Der vertauschte Bräutigam - Regina Jennings - E-Book

Der vertauschte Bräutigam E-Book

Regina Jennings

5,0

Beschreibung

Ohio, 1865: Abigail Stuart kümmert sich um verwundete Bürgerkriegssoldaten. Als Jeremiah Calhoun, einer von ihnen, im Sterben liegt, macht er ihr ein ungewöhnliches Angebot: Wenn sie ihn heiratet, dann überträgt er ihr seine Farm. Dafür aber soll sie sich um seine Mutter und Schwester kümmern. Abigail geht auf das Angebot ein. Nach seinem Tod reist Abigail nach Missouri und fängt dort ein neues Leben an. Bis eines Tages der wahre Jeremiah Calhoun vor ihr steht und zu seiner Überraschung feststellt, dass eine ihm Unbekannte behauptet, mit ihm verheiratet zu sein ...

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Über die Autorin

Regina Jennings hat Englisch und Geschichte studiert. Sie hat in ihrem Leben schon vieles ausprobiert: für eine Zeitung gearbeitet und in einer Kirchengemeinde – aber auch auf diversen Viehauktionen. Sie lebt mit ihrem Ehemann und den vier gemeinsamen Kindern in der Nähe von Oklahoma City.

Mehr über die Autorin: www.reginajennings.com

Für meine Eltern.Obwohl ihr so verschieden seid,hat eure ungewöhnliche Ehe über die Jahre standgehalten.

Kapitel 1

Februar 1865

Gefängnis in der Gratiot Street, St. Louis, Missouri

„Zuerst werden Sie meiner Liebsten einen Abschiedsbrief schreiben und dann heiraten Sie mich.“ Das Lächeln des Gefangenen stand im Widerspruch zu den Schweißperlen auf seiner Stirn.

Abigail Stuart wrang den Lappen mit dem lauwarmen Wasser aus und tupfte ihm die Stirn ab. „Ich werde Ihrer Julia nicht schreiben, um ihr mitzuteilen, dass ich jetzt ihren Platz einnehmen werde. Sie haben offenbar schon Fieberträume. Romeo war jedenfalls kein flatterhafter Liebhaber.“

Eine Fliege ließ sich auf seinem Kinn nieder. Der Gefangene hob seinen Arm – oder was noch davon übrig war. Er schien vergessen zu haben, dass er sich mit dem eitrigen Stumpf nicht ans Kinn fassen konnte. Abigail verscheuchte den Plagegeist und wünschte, sie hätte eine Decke, um seinen Schüttelfrost etwas zu lindern. Nachdem sie zwei Jahre lang kriegsgefangene Südstaatensoldaten gepflegt hatte, die im Sterben lagen, machte ihr der Anblick von entstellten Körpern nichts mehr aus. Aber über das sinnlose Leid dieser jungen Männer kam sie nicht hinweg.

„Sie werden doch hier nicht glücklich, Miss Abby, so ganz ohne einen Stall voller Pferde“, sagte er. „Und genau das kann ich Ihnen bieten. Sie müssen dieses Gefängnis doch leid sein.“

„Meine Pferde sind weg. Die Krankenpflege ist das Einzige, was mir geblieben ist.“

Der Mann fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Wenn Sie mich heiraten, müssen Sie keinen Tag länger hierbleiben. Eine Farm, Vieh, die besten Pferde in der Gegend – all das gehört dann Ihnen. Wenn das das Letzte ist, was ich in diesem Leben tun kann …“

Dr. Jonson warf Abigail einen Blick zu. Sie hatte schon viel zu lange bei ihrem Lieblingspatienten verweilt, aber sie bereute es nicht. Er war freundlich zu ihr. Gleichgültig, welche Farbe seine Uniform vorher gehabt hatte, er hatte sie abgelegt. Sie schleuderte den Lappen in die Schüssel. Durch den Wundbrand litt er nun an einer Blutvergiftung. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit. Ihm ebenso wenig.

„Und was ist mit Ihrer Verlobten? Warum vermachen Sie ihr nicht die Farm?“

„Meine Liebste?“ Sein Blick wurde sanft, trotz der Schmerzen. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Es war, als atme er den Duft von frischem Heu ein und nicht den Gestank der Krankenstation. Mit seiner gesunden Hand trommelte er auf die dünne Matte, auf der sein ausgemergelter Körper lag. „Meine Verlobte kommt schon allein zurecht. Dieser Krieg wird sie nicht aufhalten. Ich mache mir Sorgen um … um meine Schwester. Rachel ist nicht sehr kräftig – schon seit sie dieses Fieber hat. Sie sind Krankenschwester und könnten ihrer Mutter auf der Farm helfen. Das ist die perfekte Lösung.“

In Abigails Herz glomm ein kleiner Hoffnungsschimmer auf. Konnte das der Ausweg sein, um den sie Gott gebeten hatte? „Und wenn es mir in den Ozark Mountains nicht gefällt? Oder wenn Ihre Familie keinen Yankee in ihrem Haus will?“

„Dann gehen Sie halt einfach wieder.“

Sie ergriff seine Hand und war wieder einmal überrascht, wie warm diese trotz der Kälte des Raums war. „Sie wissen ja nicht einmal Ihren richtigen Namen, Romeo. Oder ist Ihr Gedächtnis inzwischen wieder zurückgekehrt?“

Er schauderte, als ihn ein weiterer Schüttelfrostanfall überkam. Schnell hatte er den Schmerz wieder unter Kontrolle und sein Lächeln kehrte zurück.

„Mein Name ist Jeremiah Calhoun, Captain Jeremiah Calhoun.“

Sie hatte schon vermutet, dass ihm der Gedächtnisverlust recht gelegen gekommen war. Genau wie sie hatte auch er seine Gründe, weshalb er seine Vergangenheit verschwieg.

„Und was soll ich Ihrer Julia sagen?“

„Die Wahrheit.“ Dabei grinste er störrisch. „Sie wird vielleicht wütend werden, vor allem wenn eine große blonde Frau bei ihr auftaucht – genau das, was sie nicht ist. Aber wenigstens ist Rachel dann versorgt. Ihr fühle ich mich verpflichtet.“

Verpflichtet. Abigail wusste nur zu gut, wozu falsch verstandenes Pflichtgefühl führen konnte. In den Gräbern draußen vor dem Gefängnis lagen Unzählige von Soldaten, denen dieses fehlgeleitete Pflichtgefühl den Tod gebracht hatte.

„Wie werden Sie sich entscheiden, Miss Abby? Spannen Sie mich nicht auf die Folter. Für eine lange Verlobungszeit bleibt mir keine Zeit mehr.“

Sie stellte die Schüssel auf den Steinboden und trocknete sich die Hände an ihrer Schürze ab. Die Südstaaten würden nicht mehr lange standhalten. Der Krieg wäre bald vorüber. Seit der Belagerung von Vicksburg hatte Abigail unzählige Heiratsanträge einsamer Patienten abgewehrt. Aber bald würden die Überlebenden zu ihren Familien heimkehren. Schon bald wäre sie ganz allein in einer Welt, in der es kaum noch unversehrte Männer und noch weniger Arbeitsmöglichkeiten gab. Nach Hause konnte sie nicht. Dort war sie nicht länger willkommen. Wenn sie all den Wirrwarr bedachte, den dieser Krieg mit sich gebracht hatte, dann sollte sie sein Angebot vielleicht doch überdenken, gleichgültig, wie riskant es war. Schließlich hatte er recht: Wenn es nicht gelang, hatte sie nichts verloren.

„Captain Calhoun, erlauben Sie mir, ein Blatt Papier zu besorgen. Wenn ich zurück bin, können wir Ihrer Verlobten einen Brief schreiben. Derweil habe ich Zeit, über Ihr Angebot nachzudenken.“

„Sie sollten sich vielleicht auch gleich ein wenig frisch machen“, sagte er mit einem schelmischen Zwinkern. „Ich möchte, dass meine Braut so hübsch wie möglich ist.“

S

März 1865

Hart County, Missouri

Der Bahnhofsvorsteher hatte zwar gesagt, dass es bis zur Farm noch acht Meilen Fußweg waren, aber nicht, dass der Weg steil bergauf führte. Trotzdem genoss Abigail die Anstrengung an der frostigen Luft, vor allem nach dem langen untätigen Herumsitzen im Zug.

Zwischen den Kieseln auf dem Weg hatte sich Feuchtigkeit angesammelt. Unter dem Druck ihrer Schuhsohlen bildeten sich kleine Pfützen, die aber schon beim nächsten Schritt wieder verschwanden. Sie spürte die Anstrengung in Körperteilen, über die Damen gewöhnlich nicht sprachen. Mit Felsen durchsetzte Wälder wechselten sich ab mit ebenen Weideflächen und Farmen – Zeugnisse für den heldenhaften Versuch der Menschen, unwirtliches Land urbar zu machen.

Das überraschte sie jedoch wenig. Obwohl er für die falsche Seite gekämpft hatte, hatte ihr Romeo heldenhaft standgehalten. Er hatte Stärke bewiesen, als er den Verlust seines Armes hingenommen hatte, und war schon kurz nach der Amputation die 250 Meilen von Westport nach St. Louis marschiert. Unablässig hatte er an der Überzeugung festgehalten, dass es ihm bald wieder gut genug gehen würde, um in seine Heimat und zu seiner großen Liebe zurückzukehren. Aber die Infektion, die er sich unterwegs zugezogen hatte, hatte seine Pläne über den Haufen geworfen.

