DER WAGEHALS von Fritz Skowronnek - Fritz Skowronnek - E-Book

DER WAGEHALS von Fritz Skowronnek E-Book

Fritz Skowronnek

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Beschreibung

In 'DER WAGEHALS' von Fritz Skowronnek taucht der Leser ein in die Welt des Risikos und der Abenteuerlust. Skowronnek präsentiert eine fesselnde Geschichte voller Spannung und unerwarteter Wendungen, die den Leser bis zur letzten Seite in Atem hält. Sein literarischer Stil ist geprägt von detaillierten Beschreibungen und lebendigen Charakteren, die die Leser mit auf eine gefährliche Reise nehmen. 'DER WAGEHALS' steht in der Tradition der Abenteuerromane des 20. Jahrhunderts und bietet eine packende Lektüre für alle, die das Unbekannte lieben und sich gerne in fremde Welten entführen lassen. Fritz Skowronnek, selbst ein Abenteurer und Weltenbummler, lässt in 'DER WAGEHALS' seine eigenen Erfahrungen und Leidenschaften einfließen. Seine Hingabe zum Risiko und seine Liebe zum Unberechenbaren manifestieren sich in jedem Wort des Romans. Skowronnek schafft es, den Leser durch seine lebendigen Erzählungen in den Bann zu ziehen und ihn auf eine Reise voller Nervenkitzel mitzunehmen. Seine Erfahrung als Abenteurer und seine Begeisterung für das Unbekannte machen 'DER WAGEHALS' zu einem authentischen und mitreißenden Abenteuerroman. Für alle Leser, die auf der Suche nach einem spannenden und mitreißenden Abenteuerroman sind, ist 'DER WAGEHALS' von Fritz Skowronnek die perfekte Wahl. Tauchen Sie ein in die Welt des Risikos und erleben Sie eine fesselnde Geschichte voller unerwarteter Wendungen. Skowronneks Roman wird Sie in seinen Bann ziehen und Sie bis zum Schluss nicht mehr loslassen.

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Fritz Skowronnek

DER WAGEHALS von Fritz Skowronnek

Heimatroman - Spannende Jagdgeschichten des Authors von Schweigen im Walde und Der Musterknabe
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Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel

1. Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Der Forstmeister Schrader in Makunischken hatte gut geschlafen, gut gefrühstückt und saß nun, behaglich eine lange Pfeife rauchend, an seinem Schreibtisch. An einem anderen Tische des großen Amtszimmers saß emsig schreibend sein Gehilfe, der Forstaufseher Karl Mooslehner. Ab und zu hob er den Kopf und sah nach seinem Vorgesetzten hinüber, der die eingelaufenen Schriftstücke aufschnitt, durchlas und am Rande mit einer kurzen Bemerkung versah. Fast jeden Brief begleitete er mit einer kurzen, lauten Bemerkung: »Na ja – das können wir machen!« »Gar nicht dumm!« »Eigentlich überflüssig!«

Nach diesen Ausrufen wußte der Forstschreiber aus langer Erfahrung die Stimmung des alten Herrn genau zu beurteilen. Sie schien heute ausgezeichnet zu sein. Jetzt aber begann hinter dem Aufsatz des Schreibtisches eine dunkle Rauchwolke aufzusteigen, und gleich darauf brach's mit Donnergepolter hervor: »Da soll doch gleich das heilige Kreuzmillionenschockdonnerwetter –! Mooslehner, wir bekommen wieder ein neues Pflanzeisen von der Regierung!«

»Schön, Herr Forstmeister!«

»Den Deuwel ist das schön! Ich denke, wir haben schon genug Alteisen auf dem Boden liegen!«

Das Geräusch eines vorfahrenden Wagens unterbrach ihn. In schlankem Trab kamen zwei stolze Trakehner Rappen auf dem Pflaster angebraust. Auf einen leichten Druck der Zügel standen sie wie Bildsäulen.

»Die Frau Weschkalnies aus Weschkallen!« flüsterte der Forstschreiber, der sich aus dem Fenster gebogen hatte. Der Forstmeister erhob sich und stellte die Pfeife weg. Ein noch sehr stattlicher Mann trotz seiner fünfundsechzig Jahre.

»Weschkalene, was verschafft mir die Ehre und das Vergnügen?« Die Frau streckte ihm beim Aussteigen die Hand entgegen. »Ich habe was auf dem Herzen, Herr Forstmeister.«

»Na, dann treten Sie näher.« Galant half er ihr den kostbaren Zobelpelz ablegen und nahm ihr die seidene Kapotte ab. »Das Leben noch frisch, Georginne?«

»Ich kann nicht klagen, Herr Forstmeister, das Alter hat mir noch keine Beschwerden gemacht.«

»Aber, Weschkalene, Sie mit Ihren fünfzig Jahren …«

»Sie können doch noch immer das Schmeicheln nicht lassen«, gab die Frau lachend zur Antwort. »Rechnen Sie mal nach, wie lange das her ist, seitdem Sie zum erstenmal mit mir getanzt haben … ich glaube, es war auf dem Schützenfest in Wisborinen … das sind vierzig Jahre her, und ich war eben sechzehn geworden …«

