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Teterow - eine kleine Stadt, ein Marktplatz, ein Brunnen. Und ein geheimnisvoller Fremder, der Tag für Tag schweigend dort sitzt, begleitet von einem Schwarm Tauben. Die Bewohner nennen ihn den "Taubenmann", doch niemand weiß, wer er ist oder woher er kommt. Manche sagen, er sei ein Schutzengel, andere halten ihn für einen ruhelosen Geist. Die Kinder verehren ihn, während die Erwachsenen ihn meiden - ein stilles Mysterium, das ihre Neugier und Furcht gleichermaßen weckt. Als eine Gruppe Wissenschaftler beginnt, rätselhafte Phänomene rund um den Brunnen zu untersuchen, geraten längst vergessene Legenden ins Wanken. Auch Clara, eine Journalistin auf der Suche nach der Wahrheit, wird von seiner Geschichte in den Bann gezogen. Wer ist dieser Taubenmann wirklich? Ein Wanderer zwischen den Welten? Ein Bote aus einer anderen Zeit? In Teterow wird das Alltägliche zum Geheimnisvollen, und die Grenzen zwischen Realität und Mythos verschwimmen. "Der Taubenmann von Teterow" ist eine packende Erzählung über das Unerklärliche im Vertrauten, über eine Begegnung, die für immer im Nebel des Ungreifbaren verhüllt bleibt.
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Vorwort
Kapitel 1: Der Mann am Hechtbrunnen
Kapitel 2: Das Ordnungsamt und der
Kapitel 3: Der kleine Junge und die Tauben
Kapitel 4: Rätselhafte Heilungen und
Kapitel 5: Die Kinder von Teterow und der
Kapitel 6: Das Taubengeflüster
Kapitel 7: Unbeantwortete Fragen
Kapitel 8: Ein Hauch von Übernatürlichem
Kapitel 9: Ein außerirdischer Hinweis
Kapitel 10: Die Enthüllung
Die Stadt Teterow ist ein Ort, der so ruhig und still scheint wie das Wasser in einem Brunnen an einem frostigen Wintertag. Und doch, manchmal wohnt in der Stille ein Geheimnis, das sich den Blicken entzieht und nur in den Zwischenräumen des Alltags lebt. Dies ist die Geschichte eines solchen Geheimnisses – die Geschichte des Taubenmanns.
Wer er war, woher er kam und warum er gerade diese kleine Stadt im Herzen Mecklenburgs wählte, wird nie ganz geklärt werden. Die Menschen, die ihm begegneten, erzählen von einem schweigsamen Mann in einem zerschlissenen Mantel, begleitet von einem Schwarm Tauben, die ihm treu folgten wie Schatten. Seine Augen waren tief und geheimnisvoll, seine Bewegungen leise, und in seinem stummen Dasein ruhte eine Macht, die so unbegreiflich war wie die Nacht selbst.
Für die Bewohner Teterows war der Taubenmann sowohl ein Mysterium als auch ein Teil ihres Lebens – ein unnahbarer Fremder, der in der winterlichen Kälte saß und dabei, ohne ein Wort zu sprechen, die Stadt und ihre Menschen beobachtete. Einige sahen in ihm einen Schutzengel, andere einen Geist, der den Platz heimsuchte. Doch vielleicht war er einfach nur ein Beobachter, der aus einer fernen Welt zu uns gekommen war, um einen Blick auf unsere Leben zu werfen, bevor er wieder in das Nichts verschwand, aus dem er gekommen war.
Die folgende Erzählung ist eine Sammlung dieser Begegnungen, Erinnerungen und Spekulationen, ein Mosaik aus Wahrheiten und Gerüchten, das vielleicht der Wirklichkeit nahekommt – oder auch nur eine Facette der endlosen Legenden ist, die sich um ihn ranken. Diese Geschichte soll den Taubenmann nicht erklären, denn manche Geheimnisse sind dafür geschaffen, nie ganz enthüllt zu werden. Sie sollen die Fantasie anregen, eine Ahnung des Unfassbaren schenken und uns daran erinnern, dass auch in den stillsten Ecken unserer Welt das Unerklärliche wohnt.
Dies ist die Geschichte des Taubenmanns von Teterow – ein stiller Wächter, ein Schatten, ein Fremder, der den Weg in die Herzen derer gefunden hat, die ihm begegneten.
In Teterow gab es nichts, was Aufsehen erregte.
