Die Kunst, einen Drachen zu reiten - Bernhard Moestl - E-Book

Die Kunst, einen Drachen zu reiten E-Book

Bernhard Moestl

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Beschreibung

Achte auf deine Gedanken! Sie sind der Anfang deiner Taten! Doch wie man seine Gedanken lenken und leiten kann, um sein Leben selbstbewusst und erfolgreich zu meistern, zeigen die 12 Strategien aus der Shaolin-Philosophie. Als Symbol der Gedankenmacht dient dabei der Drache. Er kann Freund, aber auch Feind sein, doch wenn man es schafft, ihn zu zähmen, hilft er Unmögliches möglich zu machen.

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Bernhard Moestl

Die Kunst, einen Drachen zu reiten

Erfolg ist das Ergebnis deines Denkens

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

EinleitungWie dieses Buch funktioniert und wie Sie daraus den größten Nutzen ziehen.Darf ich vorstellen: Ihr DracheDen Einfluss des Drachen verstehenMit Liebe und Geduld zähmenTeil 1 Die Welt des Drachen1. Die Strategie der eigenen WirklichkeitErkenne, dass du selbst deine Wirklichkeit aus dem schaffst, was du für Tatsachen hältst.2. Die Strategie der SelbstverantwortungErkenne, dass du in der Welt deiner Gedanken alleine bist und dir dort niemand helfen kann.3. Die Strategie der BedingungslosigkeitErkenne, dass du manches einfach nicht ändern kannst.4. Die Strategie der WachsamkeitErkenne, dass nicht alles so ist, wie es dir scheint.Teil 2 Das Zähmen des Drachen5. Die Strategie der WechselwirkungErkenne, dass nie andere etwas mit dir tun, sondern immer du selbst es geschehen lässt.6. Die Strategie der EnthaltsamkeitErkenne, dass nur du selbst entscheidest, was du in dein Denken hineinlässt und wie lange es dort verweilt.7. Die Strategie der AnziehungErkenne, dass du Glück, Erfolg und Reichtum ganz bewusst in dein Leben ziehen kannst.8. Die Strategie der VeränderungErkenne, dass jede Möglichkeit zur Veränderung ausschließlich aus deinem Denken kommt.Teil 3 Das Reiten des Drachen9. Die Strategie der MachtErkenne, dass du wahre Macht nie mit Gewalt, sondern nur mit Zuwendung bekommen kannst.10. Die Strategie der FurchtlosigkeitErkenne, dass Respekt vor einer Situation sinnvoll, Angst in einer Situation aber gefährlich ist.11. Die Strategie der inneren RuheLerne, dass deine Ruhe und Gelassenheit nur in dir selbst liegen.12. Die Strategie des selbstbestimmten HandelnsErkenne, dass du deine Gedanken niemals von Emotionen kontrollieren lassen darfst.EpilogWem ich danke sagen möchte
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Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.

(Marcus Aurelius)

Einleitung

Das Glück ist eine Frage des Willens. Ich bin das Ergebnis dessen, was ich mir ausgemalt und vorgestellt habe, was ich gewollt habe und was ich beschlossen habe zu sein.

(Karl Lagerfeld)

Wie dieses Buch funktioniert und wie Sie daraus den größten Nutzen ziehen.

Zuerst einmal herzlich willkommen. Schön, dass Sie da sind. Ich hätte da gleich zu Beginn eine Frage. Angenommen, Sie können etwas. Gleichzeitig denken Sie aber, dass Sie es nicht können. Können Sie es dann? Gleich, wie Sie die Frage beantworten, wieso kommen Sie in diesem Fall auf die Idee zu glauben, dass Sie es nicht können? Ist es diese Stimme im Hinterkopf, die sich immer im unpassendsten Moment mit genau solchen Ideen zu Wort meldet?