»Und ich war fünfundzwanzig … ach ja, das waren damals noch schöne Zeiten …«

Seine Erinnerung flog zurück in längst vergangene Zeiten, wie er nach bestandenem Examen als Forstkandidat … damals hieß ein Kandidat noch nicht Assessor … in das große Waldgebiet gekommen war, das den Nordosten der Provinz bedeckt. Da hatte ihm das frische Mädel sehr gefallen. Es wäre gar keine üble Partie gewesen … als einzige Tochter eines schwerreichen litauischen Bauern hatte sie einige Zeit die höhere Töchterschule in der Stadt besucht. Wer weiß, wie sein Schicksal sich gestaltet hätte, wenn er nicht bald darauf in eine entfernte Oberförsterei versetzt worden wäre … Als er nach drei Jahren wiederkam, hatte er sich mit der Tochter seines Oberförsters verlobt. Bald darauf heiratete Weschkalene einen ebenso reichen litauischen Bauern. Jetzt war sie schon seit Jahren Witwe. Alle Grünröcke der Umgegend, die Gutsbesitzer, auch die Jägeroffiziere aus Wartenburg verkehrten in ihrem gastfreien Hause, und es ging das Gerücht, daß sie für die kleinen Geldverlegenheiten der jungen Leute viel Verständnis und eine offene Hand hätte …

»Na, was bringen Sie mir Gutes, Georginne?«

»Pons Forschtmeisteris,« erwiderte sie mit litauischer Anrede, »ich habe ein Faß Alaus im Keller, das wird übermorgen zehn Jahre alt, das wollen wir anstechen und gemeinsam austrinken. Nicht viele … ich habe nur Ihre beiden Nachbarn aus Dietrichswalde und Starrischken gebeten, den Hegemeister, ein paar Wartenburger und Sie. Ist es Ihnen recht?«

»Selbstverständlich, Georginne, aber ich habe schwere Bedenken. Solch ein alter Alaus ist ein heimtückisches Zeug … das geht in die Beine.«

Frau Weschkalnies lachte laut auf und nickte lebhaft: »Ich muß immer noch daran denken, wie die beiden Hauptleute zum erstenmal bei mir zur Jagd waren … ich schickte ihnen zum Frühstück ein paar Flaschen Alaus in Eis gepackt aufs Feld …«

Jetzt lachte auch der Forstmeister. »Ich weiß, Sie haben sie müssen vom Felde holen und nach Hause fahren lassen …«

»Na, dann abgemacht. Sie kommen also. Nun habe ich noch etwas auf dem Herzen. Sie werden bei mir eine Verwandte finden, eine Witwe … nicht mehr ganz jung, sie ist schon über die Dreißig weg … aber ich kann Ihnen sagen, Herr Forstmeister, das sehen Sie ihr nicht an, sie sieht zehn Jahre jünger aus … nicht zu groß, aber so schön rund und mollig … 'ne drugglige Margell möcht' ich sagen…«

»Schön, Georginne, aber was habe ich mit der hübschen Witwe zu tun? Sie fürchten doch nicht etwa, daß ich ihr zu sehr den Hof machen werde?«

»Sie könnten nichts Besseres tun, Herr Forstmeister, ja wirklich … im Ernst gesprochen, ich bin bloß hergekommen, um Ihnen auf die Sprünge zu helfen. Sie würden keinen Korb bekommen, im Gegenteil …«

Der Forstmeister lachte und schlug sich mit der Hand aufs Knie.

»Sie brauchen gar nicht zu lachen … die Madeline hat Sie bloß zweimal in der Stadt gesehen, aber gleich nach dem erstenmal sagte sie zu mir: Tante, den Forstmeister aus Makunischken, den möcht' ich gleich nehmen.«

»Aber, Georginne, Sie sind doch sonst eine sehr verständige Frau …«

»Das meine ich auch, Herr Forstmeister, und deshalb komme ich zu Ihnen. Sie sind noch ein sehr forscher Mann, dem man keine fünfzig Jahre zutraut … groß und schlank wie ein Jüngling, volles dunkles Haar, in dem man kaum das bißchen Grau sieht; forscher Schnurrbart, klare Augen … ein ganz junges Ding könnte sich noch in Sie verlieben.«

»Nun hören Sie aber davon auf, Georginne.«

»Nein, Herr Forstmeister, ich meine das in allem Ernst … Sie könnten noch einen hübschen kleinen Jungen haben oder ein Mädchen oder beides …«

Der alte Herr stand auf und wehrte mit beiden Händen ab. »Nein, nein, Weschkalene, ich bin alt genug, um die Bequemlichkeit schon etwas hoch zu schätzen; meine Abromeitene hat sich mit mir zwanzig Jahre eingewirtschaftet… sie kocht vorzüglich und am besten das, was ich gern esse … ich denke, sie wird mich bis an mein seliges Lebensende pflegen.«

»Lieber Herr Forstmeister, ich dachte, Sie wissen schon … hat sie Ihnen noch nichts gesagt?«

»Wie meinen Sie? meine Abromeitene?«

»Ja, Herr Forstmeister, sie bleibt ja nicht bei Ihnen, sie wird den Förster Kallweit heiraten.«

»Den Kallweit? mit fünf kleinen Kindern … zum Deuwel… Georginne, haben Sie das etwa auch eingefädelt?«

Die Frau lachte und nickte: »Ja, das habe ich zustande gebracht.«

Mit einigen Schritten war der alte Herr an der Tür und rief mit scharfer Stimme hinaus: »Abromeitenel«