Inzwischen hatte seine Verlobte sicher von seinem Tod erfahren. Sie sollte seinen Brief und seine Familie die Nachricht vom Gefängnishospital erhalten haben. Abigail wollte jedoch nicht, dass seine Angehörigen von der Heirat erfuhren, weil sie sich noch nicht sicher war, ob sie Jeremiah Calhouns „Geschenk“ wirklich in Anspruch nehmen würde. Wie schwer musste es sein zu erfahren, dass der Geliebte eine andere geheiratet hatte. Vor allem, wenn er verstorben war, bevor man ihm die Meinung dazu sagen konnte. Aber Abigail durfte seine Schwester nicht vergessen – die Schwester, die er so sehr geliebt hatte, dass er seiner Verlobten den Laufpass gegeben und aufgehört hatte, sich vorzumachen, er würde wieder gesund und könnte seiner Verantwortung selbst nachkommen. Zumindest ehrte sie Jeremiahs letzten Willen, wenn sie jetzt nach seiner Mutter und seiner Schwester sah. Wenn es ihnen gut ging, würde sie nicht bleiben. Aber es war ihr immer noch ein Rätsel, wohin sie dann gehen sollte.

Seit ihre Mutter wieder geheiratet hatte, hatte Abigail kein wirkliches Zuhause mehr gehabt. Nach der Hochzeit wurde alles das Eigentum von John Dennison – angefangen bei ihrem neuen Hengstfohlen bis hin zum alten Schreibtisch ihres Vaters. Aber statt sich auf die Zunge zu beißen und mit ihrer Meinung hinter dem Berg zu halten, hatte Abigail deutlich zum Ausdruck gebracht, was sie davon hielt, dass John alle Tiere verkaufte. Aber er hatte sich für ihre Worte gerächt. Abigail verdrängte die traurigen Erinnerungen. Sie wollte die Vergangenheit hinter sich lassen. Sie hatte keine Vergangenheit mehr. Sie wollte nur noch nach vorn schauen.

Die Äste einer Akazie wuchsen weit über den Weg. Abigail raffte ihren hellgrünen Rock zusammen, um ihn nicht an den Dornen des Baumes zu zerreißen. Vielleicht hätte sie lieber Trauerkleidung tragen sollen. Aber es erschien ihr nicht weise, ihre Kleider schwarz zu färben, bevor sie entschieden hatte, ob sie sich überhaupt als Witwe zu erkennen geben wollte. Und da sie sich kein neues Kleid hatte leisten können, seit sie ihrem Elternhaus den Rücken gekehrt hatte, konnte sie auch keines opfern.

Der Weg wurde ebener und am anderen Ende der Lichtung tauchte eine grob gezimmerte Blockhütte auf. Aus dem Kamin stieg Rauch, und ein Hund kam unter der Veranda hervor, um ihre Ankunft anzukünden.

Sie vernahm laute Stimmen, die versuchten, den Hund zum Schweigen zu bringen. Ein Kind fing an zu weinen. Abigail presste ihre Umhängetasche an sich und beschleunigte ihre Schritte, um das unbekannte Haus möglichst schnell hinter sich zu lassen.

„Wohin wollen Sie?“

Sie blieb abrupt stehen, konnte den Fragenden aber nirgends entdecken.

„Ich bin hier oben.“ Ein dreckverschmiertes Gesicht sah zwischen den kahlen Zweigen zu ihr herunter. Sie konnte einen Jungen mit einer Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen ausmachen. „Sie sind neu hier.“

War sein Gesicht zerkratzt oder nur schmutzig? Abigail konnte es nicht erkennen. Der Junge ließ sich vom Baum fallen. Es schien ihm nichts auszumachen, als seine bloßen Füße auf dem steinigen Weg landeten.

„Pa!“, rief er. „Wir haben Gesellschaft.“

„Nein, ich bleibe nicht hier“, erwiderte Abigail. „Ich will zur Farm der Calhouns.“

„Zu den Calhouns?“ Ein Mädchen mit großen Augen und unterschiedlich langen Zöpfen kam zwischen den Bäumen hervor. „Hätten wir uns denken können, so schick wie Sie angezogen sind.“

„Ich? Schick angezogen?“ Abigail blickte an ihrem Reisekostüm hinunter und dann auf das Unterkleid des Mädchens. „Vielen Dank, aber ich kann nicht bleiben. Ich muss etwas Wichtiges –“

„Sie wollen zu den Calhouns?“ Ein Mann mit einem langen Bart kam aus der Hütte. „Schätze, wir können Ihnen den Weg zeigen.“

„Aber die Farm liegt doch direkt an der Straße, oder? Der Bahnhofsvorsteher sagte, ich könnte mich nicht verlaufen.“

„Keine Sorge.“ Er steckte den Kopf in die Hütte und rief: „Irma, ich komm gleich wieder. Pass auf den Maisbrei auf.“ Dann nahm er einen abgetragenen Filzhut vom Haken und sprang die Stufen der Veranda hinunter. Rutschend kam er vor ihr zum Stehen. „Ist das Ihr ganzes Gepäck?“

Er war gewiss einer dieser Bergbewohner, vor denen man sie gewarnt hatte, aber als seine Kinder auf seinen Rücken kletterten und sich an seiner Hand festhielten, wusste Abigail, dass sie nichts zu befürchten hatte. Sogar der Hund sprang fröhlich um ihn herum, wedelte mit dem Schwanz und bellte verspielt.

„Der Rest wird morgen gebracht.“

„Ja, natürlich. Finley wird Ihre Sachen mit der Post mitbringen, oder? Natürlich wollen Sie Ihre Sachen nicht durch die Berge tragen. Nicht so eine feine Lady wie Sie.“

Und dabei hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, ob ihre Kleider nicht zu altmodisch waren. Sie ließ ihren Blick über diesen bunten Haufen gleiten. Was, wenn Jeremiah übertrieben hatte? Was, wenn seine wunderschöne Pferdefarm am Ende nur aus einer Hütte und ein paar Maultieren bestand? Die Schmetterlinge in ihrem Bauch verwandelten sich in wild flatternde Vogelschwärme. Sie steckte die Hand in ihre Jackentasche und berührte den Glückspenny ihres Vaters. Jeremiah hatte gesagt, dass seine Schwester sie brauche. Konnte Abigail sie da in einer verfallenen Hütte zurücklassen, nur weil sie das Leben auf einem wohlhabenden Gut gewohnt war?

„Was wollen Sie denn bei den Calhouns?“ Mit einem Blinzeln zog der Mann eine Maispfeife aus seiner Westentasche und steckte sie in den Mund.

„Ich will Mrs Calhoun besuchen. Ich habe ihren Sohn gepflegt, als er in Gefangenschaft war.“

Feindselige Blicke trafen sie von allen Seiten.

„Mr Jeremiah war im Gefängnis?“

„Sie haben ihn eingesperrt?“

„Sind Sie so ein Jayhawker?“

Bei diesem Wort war die Anspannung bei den Kindern spürbar. Sogar der Vater sah sie misstrauisch an.

„Ich weiß nicht, was ein Jayhawker ist“, erwiderte Abigail. „Ich bin Krankenschwester. Ich habe mich um die gefangenen Rebellen gekümmert.“

„Es gibt keine Jayhawker mehr, mein Sohn“, fügte der bärtige Mann hinzu. „Alle Untergrundkämpfer haben sich der Unionsarmee angeschlossen.“

„Aber sie hat auch für die Yankees gearbeitet.“ Der Junge spuckte auf den Boden.

„Josiah!“, sagte sein Vater mit ernster Stimme. „Benimm dich in der Gegenwart einer Dame. Sie war Krankenschwester und hat unseren Soldaten geholfen. Misch dich nicht in die Angelegenheiten anderer ein.“ Ohne seinen eigenen Rat zu befolgen, wandte er sich nun wieder an Abigail: „Waren Sie bei Jeremiah, als er starb?“

Sein sanfter Tonfall weckte in Abigail überraschend ein Gefühl der Nähe. Es gefiel ihr, dass sie Menschen getroffen hatte, die Jeremiah genauso schätzten, wie sie es getan hatte. „Ja, Sir, ich war bei ihm. Ich hielt seine Hand, als er im Sterben lag, und habe auch an seiner Beerdigung teilgenommen. Es war ein Vorrecht, ihn kennen zu dürfen, auch wenn es nur für kurze Zeit war.“

„Jeremiah war ein guter Mensch. Ich weiß gar nicht, was seine Familie ohne ihn machen soll.“

Seine zerrissenen Hosen schlugen ihm bei jedem Schritt gegen das Bein. Und da machte sich dieser Mann Sorgen, dass die Calhouns nicht zurechtkommen würden?

„Wie geht es seiner Schwester?“, fragte Abigail. „Er hat sich bis zuletzt Sorgen um ihre Gesundheit gemacht.“

Er kratzte sich am Bart. „Miss Rachel kränkelt. Wir sollten sie nicht verurteilen.“

„Sie mag es nicht, wenn wir ins Haus kommen“, meldete sich eine selbstsichere Stimme zu Wort. „Wir müssen ihre Sachen immer auf die Treppe am Hintereingang legen.“

„Und wir dürfen nicht pfeifen, wenn wir den Weg heraufkommen. Das vertragen ihre Nerven nicht.“

Der Mann nickte. „Aber sie hat auch viel einstecken müssen. Ihr Vater hat damals schon an diesem rheumatischen Fieber gelitten, das jetzt auch ihre Gesundheit zerstört. Seither ist sie nicht mehr die Gleiche. Gott sei der armen Mrs Calhoun gnädig.“

Er hatte mehr Mitleid mit der Mutter als mit der kranken Schwester? Abigail kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. Was hatte Jeremiah ihr verschwiegen?

