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Zweifellos hat der Tod einen schlechten Ruf. Er wird mit einer Fülle negativer Vorstellungen assoziiert. Doch auch das Lebensende ist nur eine Frage der Perspektive. Und jeder, der will, kann bei sich beginnen, daran zu arbeiten. Es gibt einen Weg, sich von der Angst um das eigene Leben und das der Liebsten zu befreien. Ob es ein Leben nach dem Tod gibt, mag jeder selbst entscheiden. Aber eines ist auf jeden Fall möglich: ein Leben vor dem Tod, erfüllt von Freude, Hoffnung und Gelassenheit. Ein Buch über das Leben, das Sterben und den Tod - ohne Angst!
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Seitenzahl: 190
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DER TOD IST BESSER ALS SEIN RUF
Thomas Hohensee / Renate Georgy
Von einem gelassenen Umgang mit der eigenen Endlichkeit
Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältigerBearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw.Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.
1. Auflage© 2017 Benevento Publishing,eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Gesetzt aus der Palatino, Adobe Garamond und Garage Gothic
Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:Red Bull Media House GmbHOberst-Lepperdinger-Straße 11–155071 Wals bei Salzburg, Österreich
Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.ATISBN 978-3-7109-0018-1eISBN 978-3-7109-5031-5
Die etwas gelassenere Art, mit dem Tod umzugehen
Ein unerwartetes Rendezvous
Was Sie von diesem Buch erwarten dürfen
Das Versagen der Wissenschaft
Und die Psychologie?
Das eigentliche Problem ist nicht der Tod
Eine überraschende Lösung
Die Ursachen der Todesangst
Ohnmacht und Wut
Das Phasenmodell der Trauer
Neue Erkenntnisse
Wie der Tod in die Welt kam
Andere Länder, andere Sitten
Der Tod als Feind
Krankheit, Alter und Tod in der öffentlichen Darstellung
Ein paar Fakten über das Altwerden
Zeitbombe Körper
Das einzige Leben
Der Tanz ums Goldene Kalb
Das wollte ich dich auch gerade fragen
Gesundheits-, Jugend- und Ewigkeitswahn
Die Hölle auf Erden
Der Tod als Freund
Angenommen, niemand würde sterben
Von Grenzen befreit
Weder plötzlich noch unerwartet
Wozu die Todesangst gut ist
Geht uns der Tod überhaupt etwas an?
Von einem, der nicht wusste, dass das Sterben viel Spaß machen kann
Was ist schlimmer als der Tod?
Zeit ohne Grenzen
2017, oder im Jahr 228 der Freiheit
Fortschritt oder Kreislauf
Die umgekehrte Zeit
Vor der Geburt
Wie es nach dem Tod weitergeht
Geht es weiter?
In der spirituellen Krise
Mit dem Einmaleins kommt man nicht weit
Vorurteile gegen MystikerInnen
Wenn der Nahtod nicht ins Weltbild passt
Andere Realitäten
Pyramiden und Tonkrieger
Die Reise durchs All
Ein Leben, das den Tod nicht zu fürchten braucht
Das größte Dilemma
Ein total verrücktes Ziel
Trau dich
Zeit verplempern
Quellen der Lebensfreude
Den eigenen Tod bewältigen
Wenn andere sterben
Und wenn die Welt untergeht?
Alles, was du brauchst
Literatur + Filme
Life Coaching und Seminare
»Leben ist tödlich« – dieser Schriftzug prangt auf einer Ufermauer direkt an der Spree. Ein Graffitisprayer hat sie dort hinterlassen. Es ist einer unserer Lieblingswege.
Da wir gerade planen, ein Buch über den Tod zu verfassen, könnte der Zeitpunkt für die Streetart- Aktion kaum besser gewählt sein. Wir nehmen den Schriftzug als dezente, aber deutliche Bestätigung unseres Vorhabens: »Schreibt es. Die Zeit ist reif dafür.«
Leben ist tödlich: so lapidar, so zutreffend. Nicht nur Zigarettenpackungen enthalten Warnhinweise, sondern neuerdings auch die ganze Stadt? »Bedenke, dass du sterblich bist – memento mori«, heutzutage ist es selten, im öffentlichen Raum an diese Wahrheit erinnert zu werden. Üblicherweise wird der Tod, so gut das eben geht, verdrängt, jedenfalls der leibhaftige, der sich außerhalb von Displays, Flachbildschirmen oder bedrucktem Papier ereignet. Ja, irgendwo da draußen kommen Menschen um, in Kriegen, bei Naturkatastrophen oder weil es Ebola gibt. Doch das findet üblicherweise viele tausend Kilometer von uns entfernt statt, nicht unmittelbar nebenan. Leichenwagen sind hier als solche nicht mehr erkennbar. Sterbende gibt es nur noch im Krankenhaus, im Pflegeheim oder im Hospiz, weit weg von unserem Alltag. Wir tun so, als gäbe es kein Morgen.
