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Sehnsucht ist nicht Fernweh. Sie ist das, was uns antreibt, das Gefühl, das bestimmt, wohin die Reise geht. Sehnsucht ist die Suche nach diesem anderen Ich. Bernhard Moestl Ein wunderbar verpacktes Geschenkbuch für Sinnsucher und Reiselustige, das uns hilft, unseren Traum zu leben: Tief in unserem Herzen träumen wir von einem anderen, einem unangepassten Leben. Wir wollen auf Reisen eine neue Welt erleben, uns aus alten Mustern lösen. Diesen Traum können wir leben. Wie aber bringt man den Mut zum Aufbruch auf, wie befreien wir uns aus unserem Umfeld – und wie definieren wir unsere Ziele? Bestseller-Autor und Business-Coach Bernhard Moestl ist ein erfahrener Reisender, der China, Indien und Südostasien aus dreißig Reise-Jahren kennt wie seine Westentasche. Er gibt inspirierende Anleitung und Antwort auf Fragen, die wir uns stellen, wenn wir das Einerlei am liebsten hinter uns lassen würden, wenn wir nur noch raus wollen aus unserem Lebensalltag und uns die Sehnsucht nicht mehr loslässt. Verpackt in einfach zugängliche Geschichten und Anekdoten zum Selbstcoaching zeigt er in dieser liebevoll ausgestatteten Lektüre 24 Wege auf, wie wir mithilfe asiatischer Lebensphilosophie ans Sehnsuchts-Ziel unserer Träume kommen. Schenken Sie sich und anderen, die den Traum leben wollen, wertvolle Einsichten und Reise-Anekdoten vom Erfolgsautor der Shaolin-Ratgeber.
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Seitenzahl: 191
Bernhard Moestl
Der Traum vom unangepassten Leben
24 Wege, deiner Sehnsucht zu folgen
Knaur e-books
Tief in unserem Herzen träumen wir von einem anderen, einem unangepassten Leben. Wir wollen die Welt in all ihren Facetten erleben, uns aus alten Mustern lösen. Diesen Traum können wir leben. Wie aber bringt man den Mut zum Aufbruch auf, wie befreien wir uns aus unserem Umfeld – und wie definieren wir unsere Ziele? Bestsellerautor Bernhard Moestl ist ein erfahrener Reisender, der China, Indien und Südostasien kennt wie seine Westentasche. Verpackt in einfach zugängliche Geschichten und Anekdoten zeigt er in dieser liebevoll illustrierten Lektüre 24 Wege auf, wie wir mithilfe asiatischer Lebensphilosophie ans Sehnsuchts-Ziel unserer Träume kommen.
Für Irene
Wo dein Geist ist, dorthin wird dein Körper folgen.
(Aus Shaolin)
Viele Jahre lang war ich der Meinung, ich sei der einzige Mensch auf dieser Welt, der von einem freien, unangepassten Leben träumt. Bereits als Jugendlicher wünschte ich mir, eines Tages überall auf der Welt arbeiten zu können. Immer öfter sah ich mich in meinen Tagträumen als Reisender, der seine Zeit in aufregend fernen Ländern verbringt. Mein Geld verdiente ich als gefragter Fotograf, der, wo immer es ihm gerade gefiel, eine Arbeit fand, die ihm auch den Aufenthalt und die Weiterreise zum nächsten Ziel finanzierte.
Am Anfang erzählte ich diese Pläne noch jedem, der zumindest vorgab, sie hören zu wollen. Bis ich eines Tages verstand, dass meine Idee auf viel weniger Begeisterung stieß, als ich anfangs angenommen hatte. Statt mit dem freudigen Wunsch, es mir gleichzutun, reagierten die meisten Menschen in meinem Umfeld mit Unverständnis und Ärger. Mit was für Hirngespinsten kam ich denn da wieder an? Die Ablehnung ging so weit, dass viele mich aufforderten, erst einmal erwachsen zu werden und etwas zu leisten. Dann würde ich schon noch verstehen, dass das Leben einfach kein Wunschkonzert und ich nicht dessen Dirigent sei. Andere, die zugaben, durchaus selbst einmal solche Fantasien gehabt zu haben, schoben diese auf meine Jugend. Sie legten mir beruhigend die Hand auf die Schulter und meinten, ich solle mir einmal die Hörner abstoßen, dann würde sich das wieder legen.