Der Weg erreichte den höchsten Punkt des Hügels und führte wieder hinunter bis zu einer Lichtung, die mehrere Hektar groß war. Kahle Winterschösslinge wuchsen entlang eines Weidezauns, der auf ein elegantes Steinhaus zuführte, das sich ins Tal schmiegte.

Abigail stellte sich auf die Zehenspitzen, um die Farm besser sehen zu können und vor allem den Stall. Er war zwar bei Weitem nicht mit den eleganten Ställen zu Hause zu vergleichen, aber das große Steingebäude sah stabil aus. Es war groß genug, um eine ansehnliche Herde den Winter über zu beherbergen. Vielleicht hatte Jeremiah ihr letztlich doch etwas Gutes getan.

Die Kinder quiekten vor Aufregung und der Hund trug seinen Teil zu dem Durcheinander bei. Abigail konnte mit Miss Rachels Nerven mitfühlen. Als der Holzzaun von massiven, wild zusammengestückelten Steinpfeilern abgelöst wurde, blieb sie stehen. „Jetzt kann ich es wohl nicht mehr verfehlen. Danke, dass Sie –“, aber es war schon zu spät. Sie sah nur noch die dreckverschmierten Fußsohlen, als ihre jungen Begleiter den Weg entlang davonrannten.

„Kinder, Kinder.“ Mit unglaublicher Geschicklichkeit beförderte der Mann seine Pfeife von einem Mundwinkel zum anderen, ohne sie dabei zu berühren. „Sie können wirklich rennen.“

„Oh ja.“

Sie folgten den Kindern zu dem zweistöckigen Haus, dessen weiß umrandete Türen und Fenster sich von den Steinwänden abhoben und so dem unruhigen Muster etwas Ordnung verliehen. Die Kinder hämmerten an die Eingangstür, und noch bevor Abigail die Veranda betreten hatte, öffnete eine würdevolle grauhaarige Dame.

„Kinder, bitte, seid ein wenig leise. Ihr wollt doch nicht, dass Miss Rachel euch hört.“

Falls sie erwartet hatte, irgendeine Ähnlichkeit zwischen ihrem Romeo und dieser Frau zu entdecken, so wurde Abigail enttäuscht. Die Frau war füllig, hatte breite Wangenknochen und volle Lippen, die so gar nicht aussahen wie das schmale Gesicht des Soldaten. Aber hatte Jeremiah die Frau nicht als „Rachels Mutter“ bezeichnet? Sie war bestimmt seine Stiefmutter gewesen. Die ältere Dame trug Trauer und stand mit einer Schere in der erhobenen Hand da, als hielte sie einen kaputten Sonnenschirm. Sie hatte auf den ersten Blick nichts von der Unbekümmertheit, für die Romeo oder besser gesagt Jeremiah im Gefängnis bekannt gewesen war.

Sie beäugte Abigail von oben bis unten und versuchte wohl, sie zuzuordnen.

„Mrs Calhoun.“ Abigail deutete einen höflichen Knicks an. „Ich hoffe, mein Besuch kommt Ihnen nicht ungelegen. Ich bin weit gereist, um Sie zu treffen.“

Die Frau neigte den Kopf zur Seite. „Ganz und gar nicht. Ich freue mich über unerwartete Besucher. Sind Sie eine Bekannte der Huckabees?“

Der Huckabees? Abigail blickte zu dem Mann an ihrer Seite. Sie hatten sich nicht einmal einander vorgestellt.

„Nein, Ma’am“, warf Mr Huckabee ein. „Wir haben sie unterwegs getroffen und dachten, wir zeigen ihr den Weg. Das ist das Mindeste, was wir für unsere Nachbarn tun können. Aber bevor ich jetzt zu Mrs Huckabee und den Kleinen zurückgehe, könnte ich noch nach Ihren Tieren sehen, wenn es Ihnen recht ist.“

„Gerne. Die Kuh wollte heute nicht richtig Milch geben. Ich weiß nicht, wie Sie das schaffen, so viel aus ihr herauszukriegen.“

„Zuversicht, Ma’am.“ Dabei machte er eine weite, ziehende Bewegung mit der Hand, um zu zeigen, wie er melkte.

Mrs Calhouns Doppelkinn wackelte fröhlich, als Mr Huckabee seine Kinder von der Veranda scheuchte. Abigail bedankte sich bei ihm und folgte Mrs Calhoun in einen unaufgeräumten Salon. Der Duft von Zitronenwachs und der große Kamin, in dem ein Feuer loderte, verliehen dem ansonsten unordentlichen Raum einen Anschein von Ordnung.

Auf dem Sofa lagen ein Haufen zerknitterter Wäsche und ein leerer Korb. Auf einem kleinen runden Tisch mitten im Raum lagen Stapel von Frauenzeitschriften, die bereits eine bedenkliche Höhe erreicht hatten. Mrs Calhoun legte die schwere Schere auf einen Stapel von Zeitungsausschnitten, die wegzuflattern drohten, als sie vorbeieilte.

„Nehmen Sie doch Platz“, sagte sie. „Ich habe heute nicht mit Gästen gerechnet, aber ich mache uns schnell einen Kaffee.“

„Das wäre wunderbar.“ Abigail brauchte etwas Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie nahm ihren Hut ab, zog den Mantel aus und legte beides auf einen Stuhl.

Endlich hatte sie die Farm erreicht. Abigail glättete die Manschetten ihres grünen Kleides, während Mrs Calhoun in die Küche ging. Was sollte sie nur sagen? Wie sollte sie das Thema ansprechen? Sollte sie die scharfe Schere vielleicht lieber außer Reichweite ihrer Schwiegermutter legen, bevor sie ihr die große Neuigkeit mitteilte? Abigail griff in die Tasche ihres Kleides und berührte den Penny ihres Vaters. Sie wandte sich zu einer Sammlung von Glöckchen um, die in einem staubigen Kabinett standen, um ihre Rede einzuüben.

„‚Als ich Jeremiah kennenlernte, war er ein Kriegsgefangener‘“, flüsterte Abigail. „Nein, das passt nicht. Wie wäre es mit: ‚Jeremiah bat mich, mich um seine Schwester Rachel zu kümmern. Es war sein letzter Wille, dass ich hierherkomme.‘?“ Das stimmte zwar, aber sollte sie seinen Heiratsantrag verschweigen? Bei all ihren Überlegungen war ihr noch keine zufriedenstellende Idee gekommen, wie sie auf das Thema ihres Familienstandes zu sprechen kommen sollte.

„Ma“, rief eine Stimme von oben, „was wollte denn die Huckabee-Horde an unserer Tür?“

Abigail erstarrte. Aus der Küche kam keine Antwort.

„Ma?“

Wenn das seine Schwester war, dann war sie es offensichtlich nicht gewohnt, überhört zu werden.

Im Stockwerk über ihr vernahm man leise Schritte, die dann die Treppe herunterkamen. Augenblicke später betrat Rachel Calhoun den Raum. Sie ging tief gebeugt, wie eine alte Frau. Die Gelenke ihrer Finger waren rot und geschwollen und sichtlich entzündet. Mr Huckabee hatte mit dem rheumatischen Fieber also recht gehabt.

Als sie den unbekannten Gast sah, richtete das Mädchen sich auf. „Entschuldigung.“ Sie warf ihren kastanienbraunen Zopf über die Schulter ihres Hauskleides und vermittelte dabei gar nicht den Eindruck, als wolle sie sich für irgendetwas entschuldigen. „Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“

Abigail trat einen Schritt vor. „Hallo, ich bin gerade erst angekommen –“

„Offensichtlich.“ Die junge Frau hatte tiefe Falten um den Mund, als sei sie ständig in Sorge.

„Ja. Ich bin eine Freundin von Captain Calhoun. Ich habe ihm versprochen vorbeizuschauen.“

„Eine Freundin meines Bruders?“ Rachel verschränkte die Arme. „Und Ihr Name ist?“

„Abigail …“ Sie zögerte. Wann sollte sie den beiden Frauen die Wahrheit sagen? War es noch zu früh dafür?

Als Abigail zögerte, schnaubte Rachel verächtlich. „Wer auch immer Ihre Familie ist, Sie sind wohl nicht sehr stolz auf sie. Meine Familie ist zwar nicht gerade vornehm, aber ich schäme mich wenigstens nicht für sie.“

Angesichts dieser Zurechtweisung aus dem Mund eines einfachen Mädchens vom Land biss Abigail die Zähne zusammen und hob das Kinn. Sie war stolz auf den Namen Stuart, auch wenn ihre Mutter ihn jetzt nicht mehr trug und er auch nicht am Eingang der Farm stand, die sie so liebte. Wenn sie hart arbeitete, konnte sie sich außerdem vielleicht eines Tages auch mit einem neuen Namen Respekt verschaffen.

Abigail holte tief Luft und straffte die Schultern. Ihr neues Leben hatte nun einen neuen Namen, und sie sollte besser anfangen, ihn auch zu benutzen.

„Mein Name ist Calhoun … Abigail Calhoun. Ich bin Jeremiahs Frau.“

Kapitel 2

„Jeremiahs Frau?“

Abigail beobachtete ihr Gegenüber genau. Die jüngere Frau riss die Augen auf und ihr blasses Gesicht verfärbte sich grünlich. Rachel taumelte einen Schritt nach vorn und streckte Hilfe suchend ihre Hände nach dem Sofa aus.

