangen zu schneien, als die Soko Sturm auf dem Sellnitzer Revier zusammenkam. Tom hatte Romy im Kindergarten abgeliefert und war noch schnell beim Bäcker vorbeigefahren, da ihm der Magen knurrte. Das wäre jedoch nicht nötig gewesen, denn sein Kollege Paul Hendricks hatte wie immer eine große Tüte Backwaren mitgebracht. Paul war seit fast vierzig Jahren leidenschaftlicher Surfer, deshalb konnte er Unmengen von Brötchen, Kuchen und Teilchen verdrücken, ohne zuzunehmen. Manchmal beneidete Tom ihn darum.
Auf dem Besprechungstisch am Fenster standen eine Kanne Kaffee und Becher bereit. Björn André, der Kriminalbeamte aus Teterow, der ihr Team auch im vergangenen Herbst schon für eine Ermittlung verstärkt hatte, saß vor seinem Laptop und tippte konzentriert, Mascha hockte auf Toms Schreibtisch und telefonierte leise. Ihr Gesicht war angespannt, bestimmt machte sie sich noch immer Sorgen wegen des umgedrehten Fotos. Doch Tom glaubte nicht, dass der mysteriöse Stalker etwas damit zu tun hatte. Mal abgesehen davon, wie unwahrscheinlich es war, dass der Unbekannte wusste, dass Mascha derzeit bei ihm wohnte, kam Tom das Vorgehen zu subtil vor für einen Mann, der bisher dadurch aufgefallen war, dass er sehr deutliche Hinweise hinterließ, wenn er in eine fremde Wohnung eindrang. Zumal ihm schleierhaft war, was der Kerl damit hätte bezwecken wollen.
Mascha beendete das Gespräch. «Na, wie war’s mit Romy?»
«Frag nicht.» Tom verdrehte die Augen. «Ich fürchte, die Aktion ist nach hinten losgegangen. Jetzt will sie Sprengmeisterin werden.»
«Ist doch cool», meinte Paul, ließ sich am Tisch nieder und schnappte sich einen Schürzkuchen. «Besser, als wenn sie von einer Modelkarriere träumen würde.»
«Da bin ich nicht so sicher.» Tom setzte sich ans Kopfende und legte seine Notizen ab. «Können wir anfangen?»
«Jederzeit.» Björn schob den Laptop ein Stück von sich weg. «Den Bericht kann ich auch später fertig schreiben.»
Gerade als sie loslegen wollten, kam Lisa in den Raum gestürzt. «Sorry, hatte noch was zu erledigen.» Ihre Wangen waren von der Kälte gerötet.
«Alles okay?» Tom sah sie fragend an.
Sie tauschte einen Blick mit Mascha und winkte dann ab. «Alles bestens.»
Tom fragte sich, was für ein Geheimnis die beiden Frauen hatten. Was auch immer es war, jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Er zog ein Blatt zu sich heran. «Ich fasse noch mal zusammen, wo wir stehen, in Ordnung? Vor elf Tagen wurden zwei Skelette im Sand gefunden, nachdem in der Nacht ein Stück von der Steilküste abgebrochen war. Es handelt sich um die sterblichen Überreste eines Mannes und einer Frau. Hinweise an den Knochen deuten darauf hin, dass sie Opfer eines Verbrechens wurden. Die Rechtsmedizin hat inzwischen auch die Altersschätzung verfeinert. Demnach war der Mann zwischen fünfzig und sechzig und die Frau zwischen dreißig und fünfunddreißig Jahre alt. In der Nähe der beiden wurde eine CD entdeckt, die Daten darauf sind jedoch verschlüsselt, und das Passwort konnte noch nicht geknackt werden.» Er blickte fragend zu Mascha.
«Ich arbeite dran.»
Tom nickte. «Zunächst sah es so aus, als würde es sich bei den Toten um zwei weitere Opfer des sogenannten Darß-Rippers handeln, der im Sommer 1989 mehrere Paare in den Dünen umbrachte und nie gefasst wurde. Den Mörder von damals konnten wir ermitteln, doch er hat nichts mit den Skeletten vom Kliff zu tun. Gestern wurde an der Fundstelle ein Ehering entdeckt, der uns mit etwas Glück bei der Identifizierung helfen wird.»