Am meisten aber erstaunten mich die wenigen, die meine Idee zumindest zu verstehen schienen. Sie erklärten mir nämlich seufzend, dass ich spätestens bei der Umsetzung meines Vorhabens in die Wirklichkeit fast zwangsläufig scheitern würde.
Doch auch wenn ich mit der Zeit aufhörte, über meine Wünsche zu sprechen, bedeutete das nicht, dass diese aufhörten, zu existieren. Ganz im Gegenteil. Je mehr mein Umfeld versuchte, mich auf den für mich vorgesehenen Pfad zu bringen, umso größer wurde mein Wunsch, davon abzuweichen. Jeder Versuch, mir meine Träume zu nehmen, stärkte nur mein Verlangen, sie zu leben. Ich wollte und würde meinen eigenen Weg gehen.
Erschwerend kam hier hinzu, dass mir das Leben dieser Menschen nicht einmal erstrebenswert schien. Zugegeben, dem äußeren Anschein nach hatten sie alles. Aber waren der sicherere Job, die fünf Wochen jährlicher Urlaub und die kleine Rücklage für schwerere Zeiten es wirklich wert, dafür die eigenen Sehnsüchte zu opfern? Und wenn ihr Leben tatsächlich so perfekt war, wie sie mich glauben machen wollten, warum mischten sich diese Menschen dann in meines ein? Was störte sie daran, dass meine Vorstellungen von den ihren abwichen? Offensichtlich gab es durchaus etwas, was sie selbst in ihrem Leben vermissten, auch wenn sie sich wohl nie getraut hätten, es laut zu sagen.
Eines Tages versprach ich mir selbst, mein Leben nach meinen eigenen Vorstellungen zu leben. Es mit Freiheit zu füllen, mit Abenteuern, mit Herausforderungen, Begegnungen und mit Erfolgen, die ich selbst als solche empfand. Vor allem aber schwor ich mir, alles zu tun, um niemals den Punkt zu erreichen, an dem für viele das Leben gleichermaßen vorbei war. Dort, wo sie langsam, aber sicher begannen, zu akzeptieren, dass es nichts mehr zu entdecken gab, nichts mehr zu lernen und nichts mehr zu bestaunen. Solange ich auf dieser Erde weilte, so beschloss ich, wollte ich leben. Selbst um den Preis, eines Tages ohne sicheren Job, Eigentumswohnung und ohne Besitztümer dazustehen, um die mich meine Mitmenschen beneiden konnten.
Eine Entscheidung, die heute viel einfacher klingt, als sie es damals in Wirklichkeit für mich war. Schließlich bin ich nicht hinter dem Mond aufgewachsen, sondern wie viele andere auch in einer Kultur, in der das »Leben, um zu arbeiten«-Prinzip den Menschen zur Natur geworden ist. Zu einem eisernen Standard, den man weder hinterfragen muss noch kann. Nur so konnte ich mir zumindest erklären, dass meine Idee, mein eigenes Ding durchzuziehen, fast überall auf Ablehnung statt auf Unterstützung stieß.
Dabei hatte ich weder vor, mein Leben mit Nichtstun zu verbringen, noch wollte ich anderen auf der Tasche liegen. Ich wollte einfach nur meiner Sehnsucht folgen. Trotzdem ließ mich das verständnislose Kopfschütteln der Menschen in meinem Umfeld nicht unbeeindruckt. Was, so begann ich mich nach einiger Zeit zu fragen, wenn ich es war, der mit seiner Idee falschlag? Warum verspürte ich offensichtlich als Einziger den Drang, aus einer Enge auszubrechen, die für die anderen angeblich nicht einmal ansatzweise existierte? War die Wurzel meiner Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuern meine ständige Gier nach mehr? Lag sie darin begründet, dass ich nicht mit dem glücklich wurde, was ich hatte? Konnten wirklich all jene irren, die alles daransetzten, mich zu überzeugen, doch endlich das Träumen zu lassen?