„Lassen Sie mich Ihnen helfen“, sagte Abigail.

Rachel ließ sich in die Kissen sinken, ohne der Wäsche Beachtung zu schenken, die jetzt auf den Boden fiel. Sie streckte sich auf dem Sofa aus und legte ihren Arm mit einem hörbaren Seufzer übers Gesicht.

Das Fieber hatte ihr Herz geschwächt. Das hatte jedenfalls Jeremiah gesagt. Abigails Blicke glitten über die Frau, und sie versuchte, ihren Zustand einzuschätzen. Die junge Frau atmete flach und hatte offensichtlich Schmerzen und steife Gelenke – und einen ausgesprochenen Hang zum Dramatischen. Vielleicht hätte Jeremiah Abigail davor warnen sollen, dass das auffälligste Leiden seiner Schwester ihre scharfe Zunge war.

Hinter ihr erklang ein Klirren. Mrs Calhoun hatte ein Tablett mit Kaffeetassen auf den ohnehin schon überfüllten Tisch in der Mitte des Raumes geschoben und dabei ihr Nähkästchen und den Stapel Zeitungsausschnitte vom Tisch gekippt.

„Hattest du einen Anfall? Was machst du denn hier unten?“ Sie kniete sich neben ihre Tochter. „Du solltest dich nicht so anstrengen, vor allem nicht, wenn die Huckabees gerade deine Nerven so strapaziert haben.“

„Sie ist eine Betrügerin. Sie lügt“, stieß Rachel hervor. Das waren starke Worte für eine so schwache Stimme.

Mrs Calhoun warf Abigail einen nervösen Blick zu. „Beruhige dich bitte, Rachel. Wie kannst du so etwas sagen? Das ist unhöflich!“

„Hast du sie gefragt, wer sie ist? Hat sie dir überhaupt ihren Namen verraten, bevor du sie hereingelassen hast? Mit ihren schicken Kleidern und ihrem feinen Gerede …“

„Reg dich nicht auf. Denk an deine Gesundheit“, sagte ihre Mutter.

Offensichtlich bekam Rachel jetzt wieder genug Luft. Abigail versuchte, die besorgte Frau zu beruhigen. „Ihr geht es gut, Mrs Calhoun. Nachdem sie den ersten Schock überwunden hat, hat sie wieder Farbe bekommen. Ich bin Krankenschwester, und ich glaube nicht, dass sie in unmittelbarer Gefahr ist.“

„Das ist wahrscheinlich auch eine Lüge. Sie sind zu jung, um Krankenschwester zu sein.“ Rachel hielt sich weiterhin den Arm vors Gesicht, wahrscheinlich, damit Abigail nicht sah, dass es ihr wieder gut ging.

„Ich habe eine Zulassung von einer örtlichen Hilfsorganisation“, sagte Abigail. „In der Not spielen Qualifikationen keine Rolle, vor allem nicht, wenn man unter Gefangenen arbeitet.“

„Ich … ich verstehe nicht, worüber ihr euch streitet.“ Mrs Calhoun wandte sich an Abigail. „Bitte entschuldigen Sie meine Tochter. Es geht ihr sehr schlecht.“

An Temperament mangelte es der jungen Frau augenscheinlich nicht. Abigail arbeitete aber lieber mit schwierigen Patienten als mit solchen, die sich selbst aufgegeben hatten.

„Mrs Calhoun, bitte setzen Sie sich, dann erkläre ich Ihnen, was Miss Calhoun so beunruhigt hat.“

„Sollten wir Rachel nicht zuerst wieder nach oben helfen?“

„Ich glaube, sie würde das Folgende auch gerne hören. Es geht um Ihren Sohn Jeremiah.“ Abigail setzte sich. Ihr drehte sich der Magen um, als sie versuchte, die richtigen Worte zu finden.

„Entspricht der Brief vom Gefängnis etwa nicht der Wahrheit?“ Mrs Calhoun ließ sich auf einen einfachen Stuhl fallen. „Bitte sagen Sie, dass er nicht der Wahrheit entspricht. Sagen Sie mir, dass Jeremiah noch lebt.“

Neid kam in Abigail auf. Ob sich ihre Familie überhaupt noch an sie erinnerte? Aber hier ging es um Jeremiah, also konzentrierte sie sich auf die Frau, die ihre Kinder offensichtlich über die Maßen liebte. „Ich wünschte, das wäre es, was ich Ihnen sagen will, aber leider … Die Benachrichtigung hat Sie ja über die Fakten bereits in Kenntnis gesetzt. Aber ich war in seinen letzten Tagen an seiner Seite. Ich dachte, Sie wollen vielleicht Genaueres erfahren.“

„Wir wissen nur, dass er in Westport gefangen genommen wurde und im Gefängnis gestorben ist. Mehr haben sie uns nicht gesagt.“

Sie konnte den beiden noch viel mehr erzählen, aber würden sie ihre Beweggründe verstehen? Abigail wollte so gern helfen. Sie wünschte sich so sehr einen Ort, an dem sie dazugehörte, und eine Familie, die sie lieben konnte. Sie hoffte nur, dass sie ihr wegen seines ungewöhnlichen Plans keine Vorwürfe machen würden. Andererseits waren unbegründete Vorwürfe nichts Neues für sie.

„Bevor er in Gefangenschaft geriet, wurde Jeremiah verletzt“, sagte Abigail. „Sie haben ihm im Feldlazarett den Arm amputiert und ihn dann ins Gefängnis nach St. Louis marschieren lassen.“

„Quer durch Missouri?“ Mrs Calhoun zog ein zerknittertes Taschentuch aus dem auf dem Boden liegenden Wäscheberg. „Wie muss er dabei gelitten haben!“

Der Anblick von Mrs Calhouns Tränen ließ auch Abigails Augen feucht werden. Sie wünschte sich so, sie hätte Jeremiah hier kennengelernt, gesund, und nicht krank im Gefängnis. „Aber er hat sich tapfer geschlagen. Obwohl er sich unterwegs eine Infektion zugezogen hatte und große Schmerzen litt, mochte ihn jeder, der ihm begegnete, sofort. Selbst als er auf die Krankenstation getragen wurde, ließ er die Träger anhalten, damit er einen niedergeschlagenen Mann aufmuntern konnte.“

„Ach, Jeremiah“, seufzte seine Mutter. „Siehst du, Rachel. Ich wusste, dass er sich ändern würde.“

Von dort, wo sie saß, konnte Abigail sehen, dass Rachel sich nicht bewegte, aber die junge Frau hatte aufmerksam zugehört. Abigail versuchte, ihre Stimme unter Kontrolle zu bekommen, bevor sie ihnen die große Neuigkeit mitteilte.

„Ihr Sohn war mir der liebste von allen Soldaten, die ich dort im Krieg kennengelernt habe. Zunächst dachte er nur an seine Verlobte. Aber als sich die Lage änderte und ihm klar wurde, dass er nicht wieder gesund werden würde, übertraf seine Sorge um seine Schwester alles andere.“ Die Stille des Hauses lag schwer auf ihnen, während sie jedes Wort dieser Geschichte eines geliebten Menschen aufsogen – eines Menschen, den sie nie wieder sehen würden. „Als er erfuhr, dass ich sowohl mit Pferden als auch als Krankenschwester Erfahrung hatte, bat Jeremiah mich, hierherzukommen, um für Rachel zu sorgen und mich um die Farm zu kümmern.“

„Das hat er für uns getan?“, sagte Mrs Calhoun kopfschüttelnd. „Aber wir können Sie nicht bezahlen.“

Rachel griff nach der Rückenlehne des Sofas und zog sich hoch. „Sie will keine Bezahlung, Ma. Das ist nicht das, worauf sie aus ist. Sie will alles – die ganze Farm. Wenn wir ihre Geschichte glauben, wird sie alles besitzen und kann uns in die Wildnis hinausjagen. Du weißt genauso gut wie ich, dass Jeremiah niemals eine Fremde heiraten würde.“

„Heiraten?“ Das Taschentuch glitt zu Boden. In Mrs Calhouns Gesichtszügen war ein ganzes Lexikon voller Gefühlsregungen zu lesen, als sie jetzt aufstand. „Sie sind Jeremiahs Frau?“

Ganz gleich, wie wenig es ihr zustand: Die Heiratsurkunde war rechtskräftig. Abigail nickte, schielte nach der Schere und wartete auf die Reaktion ihrer Schwiegermutter. Mrs Calhouns Kinn begann zu zittern und schließlich breitete sie die Arme aus.

„Mein liebes Kind, willkommen daheim.“

In Abigails Kopf drehte sich alles. Sie hatte sich solche Sorgen gemacht, war sich so unsicher gewesen, aber Gott war treu geblieben. Er hatte sie an einen Ort geführt, an dem sie sicher war. Abigail sprang auf und warf sich in die Arme der Frau.