Darf ich vorstellen: Ihr Drache

Diese Stimme gehört zu jenem Wesen, das Sie bereits ein ganzes Leben lang begleitet hat: zu Ihrem Drachen. Seit jeher gefürchtet und geliebt zugleich ist der Drache Symbol einer nur von wenigen Auserwählten kontrollierbaren, ungeheuren Kraft. Unser Drache betritt mit uns diese Welt und bleibt, bis wir sie wieder verlassen. Von sich aus weder gut noch böse ist er das, wozu Sie ihn machen. Er kann Ihr größter Feind sein – aber auch Ihr bester Freund.

Nähern Sie sich ihm ängstlich, verlangt er Opfer. Erkennt der Drache aber Stärke und die Bereitschaft, ihn zu zähmen, ist er bereit, sich zu unterwerfen und als Freund zu dienen. Erlaubt er Ihnen schließlich auf seinem Rücken Platz zu nehmen und ihn zu reiten, wird er Sie an jeden Ort bringen, den Sie sich vorstellen können.

Mehr als irgendetwas anderes bestimmt der Drache auch das Glück Ihres Lebens.

Ich habe mich oft gefragt, was Menschen, die ihre Träume leben dürfen, von jenen unterscheidet, die ihr Leben träumen müssen. Äußerlich sind ja bei körperlich gesunden Menschen keine Unterschiede festzustellen, und auch eine identische Ausbildung scheint nur zu gleichem Wissen, nicht aber zu gleichem Erfolg zu führen. Daran kann es also nicht liegen. Ich habe mich auch gefragt, warum manche Menschen Glück und Wohlstand scheinbar mühelos anziehen, während andere ihrer trotz größter Anstrengung nicht habhaft werden. Da der Unterschied offensichtlich nicht sichtbarer Natur ist, kann er nur in jenem Bereich liegen, der Außenstehenden verschlossen bleibt: in der Frage, wie diese und wie jene Menschen denken.

Wie hatte die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach gesagt: »Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft.«

Kehren wir noch einmal kurz zu meiner Einstiegsfrage zurück. Stellen Sie sich bitte zwei Personen vor, die in einem Spiel eine Aufgabe lösen müssen, um in die nächste Stufe zu kommen. Die Schwierigkeit ist so gewählt, dass grundsätzlich jeder der beiden in der Lage wäre, die Aufgabe problemlos zu erledigen.

Person A weiß um ihre Fähigkeiten, packt das Problem an und ist eine Runde weiter. Person B hingegen hat die Stimme ihres Drachen im Kopf, der ihr sagt, dass sicher schon klügere Menschen an dieser Aufgabe gescheitert seien. Sie versucht es erst gar nicht und scheidet aus. Nicht wegen mangelnder Fähigkeiten, sondern einzig wegen eines Mangels im Denken. Schließlich arbeiten unsere Gedanken viel öfter gegen uns als für uns.

Mal ganz ehrlich: Fällt es Ihnen leichter, sich den schlechten Ausgang einer Sache vorzustellen, oder selbstverständlich ein gutes Ende zu erwarten? Kein anderes Wesen verkörpert für mich so stark die schier unendliche Macht menschlichen Denkens wie der Drache. Allein mit seiner Hilfe können Sie sich die beste aller Welten schaffen.

Den Einfluss des Drachen verstehen

Im Laufe der nächsten zwölf Kapitel werden Sie in jene Welt eintauchen, in der Ihr Drache lebt. Sie werden seinen Einfluss auf Ihr Leben verstehen und begreifen, warum er es Ihnen so oft schwer macht. Haben Sie sich einmal mit ihm vertraut gemacht, werden Sie beginnen, den Drachen zu zähmen, und er wird Ihnen ein treuer Freund werden. Sie werden lernen, dass nur das unmöglich ist, was Sie selbst für unmöglich halten.

Das Buch ist in zwölf eigenständige Kapitel unterteilt. Jedes ist in sich abgeschlossen und kann als Einheit einzeln durchgearbeitet werden. Da die Themen aufeinander aufbauen, sollten Sie die Reihenfolge möglichst einhalten.