Heute weiß ich, dass keiner von uns falsch lag. In vielen Gesprächen haben mich Menschen an ihren geheimsten Wünschen ebenso teilhaben lassen wie an ihren Ängsten. Nach und nach habe ich verstanden, dass viel mehr Menschen von einem anderen Leben träumen, als es scheint. Selbst der angepassteste und genügsamste Mensch wird sich nämlich in manch stiller Stunde seiner Vergänglichkeit bewusst. Dann aber fürchtet auch er den Moment, in dem er vor sich selbst zugeben muss, einem Ideal nachgelaufen zu sein, das niemals sein eigenes war.
So verschieden wie wir Menschen ist auch die Art, wie wir mit unseren Träumen umgehen. Manche verstecken ihre Wünsche, andere vertrösten sie auf später. Sie beschließen, ihren Traum zu einem anderen Zeitpunkt zu leben, dann, wenn alles besser und ganz anders sein wird. Wieder andere haben ihn bereits begraben, lange bevor er überhaupt zum Leben erwacht ist.
Nur die wenigsten haben den Mut, ihre Sehnsucht als das anzunehmen, was sie wirklich ist. Ein Geschenk, dem wir erlauben dürfen, mit uns zu wachsen, und das uns gegeben wurde, um uns zu führen.
Doch viel zu groß scheint den meisten die Gefahr, dass ihr Traum eines Tages übermächtig werden könnte. Stärker als alle gesellschaftlichen Zwänge, zu stark, um ihn noch kontrollieren, verleugnen und nötigenfalls unterdrücken zu können. Wohl deshalb begnügen sich so viele Menschen damit, sich scheinbar unerreichbare Ziele zu erträumen. Nur um am Ende resigniert festzustellen, dass es traurig macht, sich etwas zu wünschen, was man ohnehin niemals haben kann.
Wer aber so denkt, der zerstört im Laufe der Zeit nicht nur seine Träume. Er nimmt sich damit vielmehr auch die Fähigkeit, sich neue zu erschaffen. Mit jedem Mal wird das Feuer der Sehnsucht kleiner und kleiner, bis es eines Tages unbemerkt erlischt. Kann das aber wirklich unser Ziel sein?
Oft habe ich mich gefragt, was Menschen eigentlich dazu bringt, sich in ein Leben zu zwängen, das so gar nicht ihren Wünschen entspricht. Warum versuchen sie nicht zumindest zu verstehen, woher die Überzeugung kommt, ihrer wahren Sehnsucht nicht folgen zu dürfen?
Fast jeder, dem ich diese Frage gestellt habe, kam im Laufe seiner Antwort auf eine Begründung, die jedes Weiterdenken sinnlos erscheinen ließ: Nirgendwo auf der Welt gibt es so etwas wie ein selbstbestimmtes Leben ohne das nötige Geld. Haben wir nicht schon als Kinder gelernt, dass man von seinen Träumen nicht leben kann?
Bei den meisten Erwachsenen drehen sich die Gespräche und Gedanken viel öfter um die Frage nach dem Lebensunterhalt als um den Lebensinhalt. Wir wollen lieber wissen, wovon ein anderer lebt, als zu fragen, wie er es tut. Im Zweifelsfall scheint den meisten ein zwar inhaltsleeres, aber zumindest materiell erfülltes Leben noch immer die bessere Wahl zu sein. Wir lernen früh, Menschen zu bewundern, die über einen Haufen Geld verfügen, aber keine Zeit haben, sich daran zu erfreuen. Und bezeichnen umgekehrt jene, die einfach ihr Leben genießen, als Nichtsnutze. Freiheit, so müssen wir daher glauben, können sich nur die Reichen leisten. Aber ist jemand, der gestresst von Termin zu Termin hetzt, um seine Besitztümer noch weiter zu vermehren, denn wirklich frei?