Segnen Prominente das Zeitliche, reichen die Reaktionen von ungläubigem Staunen bis zu blankem Entsetzen: »Wie konnte so etwas nur passieren? Es ist unfassbar!« Und doch, unsere Sterblichkeit ist nicht wegzudiskutieren.
Wie wäre es, sich dem Tod auf gelassene Weise zu nähern? Warum hat er eigentlich so einen schlechten Ruf? Können wir so mit ihm umgehen, dass er nicht die ganze Zeit wie ein dunkler Schatten auf unser Dasein fällt? Könnte er gar ein Freund werden? Was ist das Geheimnis eines Lebens, das den Tod nicht zu fürchten braucht?
Folgen Sie uns auf unserem Weg einer ungewöhnlichen Annäherung an das Unvermeidliche, zu einem entspannten und einstweilen noch völlig unverbindlichen Rendezvous mit dem Tod!
Niemand weiß, was nach dem Sterben auf uns wartet. Man kann hoffen und vertrauen oder zweifeln und fürchten. Glauben steht gegen Glauben. Für die einen ist die Existenz Gottes und damit eines ewigen Lebens eine Gewissheit. Die anderen sind ebenso überzeugte AtheistInnen. Sie sind sich sicher, dass überirdische Mächte und ein Weiterleben nach dem Tod Hirngespinste sind. Beweise haben beide nicht, jedenfalls keine, die die jeweils andere Seite überzeugen würden. Egal mit wem man sympathisiert, eines wird einem nicht gelingen: das Sterben aus dem Denken zu verbannen. Denn der Tod schafft es täglich in unser Bewusstsein. Ob Kriege, Naturkatastrophen, Seuchen, Flugzeug- oder Zugunglücke: Die Schlagzeilen der Medien führen uns eindringlich vor Augen, dass das Leben endlich ist. Der »Todfeind« lauert überall.
In ihrer Freizeit schauen oder lesen viele Krimis und Thriller. Die mit dem Tod spielende Unterhaltung beherrscht die Bestsellerlisten und hat die besten Einschaltquoten. Das Katz-und-Maus-Spiel kitzelt die Nerven. Aber die meisten möchten, dass der Held oder die Heldin am Ende überlebt.
Überleben: Dieser Gedanke beherrscht den Geist. Der Jugend-, der Gesundheits- und der Ewigkeitswahn haben in diesem Wunsch ihren Ursprung. Wir wollen das Unvermeidliche um jeden Preis vermeiden. Aber es ist vergeblich.
Verdrängen und Jammern sind zwecklos. So werden wir die im Hintergrund lauernde Todesangst nicht los. Sich an seinen Besitz zu klammern, führt auch nicht weiter. Im Gegenteil: Der maßlose Materialismus, den wir dabei entwickeln, zerstört unsere Lebensgrundlagen. Mit übermäßiger Arbeit killen wir die Lebensfreude. Indem wir uns ins grenzenlose Vergnügen stürzen, amüsieren wir uns zu Tode.
Unzählige Menschen versuchen, durch ihre Kinder, ihr Werk, eine Stiftung oder einen bedeutenden Nachlass Spuren zu hinterlassen. Millionen stürzen sich in den Alkohol, werden melancholisch, zynisch oder beklagen die Condition humaine. Besser wird dadurch nichts. Die Spuren verwehen, der Rausch verfliegt: Das Elend bleibt.
Also ist die Sache ausweglos? Keineswegs! Der Tod ist besser als sein Ruf. Allerdings sind unsere Vorstellungen über alles, was mit Sterben und Tod zusammenhängt, dringend überholungsbedürftig. Wir brauchen weniger Trost als vielmehr ein neues Verständnis vom Tod – und vom Leben. Denn nicht nur das würdige Sterben, sondern auch das gute Leben fällt uns schwer. Oder möchte jemand ernsthaft behaupten, Krieg, Ausbeutung und Umweltzerstörung seien ein Ausdruck von Lebenskunst?