Das »Drachenbuch« möchte aber mehr ein Arbeitsbuch sein als ein Lesebuch. Wie alles im Leben, das man richtig beherrschen möchte, muss man nämlich auch das Denken üben. Wenn Sie also etwas nicht gleich verstehen, gehen Sie nicht einfach darüber hinweg, sondern lesen Sie es noch einmal.

Außer diesem Buch benötigen Sie ab und zu ein Blatt Papier und einen Stift und natürlich Ihre Gedanken. Innerhalb des Textes und am Ende jedes Kapitels finden Sie Aufgaben und Fragen. Bitte beantworten Sie diese unbedingt an der Stelle, an der ich Sie dazu auffordere, und lesen Sie erst danach weiter. Und: Beantworten Sie die Fragen ehrlich, es hat keinen Sinn, sich selbst zu belügen.

Falls Ihr Drache nicht immer gleich so tut, wie er soll, lassen Sie ihm Zeit. Auch er muss sich auf die neue Situation einstellen. Mark Twain hat einmal gesagt: »Eine Angewohnheit kann man nicht aus dem Fenster werfen. Man muss sie die Treppe hinunterboxen, Stufe für Stufe.« Was für Gewohnheiten gilt, trifft auf eine Änderung im Denken erst recht zu.

Mit Liebe und Geduld zähmen

Selbst aber wenn Sie mit dem Verhalten Ihres Drachen sehr unzufrieden sind, versuchen Sie auf keinen Fall, gegen ihn zu kämpfen. Er ist stärker als Sie und würde Sie zerstören. Drachen kann man nur mit Liebe zähmen. Loben Sie ihn für das, was er richtig und gut macht, und vergessen Sie bei dem Lob auch sich selbst nicht. Das andere üben Sie einfach weiter.

Wer keine Vorstellung davon hat, wie sein Drache aussehen könnte, für den hat Illustratorin Marianne Mohatschek unter www.brainworx.cc einige Drachen zum Ausdrucken zur Verfügung gestellt.

Im Laufe der Zeit werden Sie Ihren Drachen immer besser kennenlernen. Dann wird es an der Zeit, ihm einen Namen zu geben und ein Gesicht.

»Unsere Gedanken«, hat der amerikanische Psychologe William James gesagt, »haben eine ungeheure Kraft. Es ist in unsere Entscheidung gelegt, diese Macht zu unserem Nutzen oder Schaden einzusetzen. Mit der Kraft der Gedanken bestimmen wir nicht nur über Gesundheit und Krankheit, sondern unsere Gedanken sind unser Schicksal. Das ist eine Gesetzmäßigkeit, der sich keiner entziehen kann; aber gleichzeitig eine wunderbare Chance.«

Genau diese gilt es zu nutzen. Lassen Sie uns gehen.

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Teil 1Die Welt des Drachen

Klage nicht darüber, dass Gott den Tiger geschaffen hat, sondern danke ihm, dass er ihm keine Flügel gegeben hat.

(amharische Weisheit)

Nicht die Dinge selbst, sondern nur unsere Vorstellungen über die Dinge machen uns glücklich oder unglücklich.

(Epiktet)

1.Die Strategie der eigenen Wirklichkeit

Macht man sich keine Gedanken, dann ist es auch weiter nichts. Alles kommt nur davon, dass der Mensch denkt.

(Leo Tolstoi)

Erkenne, dass du selbst deine Wirklichkeit aus dem schaffst, was du für Tatsachen hältst.

Ein bisschen seltsam scheint die Idee ja schon. Jeder schafft sich seine eigene Wirklichkeit, in der er dann lebt. Ich schaffe mir meine, Sie schaffen sich Ihre, und wir leben beide in zwei verschiedenen Realitäten. Als ob Wirklichkeit etwas wäre, das man schaffen und nach Belieben verändern kann. Und als ob sich meine Wirklichkeit von Ihrer unterscheiden könnte. Wie sollte denn das funktionieren? Entsteht Wirklichkeit nicht aus Tatsachen? Und was hat das mit dem Denken und unserem Drachen zu tun?