„Sie sind nicht wütend?“

„Meine Liebste, Sie sind in seiner Leidenszeit bei meinem Sohn geblieben. Ich danke Gott, dass er Sie zu Jeremiah geschickt hat, damit er nicht allein sein musste.“ Mrs Calhoun trat einen Schritt zurück und nahm ihre Hände. „Dafür kann ich Ihnen niemals genug danken.“

Rachel stöhnte auf. „Ma, Jeremiah hätte niemals geheiratet, ohne uns in einem Brief davon zu erzählen. Nicht, nachdem er offenbar ständig von mir gesprochen hat.“

„Er hatte keine Zeit mehr, Sie zu benachrichtigen“, sagte Abigail. „Und er hätte mich niemals geheiratet, wenn er geglaubt hätte, wieder gesund zu werden. Er hat sogar beinahe zu lange gewartet. Er hatte noch nicht einmal mehr die Zeit, seiner Verlobten in seinem letzten Brief alles zu erklären. Er schrieb nur, dass er sie liebte.“

„Nun, sie hat nie wirklich getrauert“, erwiderte Mrs Calhoun. „Wahrscheinlich ist es ein Segen, dass sie ihr Leben einfach weitergelebt hat. Ich rechne jeden Tag damit, dass Laurel und Dr. Hopkins ihre Verlobung bekannt geben.“

Laurel? Jeremiah hatte sie immer „Julia“ genannt. Er hatte Abigail sogar gebeten, sie in seinem letzten Brief so anzureden. Wie würde sie wohl reagieren? Wenigstens hatte sich Laurel schon genug gefangen, um sich einem anderen Verehrer zuzuwenden. Hoffentlich würde sie Abigails Erscheinen genauso gnädig aufnehmen, wie Mrs Calhoun es getan hatte.

Schließlich sah Rachel ihr in die Augen und sagte: „Sie haben nicht zufällig noch andere Männer aus Jeremiahs Division getroffen? Wurden viele von ihnen gefangen genommen?“

„Ich glaube schon. Aber die meisten Gefangenen aus der Gratiot Street wurden nach Osten verlegt. Jeremiah blieb nur dort, weil er nicht mehr weitergehen konnte.“

Rachel klammerte sich an die Armlehne, um ihr Gleichgewicht zu halten. „Aber von wem hat er sonst noch gesprochen? Hat er einen Alan White erwähnt? War Alan auch Ihr Patient?“

„Alan White? Nein, ich erinnere mich an niemanden, der so hieß.“

„Mach dir keine Sorgen“, ermahnte Mrs Calhoun ihre Tochter. „Alan hat in seinem letzten Brief nicht gesagt, wo er war, und seither hatte er sicher kaum Zeit, um noch einmal zu schreiben – vor allem jetzt, wo der Krieg zu Ende geht. Du wirst sicher bald von ihm hören.“

Wie viele ungeweinte Tränen verbargen sich wohl hinter den dunklen Ringen unter Rachels Augen? Sie starrte Abigail an und war mit ihrer Geschichte offensichtlich nicht zufrieden. „Wenn das, was Sie sagen, wahr ist, dann hatte Jeremiah nichts zu verlieren. Aber was ist mit Ihnen? Haben Sie keine Familie oder Verehrer oder sonst irgendjemanden, der sich sorgt, wenn Sie nicht wieder nach Hause kommen? Warum sollten Sie sich darauf einlassen, bei Fremden unterzukommen, und nicht bei Ihren Freunden?“

Abigail ging zu dem Schrank, den sie zuvor betrachtet hatte. Glöckchen aus Keramik, Glöckchen aus Kristall, Glöckchen aus Messing … In ihrem Kopf klingelte es vor Anschuldigungen und Entschuldigungen. Sie würde noch einmal ganz von vorn anfangen, wenn sie sie ließen, aber man würde sie fragen, wer sie war, woher sie kam und warum sie bei ihrer Familie nicht mehr willkommen war. Die Wahrheit war nicht schön. Es war wohl besser, die Geschichte in Ordnung zu bringen, bevor sie noch weiter nachhakten.

„Mein Vater starb durch einen Reitunfall und meine Mutter hat dann …“ Sie fügte ihre eigenen Fingerabdrücke zu denen hinzu, die sich schon auf der Glasscheibe des Schrankes befanden. „Ich vermisse sie. Ich habe niemanden mehr, also bin ich nach Westen gegangen.“

So. Das sollte genügen. Sie hatte beschlossen gehabt, dass sie bei Tagesanbruch wieder gehen würde, wenn sie sie nicht aufnahmen. Dann hätte sie nichts verloren. Aber jetzt, nachdem sie einen kleinen Eindruck von einem Zuhause, einer Familie, einer Farm bekommen hatte, war sie nicht bereit, dies wieder aufzugeben.

„Siehst du Rachel, Abigail hat allen Grund, bei uns zu bleiben.“ Mrs Calhoun setzte sich neben ihre Tochter und legte ihr den Arm um die Schulter. Abigail stellte zu ihrer Überraschung fest, dass Rachel auch beschämt dreinschauen konnte.

„Ich will nicht, dass sie dir Ärger macht, Ma. Du hast schon genug damit zu tun, dich um mich zu kümmern. Wenn sie nicht ihren Teil beiträgt …“

… dann sollte sie jetzt langsam damit anfangen. Abigail wandte sich den beiden Frauen zu. „Bevor ich Krankenschwester wurde, habe ich auf einer Pferdefarm gelebt. Ich habe meinem Vater bei allen Aufgaben geholfen, und ich verspreche Ihnen, ich werde härter arbeiten als jeder andere, der je für Sie gearbeitet hat. Ich kann es kaum erwarten, mich umzuschauen und das Vieh zu sehen.“

Mrs Calhoun, die tief in ihre Erinnerungen versunken war, nickte. „Das wäre schön.“

Abigail sah zu der Kaffeetasse, die nie ihren Weg zu ihr gefunden hatte. Aber sie konnte es kaum erwarten, den Stall zu sehen. Sie nahm ihren Mantel.

Mrs Calhoun erhob sich. „Ach, Abigail, ich weiß, dass Sie Ihre Mutter sehr geliebt haben, und ich will auch nicht ihren Platz einnehmen, aber es wäre mir eine Ehre, wenn du mich mit ‚Ma‘ anreden würdest, wenn das nicht zu viel verlangt ist.“

Obgleich sie ihrem Sohn äußerlich nicht sehr ähnlich sah, hatten ihre Herzenswärme und Güte doch auf ihren Sohn abgefärbt.

„Ich würde Sie nur zu gerne als meine Mutter betrachten“, sagte Abigail. „Ihr seid die einzige Familie, die ich noch habe.“

S

Abgesehen von den Besuchen seiner Pfleger war der von oben hereindringende Lichtstrahl seine einzige Verbindung zur Außenwelt. Bald würde er aus diesem Gefängnis, diesem Versteck herauskommen. Dann konnte er endlich nach Hause gehen.

Nach Hause.

Er hatte einen Fehler gemacht, und nun konnte es sein, dass sein Zuhause nie wieder dasselbe sein würde. Er betete, dass es noch nicht zu spät war, es wiedergutzumachen. Wenn er erst frei war, würde er die Sache in Ordnung bringen, niemand müsste länger leiden. Wenn sie ihn nur dieses eine Mal noch ließen, würde er sich um alles kümmern.

Er sog das letzte bisschen Mark aus dem Hühnerknochen und war dankbar für jede Mahlzeit, die sie sich für ihn vom Munde absparten. Hoffentlich gab Gott ihm die Kraft, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Er würde nicht aufgeben, bis seine Familie in Sicherheit war und ihr altes Leben wiederhatte. Aber wenn er allein nach Hause kam, würde das gar nichts nützen. Sie würden ihm nie vergeben.

S

Der Stall schmiegte sich an einen Hügel auf der Südseite des Hauses. Da sie noch keinen Schluck Kaffee getrunken hatte, ging Abigail zum Wassertrog. Sie leerte den Wassereimer aus, pumpte frisches Wasser hinein und trank die Kelle in einem Zug leer. Mit einem Schmatzen wischte sie sich mit dem Handrücken den Mund. Schlechte Erziehung? Ihre Mutter hatte ihr beigebracht, wie man sich im Salon benahm, und ihr Vater, wie man sich im Stall verhielt. Manieren waren nichts anderes als die Fähigkeit, andere durch das eigene Verhalten zu beruhigen, und sie hoffte sehr, etwas Ruhe in all die Sorgen hier zu bringen.

Nachdem sie eine weitere Kelle Wasser getrunken hatte, fühlte sich Abigail in der Lage, sich die Pferde anzuschauen. Zumindest würden sie sich nicht so danebenbenehmen wie Jeremiahs Schwester.

Die Weide schien einigermaßen gepflegt. Trotz der hier und da wachsenden Sträucher waren der Zaun intakt und der Stall stabil. Sie ging zu einem kleinen Tor, das sich zwischen zwei Steinpfosten befand. Die Angeln waren etwas rostig, aber das Tor ließ sich mit einem leichten Knarren öffnen.

Ein Brauner hob bei dem Geräusch den Kopf. Auch das graue Pferd stellte die Ohren nach vorn. Abigail hielt sich schützend die Hand über die Augen, um besser sehen zu können, und war zufrieden mit dem Anblick, der sich ihr bot. Ein breiter Brustkorb, kräftige Flanken und feingliedrige Fesseln und Köpfe. Die Pferde sahen sogar auf diese Entfernung sehr vielversprechend aus. Dann registrierten ihre wachsamen Ohren ein noch interessanteres Geräusch als das des Tores. Mr Huckabee kam aus dem Stall und hatte einen klappernden Eimer voller Mais in der Hand.

„Oh.“ Abigail holte tief Luft, als die beiden Pferde in einem eleganten Galopp die Weide überquerten. Wären da nicht die nassen Erdbrocken gewesen, die ihre Hufe aufwirbelten, hätte sie glauben können, sie schwebten über dem Boden. Jeremiah hatte nicht übertrieben. Auf diese Pferde würde sie stolz sein können.

Sie schloss das Tor hinter sich und ging vorsichtig auf die beiden zu.