Es steht außer Frage, dass Geld vieles einfacher macht. Wir können uns davon eine Mahlzeit leisten, ein Flugticket oder eine Segelyacht. Mit Geld kann man tatsächlich fast alles kaufen. Nur das, von dem wir wirklich träumen, ist mit Geld nicht zu bezahlen. Freiheit möchte nämlich nicht gekauft werden. Wahre Freiheit ist eine Diva. Sie möchte umworben werden, gewollt sein und begehrt, mit jeder Faser unseres Körpers. Freiheit will unsere Sehnsucht. Doch die kann man nicht kaufen. Andernfalls würde uns Geld nämlich glücklich machen, statt uns nur dazu zu verführen, noch mehr von ihm haben zu wollen.
Tatsächlich aber kauft Geld uns nur Dinge, die genauso vergänglich sind wie unsere Freude an ihnen. Mit Geld kaufen wir auch keine Veränderung. Ganz im Gegenteil erzeugt es erst jene träge Bequemlichkeit, die uns ertragen lässt, was uns unglücklich macht und wovon wir uns am liebsten freikaufen wollen.
Wahre Sehnsucht ist eine Kraft, die stärker ist als alles auf dieser Welt. Nichts und niemand kann sie einschränken oder aufhalten. Sehnsucht bekommt immer, was sie sich wünscht. Sie bestimmt, wohin die Reise unseres Lebens geht, und lässt uns unterwegs mehr ertragen, als wir jemals für möglich gehalten hätten. Sehnsucht lässt uns wieder und wieder aufbrechen, treibt uns an auf der Suche nach den Herausforderungen, die uns über uns hinauswachsen lassen. Sie ist der unbezähmbare Drang, zu nutzen, was in uns steckt. Sehnsucht ist die permanente Suche nach unserem wahren Selbst.
Lange habe ich Sehnsucht für Fernweh gehalten. Ich wollte unterwegs sein, so weit weg wie nur irgendwie möglich, immer dort, wo ich gerade nicht war. Doch mit der Freude über jedes neue Land, das ich besuchte, wuchs gleichzeitig meine Angst. Wohin sollte ich noch reisen, wenn ich eines Tages alles gesehen hatte? Also nahm ich mir vor, einen Staat dieser Welt niemals zu bereisen. Welcher das sein sollte, wollte ich erst entscheiden, wenn ich bereits fast alle anderen gesehen hatte. Denn ich wollte mir den Glauben bewahren, dass ich in ebendiesem einen Land das finden könnte, was ich überall anders vergeblich gesucht hatte.
Heute weiß ich, dass erfüllte Sehnsucht weit mehr ist als die Summe der Dinge, die man im Leben vermeintlich einmal getan oder gesehen haben sollte. Das Reisen, um das es in diesem Buch geht, ist vielmehr wie ein Gleichnis unseres Lebens. Denn Sehnsucht ist keine Liste, die man abhakt und dann zur Seite legt, um sich etwas Neuem zu widmen. Sehnsucht ist in jedem von uns vorhanden, auch wenn wir sie oft unter Geld, Routinen und Alltagssorgen vergraben.
Sobald wir unsere ganz persönliche Sehnsucht entdeckt haben, wird sie uns zur Lebensenergie. Wenn wir lernen, sie anzunehmen und uns ihr völlig hinzugeben, erkennen wir plötzlich und mit einer zuvor ungekannten Leichtigkeit, dass es genau jetzt an der Zeit ist, loszugehen.
Wohin führt dich deine Sehnsucht?
Ab und an verfolge ich die Geschichten von Menschen, die ihrem alten Leben kurzerhand den Rücken kehren, um schnellstmöglich ein neues, völlig anderes zu beginnen. Eine Idee, die durchaus verlockend klingt, wenngleich sie nur in den seltensten Fällen wirklich die beste ist. Schließlich ist es eine altbekannte Tatsache, dass jede Veränderung ihre Zeit braucht. Gerade dort, wo etwas langfristig anders werden soll, scheint mir Hast ein schlechter Ratgeber zu sein.
Dennoch stürzen sich oft gerade Menschen, die ohne vorherige Anprobe nicht einmal ein Paar Socken kaufen würden, Hals über Kopf in das Abenteuer Veränderung und wundern sich, wenn es am Ende danebengeht.