«Dazu gibt es Neuigkeiten», hakte Paul ein. «Die Meldeabfrage hat zwar keinen Treffer ergeben, aber auf unseren Aufruf hin hat eine Zeugin angerufen. Sie glaubt, der Ring gehört ihrer ehemaligen Nachbarin, einer Iris Hertz.»
«Bist du der Sache schon nachgegangen?»
«Habe nur kurz die Meldedaten gecheckt. Die Frau ist vor sieben Jahren unbekannt verzogen.»
«Das ist ja interessant», murmelte Björn.
«Und sie ist verheiratet», fuhr Paul fort. «Mit Manuel Hertz. Er ist noch unter derselben Adresse gemeldet. Hier ist sie.» Er schob einen Zettel über den Tisch.
Tom warf einen Blick darauf, der Mann lebte in Sellnitz, gar nicht weit vom Revier entfernt. «Wir besuchen ihn, sobald wir hier fertig sind. Vielleicht ist alles ganz harmlos, die beiden haben sich getrennt, und sie ist weggezogen.»
«Und der Ring?», wollte Lisa wissen. «Glaubst du, der lag zufällig bei den Skeletten?»
«Wir werden es herausfinden. Zunächst müssen wir so viel wie möglich über die Frau in Erfahrung bringen. Wer kennt sie, wer weiß etwas über sie? Paul, du sprichst mit der Nachbarin, und dann setzt du dich mit Björn zusammen und treibst weitere Zeugen auf. In ein paar Stunden wissen wir vielleicht schon, ob Iris Hertz unser Opfer sein könnte.»
«Wenn sie erst vor sieben Jahren verschwand, könnte sie die Besitzerin der CD sein», sagte Mascha. «Sobald ich mehr über sie weiß, werde ich versuchen, mit diesen Informationen das Passwort zu knacken.»
Tom hoffte, dass es ihr gelingen würde. Zwar bestand nach wie vor die Möglichkeit, dass die CD nichts mit den Toten zu tun hatte, aber sein Instinkt sagte etwas anderes.
«Dann sind die Aufgaben für heute klar», sagte er. «Was ist mit dir, Lisa?»
«Ich muss erst mal nach Anklam zurück, sobald am Kliff alles abgebaut ist.»
«Vielleicht hast du aber auch hier noch was zu tun.» Mascha zog einen Beweismittelbeutel mit einem Zettel darin aus ihrem Rucksack und legte ihn auf den Tisch.
Tom schaltete sofort. «Du warst im Hotel?»
Mascha nickte und wandte sich an die anderen. «Tom und ich haben gestern darüber gesprochen, wie merkwürdig es ist, dass Kira von heute auf morgen verschwunden ist.»
Kira Blanck war eine junge Kollegin aus Stralsund, die ebenfalls der Soko angehörte, sich aber aus privaten Gründen Urlaub genommen hatte.
«Ich dachte, da wäre was mit ihrer Familie», brummte Paul.
«Das hat sie auch ihrem Chef gegenüber behauptet», bestätigte Mascha. «Hast du ihn erreicht, Tom?»
«Er will nachher zurückrufen.»
«Jedenfalls geht sie nicht an ihr Handy und antwortet auch nicht auf Nachrichten», fuhr Mascha fort. «Deshalb war ich eben im Hotel und habe an der Rezeption nachgefragt, ob sie vielleicht bei ihrer Abreise irgendwas erzählt hat. Aber sie hat gar nicht persönlich ausgecheckt, sondern bloß den Schlüssel auf der Theke abgelegt, zusammen mit diesem Zettel.»
«Zeig her.» Paul streckte die Hand aus.
Mascha schob ihm den Beutel hin.
«‹Muss leider vorzeitig abreisen, K. Blanck›», las er vor. «Kurz und knapp, aber nicht besorgniserregend, oder? Schließlich zahlt die Behörde das Zimmer, sie hat also nicht die Zeche geprellt oder so.»
«Niemand hat gesehen, wie sie das Hotel verlassen hat», beharrte Mascha.
«Du glaubst, ihr ist etwas passiert?», fragte Lisa mit gerunzelter Stirn.
«Ich kenne Kira nicht sonderlich gut», schaltete Björn sich ein. «Ist diese Funkstille denn so ungewöhnlich?» Er zog den Zettel zu sich heran.