„Ich dachte, Sie wollen sie vielleicht näher betrachten.“ Der Hengst drängte sich vor, um die Nase zuerst in den Eimer zu stecken, während er mit dem Schweif schlug. „Ich bin übrigens Calbert Huckabee. Haben Sie Miss Rachel schon kennengelernt?“

Abigail erinnerte sich an ihre Stall-Manieren, streckte ihm die Hand hin und war froh, als er sie, ohne zu zögern, nahm. „Ja, das habe ich. Und nennen Sie mich bitte ‚Miss Abigail‘. Darf ich?“, fragte sie mit einem Nicken in Richtung Eimer.

„Bitte.“

Sie griff mit beiden Händen in die staubigen Maiskörner und war überrascht, als vertraute Erinnerungen in ihr aufstiegen. Die leichten Körner, die ihr durch die Finger rieselten, erinnerten sie mit ihrem süßlichen Geruch an glücklichere Zeiten, die seit der Wiederverheiratung ihrer Mutter der Vergangenheit angehörten.

Mit zwei Händen voller Maiskörner trat sie zur Seite, um den Hengst anzulocken und näher betrachten zu können. Der Braune schien ihre Absicht zu erraten. Seine Augen blitzten. Er warf den Kopf hoch und stolzierte zu ihr herüber.

„Er ist stolz“, sagte sie.

„Das sollte er auch sein. Er kommt aus Texas und wurde von Steel Dust gezeugt.“

„Tatsächlich?“ Sie hielt dem Tier die flachen Hände hin. Die samtige Pferdeschnauze strich schnaubend über ihre Handflächen und der vertraute Geruch stieg ihr in die Nase. „Wie konnte ich nur ohne meine Pferde leben?“

Calbert lächelte. „Wie lange werden Sie bei Mrs Calhoun bleiben?“

„Das hier ist mein neues Zuhause.“ Sie hatte eine neue Heimat gefunden und würde alles tun, um diese zu behalten. Abigail kraulte den Hengst an der Stirn, während er die letzten Maiskörner aus ihrer Hand fraß. „Sie kennen die Pferde gut. Sind Sie der Pferdepfleger?“

„Ich wüsste nicht, dass ich so einen hochtrabenden Titel hätte. Die meiste Zeit hab ich bei mir zu Hause zu tun. Aber ich versuche, ein wenig nach Mrs Calhoun zu schauen. Einfach so, unter Nachbarn. Ich glaube, das bin ich Jeremiah schuldig. Gott sei seiner Seele gnädig. Nachdem sein Vater gestorben war, hat er sich abgerackert, um die Farm zu halten.“

Aber Abigail schmiedete bereits Zukunftspläne. Ein Hengst und ein Wallach – das war zwar kein Vermögen, aber es waren ausgezeichnete Pferde. Wenn sie wieder im Haus war, würde sie nach ihren Papieren fragen. Eigentlich war das nicht wichtig, denn man konnte ihre gute Abstammung mit bloßem Auge erkennen. Welche bekannten Namen würde sie dort wohl finden? Ob einer der beiden wohl auch das Blut von Pferden aus der Stuart-Zucht in sich trug?

Mr Huckabee beobachtete sie so genau wie sie die Pferde. „Sie sagten, dass Sie Jeremiah kannten.“

Abigail sollte sich lieber daran gewöhnen, ihre ungewöhnliche Geschichte zu erzählen und dabei so überzeugend wie möglich zu klingen. „Ich habe Captain Calhoun geheiratet.“

Mr Huckabee riss sich den Hut vom Kopf und schlug sich damit gegen das Bein. „Ich wusste es! Von dem Moment an, als ich Sie zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich: ‚Das wäre eine Frau für Jeremiah. Sie hätten sicher ein gutes Paar gegeben.‘“ Er besann sich. „Wenn er doch nur wieder nach Hause gekommen wäre.“

„Wenn er damit gerechnet hätte, wieder nach Hause zu kommen, hätte er mich nicht geheiratet.“

„Wie bitte?“

Abigail klopfte sich die staubigen Hände ab und barg sie dann in ihren Manteltaschen. „Für ihn war es eine rein praktische Lösung. Ich wusste nicht, was mich auf seiner Farm erwarten würde, aber jetzt kann ich es kaum erwarten, mich in diesen Ort zu verlieben.“

„Und die Krönung haben Sie noch gar nicht gesehen. Sie muss ein wenig für sich bleiben, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Mr Huckabee schüttete die restlichen Körner in einen Trog, wischte sich die Hände an der Hose ab und ging in Richtung Stall.

Abigail hätte beinahe Freudensprünge gemacht, als sie ihm in den Stall folgte. Die steinernen Mauern speicherten die Wärme der Tiere. Die Schweine im Pferch drängten sich aneinander, und ein Ziegenbock sprang von einem Tisch, als sie vorbeigingen. Die Fensterläden waren geschlossen, und es roch ein wenig muffig, aber für Abigail hatte der Stallgeruch nichts Unangenehmes. Ein Wiehern zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, noch bevor sich ihre Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten. Ein sanftes Gesicht mit einer schwarzen Mähne, die über das gelbliche Fell fiel, beobachtete sie, als sie näher kam. Es war Liebe auf den ersten Blick.

„Sie heißt Josephine Bonaparte. Lancaster da draußen hat sie gezeugt.“ Mr Huckabee beschrieb ihren Gang, ihre Klugheit, aber er musste sie gar nicht anpreisen. Abigail war bereits überzeugt.

„Ich vermute, sie ist rossig.“ Abigail kraulte ihre Wange. „War sie schon einmal trächtig?“

„Nein, Ma’am. Aber Laurels Vater hat einen Hengst für sie gekauft. Er sollte ein Hochzeitsgeschenk sein, wenn Jeremiah aus dem Krieg zurückkommen würde.“

Laurel, die Verlobte ihres Mannes. Abigail sah, wie sich ihr Gesicht in den sanften Augen von Josephine spiegelte. Die Stute blinzelte, als verstünde sie, und stieß mit der Schnauze gegen ihre Hand. Abigail lächelte. Sie hatte zwar die elterlichen Pferde verloren, aber vielleicht hatte Gott sie gesegnet und ihr diese Gelegenheit geschenkt. Mit Laurel zu sprechen würde zwar unangenehm werden, aber sie musste es ja erfahren. Wenn sie das unangenehme Gespräch hinauszögerte, würde sie sich das Einleben in ihrer neuen Heimat nur erschweren. Und im Moment sehnte sie sich vor allem nach einer Sache: die Weiden mit Pferden zu bevölkern. So konnte sie ihrer neuen Mutter und Rachel am besten helfen.

Romeo hatte sich auf sie verlassen und sie wollte ihn nicht enttäuschen.

„Wie weit befindet sich dieser Hengst denn von hier entfernt?“ Josephine spielte mit einer blonden Locke, die sich aus Abigails Frisur gelöst hatte.

„Er befindet sich auf der anderen Seite des Flusses, etwa eine Meile von der Furt entfernt.“

„Könnten wir Josephine morgen auf einen Besuch mitnehmen?“

Mr Huckabee zupfte sich am Bart. „Ich habe nur auf Ihre Erlaubnis gewartet.“

S

Am nächsten Morgen saß Abigail am Küchentisch und atmete das Aroma des warmen Kaffees in ihrem Keramikbecher ein. Seit sie Ohio verlassen hatte, hatte sie ihr Reitkostüm nicht mehr getragen. Der Wollrock und die Jacke waren perfekt für die kühle Märzluft. Sie wartete nur noch, ob Mutter Calhoun ihre Hilfe brauchte, bevor sie sich auf den Weg machte. Am Vortag waren ihre Gebete noch vage gewesen. Sie hatte nur um Führung in diesem Durcheinander von Möglichkeiten gebetet. Jetzt hatte sie ganz konkrete Bitten und hoffte, dass es Gott nicht störte, dass sie so genau wusste, was sie wollte.

Sie betete, dass Napoleon, Laurels Pferd, nicht mehr als einen Meter sechzig Stockmaß hatte, lebhaft und gutmütig war. Sie betete, dass die Familie Wallace ihr die Deckgebühren erlassen würde, nahm aber ihren letzten Krankenschwesterlohn zur Sicherheit mit. Sie betete, dass Laurel nicht zu heftig auf ihr Auftauchen, ja, auf ihre Existenz überhaupt reagieren würde und dass Rachels Gesundheit und ihre Laune sich bessern würden. Sie betete, dass ihre eigene Mutter Johns falsche Anschuldigungen durchschauen und sich auf die Suche nach ihr begeben würde, obwohl Abigail nicht die leiseste Ahnung hatte, wie sie sie in Hart County, Missouri, finden sollte. Seit ihre Mutter auf ihren ersten Brief nicht geantwortet hatte, war Abigail nicht mehr danach zumute gewesen, ihr noch einmal zu schreiben. Trotzdem betete sie, dass sie sich eines Tages versöhnen würden. Mit einem kurzen Dank für Mutter Calhoun beendete Abigail ihr Morgengebet.

„Stehst du immer so früh auf?“ Ma schlurfte im Nachthemd in die Küche. Sie hatte ihr weißes Haar mit Nadeln zu Locken hochgesteckt.