Meiner Meinung nach hat dieses Verhalten seine Ursache in dem Irrglauben, um glücklich zu werden, genüge es, einfach an einen anderen Ort zu ziehen. Auch ich habe einmal ganz ähnlich gedacht. Ohne jemals vorher dort gewesen zu sein, träumte ich als Jugendlicher lange Zeit davon, nach Australien auszuwandern. Hätten mich nicht Visa-Bestimmungen und andere bürokratische Hürden davon abgehalten, ich hätte wohl tatsächlich alles stehen und liegen gelassen und meinen Lebensmittelpunkt in ein Land verlegt, von dem ich in Wahrheit vor allem deswegen fasziniert war, weil es am anderen Ende der Welt lag.
Es scheint in unserer Natur zu liegen, uns nach dem zu sehnen, was wir gerade nicht haben. So zieht es den in den Bergen Wohnenden ans Meer, während Menschen, die an der Küste leben, ihren Lebensmittelpunkt ins Gebirge verlagern wollen. Hauptsache, es geht woandershin.
Warum sollte es aber ausgerechnet dort, wo wir – nach einem oft überstürzten Aufbruch – ankommen, besser sein? Warum sollte sich jemand, der am Wasser aufgewachsen ist, plötzlich in den Bergen wohler fühlen?
Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir zuallererst die wahre Motivation hinter unserem Wunsch verstehen. Treibt uns tatsächlich eine konkrete Erwartung an den neuen Ort? Wollen wir das Neue wirklich um des Neuen willen, oder laufen wir einfach davon, weil wir des Alten überdrüssig sind?
Nun könnte man meinen, dass das am Ende keinen Unterschied macht. Geht es nicht einzig und allein darum, dass etwas anders wird?
Wer sein Leben nur deshalb verändert, weil er sich von etwas Altgewohntem abgestoßen, und nicht, weil er sich zu etwas Neuem hingezogen fühlt, der läuft Gefahr, einen großen Fehler zu begehen. So jemand wird nämlich alles tun, um eine Rückkehr in das ungeliebte vorige Leben zu verhindern. Das ist aber so, als würden wir uns vorsätzlich aus der eigenen Wohnung aussperren, nur um uns dazu zu zwingen, die Nacht in einem Hotel zu verbringen. Warum aber sollte jemand so etwas tun? Im Urlaub schlafen wir auch woanders, obwohl wir noch Zugang zum eigenen Bett haben. Wer aber alle Brücken abbricht, um sich den Rückweg zu verbauen, beweist damit nur, dass er dem eigenen Vorhaben nicht vertraut.
Mich erinnert dieses Verhalten an Menschen, die ohne Sprachkenntnisse und ausreichende Geldreserven in ein Land auswandern, das sie vielleicht auch nur vom Urlaub her kennen. Überwiegt nach der Ankunft im neuen Zuhause noch die Freude, dem alten Leben entkommen zu sein, stellt sich ziemlich bald heraus, dass das so heiß ersehnte neue Leben dem alten aufs Haar gleicht. Nur dass es eben an einem anderen, fremden Ort stattfindet, was die Sache gleich doppelt so anstrengend macht.
Viele würden dann gerne wieder zurück in ihr altes Leben, doch die Hürden, die sie sich selbst geschaffen haben, hindern sie daran. Das führt zu großem Unglück. Der vorrangige Grund für einen Aufbruch sollte daher nicht der Wunsch sein, etwas Altes hinter sich zu lassen, sondern die Sehnsucht danach, einen neuen Ort zu erreichen.
Trotzdem kann eine tiefgreifende Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation durchaus die Ursache für eine Veränderung sein. Wer fühlt, dass es an der Zeit ist, weiterzugehen, der sollte das auch tun.