Die Aufgabe, neue Überzeugungen vom Leben und Sterben zu gewinnen, ist groß. Aber jeder, der will, kann bei sich beginnen. Philosophen und Heilige waren schon immer in der Lage, sich von ihrer Todesangst zu befreien. Die Stoiker konnte nichts erschüttern. Der zum Tode verurteilte Sokrates trank seinen Giftbecher in aller Seelenruhe, obwohl er hätte fliehen können. Der Buddha war unter allen Umständen glücklich. Was wussten diese Weisen, was ein Großteil der Menschheit bis heute nicht begreift?
Aufgrund solch unerschrockener Vorbilder dürfen wir voraussetzen: Ein gelassener Umgang mit der Endlichkeit ist erreichbar. Aber wie? Noch ist dies fast jedem ein Rätsel. Aber das wird sich ändern. So wie sich vieles bereits geändert hat. Die Fähigkeit des Lesens und Schreibens zum Beispiel war Jahrtausende allein Schriftgelehrten vorbehalten. Inzwischen ist die Alphabetisierung weit fortgeschritten. Nach Schätzungen sind bereits über 80 Prozent der Weltbevölkerung in der Lage, sich schriftlich zu verständigen.
Genauso könnte sich die Einstellung zum Tod grundlegend wandeln. Die Bewältigung von Stress im Allgemeinen und von Todesangst im Besonderen scheint nur noch eine Frage der Zeit. Der Kognitiven Therapie ist es gelungen, die zeitlosen Weisheiten der Philosophen und Heiligen in eine uns heute verständliche Sprache zu übersetzen. Leider ist diese Methode noch nicht so verbreitet, wie es wünschenswert wäre.
Doch die Macht des Bewusstseins ist unaufhaltsam. Es ist der Geist, der immer beides beinhaltet: Angst und Vertrauen, Depression und Hoffnung, Wut und Gelassenheit, Glück und Unglück. Wir können uns für das eine oder für das andere entscheiden, vorausgesetzt, wir machen uns diese Freiheit ausreichend klar.
Nicht der Tod an sich ist das Problem, sondern welche Bedeutung wir ihm geben. Empfinden wir ihn als Verlust der Zukunft, geraten wir in Panik. Verwechseln wir alle unsere Schreckensfantasien mit der Realität, sterben wir tausend Tode und nicht einen einzigen.
Unsere irrationalen Überzeugungen und Verhaltensweisen können uns die irdische Existenz zur Hölle machen. Wir quälen uns selbst, oft ohne es zu wissen, statt uns zu erlösen. So wird der Tod zum Feind. Dabei könnte er der Schlüssel sein, um sich selbst und die Welt besser zu verstehen.
Leben und Tod, Tod und Leben sind wie siamesische Zwillinge. Sie sind ohne einander nicht denkbar. Man bekommt das eine zusammen mit dem anderen. Sie sind so miteinander verwachsen, dass der Versuch einer Trennung beide vernichten kann. Was lässt sich also tun, wenn man die zwei, die doch eins sind, in die Arme gelegt bekommt? Man liebt und nährt sie gleichermaßen oder man richtet sie gemeinsam zugrunde. Eine andere Wahl bleibt einem nicht.
Eines möchten wir mit diesem Buch auf keinen Fall, nämlich Ihnen endgültige Antworten auf alles geben, was mit dem Thema Tod zusammenhängt. Wir kennen die Wahrheit nicht. Aber wir wissen, dass es einen Unterschied macht, wie man über das Leben und Sterben denkt. Deshalb möchten wir Sie zum Nach- und Weiterdenken anregen. Einige Ihrer bisherigen Überzeugungen wollen wir infrage stellen, besonders solche, die Sie daran hindern, Ihr Leben zu genießen und dem Tod gelassen entgegenzusehen.
Es liegt uns am Herzen, Ihnen verschiedene Wege aufzuzeigen, wie Sie sich von der Angst um Ihr Leben und das Ihrer Liebsten befreien können. Die Endlichkeit des Lebens ist kein Grund zu verzweifeln. Indem man sich beispielsweise anschaut, wie andere Kulturen mit Sterben und Tod umgehen, kann man seine eigenen Denkgewohnheiten überprüfen und relativieren. Ob es ein Leben nach dem Tod gibt, mögen Sie selbst entscheiden. Eines ist auf jeden Fall möglich: ein Leben vor dem Tod, erfüllt von Freude, Vertrauen und Gelassenheit.
