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Tante Lisbeth aus Nürnberg ist wenig beliebt in der Familie. Drum ist es für Anette und Jörg, die frisch verlobt sind, auch eine ziemliche Überwindung, bei der Tante einen Besuch abzustatten. Umso größer ist die Überraschung bei den jungen Menschen, als sie in Nürnberg unvergessliche Adventstage verbringen und Tante Lisbeth von einer nie gekannten Seite erleben. DER WEIHNACHSBESUCH ist eine fröhliche und feinsinnige Erzählung über die kleinen Wunder des Alltags, voller Spannung und unerwarteter Entwicklungen. -
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Seitenzahl: 25
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Lise Gast
Der Weihnachtsbesuch
© 1980 Lise Gast
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711508909
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
SAGA Egmont www.saga-books.com - a part of Egmont, www.egmont.com
Sie waren Vetter und Kusine. Das heißt, früher waren sie das nur gewesen. Seit ein paar Jahren war ihr verwandtschaftliches Verhältnis enger geworden. Sie waren Liebende.
Jörg, Student der Chemie, war einige Jahre älter als Annette, die als Sekretärin in einem Verlag arbeitete. Da sie eine richtige Buchhändlerlehre nicht gemacht hatte, meinte sie, den geliebten Büchern auf diesem Wege näher sein zu können. Sie hatte eine Stelle, vielleicht die netteste Stelle, die es in dieser Art geben konnte: in einem kleinen Verlag einer süddeutschen Universitätsstadt, der sie ohne Vorbildung nahm. Sie arbeitete sehr gern dort, nur einen Nachteil hatte der Verlag, er lag etwa sechshundert Kilometer weit entfernt von ihm, dem Vetter. Dem Liebsten. Von Jörg.
Jörg und Annette, fest darauf vertrauend, eines Tages zu heiraten, waren gewillt, die Jahre bis dahin in möglichst guter Haltung durchzustehen. Es war noch nicht üblich, probeweise zusammen zu leben, sobald man sich gern hatte, aber es war auch nicht mehr die Zeit, daß man warten mußte, bis die Eltern die Erlaubnis gaben, bis die Aussteuer und standesgemäße Möbel zusammengespart waren oder der Erbonkel Zeit hatte, zur Hochzeit zu erscheinen. Es war die Zwischenzeit, die Zeit zwischen den Kriegen, karg, hart für den, der auf die eigenen Kräfte angewiesen war, dennoch nicht trübe. Wem erscheint der Himmel wohl trübe, wenn er liebt! Sie liebten sich. Sie schrieben sich. Anrufen war damals unendlich teuer, so daß es nicht in Frage kam. Manchmal aber trafen sie sich in einer Stadt ‚auf halbem Wege‘, wo sie köstliche, wenn auch kurze Zeit miteinander verbrachten. Dies geschah nur selten, um so leuchtender, um so unvergeßlicher blieb sie in der Erinnerung, um so gläubiger sahen Jörg und Annette in die Zukunft. Eines Tages würden sie beieinander bleiben dürfen, ‚bis daß der Tod uns scheidet‘. Beieinander bleiben, welch eine Aussicht!
Das letzte Mal hatten sie sich in Würzburg getroffen, zur Rosenzeit. Wenn Annette ‚Würzburg‘ dachte, dann sah sie den blinkenden Main und darüber Festung und Käppele vor sich, sah Schwäne und verschnörkelte Fassaden, farbenfroh verspielte Wände und ein verträumtes Lusamgärtlein, und Rosen, Rosen, Rosen. Gab es einen schöneren Treffpunkt für Liebende als diese Stadt? Jörg hatte ihr einen Zuschuß zum Reisegeld geschickt, weil er es näher hatte als sie. Diesmal war Nürnberg ihr Ziel. Dahin hatten sie es beide ungefähr gleich weit mit der Anreise, und Annette sparte für die Fahrt ebenso wie er.
Das Jahr ging seinem Ende entgegen, besser gesagt: seiner schönsten Zeit. Sowohl für Annette wie für Jörg war die Adventszeit die Krönung des Jahres. Einen Sonntag davon wollten sie miteinander verleben, das hatten sie sich zur Zeit der Rosen in Würzburg versprochen.