Der Drache in dir

Beginnen wir mit einem einfachen Beispiel. Sagen wir, Sie und ich, wir lesen beide das gleiche Buch. Es ist ein Kriminalroman, in dem ein Polizist einen Verbrecher jagt. Der Autor beschreibt so detailliert das Aussehen, das Umfeld und das Leben dieser zwei Personen, dass wir meinen, die beiden würden real existieren. Wir erfahren alles über das Alter, den Beruf, die Vorlieben und den Charakter der Darsteller. Wir wissen, was sie essen, wann sie aufstehen, wie sie sich kleiden und dass einer der beiden immer mit der Waffe schläft. Hätte nun Wirklichkeit vorrangig mit Tatsachen zu tun, müssten wir doch exakt die gleiche Vorstellung davon haben, wie die Personen aussehen, oder?

Schließlich liegen uns beiden dieselben Fakten vor. Wir müssten für die gleiche Person Sympathie empfinden und den gleichen Darsteller ablehnen. Auch unsere Vorstellung von der Umgebung, in der diese Geschichte spielt, müsste ebenso exakt gleich sein wie unsere Annahme vom Ausgang der Geschichte. Sind sie aber nicht. Warum nicht? Weil Wirklichkeit im Kopf entsteht.

Jeder lebt in seiner Wirklichkeit

Was genau ist aber nun Wirklichkeit? Und wie unterscheidet sie sich von der Tatsache? Bleiben wir bei dem Beispiel mit dem Kriminalroman. Tatsache ist hier alles, was wir vom Autor über die handelnden Personen erfahren. Das kann die Haarfarbe eines Charakters sein, ihr Kleidungsstil oder die von ihr bevorzugte Automarke. In unserem Kopf erwecken wir nun diese Person zum Leben, indem wir sie vervollständigen. Wir erzeugen ihren Gang, ihre Haltung und einfach alles, das sie braucht – über das der Autor aber nicht geschrieben hat. Wir entscheiden schließlich, ob sie sympathisch oder unsympathisch aussieht, und sogar, ob wir ihre Stimme mögen. Das ist nun unsere Wirklichkeit. Und nur für den Fall, dass der Typ in unseren Gedanken schrecklich unsympathisch wirkt, wir uns aber eigentlich in ihn verlieben möchten, steht es uns jederzeit frei, ihn zu ändern. Anders ausgedrückt könnte man auch sagen, dass die Tatsachen Zutaten zu einem Kochrezept sind, und die eigene Wirklichkeit das, was jeder daraus kocht.

Ob wir es wollen oder nicht, unser Denken erzeugt uns ständig Realität.

Nehmen wir an, Sie lesen einen Reiseführer. Die Stadt, die in diesem Buch beschrieben ist, haben Sie noch nie gesehen. Sie beginnen die Einleitung zu lesen, in der ein allgemeiner Überblick gegeben wird. Ohne, dass Sie etwas dagegen tun können, entsteht in Ihren Gedanken ein Bild. Sie sehen den Hauptplatz, den mächtigen Dom, das gemütliche Kaffeehaus und sich selbst darin sitzen. Sie flanieren durch die engen Gassen und genießen die Ruhe.

Die Beschreibung lässt in Ihrem Kopf Bilder entstehen, die Sie in diesem Moment für die Wirklichkeit halten. Solange Sie die Stadt nicht tatsächlich sehen, wissen Sie für sich selbst ganz genau, wie es dort aussieht. Doch wie groß ist oft das Erstaunen, wenn Sie den im Buch beschriebenen Ort dann wirklich besuchen? Wenn Sie sehen, wie wenig Ihre Vorstellung mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereingestimmt hat?

Sie könnten jetzt vielleicht sagen, gut, ein Buch. Da gibt es keine »echte« Wirklichkeit, da muss ich mir ja meine eigene zurechtzimmern. Mag sein. Aber, sehen Sie den Herrn da drüben? Ich finde, er sieht sehr gut aus mit dem dunklen Anzug und der dunklen Krawatte. Auch die Maßschuhe dürften aus Pferdeleder sein. Selbst wenn ich nicht wirklich verstehe, warum er um diese Tageszeit eine schwarze Sonnenbrille trägt, ich habe selten einen so elegant gekleideten Mann gesehen.