Leider dürfen wir von der Wissenschaft, so wie sie sich im Moment darstellt, keine Hilfe erwarten, wenn es darum geht, die Angst vor dem Tod zu verlieren. Sie lässt uns bei den wichtigsten existenziellen Fragen im Stich. Schlimmer noch: Sie verstärkt die gegenwärtigen Ängste.
Woran liegt das? Die Stärken der Wissenschaft liegen vor allem in der Analyse, im Forschen und Erkennen eines bestimmten Ausschnittes der Realität. Sie ist jedoch nahezu unfähig, uns ein Gesamtbild zu liefern, nicht einmal von ihrem jeweiligen Fachgebiet, noch vom Menschen und schon gar nicht von der Welt. Liest man Bücher von Wissenschaftlern, findet man oft nicht mehr als eine Aneinanderreihung von verschiedenen Studien. Kaum Schlussfolgerungen, wenig praktische Anwendungsmöglichkeiten, stattdessen der Standard-satz, alles müsse weiter untersucht werden. Das überrascht nicht. Kennt man nicht selbst das Phänomen, dass jede Antwort neue Fragen aufwirft? So arbeitet der analytische Verstand. Er zergliedert den Untersuchungsgegenstand und verliert sich in Details. Deshalb ist ein Experte scherzhaft definiert als jemand, der alles weiß und sonst nichts. Nicht zufällig haben die Größten auf ihrem Gebiet oft keine oder nur untergeordnete Universitätsausbildungen. Der wahrscheinlich bedeutendste Erfinder, Thomas Edison, dem wir die praktische Nutzung des Stromes verdanken, hatte nicht einmal eine vernünftige Schulbildung. Der vielleicht größte Universalgelehrte, Leonardo da Vinci, besaß ebenfalls höchstens rudimentäre formale Ausbildungen. Picassos Besuche der Kunstakademien kann man vernachlässigen. Ihm gefielen die dortigen Unterrichtsmethoden nicht, sodass er diese Stätte bald wieder verließ. Mozart hat nie eine Musikhochschule von innen gesehen. Einstein zeichnete sich mehr durch Selbststudium aus. In der Schule und auf dem Polytechnikum Zürich tat er sich schwer. Für Steve Jobs und Bill Gates gilt Ähnliches. Goethe hat nie Germanistik studiert oder sich bei einem Literaturinstitut eingeschrieben. Buddha und Jesus besuchten keine theologischen Seminare.
Die Naturwissenschaften haben es dennoch geschafft, eine Art Monopol auf die Deutung der Welt zu erlangen. Sie sind weitgehend an die Stelle der Kirche getreten. Zwar verfügen sie über keinen Papst, aber einige Universitätslehrer gerieren sich in ähnlicher Weise. Sie beanspruchen absolute Autorität, obwohl sie doch kein absolutes Wissen haben. Wie groß das Bedürfnis ist, an diesem Glanz teilzuhaben, sieht man an erschlichenen Doktorarbeiten und gefälschten Studien.
Redlich ist das nicht. Wissenschaftliche AußenseiterInnen werden ebenso ignoriert wie Fakten, die nicht zur herrschenden Meinung passen. Der Bannstrahl der »Inquisition« kann jeden treffen, der nicht bereit ist, sich anzupassen. Im schlimmsten Fall droht den KetzerInnen Ausschluss aus der »Kirche«, sprich Wissenschaftsgemeinde. Als Beispiel möchten wir hier nur den Fall des Biologen Rupert Sheldrake anführen, der mit seinen Thesen bestenfalls eine wissenschaftliche Randexistenz führen darf. Dabei geht es nicht darum, ob er recht hat, sondern darum, dass ihm die Wissenschaftsdogmatiker eine Auseinandersetzung mit seinen Theorien verweigern.
Die Irrtümer in den Wissenschaften füllen ganze Bücher. Nur reden die meisten WissenschaftlerInnen nicht gern darüber. Menschlich ist das verständlich. Wer möchte schon am Ende seiner Universitätslaufbahn eingestehen, dass die Theorien, die man zeitlebens verbreitet hat, sich als falsch erwiesen haben? Das sieht für viele wie Versagen aus, ist in Wirklichkeit jedoch nur das typische Berufsrisiko eines wahren Wissenschaftlers.