Die Tage rollten wie Wagenräder durch die Straßen, die immer gleichen Gesichter, die immer gleichen Stimmen, das immer gleiche Leben. Und doch gab es einen, der aus dem Einerlei herausfiel, still und fremd wie ein Kiesel in der Schuhsohle – er war einfach da. Sie nannten ihn den „Taubenmann.“
Dieser Taubenmann, der stets einen kaputten Mantel trug, grau und abgetragen wie die Reste eines zerschlissenen Zeltes, schien ein Teil der Stadt zu sein, genauso wie der Hechtbrunnen, auf dessen Rand er meist saß. Man konnte meinen, der Brunnen selbst hätte ihn ausgespuckt, doch niemand wusste, wann oder wo er aufgetaucht war. Er saß dort, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, reglos wie ein Stein, der von Moos und Flechten bedeckt wurde. Wer genauer hinsah, bemerkte, dass seine Hände schmutzig waren, schwielig, als hätten sie Erde und Rost und noch vieles mehr in sich aufgesogen. Hände, die von einer Vergangenheit sprachen, die hier niemand kannte.
Das Seltsame war: Er sprach nie. Die Menschen tuschelten, Kinder glotzten, Mütter zogen sie rasch zur Seite, wenn sie an ihm vorbeigingen, als sei er ein dunkles Omen. Doch der Taubenmann schien nichts davon wahrzunehmen. Er saß einfach da, den Blick auf den Brunnen gerichtet, als ob nur dieser ihm Gesellschaft leisten könnte.
In den frühen Morgenstunden kam er an den
Hechtbrunnen, im grauen Dämmerlicht, als gehörten ihm diese Minuten der Stille. Erst wenn die Stadt langsam zum Leben erwachte, verschwand er wieder, aber nie ohne seine Begleiter – die Tauben.
Es begann mit wenigen Tauben, dann wurden es mehr. Sie scharten sich um ihn, saßen auf dem Brunnenrand, auf seinen Schultern, auf seinem Kopf. Sie sahen aus, als wären sie lebendig gewordene Schatten, die ihn umgaben, als wäre er ihr Anführer. Wer genau hinsah, konnte erkennen, wie der Taubenmann gelegentlich seine Lippen bewegte. Manchmal schien er etwas aus seinem Mund zu holen, ein kleines Stück, kaum erkennbar, das er den Vögeln darbot. Und die Tauben, als wären sie diesem Ritual ergeben, nahmen es von seinen Händen oder direkt von seinen Lippen. Niemand wusste, was er ihnen gab. Manch einer sagte, es seien Körner, andere flüsterten, er gäbe ihnen seine Seele in kleinen Portionen. Vielleicht waren es die Worte, die er nicht mehr sprach, die Gedanken, die er nicht mehr teilte, in kleine, unsichtbare Stücke zerteilt, die er den Tauben opferte. Die Stadt begann, ihn zu ignorieren, wie man einen alten Baum ignoriert, der irgendwo in der Ecke steht, vernarbt und mit einem Herz eingeritzt, dessen Bedeutung längst verloren gegangen ist. Er war einfach da, der Taubenmann, ein Teil der Stadt, ein Mann, von dem die meisten beschlossen, dass er verrückt oder einfach nur einsam war. Es gab Geschichten über ihn. Die Kinder hatten die besten: Der Taubenmann sei ein alter König, verflucht, bis in alle Ewigkeit in Teterow zu bleiben. Andere sagten, er sei ein Kriegsheimkehrer, der nie heimgekehrt war.
Wieder andere behaupteten, er sei ein Prophet, der die Tauben schickte, um die Stadt zu überwachen. Jede Legende fügte dem Bild eine Schicht hinzu, und der Taubenmann, der Mann, der nie sprach, wurde zum Mythos.
Und so gingen die Tage ins Land, und jeden Morgen kam der Taubenmann zum Brunnen, setzte sich auf den Rand und wartete. Seine Augen, von einer trüben Melancholie erfüllt, blickten stets in die Ferne, als würde er etwas erwarten, das niemand außer ihm sah. Die Tauben kamen, viele, viele Tauben, die auf ihn herabstiegen wie eine lebendige Wolke, und er empfing sie mit einer Stille, die beunruhigend war, einer stillen Autorität, die man ihm ansah. Die Kinder wagten es manchmal, näher zu kommen, sahen zu, wie er die Tauben fütterte, wie sie auf seiner Schulter landeten, wie sie ihm in einer Art unheimlicher Zuneigung zugeflogen kamen. Und wenn er dann doch einmal aufstand und fortging, folgten sie ihm, die grauen Schatten mit Flügeln, als würden sie ihn niemals allein lassen.
Manchmal, in den frühen Stunden, bevor der Markt erwachte, schlich sich ein betrunkener Heimkehrer heran, schimpfend oder lallend, aber immer mit einer Art Achtung in der Stimme, die er nicht erklären konnte. Und immer wich der Betrunkene irgendwann zurück, eingeschüchtert von dem Blick des Taubenmannes, der mehr von Einsamkeit sprach als tausend Worte es gekonnt hätten.
Es war nicht das, was er sagte, sondern das, was er verschwieg, das die Menschen erschütterte.