Wenn ich Sie jetzt frage, was dieser Mann beruflich macht, welche Realität entsteht in Ihrem Kopf? Ist er ein erfolgreicher Banker oder ein Mafiaboss? Fühlen Sie sich in seiner Nähe wohl? Möchten Sie Ihn näher kennenlernen?

Ich glaube, er ist einfach ein Model für die aktuelle Modeproduktion eines Designer-Labels. Warum sonst sollten hier Fotografen und Visagisten herumstehen?

Du bist, was du denkst

Auch Erwartung hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Ihre eigene Wirklichkeit. Stehen Sie nach drei Tagen unglaublich anstrengender Anreise endlich vor den Ruinen des angeblich so berühmten Tempels T, werden Sie wohl jeden einzelnen Stein voller Entzücken bewundern. Sie werden das schönste Bauwerk der Welt vorfinden. Kommen Sie an dem gleichen Tempel zufällig vorbei, ist Ihnen dieser vielleicht nicht einmal die fünf Minuten wert, anzuhalten. Nicht körperliche Tatsachen, sondern ausschließlich Gedanken sind also die Schöpfer unserer Wirklichkeit. Das erkennt man auch daran, dass wir immer dort sind, wo wir mit unseren Gedanken sind. Wir können uns also in jeder Situation mit unserem Denken in eine andere, gegebenenfalls angenehmere Situation versetzen.

Stellen Sie sich bitte vor, Sie haben eine Traumreise gewonnen. Eine Luxuslimousine holt Sie von zu Hause ab, um Sie zum Flughafen zu bringen. Dort erwartet Sie bereits das Personal, das Sie zum Einstieg in die erste Klasse geleitet. Schon beim Betreten des Flugzeugs serviert man Ihnen ein Glas Sekt. Der Flug verläuft ruhig, das Personal ist ständig um Sie bemüht. Am Ziel angekommen wartet bereits Ihr Fahrer, der Sie in einem sehr komfortablen Auto in ein wunderschönes Hotel bringt. Die Anlage entspricht genau Ihren Vorstellungen. Sie fühlen sich wunderbar. Die Sonne scheint, es ist warm, und es geht Ihnen einfach gut. Dann beziehen Sie Ihren lichtdurchfluteten Bungalow, wo bereits ein voller Obstkorb auf Sie wartet. Sie werfen einen Blick aus dem Fenster und sehen den traumhaften Sandstrand, das strahlend blaue Meer und fühlen sich so richtig wohl. Einfach schön, hier zu sein. Es klopft vorsichtig an der Tür. Als Sie öffnen, steht ein junges, zierliches Mädchen mit mandelbraunen Augen und schwarzen Haaren vor Ihnen.

Wo sind Sie gerade? Wieder zurück? Gut. Dann lassen Sie uns fortfahren.

Unsere Realität ist immer eine Mischung aus dem, was wir tatsächlich wahrnehmen, und aus dem, was wir dann daraus machen. Und so entsteht in jeder Sekunde persönliche Wirklichkeit.

Wenn es mir jetzt gelungen ist, Sie in eine andere Welt zu entführen, dann verstehen Sie, warum ich sage, dass Tatsachen und Wirklichkeit nicht zwingend miteinander verknüpft sind. Vergessen Sie aber bitte nicht, dass Denken keine Richtung hat. Ihre Gedanken ermöglichen Ihnen jederzeit einen Besuch im Himmel, das haben Sie gerade gesehen. Umgekehrt aber auch einen Aufenthalt in der Hölle.