„Es tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe. Ich dachte, dass Sie mich nicht hören, wenn ich hier unten schlafe.“

„Bleib nur dort. Jeremiah wäre es recht, dass du sein Zimmer nimmst.“ Sie setzte sich auf einen Stuhl an den Tisch und schob den Salzstreuer und die Zuckerschale so lange hin und her, bis sie gleich weit von der Butterschale entfernt waren. „Ich hoffe, du verurteilst Rachel nicht. Ich sehe ihre Fehler sehr wohl, aber wenn meine Zurechtweisung ihr Leben verkürzt, dann will ich lieber ein schlecht gelauntes Kind als gar keine Kinder mehr.“

Abigail versuchte, Mutter Calhouns Lage zu verstehen. Aber da sie keine Kinder hatte, fiel ihr dies schwer. Und „dann will ich lieber einen schlecht gelaunten Mann als gar keinen Mann“ traf es nicht ganz. Und dem konnte sie auch nicht zustimmen.

„Sie war nicht immer so“, fuhr Ma fort. „Das Fieber hat sie verändert. Es hat uns alle verändert. Und je länger sie nichts von Alan hört, desto mehr geht es mit ihr bergab.“

Abigail griff nach der Kaffeekanne und füllte einen zweiten Becher für Mutter Calhoun. „Wer ist Alan?“

„Alan ist Rachels Verehrer. Zumindest denke ich, dass wir ihn so nennen können. Jeremiah ließ nicht zu, dass wir ihn so nannten, obwohl alle es wussten.“ Sie nahm den Becher entgegen, den Abigail gefüllt hatte. „Als Mr Calhoun starb, übernahm Jeremiah alle Aufgaben seines Vaters. Er war eigentlich zu jung dafür, aber er tat, was er konnte. Er musste nicht nur die Farm bewirtschaften, sondern sich auch noch um Rachel sorgen, und er wollte nicht, dass ihr irgendetwas zustieß, solange sie in seiner Obhut war. Alan tauchte etwa zu der Zeit auf, als die anderen Mädchen in Rachels Alter ihre ersten Freunde hatten. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass Alan sich von Rachels Gebrechlichkeit angezogen fühlte. Er tat alles für sie, und sie blühte unter seiner Fürsorge förmlich auf, aber das war nicht genug. Jeremiah wollte nicht, dass Rachel eine Beziehung hatte, solange sie nicht wieder gesund war. Als Jeremiah Alans Absichten durchschaute, verbot er ihm, Rachel zu besuchen.“

„Das klingt so gar nicht nach Jeremiah. Ich gebe zu, dass ich ihn nicht sehr gut gekannt habe, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er die beiden trennen wollte.“

Mrs Calhoun tätschelte ihren Arm. „Es tut gut, das zu hören. Als er und Alan zur Kavallerie gingen, beteten Rachel und ich, dass Alan ihn überzeugen würde, damit er es sich anders überlegt. Rachel hat in ihrem Leben nicht viel Gutes erlebt, und die Aussicht, auf Alans Liebe verzichten zu müssen, war für sie unerträglich. Der letzte Brief von Alan klang sehr düster und Rachel hat kaum noch Hoffnung.“

„Jeremiah erlaubte ihr nicht, Alans Liebe anzunehmen, aber er selbst heiratete eine völlig Fremde? Kein Wunder, dass sie mich nicht mag.“

Ma zog eine Augenbraue hoch. „Wenn sie und Jeremiah sich doch nur versöhnt hätten, bevor er zu den Missouri-Milizen ging. Jetzt quälen sie Schuldgefühle, und sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll.“

„Ich habe nichts falsch gemacht.“ Rachel stand in der Tür und hielt eine schmale Pfeife in den Fingern. „Jeremiah war im Unrecht. Er ist herumstolziert und wir mussten uns ihm fügen. Er hätte sich schämen sollen.“ Trotzig nahm sie einen kräftigen Zug aus der Pfeife.

Mrs Calhoun ließ den Kopf sinken. „Wenn Alan hiergeblieben wäre, hätte man ihn gezwungen, in der regulären Armee zu kämpfen, und du weißt genau, dass er das niemals getan hätte. Du würdest so oder so auf ihn warten, also kannst du auch fröhlich auf ihn warten. Alan wird es gar nicht gefallen, wenn er sieht, dass du das Andenken deines Bruders nicht ehrst.“

Und was würde Alan von der Pfeife halten? Abigail hatte bisher nur in Karikaturen, die sich über die Südstaatler lustig machten, von Pfeife rauchenden Frauen gelesen. Sie hätte sich niemals vorstellen können, einmal eine Schwägerin zu haben, die dieser Gewohnheit frönte.

Rachel blies den Rauch langsam direkt in Abigails Gesicht. „Was ist los? Hast du deine Pfeife nicht dabei?“

Abigail unterdrückte ein Husten. „Was sagt dein Arzt zu deiner Pfeife?“

„Dr. Hopkins?“, sagte sie lachend. „Solange Dr. Hopkins sich an Laurel heranmacht, tritt er hier auf ganz leisen Sohlen. Er will keinen Ärger mit der Familie.“

Ach ja. Sie hatten erwähnt, dass Jeremiahs Verlobte von einem Arzt umworben wurde, aber dass es der Arzt von Rachel war … Das war wirklich unangenehm. Rachel stieß eine weitere Rauchwolke aus. Aber vielleicht hatte Rachel ja eine Schwäche für unangenehme Situationen.

„Nun ja, die Sonne ist aufgegangen.“ Abigail stellte ihren Kaffeebecher ab. „Ich will Josephine heute Morgen zur Wallace-Farm bringen. Es ist sinnlos, Zeit zu vertrödeln. Wir müssen anfangen, unsere Herde zu vergrößern.“

„Unsere Herde? Denkst du nicht, dass du da etwas voreilig bist?“, fragte Rachel.

„Ich übernehme die Verantwortung für diese Entscheidung. Diese Tiere sind gutes Kapital, aber sie verlieren an Wert, wenn sie sich nicht vermehren. Ihr könnt nicht immer mehr davon verkaufen, ohne die Herde wieder aufzustocken. Warte, ich hole dir eine Tasse Kaffee.“

Abigail stand auf, zog einen Stuhl unter dem Tisch vor und drehte sich dann um, um noch einen Becher zu holen. Sie war stolz darauf, dass ihre Hände ruhig waren, obwohl ihr Herz wild pochte. Sie wollte sich Rachels Vertrauen und ihre Freundschaft verdienen, aber sie merkte, dass Rachel niemanden mochte, den sie nicht respektierte.

„Ich nehme an, du wirst Laurel sagen, wer du bist.“ Mutter Calhouns Tasse klirrte, als sie sie auf den Tisch stellte. „Du wirst wohl nicht drum herumkommen. Die Ärmste. Ich war schon immer der Meinung, dass sie und Jeremiah nicht zusammenpassen, aber sie waren so ineinander verliebt, dass ich nicht den Mut hatte, ihnen zu widersprechen. Es wird ein schwerer Schlag sein.“

„Ma, wenn Jeremiah diese Frau tatsächlich geheiratet hat, wie kannst du dann sagen, dass er Laurel geliebt hat? Das ergibt doch keinen Sinn.“

„Jeremiah hat das getan, was er für das Beste hielt. Dass er Abigail geheiratet hat, hatte nichts mit seinen Gefühlen für Laurel zu tun.“

Jeremiah liebte Laurel. Alan liebte Rachel. Nur um Abigail warb niemand. Sie legte ihre Finger um den Kaffeebecher und dachte an die unzähligen Männer, die ins Gefängniskrankenhaus eingeliefert worden waren. Einige von ihnen hatten bereits das Zeitliche gesegnet, bevor man sie identifizieren konnte. Wenn Gott einen Ehemann für sie hatte, wie standen angesichts des Krieges und der entsetzlichen Verluste ihre Chancen, dass er noch am Leben war? Hatte ihr Traummann vielleicht in einem Krankenhausbett gelitten, und sie hatte die Gelegenheit versäumt, sich von ihm zu verabschieden – oder ihn überhaupt kennenzulernen?

Sie hatte schon immer etwas für hoffnungslose Fälle übriggehabt. Jetzt war sie vielleicht selbst so ein hoffnungsloser Fall.

Kapitel 3

Da sie keinen Damensattel hatte, zupfte Abigail immer wieder ihren Rock zurecht, damit ihre Knöchel nicht sichtbar waren. Dann konnte sie genauso gut auch Pfeife rauchen und eine richtige Bergbewohnerin werden. Sie duckte sich, als sie unter den tief hängenden Zweigen einer Zeder hindurchritten. Josephine wedelte mit dem Schweif. Das Pferd trottete den steilen Weg so sicher hinauf wie eine Bergziege.

„Ist sie schon einmal Rennen gelaufen?“, fragte Abigail über die Schulter.

„Nein“, antwortete Calbert Huckabee. „Sie war im Grunde noch nicht einmal eingeritten, als Jeremiah fortging. Ich habe sie hin und wieder geritten, aber ich habe nicht so mit ihr gearbeitet, wie sie es bräuchte. Aber auf der Weide fliegt sie förmlich.“ Das Maultier, auf dem Calbert ritt, zwickte Josephine und bekam dafür einen Tritt versetzt. „Da vorne beginnt das Land von Hiram Wallace. Dort können Sie es ja mal versuchen.“

Das musste er Abigail nicht zweimal sagen. Sobald sie auf der Lichtung waren, stellte sie ihre Füße fest in die Steigbügel und rief dem Pferd ein aufmunterndes „Heia!“ zu.

Mehr war auch nicht nötig.

Josephine zuckte mit den Ohren und rannte los. Sie galoppierte so plötzlich los und war so schnell, dass Abigail gerade noch daran denken konnte, die Zügel locker zu lassen. Als sie das tat, legte Josephine ein noch atemberaubenderes Tempo hin. Ihre Hufe flogen über den unebenen Boden und Abigails Körper schwang im Rhythmus mit. Sie musste den Mund zusammenkneifen, um keine Fliegen zu verschlucken, aber ein Grinsen konnte sie sich dennoch nicht verkneifen.