Tatsächlich sind wissenschaftliche Erkenntnisse stets unvollständig, lückenhaft und widersprüchlich. Irren ist menschlich, und Erkenntnistheorie ist nicht unbedingt das bevorzugte Thema der Hochschul- lehrerInnen. Was kann man überhaupt wissen? Wo liegen die Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten, sowohl mit den derzeitigen Forschungsinstrumenten als auch überhaupt?
Während die Physik einigen als die Königsdisziplin der Wissenschaften gilt, hat es die Metaphysik schwer. Das materialistische Weltbild beherrscht unsere Köpfe. Mit empirischen Mitteln nicht oder kaum nachweisbare Vorstellungen wie Gott, Weiterleben/Weiterexistenz nach dem Tod, vorgeburtliches Dasein und dergleichen halten strenge NaturwissenschaftlerInnen notwendigerweise für nicht existent, obwohl dies nichts weiter ist als eine Hypothese, die es näher zu untersuchen gälte. Aber wie?
Uns geht es hier nur um eines: Die Wissenschaft hat bisher in wesentlichen Fragen, die den Tod und das Leben betreffen, keine Beweise liefern können. Die Medizin hat Probleme damit, überhaupt zu bestimmen, ab wann ein Mensch tot ist. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den letzten Fragen sind dürftig. Deshalb sollte man sich nicht einschüchtern lassen, über den Tod zu glauben, was man will. Etwas anderes tun die WissenschaftlerInnen auch nicht. Sie sind Gläubige, obwohl die meisten von ihnen das niemals zugeben würden.
Spötter sagen, die Psychologie gehöre zu den angewandten Wissenschaften, wobei in diesem Fall die Wissenschaft erst noch entwickelt werden müsse. Das ist gewiss übertrieben. Die Psychologie hat eine Fülle an Erkenntnissen über die Funktionsweise des menschlichen Geistes hervorgebracht. Tatsache ist jedoch, dass sie eine noch junge Wissenschaft ist, die sich erst seit rund 150 Jahren als eigenständiges Forschungsgebiet etabliert hat.
Immerhin hat sich die Psychologie den wesentlichen existenziellen Fragen (Wer bist du? Wo kommst du her? Warum bist du hier? Wo gehst du hin?) angenähert. Dabei achtet sie meist streng darauf, alles auszuklammern, was über die irdische Existenz hinauszugehen scheint.
»Wer bist du?«, das ist für PsychologInnen normalerweise nur die Frage nach der Identität, die ein Mensch sich in seinem Leben aufgebaut hat.
»Wo kommst du her?« führt zu einer Beschäftigung mit der Vergangenheit, einer Zeitdimension, mit der sich insbesondere viele Psychotherapeut- Innen sehr wohlfühlen, allerdings nur bis zum Punkt der Geburt, eventuell noch bis zur Empfängnis.
»Warum bist du hier?« ist eine Frage, der sich beispielsweise die Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl verschrieben hat. Den Sinn des Lebens zu ergründen oder gar den des Todes, geht den meisten PsychologInnen jedoch bereits zu weit.
Bei der nächsten Frage – »Wo gehst du hin?« – wird es dann besonders schwierig. Die Zukunft gilt es für PsychologInnen erst noch zu entdecken. Nachdem sie zum Teil erkannt haben, dass es zu einseitig ist, nur die Abgründe der menschlichen Psyche zu studieren, und vor etwa 20 Jahren die sogenannte Positive Psychologie begründeten, nähern sie sich vorsichtig auch der Gegenwart und der Zukunft. Die Zeitgrenze, die nicht überschritten wird, ist allerdings der Tod.
Den Tod sehen die meisten Psychologen, wenn überhaupt, nur in Zusammenhang mit pathologischen Befunden wie »Anpassungsstörungen« der Hinterbliebenen. Todesangst und Trauerbewältigung, das sind Themen, die PsychologInnen sich gerade noch erlauben. Phänomene wie Nahtoderfahrungen oder außersinnliche Wahrnehmungen zu untersuchen, geht ihnen derzeit noch zu weit. Was nicht in das herrschende Weltbild passt, steht leicht im Ruf, krankhaft zu sein.