Noch vor wenigen Jahrzehnten stieß jemand, der alle Brücken hinter sich abbrach, auf erstaunliche Hürden. Damals waren Menschen, die fernab der gewohnten Umgebung ein neues Leben beginnen wollten, noch Exoten. Während man sie in Europa mit einer Mischung aus Bewunderung und Ärger als »Aussteiger« bezeichnete und nicht weiter beachtete, wurden sie vor allem in Asien lange Zeit verfolgt. Besonders in Singapur waren diese Europäer, die meist noch zusätzlich das Haar lang trugen, richtiggehend verhasst. Schon wer bei einer der zahlreichen Drogenrazzien mit einer solchen Frisur aufgegriffen wurde, musste mit einer unangenehmen Konsequenz rechnen. Ein kleiner Stempel mit den Buchstaben »SH«, die für »Suspected Hippie«, also »Verdacht auf Hippie«, standen, hatte nicht nur die sofortige Ausweisung, sondern ein längeres Einreiseverbot zur Folge.
Heute aber scheint die Idee, nicht dort zu sterben, wo man geboren wurde, auch in Asien in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein.
Was aber muss konkret passieren, dass jemand den Mut findet, den ersten Schritt Richtung Aufbruch zu tun? Gemeinsam scheint vielen, die ihre Geschichte aufgeschrieben haben, dass ihr Leben bis zum Anschlag ausgereizt war. Nicht wenige haben auch körperliche Grenzen überschritten, um Erfolg zu haben. Doch die Zweifel an der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns waren lange Zeit nicht stark genug, um die Veränderung auch zu wagen. Vielen gelingt das erst, wenn auch der Körper verzweifelt beginnt, sich zur Wehr zu setzen. Wohl deshalb findet sich unter Gründen für einen späten Aufbruch in ein neues Leben alles, vom Burnout mit monatelangem Klinikaufenthalt bis zum Herzinfarkt mit dreifachem Bypass.
Warum fällt es uns aber so schwer, schon vorher zu begreifen, dass in unserem Leben etwas grundlegend falsch läuft? Kein einziges Mal habe ich gelesen, dass jemand den neuen Weg eingeschlagen hätte, weil er ihm nach reiflicher Überlegung schlicht der bessere zu sein schien.
Vielleicht brauchen wir diesen Schuss vor den Bug, durch den uns Körper und Seele zeigen, wie ernsthaft kritisch wir uns verhalten, wenn wir alles weitermachen wie bisher.
Ist es aber nicht eine mutwillige Verschwendung von Lebenszeit, in vollem Bewusstsein so lange an einem falschen Weg festzuhalten, bis wir an eine Mauer stoßen? Wie viele Jahre wollen wir verschwenden, bevor wir erkennen, dass wir auf einem Irrweg sind und unser Verhalten überdenken? Und warum wirken viele am Ende regelrecht stolz darauf, sich derart verlaufen zu haben?
Für mich ist das so, weil unsere Gesellschaft uns ohne eine beeindruckende Leidensgeschichte vermeintlich nicht erlaubt, das eigene Leben neu auszurichten. Wer außer uns selbst hat aber das Recht, uns das zu verweigern? Wer erst andere um Erlaubnis fragt, die eigenen Sehnsüchte und Träume leben zu dürfen, bleibt ein Gefangener seiner Ängste und scheint dazu verdammt, den gleichen Fehler wieder und wieder zu begehen.
Wie aber kommt es, so werde ich oft gefragt, dass meine eigene Geschichte so anders verlaufen ist? Woher habe ich über all die Jahre den Mut genommen, zu tun, wozu mich meine Sehnsucht getrieben hat? Woher habe ich diese Freiheit genommen? Vielleicht wurde ich als Rebell geboren. Denn solange kein anderer dabei zu Schaden kam, habe ich immer schon getan, was ich tun wollte. Ich war in meinem Traumberuf Fotograf erfolgreich, obwohl die Fotografie von meinem Umfeld als »brotloses Gewerbe« bezeichnet wurde. Statt wie gewünscht einer »geregelten Arbeit« nachzugehen, habe ich fast die ganze Welt bereist und lebe heute als Autor in meiner Wahlheimat Rumänien. Dennoch fühle ich mich deshalb nicht unbedingt mutig. Ganz im Gegenteil rührt mein unangepasster Lebensstil vielmehr daher, dass ich eben nie den Mut hatte, ein Leben zu führen, das ich eines Tages bereuen könnte. Immer schon wollte ich auf eine Art leben, die es mir jederzeit erlaubte, einfach zu gehen.