»Plagt Sie altes Frauenzimmer der Deuwel?« fuhr er die Eintretende an, »haben Sie es bei mir nicht gut genug, daß Sie sich auf einen Witwer mit fünf Kindern verleckern?«

»Ach Gott, Herr Forstmeister, ich wollt' ja auch nicht«, erwiderte weinerlich die Abromeitene, eine ältliche, aber noch ganz stattliche Frauensperson, die schon die Vierzig erreicht haben mochte. »Aber man wird doch alt, und schließlich möchte jeder Mensch doch lieber die Füße unter den eigenen Tisch stecken.«

»Na ja,« erwiderte der Forstmeister schon etwas ruhiger. »das verstehe ich vollkommen, aber Sie haben doch schon, wie ich weiß, mehrere Heiratsanträge, die viel vorteilhafter waren, ausgeschlagen, und nun mit einemmal…«

»Ja, Herr Forstmeister, das habe ich… aber nehmen Sie nicht übel, wenn ich das sagen darf, der Kallweit gefällt mir ja auch nicht so sehr… aber… am Sonntag war ich nachmittags bei ihm, um mir die Wirtschaft anzusehen, und da kroch so ein kleiner Junge von anderthalb Jahren im Dreck 'rum .. da gab es mir einen Ruck, Herr Forstmeister. Ich dachte: sollen die kleinen Würmer im Dreck verkommen? Sie sind doch aus 'ner anständigen Familie… da konnt' ich nicht anders, da habe ich ja gesagt.«

Die Tränen liefen ihr über die Backen hinunter, sie hob die Schürze und trocknete sie ab. Der alte Herr hatte verdächtig mit den Augen gezwinkert… jetzt trat er an seine Wirtin heran und legte ihr die Hand auf die Schulter: »Weshalb heulst du, dummes Frauenzimmer? Ich habe ja nichts dagegen, daß du den Kallweit heiratest, bloß was mach' ich jetzt?«

»Heiraten«, warf Frau Weschkalnies dazwischen.

»Ich habe schon für Sie gesorgt, Herr Forstmeister,« fuhr Abromeitene fort, »ich habe schon meiner Nichte geschrieben. Sie machen keinen schlechten Tausch, gnädiger Herr, die Katinka ist erst fünfundzwanzig, aber sie kocht sehr gut, und wenn ich sie ein paar Wochen unter meine Fuchtel nehme und ordentlich einexerziere…«

»Na, dann heirat' deinen Kallweit und laß deine Nichte kommen. Was gibt's übrigens heute zu Mittag?«

»Das sollt' eigentlich 'ne Überraschung werden, Herr Forstmeister … ich brat' für den Herrn ein Schnepfchen, der Mooslehner hat es gestern abend geschossen.« »Was, die Schnepfe ist schon da, und ihr sagt es mir nicht? Na, nun geh mal, Abromeitene.« Lachend drehte er sich zur Weschkalene um.

»Sie haben diesmal verspielt, Georginne! Wenn die Nichte so gut einschlägt wie die Tante –«

»Das wollen wir ruhig abwarten.«

»Einverstanden, verehrte Freundin, aber nun hat Ihre Einladung ein anderes Gesicht bekommen… ich muß jetzt ablehnen… ich will und kann mich nicht dem Verdacht aussetzen, daß ich bei einer jungen, forschen Witwe auf die Freit' gehn will.« Mit einem spitzbübischen Lächeln fügte er hinzu: »Ja, hätte man mir von dritter Seite zugetragen, daß die Georginne Weschkalene auf mich Absichten hat, dann müßte ich die Sache doch in reifliche Erwägung ziehen.«

»Ach, scherzen Sie doch nicht mit einer alten Frau… aber Sie können ruhig zu mir kommen; ich gebe Ihnen mein Wort, daß die Madeline keine Ahnung hat, weswegen ich zu Ihnen gefahren bin, und ansehen kostet doch nichts.«

»Gut, ich werde kommen … aber nun noch eine Frage. Ich habe schon vor einigen Wochen so was verlauten hören, daß Sie überall herumfahren, Georginne, um Heiraten zu stiften. Weshalb tun Sie das?«

»Das will ich Ihnen offen sagen, Herr Forstmeister. Sehen Sie, ich habe als junges Mädchen einen Mann sehr lieb gehabt, sehr lieb … und ich habe auch gemerkt, daß ich ihm gefallen habe. Aber er war zu zach, er hat sich nicht an die reiche Bauerntochter herangetraut. Wenn damals so eine Person gewesen wäre wie ich, daß ich hätte zu ihr gehn können und ihr sagen: stechen Sie mal dem jungen Mann den Star: Sie bekommen keinen Korb bei der Georginne, und ihre Eltern werden nichts dagegen haben … Sehen Sie, Herr Forstmeister, dann wären zwei Menschen sehr glücklich geworden. Es kann ja nicht Mode werden, daß die jungen Mädchen zu den Männern auf die Freit' gehn, das wäre wider die Natur. Da muß eine alte verständige Frau helfen… und glauben Sie, mein lieber Freund, bei jedem Mann entzündet sich das Herz, wenn er hört, daß das junge Mädchen ihm gut ist. Das muß Ihnen doch auch einen Ruck geben, wenn Sie hören, daß ein junges forsches Weib sich in Sie verliebt hat. Jawohl, ganz richtig verliebt.«