«Nicht wirklich», räumte Mascha ein. «Keiner von uns ist eng mit ihr befreundet. Aber ich habe ein ungutes Gefühl. Ich hätte gern, dass Lisa in ihrem Zimmer nach Spuren sucht.»
«Auf keinen Fall», widersprach Tom. Er verstand, warum Mascha sich Sorgen machte, und ihm selbst kam die Sache auch seltsam vor, aber er konnte nicht aufgrund eines Bauchgefühls Polizeiressourcen in Anspruch nehmen.
«Aber …», protestierte Mascha.
«Lass uns abwarten, bis ich mit ihrem Chef gesprochen habe. Dann können wir immer noch anders entscheiden.»
«Ich denke, du solltest schnellstmöglich versuchen, den Mann zu erreichen», sagte Björn, den Blick auf den Zettel geheftet.
Tom fuhr zu ihm herum. «Wieso?»
Björn tippte auf den Zettel. «Ich habe doch Kiras Notizen zu den Zeugen im Ripper-Fall durchgesehen. Das hier ist definitiv nicht ihre Handschrift.»
Janine Kaiser wachte mit hämmernden Kopfschmerzen auf. Der Druck auf die Schläfen war so heftig, dass sie kaum wagte, sich zu rühren. Als sie die Augen öffnete, wurde sie von einem Lichtstreifen geblendet, der durch den Spalt zwischen den Vorhängen kommen musste.
Sie stöhnte auf, wollte sich wieder unter der warmen Bettdecke verkriechen, doch da war keine. Und das, was sie für ihr Kissen gehalten hatte, war kratzig und stank unangenehm. Sie stockte. Ihr kam ein schrecklicher Verdacht.
Sie fuhr hoch, presste die Hände auf die Schläfen, weil der Schmerz sie zu zerreißen drohte. Dann blickte sie sich ängstlich um.
Herr im Himmel, wo war sie diesmal gelandet? Sie lag auf einem Haufen Stroh, durch die Ritzen der Bretterwände ihres Nachtlagers konnte sie Schnee erkennen. Ein Stall vielleicht. Oder eine Scheune. Jetzt merkte sie auch, wie kalt es war.
Janine schloss resigniert die Augen. Es war also wieder passiert. Sie war mitten in der Nacht losgelaufen, eine Schlafwandlerin auf der Flucht vor – vor was auch immer. Ihren Erinnerungen, der Vergangenheit, der Wahrheit. Sie wusste es nicht.
Immerhin hatte sie offenbar noch so viel Verstand besessen, sich einen Unterschlupf zu suchen, der sie zumindest ein bisschen vor der eisigen Januarkälte schützte. Hätte sie sich im Schnee niedergelegt, wäre sie jetzt tot.
Aber wo war sie? Und wie war sie hergekommen?
Sie zog die Handschuhe aus und tastete mit steifen Fingern nach ihrem Handy, atmete auf, als sie es in ihrer Jackentasche fand. Der Akku war fast leer. Und Torge hatte mehr als ein halbes Dutzend Mal versucht, sie zu erreichen.
Rasch rief sie ihn zurück.
«Hey, wo steckst du, Mum? Ich hab mir Sorgen gemacht.»
Janine rieb sich die Stirn. «Alles okay, ich bin bei einer Freundin. Es ist spät geworden und …»
«Aber du warst doch gestern Abend noch zu Hause.»
«Ich erkläre es dir später, okay? Geh jetzt zur Schule.»
«Machst du Witze? Es ist gleich zehn, was glaubst du, wo ich bin? Zum Glück ist gerade Pause, sonst würden sie jetzt mein Handy einkassieren.»
Oh shit. «Tut mir wirklich leid, Torge.»
«Habt ihr gesoffen oder was?»
«Torge, bitte. Ich kann …»
«Muss jetzt los, Mum. Bis später.»
Janine atmete auf. Wenigstens ging es ihrem Sohn gut. Sie steckte das Handy weg und versuchte aufzustehen. Es zerriss ihr fast den Schädel, aber schließlich stand sie, wenn auch etwas wackelig, auf dem strohbedeckten Boden. Sie trat auf die Tür zu und öffnete sie.
Grelles Licht stach ihr in die Augen, und einen Moment lang sah sie nichts außer weißem Flimmern. Dann nahm die Landschaft Konturen an. Weite Felder, am Horizont ein Waldstück. In einiger Entfernung eine Landstraße und jenseits davon ein paar Häuser. Alles war schneebedeckt, und aus den grauen Wolken über ihr rieselte es unaufhörlich weiter.