Abigail legte die Finger fester um die Zügel. Seit sie Chillicothe verlassen hatte, hatte sie nicht mehr geritten. Wie hatte sie das nur ertragen können? Josephine war so aufmerksam, dass sie sofort in einen leichten Galopp fiel, als Abigail auch nur daran dachte, langsamer zu werden. Abigail war sehr zufrieden mit dem Pferd, und ihre Entschlossenheit, solche stolzen Tiere zu züchten, wuchs. Josephine sollte die Stammmutter vieler ausgezeichneter Pferde sein, und es lag an Abigail, dafür zu sorgen.

Das war der einzige Grund, der sie zu den Wallaces führte. Da Abigail jetzt ein Ziel vor Augen hatte, würde es wohl das Beste sein, die Hindernisse auf dem Weg dorthin direkt anzugehen. Wie zum Beispiel Jeremiahs Verlobte. Wenn Abigail Laurel nicht bald traf, würde Rachel sie benachrichtigen, und Laurel hatte es verdient, etwas einfühlsamer über Abigails Situation aufgeklärt zu werden.

Calbert nahm die Zügel, während Abigail zur Tür ging. Aber noch bevor sie klopfen konnte, kam ein Mann um die Hausecke.

„Das nützt nichts, wenn Sie an die Tür klopfen. Wir sind draußen.“ Die beginnende Glatze des Mannes war vom kalten Wind gerötet. Er trat auf die windgeschützte Terrasse. Sein Ausgehhemd mit Biesen passte irgendwie nicht ganz zu der Leinenhose und den Hosenträgern, aber es waren eben harte Zeiten.

„Hiram, das ist Mrs Abigail Calhoun.“ Calbert kratzte sich am Bart. „Sie will etwas Geschäftliches mit dir besprechen.“

„Sehr erfreut.“ Der Mann zog ein Taschentuch aus der Gesäßtasche, um sich die Finger abzureiben. „Als ich gesehen habe, dass Sie Josephine reiten, habe ich mir schon gedacht, dass Sie von den Calhouns kommen. Ich hoffe, Mrs Calhoun und Rachel geht es gut.“

„Ja, Sir. Sie lassen grüßen.“

„Wir teilen Grüße und Probleme miteinander. Dazu sind Nachbarn doch da, oder? Und was kann ich für Sie tun?“

Abigail sah zu Calbert. Sie hatte nicht damit gerechnet, so schnell zum geschäftlichen Teil zu kommen, aber Mr Wallace machte den Eindruck, als wolle er möglichst schnell wieder mit seiner Arbeit fortfahren.

Calbert ergriff das Wort. „Es wird höchste Zeit, dass wir dieses wunderbare Zuchtpaar nutzen, das wir uns zugelegt haben. Miss Abigail kümmert sich um Mrs Calhouns Angelegenheiten, und wir sind der Meinung, dass es jammerschade ist um jedes Jahr, in dem Josephine nicht trächtig wird.“

Wallace lächelte. „Da stimme ich zu. Welche Form von Partnerschaft bieten Sie mir an?“

Abigail atmete erleichtert auf. Endlich befand sie sich auf vertrautem Boden. „Zuerst würde ich Napoleon gerne einmal sehen.“

„Natürlich. Aber Sie werden keine Mängel finden. Er ist ein ausgezeichnetes Pferd und hat schon einige wunderschöne Fohlen gezeugt.“

Es war offensichtlich, dass die Menschen hier im Hart County mehr Geld für Pferde als für Kleidung ausgaben. Sie hatte nicht im Geringsten damit gerechnet, hier so erlesene Tiere zu finden. Abigail konnte zwar gut handeln, aber sie würde niemals ein Tier schlechtmachen, nur um den Preis zu drücken. Wenn Napoleon so herausragend war, wie alle sagten, würde sie nicht vorgeben, enttäuscht zu sein.

„Wenn ich ihn gesehen habe, würde ich Ihnen das Miteigentumsrecht am Fohlen anbieten. Josephine wurde noch nie gedeckt und wir würden unser Geld nicht gerne zum Fenster hinauswerfen …“

„Ich habe kein Interesse an einem halben Pferd. Es würde ja noch ein Jahr dauern, bis es auf die Welt kommt, und es wäre ein Wunder, wenn Sie die Stute bis dahin noch haben. In dieser Gegend werden Tiere leider nicht durch das Gesetz geschützt. Ich fürchte, ich muss die Bezahlung vorab verlangen.“

Einen Versuch war es wert gewesen, aber sie hatte nichts anderes erwartet. Schließlich kannten sie sich nicht näher und genau deshalb hatte sie ihr Erspartes mitgebracht.

Ein Rascheln richtete Abigails Aufmerksamkeit auf einen ausgetretenen Pfad, der hinters Haus führte. Eine junge Frau mit einem Korb voller Kiefernzapfen tauchte dort gerade auf. Unter ihrem Strohhut lugte pechschwarzes Haar hervor. Ihre Augenbrauen bildeten einen deutlichen Kontrast zu den kornblumenblauen Augen. Sie hatte das Pferd sofort gesehen.

„Vater, ist das nicht Josephine?“

Sie hatte einen strahlenden Teint, ein ausdrucksstarkes Gesicht und zierliche Finger, die aus den Ärmeln eines ausgefransten Pullovers hervorschauten. Neben ihr kam Abigail sich blass und plump vor. Kein Wunder, dass Jeremiah von der jungen Frau so hingerissen gewesen war.

„Ja, meine Liebe. Das ist Mrs Calhoun, die jetzt hier bei ihrer Familie leben möchte.“

„Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Ich bin Laurel Wallace.“ Sie hängte sich den Henkel des Korbes in die Armbeuge, neigte den Kopf zur Seite und lächelte Abigail an. „Hübsches Kleid. Sie müssen aus Springfield sein.“

„Nein, weiter aus dem Osten.“ Abigails Blick huschte zu Calbert. Dieser nickte und sein langer Bart glitt dabei auf seiner Brust auf und ab. Wenn sie noch länger wartete, würde es auch nicht einfacher werden. „Ich muss gestehen, dass mir vor unserem Treffen nicht ganz wohl war, wegen der Neuigkeiten, die ich für Sie habe.“

Auf Laurels Stirn bildeten sich Falten. „Schlechte Nachrichten für mich?“ Sie trat dichter zu ihrem Vater. „Worum geht es?“

Laurels beunruhigter Blick trug nicht gerade dazu bei, Abigail die Sorge zu nehmen. Sie konnte nur beten, dass Abigail mehr Verständnis zeigte als Rachel. „Ich habe Ihren Verlobten, Captain Calhoun, kennengelernt, nachdem er in Westport verwundet worden war. Er sprach ständig in den höchsten Tönen von Ihnen.“

Laurel senkte den Kopf und zog den Pullover enger um sich. „Nun ja, er hat noch nie halbe Sachen gemacht. Er hat doch nicht … Ich hoffe nur, dass er nicht zu sehr gelitten hat.“

„Er hat seine Verletzung ehrenhaft ertragen. Er war mutig, fröhlich und hat immer nur an andere gedacht, sogar als klar war, dass er sterben würde. Er war der Liebling aller Männer und hat versucht, die anderen mit seinen Witzeleien aufzumuntern.“

„Jeremiah?“, sagte Hiram stirnrunzelnd. „Jeremiah war nie ein Spaßvogel.“

„Der Krieg verändert die Menschen, Sir. Er bringt sie dazu, Dinge zu tun, die man nie von ihnen erwartet hätte.“ Abigail war Laurel eine persönliche Erklärung schuldig. Wenn sie die Nachricht erst preisgegeben hatte, würde sie sich von allein verbreiten. Sie holte tief Luft. „Was ich Ihnen jetzt erzählen will, ist nicht leicht. Er hat Sie geliebt, Miss Wallace. Denken Sie nur an seine Gefühle für Sie, die er in seinem letzten Brief zum Ausdruck gebracht hat …“

„Bitte nicht.“ Laurels Blick wanderte zu ihrem Vater und dann wieder zu Abigail. „Ich weiß, dass es schwer sein wird, über seinen Tod hinwegzukommen, aber Jeremiah würde nicht wollen, dass ich endlos trauere.“

Endlos? Sein Tod war gerade mal einen Monat her. Dann erinnerte Abigail sich an die Sache mit dem Arzt.

„Jeremiah wäre damit einverstanden, dass Sie Ihr Leben leben, und er hoffte, dass Sie seine eigene rein praktische Entscheidung verstehen. Als Jeremiah merkte, dass sein Tod unausweichlich war, wollte er sicherstellen, dass seine Schwester und Mrs Calhoun versorgt sind. Da er wusste, dass ich Krankenschwester und auf einer Pferdefarm aufgewachsen bin, bat er mich hierherzukommen. Und um sicherzustellen, dass ich rechtmäßige Entscheidungen für die Calhoun-Farm treffen konnte“, dabei sah sie vom Vater zur Tochter, „hat er mich zu seiner Frau gemacht.“

Laurel stand mit offenem Mund da. „Seine Frau? Und ich habe mir die ganze Zeit Sorgen gemacht, weil …“ Sie stemmte die Hände in die Hüfte. „Sind Sie ganz sicher? Jeremiah ist nicht die Art … war nicht die Art von Mann, der schnell seine Meinung änderte.“