»Na, noch habe ich den Ruck nicht verspürt, Weschkalene … aber ich möchte gern wissen, wer damals … Donnerwetter, waren Sie mit neunzehn Jahren ein forsches Mädel … ich habe mir gar nicht erklären können, wie Sie sich solchen Doschack zum Mann nehmen konnten.«

»Na, der andere war auch nichts anderes als ein Doschack. Wissen Sie, wer das war? Der Krummhaar … Der Adam … ja … neun Jahre hat er um die Tochter seines Oberförsters gefreit.«

»Georginne, die Geschichte kenne ich. Das hab' ich selbst erlebt, wie das Mädel für seine Liebe gekämpft hat, bis der Alte zuletzt nachgab … und eine sehr glückliche Ehe ist es gewesen … und vier stattliche Söhne, die alle in der Welt etwas bedeuten.«

»Ich sage ja nichts dagegen, Herr Forstmeister, aber wenn ich so denke, daß das meine Jungens hätten sein können, dann wird mir noch immer das Augenwasser lebendig. Was habe ich jetzt als alte Frau vom Leben… kein Kind, kein Kegel… bloß Arbeit habe ich von dem Gut und dem vielen Geld. Die Madeline ist meine einzige Verwandte … ein Jungchen hat sie gehabt, das ist früh verstorben … da habe ich mir so gedacht, sie muß noch einmal heiraten. Wie ich's ihr zum erstenmal sag', wehrt sie mit Händen und Füßen ab, und gestern, wie sie aus der Stadt kommt, sagt sie von selbst zu mir … so wahr ich lebe, Herr Forstmeister … Tante, sagt sie, ich habe heute wieder den Forstmeister aus Makunischken gesehen, nein, ist das ein Mann, den nehme ich von der Stelle weg. Kind, habe ich gesagt, der Herr ist fünfundsechzig Jahre alt … Und wenn er fünfundachtzig wäre, ich würde nicht danach fragen! gibt sie mir zur Antwort.«

Der alte Herr stand auf. »Sie verstehen Ihr Geschäft, Georginne, das muß ich Ihnen sagen. Sie haben mich wirklich neugierig gemacht auf die drugglige Margell… aber«, er drohte ihr mit dem Finger.

»Selbstverständlich, Herr Forstmeister, da wäre jedes Wort vom Übel … und nicht zu viel von dem Alaus trinken!«

»Davor werde ich mich hüten!«

»Na, dann auf Wiedersehen übermorgen!«

2. Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Der Forstmeister hatte die Weschkalene zum Wagen begleitet und sich dann wieder in seine Amtsstube an den Schreibtisch begeben. Mächtige Rauchwolken stiegen aus seiner Pfeife auf, aber dazu wollte das behagliche Lachen, das der Forstschreiber von Zeit zu Zeit hörte, gar nicht passen. Mit einem Male brach er los: »Sie Racker, Sie, Mooslehner, Sie haben gestern die erste Schnepfe geschossen und mir nichts gesagt!«

»Jawohl, Herr Forstmeister, aber die Abromeitene wollte Sie heute mittag mit der Schnepfe überraschen, dann wollte ich es Ihnen erst sagen.«

»Sie sehen doch, daß es vor mir keine Heimlichkeiten gibt… Hier sind ein paar Briefe, die uns was Neues bringen. Wir bekommen einen Forstassessor, der den Wald neu vermessen soll, und für den Hegemeister ist ein Forstaufseher zur Unterstützung bewilligt worden… na, lassen Sie nur, ich gehe selbst zu ihm 'rüber!«

Er hielt inne und drehte sich zur Tür, durch die eben ein paar junge Mädchen hereinstürmten.

»Was wollt ihr denn hier im Allerheiligsten der Königlichen Oberförsterei Makunischken?«

»Ach, nicht viel, Onkel Ottomar!« erwiderte die Kleinere, eine reizende Blondine mit merkwürdig dunklen Augen. »Zwischen Dietrichswalde und Starrischken ist heute früh wieder Krieg ausgebrochen. Unsere Herren Väter können sich nicht einigen, wo heute abend Skat gespielt werden soll, das sollst du entscheiden. Bei uns gibt's einen Hammelrücken als Wild frisiert und eine frischmilchende Kuh, direkt aus der Schönbuscher Brauerei bezogen… sie liegt schon seit gestern auf Eis.«

»Bei uns gibt's das Schwanzstück eines großen Hechtes, als Hase in der Pfanne gebraten, und pro Kopf eine Flasche Rüdesheimer Hinterhaus!« fuhr die andere fort, indem sie sich zärtlich an den alten Herrn anschmiegte. Sofort sprang die Kleinere um den Stuhl herum und schmiegte sich von der anderen Seite an ihn.

»Kinder, die Entscheidung ist sehr schwer, wenn man so zwischen zwei Heubündeln sitzt…«

»Pfui, Onkel, wie kannst du uns mit Heubündeln vergleichen?« rief die Kleinere, Erna von Degenfeld.