Janine hielt nach etwas Ausschau, das ihr vertraut vorkam, aber alles wirkte fremd. Wo zum Teufel war sie?
Tom drehte den Zündschlüssel, der Anlasser orgelte, doch der Motor sprang nicht an. Er warf Mascha, die auf dem Beifahrersitz saß, einen frustrierten Blick zu und probierte es erneut. Wieder nichts. Nach einigen weiteren Versuchen gab er auf, es hatte keinen Sinn.
«Also gut, dann eben mit deinem Wagen», sagte er nach einem Blick durch die Windschutzscheibe ins immer dichter werdende Schneetreiben.
«Wir könnten auch zu Fuß gehen», schlug Mascha vor. «Ist ja gleich um die Ecke. Oder Manuel Hertz aufs Revier bestellen.»
«Ich will ihn sofort sprechen. Wenn es eine harmlose Erklärung für das Verschwinden seiner Frau gibt, müssen wir das schnellstmöglich wissen.»
Zwei Minuten später saßen sie in der Dienstlimousine des LKA. Mascha startete den Motor, im selben Moment klingelte Toms Handy. Daniel Neuhoff, Kiras Chef. Endlich.
Tom stellte auf laut, damit Mascha mithören konnte.
«Hallo, Herr Neuhoff. Ich hoffe, Sie können uns beruhigen», sagte er.
«Leider nicht», entgegnete der Kommissariatsleiter. «Ganz im Gegenteil. Ich mache mir große Vorwürfe.»
Tom wechselte einen raschen Blick mit Mascha, deren Gesicht blass geworden war.
«Erzählen Sie», bat er mit belegter Stimme.
«Ich schätze Kira sehr», begann Neuhoff. «Sie ist fleißig, zuverlässig und sehr engagiert. Deshalb hat sie einen großen Vertrauensvorschuss bei mir. Als sie per SMS um Sonderurlaub bat, fand ich das zwar merkwürdig, doch ich gewährte ihn sofort. Die Familie hat oberste Priorität. Ich wünschte ihr alles Gute und bat sie, den Papierkram nachzuholen, sobald sie sich dazu in der Lage fühle. Das war am vergangenen Dienstag, also vor genau einer Woche. Seither habe ich nichts von ihr gehört, und ich bin nicht einmal auf die Idee gekommen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.»
Am Dienstagmorgen hatte auch Tom Kira zum letzten Mal gesehen. Und am Nachmittag hatte Mascha bemerkt, dass ihr Hotelzimmer verlassen war.
«Haben Sie ihre Familie kontaktiert?», fragte er.
«Gerade eben.» Neuhoff seufzte. «Den Eltern geht es gut, es gab keinen Notfall, keine Krankheit, keinen Unfall. Jetzt sind sie natürlich in heller Aufregung. Ich habe ihnen versprochen, mich zu kümmern. Allerdings habe ich keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Ihr Handy ist ausgeschaltet, zuletzt war sie bei Ihnen auf dem Darß. Hat sie irgendwelche Andeutungen gemacht?»
«Was für Andeutungen?»
«Nun ja. Vielleicht hat sie eine Beziehung, von der niemand wissen soll.»
Tom runzelte die Stirn. Die Vorstellung, Kira könnte von heute auf morgen mit einem Lover auf und davon sein, kam ihm vollkommen absurd vor. Das passte so gar nicht zu der ehrgeizigen jungen Frau. Andererseits kannte er Kira nicht wirklich gut. Genau genommen wusste er fast nichts über sie.
«Gibt es denn Hinweise darauf?», wollte er wissen.
«Ich habe die Kollegen gefragt, die täglich mit ihr zusammenarbeiten, die können sich das nicht vorstellen. Leider scheint Kira auch keine enge Freundin zu haben, die wir fragen können.»
Tom zupfte an seiner Jeans. «Dann müssen wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sie Opfer eines Verbrechens wurde.»
«Bei Ihnen auf dem Darß? Glauben Sie das wirklich?»