Gleich, ob wir einen Schrei oder ein Lachen hören, den Duft einer Blume riechen oder den Geruch von Feuer wahrnehmen – in unserem Kopf entsteht eine Theorie, an der wir unser weiteres Denken und Handeln ausrichten. Unsere eigene Realität ist uns im Laufe des Lebens so selbstverständlich geworden, dass wir geneigt sind, zu glauben, es gäbe so etwas wie eine allgemeine, unveränderliche Wirklichkeit. Es gibt aber noch etwas anderes, das unsere persönliche Realität verändert: das Wissen um Dinge.

Denken erschafft Wirklichkeit

Vor etwa 1400 Jahren lebte in Korea ein Mann namens Won Hyo. Auf der Suche nach der Erleuchtung wanderte er als junger Mönch lange durch die nördliche Wüste. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, den ganzen Tag zu marschieren und erst am Abend zu rasten.

Eines Abends machte er in einer kleinen Oase halt. Ein paar Bäume boten ihm Schutz, und er sank müde unter einem von ihnen nieder und schlief ein. Mitten in der Nacht weckte ihn ein schrecklicher Durst. Da es stockdunkel war, tappte er herum, um Wasser zu finden. Nach einiger Zeit berührten seine suchenden Hände eine Schale. Als er sie aufhob, fühlte er Wasser darin schwappen. Er führte die Schale zum Mund und trank. Es war köstlich. In Dankbarkeit legte er die Hände zusammen und verbeugte sich.

Am Morgen wachte er auf und sah im ersten Licht des Tages, was er für eine Schale gehalten hatte: Es war ein zertrümmerter Totenschädel, voll von verkrustetem Blut, und an den Backenknochen hingen vertrocknete Fleischfetzen. In dem trüben Wasser darin krabbelte es. Den jungen Mönch überwältigte der Ekel. Und als er sich würgend übergab, öffnete sich sein Geist und er verstand.

In der Nacht hatte er nicht gedacht und nicht gesehen – da war das Wasser köstlich erfrischend gewesen. Am Morgen hatten ihn Sehen und Denken zum Erbrechen gebracht. Er sagte zu sich: »Denken schafft Gut und Böse, Leben und Tod. Denken bringt den Kosmos hervor, Denken beherrscht alles. Ohne Denken gibt es keinen Kosmos, keinen Buddha, kein Dharma. Alles ist eins, und dieses Eine ist leer.«

Nun war es nicht mehr notwendig, einen Meister zu suchen – Won Hyo verstand bereits Leben und Tod; was gab es da noch zu lernen? Er kehrte um und wanderte durch die Wüste zurück in sein Dorf.

Der Drache erwacht zum Leben

Wir können es auch anders sagen. Was ich nicht weiß, so sagt ein altes Sprichwort, das macht mich nicht heiß. Wir fühlen uns wohl.

Doch wehe, wenn jemand mit einer noch so unwichtigen Information den Drachen weckt! Er ist schneller wach, als wir denken können, und vorbei ist es mit der Ruhe. Unsere Gedanken drehen sich im Kreis, und der Drache findet Gefallen daran.

Ich will Ihnen ein Beispiel geben, wie das Wissen um Dinge unser Denken, unser Handeln und unser Wohlbefinden beeinflusst. Ich teile meine Wohnung mit zwei Katzen. Auch wenn ich den beiden nicht erklären kann, warum das so ist, möchte ich weder, dass sie auf dem Esstisch spielen, noch, dass sie die Computertastatur als Sitzplatz benutzen. Da Katzen aber nicht den Schlafrhythmus von Menschen haben, dienen ihnen diese beiden Plätze auch in der Nacht als Spielplätze. Lange Zeit bin ich also oft mehrmals in der Nacht aufgestanden, in der Angst, die beiden könnten etwas zerstören. Irgendwann ist mir dann eingefallen, dass tagsüber, wenn ich in die Arbeit ging, die Katzen allein in der Wohnung waren und in dieser Zeit tun konnten, was sie wollten. Ohne übrigens, dass ich auch nur ein einziges Mal daran gedacht hätte und ohne dass sie ein einziges Mal etwas zerstört hätten. Meine Unruhe hatte also nichts mit dem Verhalten der Tiere zu tun, sondern nur mit meinem Wissen und der daraus entstehenden Angst. Seit dieser Erkenntnis habe ich wieder ruhige Nächte.