»Ich meine ja nicht euch beide, sondern die beiden Gerichte … das eine esse ich ebenso gern wie das andere, aber ich entscheide mich für das Hinterhaus … es wird also in Starrischken heute Skat gespielt.«

»Dann kommt mein wilder Hammel morgen an die Reihe. Aber nun sag' mal, Onkel, was hast du der Abromeitene angetan? Sie sitzt in der Küche und heult wie ein Kettenhund, vor sich auf dem Küchentisch hat sie einen Verlobungsring liegen und schluchzt immerzu: ›Nu soll ich hier fort!‹«

Der alte Herr lachte laut auf. »Eigentlich ist es rührend! Das ist der Trennungsschmerz, sie wird den Kallweit heiraten.«

»Die Abromeitene den Kallweit? Und was tust du dann, Onkel Ottomar?«

»Ich muß auch heiraten, mir bleibt nichts anderes übrig. Na, wie wäre es mit einer von euch beiden? Hat eine von euch Lust?«

»Ich nehme dich sofort, Onkel Ottomar!« erwiderte Erna keck. »Du bist, abgesehen von deinem gutmütigen Poltern mit dem Donnerwetter, ein tadelloser Kavalier, hast eine angesehene Stellung in der Welt, und als Mann bist du noch so stattlich, daß ich mir danach mein Ideal gebildet habe!«

»Du kleiner Racker, du bist ein Schmeichler… Na, wir wollen uns mal die Sache beschlafen. In meinem Alter ist man nicht mehr so stürmisch in Liebesangelegenheiten. Ich möchte mich erst entscheiden, wenn Ihr den Heiratskandidaten gesehen habt, der in der nächsten Zeit hier eintrifft!«

»Sehr richtig, Onkel!« fiel ihm jetzt die Liesbeth von Grumkow ins Wort. »Wir sind noch nicht in dem Stadium, daß wir sofort ausrufen: ›Wo ist er?‹ Wir fragen auch noch nicht: ›Was ist er?‹ Wir wollen wissen: ›Wie ist er?‹ Na, und wie heißt er?«

»Forstassessor von Sperling heißt er. Mein Freund, der Forstrat, schreibt mir persönlich, daß der Herr Assessor ein sehr reicher Mann ist, sehr verwöhnt, denn er ist mehrere Jahre als Feldjäger zwischen den Höfen Europas und Berlin hin und her gereist… er bringt Koch und Diener mit… das leerstehende Steueraufseherhaus soll für ihn ausgebessert werden, er wird sich dort häuslich einrichten, und da aus dem Assessor ein Oberförster und schließlich ein Forstmeister wird, so wollen wir uns drei die Sache reiflich überlegen und erst die Ankunft dieses jungen Herrn abwarten … Wollt ihr mitkommen? Ich will mir mal gleich die alte Baracke ansehen, ich fürchte, daß mit einigen Quadratfuß Brettern und einem Eimer Kalk die Sache für den Forstfiskus nicht abgemacht sein wird … Mooslehner, hier sind noch ein paar Briefe, die Sie beantworten müssen … Na, dann kommt, Kinder! Ich will bloß dem Krummhaar noch eine kurze Mitteilung machen.«

Gleich auf der anderen Seite des schmalen Weges lag die Försterei. Die beiden Grünröcke, die miteinander schon ein Menschenalter gelebt hatten, verkehrten sehr vertraut und zwanglos miteinander. Manchmal standen sie stundenlang, jeder hinter seinem Hoftor mit einer langen Pfeife, sich gegenüber und plauderten. Zum Schluß pflegte sich stets ein Wettstreit zu erheben, wer dem anderen zum Abendbrot folgen sollte…

Der Hegemeister hatte als Feldwebel beim Jägerbataillon den jungen Forstreferendar Schrader als Einjährig-Freiwilligen ausgebildet und ihn dabei als Freund gewonnen. Dann hatte das Schicksal sie hier vor dreißig Jahren wieder zusammengebracht, da war es kein Wunder, daß das Verhältnis vom Vorgesetzten zum Untergebenen nur vor Fremden zum Ausdruck kam…

Der Forstmeister war ans Hoftor der Försterei getreten. Mit lauter Stimme rief er: »Hegemeister!« Keine Antwort. »Krummhaar!« Keine Antwort. »Adam!« Keine Antwort.

»Ah, heute hat er seinen militärischen Tag!« meinte er lachend zu den beiden Mädchen. »Na, dann: Herr Feldwebel!«

»Herr Hauptmann!« ertönte es im selben Augenblick in scharfem Ton aus der offenen Tür des Holzschauers. Ein mittelgroßer Mann mit eisgrauem Schnurr- und Knebelbart kam eilfertig angeschritten. Auf dem Kopfe trug er eine alte Soldatenmütze … »Was befehlen der Herr Hauptmann?«

Mit ernsthafter Miene kommandierte der Forstmeister: »Rühren, Herr Feldwebel … Was haben Sie denn heute Militärisches vor?«

»Mobilmachung gegen die Krebse!« erwiderte der Graubart. »Ich bessere die Krebsteller aus, und am Nachmittag will ich Frösche jagen … Ich bin der Meinung, und Herr Hauptmann werden mir beipflichten, daß die alte Küchenregel von den Monaten ohne ›r‹ ein großer Unsinn ist. Die Krebse schmecken nie besser als jetzt im April, und vom Oktober ab bis zum Zufrieren…«

»Ganz meine Meinung, lieber Herr Feldwebel!«

»Danke gehorsamst, Herr Hauptmann! – Na, Kinder,« wandte er sich lachend an die beiden Mädchen, »wofür hat sich der Herr Forstmeister entschieden? Für Hammel oder Hecht?«

»Für Hecht, Onkel Adam!« erwiderte Liesbeth.