Tom zögerte. Er wollte und durfte nicht über den Stalker sprechen. «Es gibt da eine laufende Ermittlung mit einem unberechenbaren Täter», antwortete er vage. «Und wir haben herausgefunden, dass sie nicht persönlich aus dem Hotel ausgecheckt hat. Der Zettel, den sie an der Rezeption hinterließ, weist eine fremde Handschrift auf. Möglich, dass sie den Darß nie verlassen hat.»
«Grundgütiger.» Neuhoff klang schockiert.
Tom streckte den Rücken durch. «Ich werde die Fahndung nach ihr einleiten. Und dafür sorgen, dass jede Streifenbesatzung im Land ein Foto von ihr bekommt. Außerdem werde ich einen Beschluss für ihre Handy-Verbindungsdaten beantragen.»
«In Ordnung», sagte Neuhoff. «Ich mach von hier aus, was ich kann. Vielleicht treibe ich ja doch noch jemanden aus ihrem Bekanntenkreis auf, der mehr weiß. Wir bleiben in Verbindung. Hoffen wir, dass es falscher Alarm ist.»
Janine brauchte unendlich lange, bis sie es an die Landstraße geschafft hatte. Ihr Kopf dröhnte noch immer, und sie hätte alles gegeben für eine Aspirin. In einiger Entfernung entdeckte sie ein Ortsschild, also stapfte sie durch den Schnee darauf zu. Vielleicht half der Name ihrer Erinnerung auf die Sprünge. Im Internet nachschauen konnte sie nicht, das Handynetz reichte gerade zum Telefonieren. Außerdem war der Akku so gut wie leer. Immerhin wärmte sie das Laufen, auch wenn jeder Schritt ihren Schädel erschütterte, als würde jemand mit dem Hammer darauf einschlagen.
Ein Motorengeräusch näherte sich von hinten, ein Wagen hielt neben ihr, das Fenster wurde heruntergelassen.
«Frau Kaiser?», fragte eine ungläubige Stimme. «Geht es Ihnen gut?»
In dem Auto saß ein älteres Ehepaar, das häufig in ihrem Laden Bücher und Schreibwaren kaufte. Janine wäre beinahe in Tränen ausgebrochen vor Erleichterung.
«Bin liegen geblieben», antwortete sie und setzte ein verlegenes Lächeln auf. «Leider kann ich nicht auf den Pannendienst warten, ich muss schnellstmöglich zurück nach Sellnitz.»
«Ach je, Sie Ärmste.» Die Frau sah sie mitleidig an. «Steigen Sie ein, wir nehmen Sie mit.»
Dankbar öffnete Janine die hintere Wagentür. Zum Glück schienen sich die beiden nicht darüber zu wundern, dass sie sich kein Taxi gerufen hatte. Im Auto war die Heizung voll aufgedreht, und Janine ließ sich mit einem Seufzer auf die Rückbank sinken.
«Ganz schön verrücktes Wetter», sagte der Mann. Er trug trotz laufender Heizung Jacke und Mütze, genau wie seine Frau.
Janine versuchte sich zu erinnern, wie er hieß, aber es wollte ihr nicht einfallen. «Das ist wahr», murmelte sie. «So viel Schnee haben wir hier sonst nicht.» Am liebsten hätte sie einfach nur geschwiegen, aber sie wollte nicht unhöflich erscheinen.
«Was macht denn Ihr Sohn?», wollte nun die Frau wissen. «Wir haben ihn lange nicht im Laden gesehen. Der ist doch bestimmt schon größer als Sie. Wie alt ist er noch mal?»
«Vierzehn.»
«Da fangen sie an, schwierig zu werden.»
Janine gab ein zustimmendes Geräusch von sich und zog den Reißverschluss ihrer Jacke auf. Im Wagen war es extrem warm, und sie begann zu schwitzen. Als sie die Handschuhe in die Tasche stecken wollte, ertastete sie Papier.
Ein heißer Schreck durchfuhr sie. Nach ihrer letzten Episode hatte sie auch Zettel bei sich gehabt. Leider hatte sie diese erst gefunden, nachdem sie die Jeans gewaschen hatte. Lediglich eine Art skizzierte Karte hatte sie retten können. Darauf war ein Haus am Waldrand markiert, in dem, wie sich herausgestellt hatte, zwei alte Damen lebten. Janine kannte die beiden nicht, und sie hatte nicht die geringste Ahnung, warum sie die Karte bei sich getragen hatte. Sie wusste nicht einmal, ob sie selbst oder jemand anders sie gezeichnet hatte.