Solange wir nicht sehen und denken, schläft unser Drache. Wir halten das für wirklich, was wir für wirklich halten wollen und für uns gut ist.

Ich erinnere mich auch an eine interessante Begebenheit, bei der allein das Wissen um Dinge Menschen dazu gebracht hat, sogar auf Vorteile zu verzichten.

In meinem Land gibt es eine große Bank. Sie hatte über viele Jahre einen sehr guten Ruf, zahlte vernünftige Zinsen, und viele Menschen hatten ihr Geld dort veranlagt. Nie hatte es Probleme gegeben, und alle waren glücklich und zufrieden. Eines Tages erfuhren die Kunden, dass diese Bank bereits einige Zeit zuvor eine sehr, sehr große Summe Geld verloren hatte. In derselben Sekunde begannen sich Abertausende Drachen zu räkeln. Es war zwar nichts passiert, der einzelne Kunde war davon nicht betroffen. Denn falls Sie jetzt meinen, ein Bankberater hätte einem Kunden mitgeteilt, dass dieser leider kein Geld mehr abheben könne, liegen Sie falsch. Die Menschen hatten ihre Informationen nur aus den Zeitungen. Bei der Bank liefen die Geschäfte weiter, als wäre nichts gewesen, und das tun sie bis heute. Tatsächlich hatte also niemand Geld verloren, und es war allen bekannt, dass die Bank genug Reserven hatte, um den Verlust abzufedern. Aber die Drachen waren wach. Die Kunden sahen die Bank, von der sie so lange begeistert gewesen waren, plötzlich ganz anders. Viele lösten hochverzinste, langfristige Sparverträge auf, verzichteten auf die Zinsen und schadeten sich im Endeffekt selbst.

Natürlich hätte es auch anders kommen können. Aber erstens wäre es zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon zu spät gewesen, noch etwas zu tun. Und zweitens wurde das Problem der Bank erst da ein Problem für die Kunden, als diese davon erfuhren. Oder glauben Sie wirklich, dass Dinge nicht passieren, nur weil Sie nichts davon wissen?

Sich der Macht seiner Gedanken bewusst werden

Dass Wirklichkeit etwas ist, das wir uns selbst aus vermeintlichen Tatsachen zusammenbauen, kann man auch daran sehen, wie die meisten von uns mit sogenannten »unheilbar Kranken« umgehen. Denn sobald einem Menschen autoritär genug gesagt wird, dass die ihm verbleibende Lebenszeit beschränkt ist, und er sich in diese Weisung fügt, verändert sich die Wahrnehmung seiner Mitmenschen. In deren Wirklichkeit gibt es dann diesen einen, dessen Zeit bald abläuft, den man von nun an viel bewusster wahrnimmt, dessen Zeit plötzlich so kostbar erscheint, und von dem man nie weiß, ob man ihn je wiedersieht.

Auf der anderen Seite stehen sie selbst, die durch Unwissenheit Glücklichen, vermeintlich Unsterblichen, deren Leben noch ewig zu dauern scheint. Das Interessante daran ist nun, dass der Umkehrschluss ja gar nicht zulässig ist und wir uns so gesehen alle wie »unheilbar Kranke« behandeln müssten. Oder kennen Sie eine Alternative zum Tod? Nur weil der kranken Person A gesagt wird, dass ihr Leben vielleicht in einem Jahr zu Ende gehen könnte, woher will die gesunde Person B wissen, dass sie auch nur den morgigen Tag überlebt? Tatsache ist aber, dass die unwissende Person B zwar wahrscheinlich weniger bewusst, aber trotz allem unbeschwerter leben wird. Eine Garantie gibt es aber wie gesagt für beide nicht. Nicht für das Sterben von A und noch weniger für das Leben von B. Und selbst für den Fall, dass Person A nach Ablauf des Jahres wirklich geht, wäre dieses wohl mit Sicherheit anders verlaufen, hätte sie nichts von dem Zeitpunkt gewusst.