»Na, dann halt' mal einen Kessel mit kochendem Wasser bereit, ich bringe ein Schock große Krebse mit.«

Er nickte den beiden Mädchen, die mit ihm ebenso vertraut waren wie mit dem Forstmeister, freundlich zu, machte stramm linksum kehrt und marschierte im Stechschritt über den Hof ab.

»Halt, kehrt!« rief ihm der Forstmeister nach. »Jetzt habe ich noch ein Wort mit dem Herrn Hegemeister zu sprechen. Krummhaar, die Regierung hat Ihnen den Forstaufseher bewilligt, er soll bei Ihnen sein Forstexamen machen.«

»Ei, was Sie sagen, Herr Forstmeister! Wie heißt denn der Jüngling?«

»Ferdinand Schnabel.«

»Schnabel – Schnabel? Doch nicht der Sohn von Nante Schnabel aus Wersmeninken?«

»Ich glaube, ja…«

»Das ist ein Unglück, Herr Forstmeister. Ich nehme den Menschen nicht auf, obwohl er mein Patenkind ist. Der frißt mir ja die letzten Haare vom Kopfe.« Er nahm die Mütze vom Kopf und strich mit der linken Hand vom Genick her die »Sardellen« über den blanken Schädel.

»Was haben Sie denn gegen den jungen Menschen, Adam?«

»Gar nichts, Herr Forstmeister, er soll ein guter, lieber Kerl sein, aber er frißt uns alle arm. Wissen Sie denn nicht? Das muß eine Krankheit sein, die sich schon vom Großvater her in der Familie vererbt … Das muß ich Ihnen erzählen. Also, der Nante, sein Vater, wird nach Wersmeninken versetzt. Am Quartalsersten – es war gerade Markttag – kommt er nach Lasdehnen; er trifft mich auf der Straße, hält an und fragt: Mensch, sagt er, Adam, wo kehrt Ihr hier ein? Wir kehren alle beim Fleischer Eindrigkeit ein … paar Häuser bloß von hier. Du wirst keinen zu Hause finden, aber das schadet nichts. Auf dem Tische und in der Ofenröhre findest du was zu essen … Er fährt dann auch weiter … So um die Mittagszeit 'rum gehe ich mit dem Kollegen Schwarzkopf zu Eindrigkeit, um etwas zu verbeißen. Ja, prost Mahlzeit… denken Sie sich, einen abgekochten Schinken von zehn Pfund, ein halbes Schock Eier und ein Fünf-Groschen-Brot hat der Kerl verpulvert und eine Flasche Korn dazu getrunken!«

»Adam, das Latein ist etwas sehr stark!«

»So wahr ich lebe und gesund bin, Herr Forstmeister, das sind doch keine Jagdgeschichten, das kann Ihnen hier jeder Mensch bestätigen … und die drei Jungen haben von ihm denselben Appetit geerbt. Wenn Wersmeninken nicht so 'ne gute Stelle gewesen wäre, dann wären die vier Mann verhungert.«

»Na, einen werden wir doch hier satt kriegen; wenn Sie nicht wollen, werde ich ihn in Kost nehmen. Wie soll der Mensch sonst mit seinem Gehalt von sechzig Mark monatlich auskommen?«

»Da tun Sie ein gutes Werk, Herr Forstmeister. Dafür sollen Sie auch heute mittag schon ein halbes Schock Krebse haben. Ich habe gestern die Dorfjungens belapst … die Kröten kriechen doch jetzt bei dem Wetter bis an die Brust in das eiskalte Wasser und holen die Krebse mit den Händen aus den Löchern… Na, dann auf Wiedersehen, Herr Forstmeister, auf Wiedersehen, Kinder. Liesbeth, ich werde so um acht bei euch sein, zu warten braucht ihr nicht, der Hecht schmeckt auch kalt gut, wenn bloß heiße Kartoffeln dazu sind!«

»Dafür wird gesorgt, Onkel Adam!«

»Ein merkwürdiger Kauz, dieser alte Adam, aber ein Herz wie Gold!« meinte der Forstmeister, als er mit den Mädchen weiterging.

»Na, weißt du, Onkel,« erwiderte Liesbeth, »das hat mir heute gar nicht von ihm gefallen, daß er den Forstaufseher nicht bei sich aufnehmen will.«

»Ach, Kinder, das ist doch ein so schlauer Trick von dem Adam, er weiß doch, daß ich dem jungen Menschen kein Geld abnehmen werde, und ebensooft wird er sich bei ihm sattessen wie bei mir. Sagt mal, Kinder, ich wollte euch was fragen: kennt ihr vielleicht zufällig die Nichte der Weschkalene, die jetzt bei ihr zu Besuch ist?«

Erna faßte ihn unter dem Arm und zwang ihn, stillzustehen. »Onkel Ottomar, das ist eine sehr verdächtige Frage. Die Abromeitene geht von dir weg. Du erklärst uns, daß du heiraten mußt, und jetzt fragst du nach der Madeline Mazat … Kurz, ehe wir zu dir kamen, war die Weschkalene bei dir…«