Während viele schon in jungen Jahren ihren Ruhestand planten, als hätten sie ein göttliches Anrecht auf Lebenszeit, wurde mir früh bewusst, dass es darauf weder Anspruch noch Garantie gibt. Das Leben kann schneller vorbei sein, als wir glauben.
Wann immer der Augenblick kommt, an dem ich diese Welt verlassen werde, will ich mein Leben gelebt und keinen Augenblick darauf verschwendet haben, auf etwas gewartet zu haben.
Selbst mein Entschluss, eines Tages überall auf der Welt zu Hause zu sein, war einfach nur die Konsequenz einer Entscheidung. Ich war gerade einmal zwölf Jahre alt, als meine Großmutter es mir ermöglichte, mit einer Gruppe von Kindern nach Rom zu fahren. Ich sollte nicht nur ohne meine Eltern unterwegs sein, sondern zum allerersten Mal in meinem Leben fliegen! Begleitet wurde unsere Gruppe von fünf Erwachsenen. Einer von ihnen, der den Kurztrip in die Ewige Stadt mit einer beruflichen Erledigung verband, flog nicht wie wir mit einer Chartermaschine, sondern nahm einen Linienflug. Ein kleiner Umstand, der mein ganzes Leben verändern sollte. Denn auch wenn der Flug unglaublich aufregend war, gab es eine kleine Enttäuschung. Wochenlang hatte ich zu Hause geübt, mit angelegten Ellenbogen zu essen, um im Flieger meinen Sitznachbarn nicht zu stören. Doch statt dem erwarteten opulenten Mahl bekamen wir nur ein Quarktäschchen und ein Glas Saft. Ich beruhigte mich mit der Annahme, dass das magere Menü wohl der kurzen Flugdauer geschuldet war. Bis ich erfuhr, dass unser Begleiter auf der genau gleichen Strecke ein ganz normales Essen bekommen hatte und dies sogar mit kleinen Salz- und Pfefferpäckchen belegen konnte. Nun scheint der Speiseplan in einem Flugzeug eine der nebensächlichsten Sachen überhaupt zu sein. Doch damals ging es um viel mehr. Das »Erwachsenenmenü«, das uns Kindern damals vermeintlich vorenthalten wurde, mutierte für mich zu einem Symbol der Freiheit. Es wurde zum Sinnbild dessen, was jene Menschen bekamen, die ohne Erlaubnis der Eltern reisen konnten, wohin auch immer sie wollten, während die Abhängigen mit einem kleinen Nachtisch abgespeist wurden. In diesem Moment beschloss ich, selbst einmal ein Berufsreisender zu werden. Ein Globetrotter, der einfach mal so einen Linienflug nach Rom nahm und nebenbei noch eine Kindergruppe betreute.
Obwohl ich bis heute keines der beiden Dinge getan habe, hat die Erkenntnis mein Leben geprägt. Ob du das Menü für die Kinder bekommst oder jenes für die Erwachsenen, ist genauso wenig vorherbestimmt wie die Art, in der in der du dein Leben lebst. Beides ist weder von äußeren Umständen noch von irgendwelchen Genehmigungen abhängig. Sondern allein von der Antwort auf diese alles entscheidende Frage: Wofür brennst du wirklich?
Warum möchtest du, dass etwas anders wird?
Manchmal stelle ich mit Erstaunen fest, dass sich gewisse Dinge nicht ändern. Eines davon ist meine Gewohnheit, die Buchung von Flug-, Bus- und Zugtickets bis zum letztmöglichen Moment aufzuschieben. Ein Verhalten, das entgegen meiner ursprünglichen Annahme nichts mit der Angst um die Summe zu tun hat, die mich ein Fehler kosten könnte. Vielmehr tritt das Problem zuverlässig immer dann auf, wenn ich mich länger im Voraus auf einen bestimmten Termin festlegen soll. Es ist mir nämlich noch nie passiert, dass ich einen Flug nicht wahrnehmen konnte, weil mir in letzter Minute etwas dazwischengekommen ist. Trotzdem zögere ich oft die Buchung so lange hinaus, bis ich nur noch zwischen einem horrenden Preis und einer unnötig langen Reisedauer wählen kann.