Ich möchte hiermit nicht das Leiden von Menschen bewerten oder gar schmälern, die sich in dieser fraglos extrem schwierigen Situation befinden. Ich will ausschließlich zeigen, dass unser oft nur vermeintliches Wissen von Tatsachen unsere eigene Wirklichkeit und damit die Lebensqualität in Sekundenbruchteilen verändern kann.

Es gibt in diesem Zusammenhang noch eine andere Frage, von deren Beantwortung das Glück unseres Lebens abhängen kann. Was genau geschieht nach dem Tod? Wohin werden wir gehen? Gibt es ewiges Leben, ewige Verdammnis oder einfach nur ewiges Nichts? Faktum ist, wir wissen es einfach nicht. Und so bleibt die Antwort jedem selbst überlassen. Unabhängig davon, wie es auf der anderen Seite dann tatsächlich weitergeht, steht es uns frei, unser Leben auf dieser Erde in Vorfreude auf ein Paradies oder aber in ständiger Angst vor einer Hölle zu verbringen.

Der Drache bricht aus

Tatsächlich beschränkt sich die Macht unseres Denkens natürlich nicht auf solche Themen. Sie haben gesehen, dass Wirklichkeit nur durch Denken entsteht, und dass Ihr Denken bereitwillig alles schafft, was Sie oder andere ihm befehlen. Bis hierher lautete die Frage, wie Ihr Denken – also Ihr Drache – mit Tatsachen umgeht. Wenn aber nur der Drache Ihre Wirklichkeit schafft, dann braucht es doch gar keine Tatsachen, oder?

Nehmen wir an, Sie haben mich gebeten, etwas wirklich Dringendes zu besorgen. Ich komme zurück, und Ihre erste Frage an mich lautet natürlich: »Und, hast du es bekommen?« »Was meinst du denn?«, gebe ich zur Antwort, »nein, jetzt sag nicht, ich habe das vergessen! Das darf doch nicht wahr sein! Und ich wollte es mir noch aufschreiben …« Muss ich mehr erzählen? Ihr Drache tobt und Sie mit ihm. Warum eigentlich? Weil in Ihrem Kopf jene Wirklichkeit entstanden ist, von der ich wollte, dass Sie diese erschaffen. Natürlich habe ich die Sache besorgt, und wenn das Ganze auch vielleicht nicht wirklich lustig ist, zeigt es doch sehr schön, dass die Wirklichkeit im Kopf überhaupt nichts mit Tatsachen zu tun haben muss.

Wenn man ganz genau hinschaut, kann man erkennen, dass die wenigsten Bilder in unserem Kopf mit Fakten zu tun haben und dass diese für die persönliche Wirklichkeit auch gar keine Bedeutung haben. Tatsächlich sind Sie traurig, wütend oder lustig, wenn ich etwas erzähle oder Sie etwas lesen, das den Drachen in diese Stimmung bringt. Warum sonst lachen Sie über einen Witz? Weiter gedacht, bedeutet das natürlich auch, dass die Frage, wie es Ihnen geht, am meisten davon abhängt, wie Sie wollen, dass es Ihnen geht. Tatsachen können Sie oftmals nicht ändern. Was Sie aus diesen machen und wie es Ihnen in der Folge genau damit geht, aber sehr wohl.

Die Dinge nehmen, wie sie sind

Folgen Sie mir bitte kurz in ein ziemlich vornehmes Restaurant. Es ist ein nicht ganz billiger, aber sehr angenehmer, ruhiger Platz, der Ihnen sofort gefällt. Auch das Personal ist freundlich und aufmerksam, und Sie genießen den Abend. Als es aber ans Zahlen geht, gibt Ihnen ein Kellner zu wenig Geld heraus. Sobald Sie ihn allerdings darauf aufmerksam gemacht haben, entschuldigt er sich vielmals und ergänzt den fehlenden Betrag. Soweit die Tatsachen. Sie haben jetzt drei Möglichkeiten zu reagieren.