»Du bist ja gefährlich klug, Erna.«

»Bitte, mich in das Kompliment einzuschließen,« rief Liesbeth von der anderen Seite, »dann will ich dir bereitwillig Auskunft geben. Also, zuerst das Signalement: Alter achtunddreißig Jahre, Haare blond, Augen blau, Nase, Mund gewöhnlich; besondere Kennzeichen: keine.«

Der Forstmeister lachte laut auf. Er hatte bei der Beschreibung an einen sehr schlechten Witz denken müssen. Erna, die ihn links untergefaßt hatte, stieß ihn mit dem Ellbogen in die Seite: »Was ist dabei zu lachen? Ich werde die Beschreibung ergänzen: sie ist eine bildhübsche, forsche Person, sanftmütig und von Herzen demütig, wie es in der Bibel heißt.«

»Na, und weiter?«

»Ist dir das noch nicht genug? Ach so, ihre übrigen Personalien willst du wissen? Ihr Mann war Katasterkontrolleur und Hauptmann der Reserve, wie du…«

»Ja, Kinder, woher wißt ihr denn das alles?«

»Das ist unser Geheimnis!« erwiderte Liesbeth.

»Ach, Unsinn, Liesbeth, wozu die Geheimniskrämerei. Die Weschkalene war gestern nachmittag bei uns.«

»Bei uns auch!« rief Liesbeth. »Sie hat uns das alles und noch viel mehr erzählt.«

»Du siehst also, Onkel Ottomar,« fuhr Erna fort, »die intimsten Fäden dieser Heiratsgeschichte sind bereits bloßgelegt, aber wir schweigen wie das Grab … wir schwören es dir!«

»Ihr Rackerzeug, ihr braucht nicht zu schwören, ihr seid ganz auf dem Holzwege!«

»So – dann nimm dich bloß in acht, Onkel, daß du übermorgen bei der Weschkalene nicht zu viel Alaus trinkst!«

»Ich werde mich hüten. Aber, nun bitte ich euch in allem Ernst: nehmt eure Zunge etwas in acht, aus einer harmlosen Neckerei kann ein dummes Gerede werden.«

»Aber selbstverständlich, Onkel Ottomar!« erwiderte Liesbeth ernst, »du hast uns ja dazu angestiftet … aber nun sieh mal die alte Baracke, was soll denn aus der gemacht werden, da fehlt ja nicht mehr als alles.«

Sie wies auf das alte, strohgedeckte Häuschen, vor dessen zerfallenem Zaun sie standen. Die Sträucher verwahrlost, das Strohdach vom Winde zerzaust, die Fenster zertrümmert. Im Innern sah es nicht besser aus. In den Dielen Löcher, der Kalkverputz von den Wänden in großen Stücken abgefallen … Kopfschüttelnd ging der alte Herr herum.

»Das wird ein schönes Stück Geld kosten. Aber wenn der Herr Assessor es bezahlen will, der Fiskus wird wohl dafür danken. Na, meinetwegen.«

Die Mädchen hatten sich verabschiedet, um nach Hause zu gehen. Langsam wanderte der Herr Forstmeister den Weg zurück … Die Frühjahrssonne hatte über die Nebel gesiegt, heller, warmer Sonnenschein lag auf den Feldern und den weißen Birken, deren Zweige bereits grün zu schimmern begannen. Von dem Saatfeld stieg die Lerche auf und sang jubilierend ihr einfaches Lied, und dazwischen schmetterte der Buchfink frohlockend seine kurze Strophe … Dem alten Herrn wurde so merkwürdig zumute; die Uniform hatte er weit geöffnet, den Krückstock wirbelte er um die Hand. »Ach, Unsinn«, sagte er ein paarmal vor sich hin, und dann begann er zu pfeifen: »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.«

3. Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Als der Forstmeister gegen Mittag nach Hause kam, war Nante Schnabel eingetroffen, ein Mann von mächtigen Gliedern und breiten Schultern, sechs Fuß groß, so daß er seinen stattlichen Vorgesetzten noch um Haupteslänge überragte… Der alte Herr begrüßte ihn in seiner leutseligen Weise, reichte ihm die Hand und hieß ihn willkommen. Inzwischen war Mooslehner aufgestanden und neben Schnabel getreten: »Ich habe eine große Bitte, Herr Forstmeister.«

»Na, schießen Sie mal los.«

»Ich wollte bitten, ob nicht Schnabel an meine Stelle als Forstschreiber treten könnte.«

»Weshalb denn? Was treibt Sie denn weg? Haben Sie es nicht gut bei mir?«

»Herr Forstmeister, ich könnte mir kein besseres Leben wünschen; aber nehmen Sie es mir nicht übel, ich ertrage das Sitzen auf die Dauer nicht. Ich habe in dem einen Jahr bei Ihnen zwanzig Pfund zugenommen, und ich möchte mal wieder eine Zeitlang ganz ungebunden durch den Wald laufen.«

»Na ja, das kann ich verstehen, aber…«

»Herr Forstmeister, der Kollege Schnabel ist sehr gewandt mit der Feder, er wird sich schnell einarbeiten.«

»Na, wie ist's denn, Schnabel, haben Sie Lust? Sie bekommen bei mir freie Station und fünf Taler Zulage monatlich. Sind Sie damit zufrieden?«