Deshalb versuchen Neurowissenschaftler, Gottesvorstellungen als kurioses Produkt eines unter Stress geratenen Gehirns abzutun. Als wissenschaftliche These ist das ohne Weiteres zulässig, als Wahrheit aber untauglich. Das dominierende materialistische Denken verhindert weitergehende Erkenntnisse. So kommen auch in der Psychologie wichtige Anstöße von Außenseitern wie beispielsweise dem Arzt und Psychotherapeuten Roberto Assagioli (1888–1974). Dieser hat bereits sehr früh darauf hingewiesen, dass der Psychoanalyse die »Psychosynthese« (so nannte er seine Methode) folgen müsse. Jahrzehnte vor der Positiven Psychologie hat er gefordert, dass PsychologInnen sich auch mit Freude, Liebe und Gelassenheit befassen sollten. So überrascht es nicht, dass Assagioli einer der Begründer der Transpersonalen Psychologie wurde. Seiner Ansicht nach ist der Mensch mehr als sein Körper, mehr als seine Gedanken, mehr als seine Gefühle und mehr als seine Handlungen, sodass die Existenz nicht mit dem Tod endet. Das Bewusstsein, das uns innewohne, sei nicht an irdische Formen gebunden.
So viel Spiritualität ist der »wissenschaftlichen« Psychologie noch zu gefährlich. Wer derartige Thesen vertritt, setzt seine Universitätskarriere aufs Spiel. Ausgerechnet das Fach, das die Wissenschaft vom Geist sein möchte, beschränkt diesen auf das irdische Sein und will ihn darauf reduzieren, ein reines Produkt des Gehirns zu sein. Es mag sein, dass dies zutrifft, aber warum werden andere Thesen kaum erforscht? Nehmen wir mal an, das Gehirn wäre so etwas wie ein Radio: Wie intelligent wäre es dann zu glauben, die Musik würde in dem Gerät gemacht?
Wie fühlen Sie sich gerade? Gestresst? Traurig? Ärgerlich? Glücklich? Zufrieden? Ängstlich? Und wovon hängt es ab, wie Sie sich fühlen? Darauf würden die meisten Menschen Antworten wie diese geben: »Mein Job ist so anstrengend. Ich soll die Arbeit für drei machen. Da bin ich natürlich gestresst.«
»Mein Mann hat sich gerade von mir getrennt. Er hat mein Herz gebrochen. Deshalb bin ich sehr unglücklich.«
»Heute Morgen war noch alles gut, aber dann ist mir dieser Vollpfosten ins Auto gefahren und hat mir die ganze rechte Seite verbeult. Ich bin immer noch kurz vor dem Platzen.«
»Ich habe gerade ein Enkelkind bekommen, daher könnte ich die ganze Welt umarmen.«
»Mit meiner Freundin verstehe ich mich richtig gut. Sie macht mich froh.«
»Der Klimawandel bereitet mir große Sorgen.«
Üblicherweise glauben Menschen – so wie in den Beispielen –, dass ihre Gefühle von den äußeren Umständen abhängen, also vom Verhalten ihrer Mitmenschen, von der Situation, in der sie sich gerade befinden, oder von der allgemeinen Weltlage. So wird es uns von den Eltern, den Schulen und den Medien beigebracht. Trotzdem ist es falsch; denn tatsächlich bestimmen nicht die Ereignisse, wie wir uns fühlen. Erst unsere Bewertung der Ereignisse ruft die jeweiligen Gefühle hervor. Die äußeren Umstände bieten nur einen Anlass, sich aufzuregen, deprimiert zu sein oder auch sich zu freuen. Sie sind in keinem Fall der unmittelbare Auslöser für unsere Emotionen.
Nehmen wir einmal an, Sie sind mit Freunden verabredet, um einen Picknickausflug zu machen. Gerade als Sie aus dem Haus gehen wollen, beginnt es zu regnen. Was empfinden Sie, wenn Sie die Regentropfen auf Ihr Fenster prasseln sehen?
Möglicherweise sind Sie traurig, dass aus dem Ausflug nichts wird. Oder sind Sie wütend darüber, dass das Wetter Ihnen einen Strich durch die Rechnung macht? Es könnte auch sein, dass Sie insgeheim froh sind, weil Sie nicht besonders gern Ausflüge unternehmen, Ihre Freunde aber nicht enttäuschen wollten. Oder der Regen ist Ihnen egal, weil Sie mit Ihren Freunden spontan beschließen, statt des Picknicks im Freien lieber in einem Restaurant zu tafeln. Merken Sie, dass Ihre Gefühlslage nicht vom Wetter abhängt, sondern von inneren Faktoren: ob Sie Ausflüge lieben oder nicht, ob Sie gleich gute oder sogar bessere Alternativen sehen, trotz des Regens einen schönen Tag zu verbringen, und ob Sie bereit sind, sich kurzfristig umzustellen.