Mit einem bangen Gefühl in der Magengrube nahm sie die Zettel aus der Tasche. Fünf kleine Blätter, herausgerissen aus einem Notizblock, genau wie beim letzten Mal. Wörter waren darauf gekritzelt, die keinen Sinn ergaben. Vielleicht schrieb sie im Wahn einfach irgendwelche Dinge auf, die keinerlei Bedeutung hatten.
Gerade wollte sie die Zettel zurück in die Tasche schieben, da fiel ihr Blick auf einen Namen. Entsetzt keuchte sie auf.
«Alles in Ordnung mit Ihnen, Frau Kaiser?», fragte der alte Mann besorgt und warf einen Blick über die Schulter.
«Alles bestens.» Rasch ließ Janine die Zettel verschwinden. «Ich fürchte, ich habe mich beim Warten in der Kälte ein wenig verkühlt.»
«Damit ist nicht zu spaßen», erklärte die Frau in mütterlichem Ton. «Am besten lassen Sie sich ein heißes Bad ein, wenn Sie nach Hause kommen.»
«Das werde ich», versprach Janine. Sie wandte den Blick zum Fenster, vor dem es immer heftiger schneite, doch alles, was sie sah, waren die Buchstaben des Namens, die sich wie eine Drohung in ihre Netzhaut eingebrannt hatten.
Mascha stellte den Motor aus, machte aber keine Anstalten auszusteigen. Sie musste mit Tom reden, aber ihr graute davor.
«Keine Lust, den warmen Wagen zu verlassen?», fragte Tom.
«Ich muss dir was sagen.»
Er sah sie an. «Was ist los?»
Mascha tippte mit dem Finger auf das Lenkrad. «Die Sache mit dem Foto hat mir keine Ruhe gelassen.»
«Welches Foto?»
«Von Inga. Du weißt schon.»
«Was hast du gemacht?», fragte er scharf. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. «Lass mich raten: Du hast mit Lisa darüber gesprochen.»
Mascha hob die Hände. «Ich weiß, dass es dein Haus ist und ich mich nicht einmischen sollte. Aber wenn jemand eingebrochen ist, dann meinetwegen. Deshalb musste ich etwas tun.»
«Und?» Er verschränkte die Arme.
«Lisa hat Fingerabdrücke von zwei Personen am Bilderrahmen gesichert. Von einem Kind und von einem Erwachsenen. Vermutlich von Romy und dir. Sie braucht natürlich noch Vergleichsabdrücke, um sicherzugehen. Das ist aber nicht alles», fuhr sie rasch fort, als Tom den Mund öffnete. «Sie hat Einbruchspuren an der Terrassentür entdeckt. Jemand hat sie aufgehebelt.»
«Das kann nicht sein.» Der Ärger verschwand aus Toms Gesichtsausdruck, er wirkte irritiert. «Sie war verschlossen, als ich gestern Abend heimkam.»
«Lisa vermutet, dass der Einbrecher über die Terrasse ins Haus eindrang und es auf der Vorderseite wieder verlassen hat. Erinnerst du dich, ob die Haustür abgeschlossen war?»
«Fuck, nein. Weiß ich nicht mehr.» Tom überlegte. «Und bei den Einbruchspuren ist sie sich sicher?»
«Sprich am besten selbst mit ihr. Aber lass deine Wut nicht an ihr aus, sie hatte keine Ahnung, dass du nicht in die Aktion eingeweiht warst.»
«Das glaube ich dir nicht, Mascha.»
«Bitte, Tom. Ich weiß, mein Verhalten war nicht korrekt. Aber darum geht es jetzt nicht. Jemand ist in dein Haus eingebrochen. Wir müssen das ernst nehmen.»
Er lehnte sich im Sitz zurück. «Was schlägst du vor?»
«Ich suche mir ein Zimmer. Oder eine Ferienwohnung. Dann ist Romy aus der Schusslinie.»
«Und du stellst dich diesem Kerl allein? Kommt gar nicht infrage.» Etwas in seinem Blick ließ Maschas Herz höherschlagen.
«Hast du eine bessere Idee?», fragte sie mit belegter Stimme.
«Noch nicht.» Er blickte nach draußen ins Schneetreiben. «Lass uns erst mal mit Hertz reden.»