»Aber sehr, Herr Forstmeister. Ich muß Ihnen allerdings gestehen, daß ich …«

»Weiß schon alles, Sie schlagen eine gute Klinge vor der Schüssel. Na, wir werden Sie schon satt kriegen, so viel wird schon vorhanden sein.«

Nante lächelte verlegen. »Herr Forstmeister haben mich noch nicht essen sehen … aber ich nehme mit allem vorlieb, und wenn ich bitten dürfte, der Mamsell zu sagen, daß die Hauptsache für mich eine Schüssel mit dicken Erbsen oder Bohnen oder Reis ist… und Brot halte ich mir noch nebenbei.«

»Aber, Schnabel, das kann doch nur eine krankhafte Veranlagung sein. Haben Sie denn noch keinen Arzt gefragt?«

»Jawohl, Herr Forstmeister, aber jeder hat mir gesagt, dagegen gibt es kein Mittel.«

»Na, dann müssen wir Sie schon durchfüttern. Nun noch eins. Binnen kurzem wird hier eine neue junge Wirtschafterin einrücken … meine Abromeitene heiratet den Kallweit. Das möchte ich nicht wieder erleben … also möchte ich bitten: stubenrein … so ein freundschaftliches Speisekammerverhältnis, dagegen habe ich nichts, aber Verlobung und Heirat, das möchte ich mir verbitten.«

»Ach, Herr Forstmeister können ganz beruhigt sein. Ich werde nie heiraten. Ich weiß, was meine Eltern mit drei Jungen, die alle denselben Appetit hatten wie ich, durchgemacht haben. Das möchte ich nicht durchmachen … ich heirate nicht.«

»Na, dann sind wir beide ja einig. Aber Sie, Mooslehner, kommen vom Regen in die Traufe. Sie werden mit dem Assessor kluppen, tagaus, tagein …«

Der junge Grünrock lachte: »Das schreckt mich nicht, Herr Forstmeister, da bin ich doch den ganzen Tag im Walde.«

»Na, dann ist ja alles zu gemeinsamer Zufriedenheit erledigt. Mooslehner, Sie weihen in den nächsten Tagen Schnabel in die Amtsgeschäfte ein… heute müssen Sie noch an den Zimmermeister Krause schreiben, der möchte morgen 'rauskommen, wenn er die alte Chalupp, das Steuerhaus, reparieren will. Sie müssen sich natürlich in der Nähe einquartieren.«

»Ich denke, Herr Hegemeister wird mich aufnehmen.«

»Na, ob die Wera damit einverstanden sein wird…«

»Ich glaube ja, Herr Forstmeister.«

»Ach so? na, ich hätte beinahe etwas gesagt…«

Der junge Grünrock war rot geworden… sein Vorgesetzter drohte ihm noch schelmisch lächelnd mit dem Finger und ging hinaus.– –

Gegen Abend ließ der alte Herr sich seinen Jagdwagen anspannen, um zum Schnepfenstrich zu fahren. Als er mit dem umgehängten Gewehr in die Haustür trat, flog ihm ein Pantoffel nach, und Abromeitene rief aus der Küchentür laut und energisch: »Hals- und Beinbruch, Herr Forstmeister«, und als der Wagen durch das Hoftor fuhr, stand da das blitzsaubere, blutjunge Stubenmädel, knickste artig und sagte verschämt: »Weidmannsheil.« Schrader schmunzelte vergnügt. Er war nicht abergläubisch, gar nicht … aber es gab doch so ein angenehmes Gefühl, wenn diese Formalitäten erfüllt wurden.

»Wir haben noch viel Zeit, Ions, wir können noch an dem Saatkamp und an der neuen Kultur vorbeifahren … und dann nach Jagen Siebzehn!« rief er dem Kutscher zu.

In behaglichem Trab fuhr der Wagen dahin. Mit scharfem Auge musterte Schrader rechts und links den Wald … ein herrliches Revier … einzelne Partien reiner Nadelwald, Kiefern und Fichten, aber von hellem Laubunterholz durchsetzt… dann wieder reine Laubbestände, alte gewaltige Eichen und Buchen … dazwischen überall Wiesenschlenken. Vertraut äsend stand Rehwild in überreicher Zahl auf den Lichtungen. Ab und zu hielt Jons den Wagen an und deutete mit der Peitsche auf einen Sprung Rehe oder auf einen einzelnen Bock. Dann stand der Forstmeister auf und nahm seinen Pernox an die Augen und besah sich das Wild. Die Böcke standen noch im Bast, aber man konnte doch schon erkennen, daß ganz kapitale Burschen darunter waren, die handbreit über die Lauscher hinaus aufgesetzt hatten.

Dem alten Grünrock wurde das Herz weit. Das war es, was ihm vor langen Jahren, als man ihn als Hilfsarbeiter in das Ministerium in Berlin hatte berufen wollen, die ablehnende Antwort in die Feder diktiert hatte. Bei seinen Grünröcken, seinen Bäumen und seinem Wild wollte er bleiben. Und der Lohn war nicht ausgeblieben. Seine Beamten liebten ihn wie einen Vater, der Wald war unter seiner Fürsorge gediehen; so manche Gruppe alter Eichen, die der Axt verfallen waren, hatte er eigenmächtig stehen lassen, und aus der dürftigen Wildbahn war ein reicher Wildbestand herangewachsen.