Nicht anders verhält es sich mit Ihren Gefühlen, wenn Sie an den Tod denken. Es könnte sein, dass der Gedanke Sie beunruhigt, weil Sie Schmerzen beim Sterben befürchten, oder weil Sie sich nicht sicher sind, ob es vielleicht doch eine Hölle im Jenseits gibt, in der Sie landen könnten. Vielleicht freuen Sie sich aber auch auf ein ewiges Leben im Himmel, bei dem Sie von Ihren irdischen Sorgen und Problemen befreit wären. Oder Sie reagieren unbekümmert, weil Sie darauf vertrauen, dass Sie einfach nicht mehr existieren werden und Sie dieser Vorstellung etwas abgewinnen können.
Nicht selten verändert man im Laufe des Lebens seine innere Einstellung. Möglicherweise denken Sie heute anders über den Tod als früher. Der Gedanke, eines Tages zu sterben, hat Sie als Jugendliche vielleicht nicht berührt, während Sie als Erwachsene nun ein Unbehagen dabei empfinden. Oder es ist genau umgekehrt.
Auch wenn Sie sich den Tod geliebter Menschen vorstellen, haben Sie ganz unterschiedliche Möglichkeiten, darüber zu denken, obwohl Ihnen im ersten Moment der Gedanke kommen wird, der Ihnen am vertrautesten ist. Wenn Sie meinen, ohne diesen Menschen nicht leben zu können, werden Sie verzweifelt sein. Bei der Vorstellung, dass der Tod für diese Person die Erlösung von unerträglichen Schmerzen wäre, würden Sie erleichtert reagieren. Oder Sie bleiben gelassen, weil Sie sich davon überzeugen, dass es Ihrem verstorbenen Lieblingsmenschen an nichts fehlt und Sie selbst es schaffen werden, Ihr eigenes Leben zufrieden fortzusetzen. Die Annahme, dass der oder die Verstorbene gern länger gelebt hätte, würde Sie dagegen betrüben.
Wären das Sterben und der Tod an sich traurige oder beängstigende Ereignisse, müssten alle Menschen genau dieselben Gefühle – nämlich Unbehagen oder Furcht – entwickeln. Das ist jedoch nicht der Fall. Es gibt Alternativen, über den Tod zu denken. Welche Bedeutung wollen Sie ihm geben?
Bereits der griechische Philosoph Epiktet wusste: Nicht der Tod ängstigt uns, sondern unsere Gedanken darüber. Epiktet verwies darauf, dass Sokrates sonst nicht in der Lage gewesen wäre, die Todesstrafe gelassen hinzunehmen und den Giftbecher ungerührt auszutrinken. Dass wir fühlen, wie wir denken, war auch dem Buddha und anderen Weisen bewusst.
Die von dem US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten Albert Ellis (1913–2007) 1955 begründete Rational-Emotive Verhaltenstherapie hat diese uralten Weisheiten in die Neuzeit geholt und weiter ausgebaut. Bemerkenswert ist, dass es wiederum ein Außenseiter und Dissident war, der die sogenannte kognitive Revolution in der Psychologie einleitete und den »geistlosen« Ansatz der Behavioristen überwand. Aaron T. Beck (*1921) schloss sich ihm bald an und entwickelte die sehr ähnliche Kognitive (Verhaltens-)Therapie. Beide Methoden sind bestens erforscht und haben ihre Wirksamkeit wie kaum eine andere Therapieart bewiesen. Sie werden erfolgreich bei schweren Depressionen, bei Panikattacken und bei Zwangsstörungen angewendet, können aber ebenso bei Alltagsproblemen äußerst hilfreich sein.
Der Kern der Kognitiven und der Rational-Emotiven Therapie ist das ABC der Gefühle. A steht dabei für den äußeren Anlass, B für die persönliche Bewertung und C für die Konsequenz, also die eigene Reaktion. Nicht A ruft C hervor, sondern die dazwischen liegende Bewertung B. Dieses ABC ist auch beim Denken über den Tod wirksam.