«In Ordnung.» Mascha streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
«Eins noch», sagte Tom. «Tu so was nie wieder ohne mein Einverständnis.»
Mascha schluckte. «Versprochen.» Sie öffnete die Tür und stieg aus.
Manuel Hertz wohnte in einem gesichtslosen Reihenhäuschen in der Nähe des Ortszentrums.
Ein Mann Ende dreißig mit geröteter Nase und Fünftagebart öffnete ihnen die Tür. Tom stellte Mascha und sich vor, Hertz bat sie herein.
«Ich halte etwas Abstand, um Sie nicht anzustecken», sagte er und ließ sie auf dem Wohnzimmersofa Platz nehmen, während er sich selbst auf einem Sessel niederließ. Kaum saß er, sprang er wieder auf. «Ich habe Ihnen gar nichts zu trinken angeboten. Wie unhöflich von mir.»
Tom winkte ab. «Machen Sie sich keine Umstände.»
Zögernd setzte Hertz sich wieder. Er zog ein Taschentuch hervor und putzte sich umständlich die Nase. Mascha hatte das Gefühl, dass er genau wusste, weshalb sie gekommen waren, und den Augenblick der Wahrheit so lange wie möglich hinauszögern wollte.
«Sie stammen aus Sellnitz?», fragte sie, um das Gespräch mit einem unverfänglichen Thema zu beginnen.
«Hier geboren und aufgewachsen.» Er stopfte das Taschentuch zurück in die Tasche seiner Jogginghose.
«Was machen Sie beruflich?»
«Kfz-Mechaniker. Angestellt. Habe zwar den Meister, aber der ganze Papierkram liegt mir nicht.»
Mascha betrachtete ihn aufmerksam. Wenn man sich die Erkältungssymptome wegdachte, war er ziemlich attraktiv. Schmales Gesicht, hohe Stirn, dunkle, nur von wenigen Strähnen Grau durchzogene Haare und blaue Augen.
«Wir interessieren uns für Ihre Frau. Sie haben sich vor einigen Jahren getrennt, aber nie scheiden lassen, ist das richtig?»
Hertz senkte den Blick. «Iris wollte hoch hinaus. Ich habe ihr wohl nicht genügt.» Er zuckte mit den Schultern.
«Wir haben versucht, die Wohnadresse Ihrer Frau zu ermitteln», schaltete Tom sich ein. «Ohne Erfolg.»
Manuel Hertz lachte freudlos auf. «Sie ist nicht einfach nur in den nächsten Ort gezogen. Oder nach Hamburg oder Berlin. Das wäre ihr viel zu wenig gewesen. New York, das war immer schon ihr Traum.» Er stand auf, nahm ein Foto aus dem Regal und betrachtete es. «Sie wollte Model werden. Das Zeug dazu hatte sie jedenfalls, finden Sie nicht?» Er hielt ihnen das Foto hin. «Als das nicht klappte, hat sie davon geträumt, irgendwelchen Stars die Haare zu machen. Sie ist Friseuse.»
Mascha nahm das Bild entgegen und betrachtete es. Ein deutlich jüngerer Manuel Hertz und an seiner Seite eine blutjunge Braut im weißen Spitzenkleid und mit kunstvoll hochgesteckten Haaren. Er hatte recht, seine Frau war wunderschön und ihr Lächeln bezaubernd.
Es fiel Mascha schwer, sich vorzustellen, dass es ihre sterblichen Überreste waren, die sie am Kliff gefunden hatten. Und dann kam ihr ein Gedanke. Würde ein Mann, der seine Frau getötet hatte, das Hochzeitsfoto jahrelang im Regal stehen lassen?
«Haben Sie die Adresse Ihrer Frau in New York?», fragte sie.
«Leider nicht. Sie ist von heute auf morgen verschwunden, hat sich nie wieder bei mir gemeldet.»
«Hat sie einen Koffer gepackt? Kleidung mitgenommen?»
«Nein.»
«Und das hat Sie nicht gewundert?»
«Ich dachte, dass sie ganz neu anfangen, ihr altes Leben komplett hinter sich lassen wollte. Sie hatte mir ja seit Wochen damit in den Ohren gelegen. Sie hatte eine kleine Erbschaft gemacht, von einer Tante irgendwo in Süddeutschland. Sie wollte, dass wir uns mit dem Geld in den USA