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Bärbel ist siebzehn Jahre alt und in einem Heim aufgewachsen. Seit einiger Zeit wohnt sie bei einer neuen Familie. Für Bärbel ist das ein großer Umbruch. Am liebsten würde sie erst einmal in Ruhe zu sich selbst finden und sich mit ihrer neuen Familie anfreunden. Doch nun steht auch schon Weihnachten vor der Tür und Bärbel weiß noch gar nicht, ob sie für ein so großes Fest schon bereit ist.DER WEIHNACHTSSCHNEE ist eine realistische Erzählung, die zeigt, dass das Thema Weihnachten auch bei der jüngeren Generation Fragen aufwerfen kann. -
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Seitenzahl: 30
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Lise Gast
Saga
Der Weihnachtsschnee
© 1975 Lise Gast
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711508916
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com
Das Haus war ein altes Fachwerkhaus, drei Stufen führten zur Tür hinauf, und die Dielen waren wie ein leise wogendes Meer, so gingen sie auf und ab. Breite Fenster, niedrige Decken, an sich herrlich zum Einrichten. Bärbel, die sehr gern einrichtete, hatte den ganzen Sommer über geschafft, das alte Fachwerkhaus schwarz und die Wände dazwischen weiß gestrichen, Möbel geschoben und karierte Vorhänge genäht. Jetzt, da alles fertig war, fehlt ihr etwas. Was, das konnte sie nicht sagen, aber sie merkte es deutlich, und es machte sie mißmutig und verdrossen.
Bärbel war siebzehn Jahre alt und das erstemal in einer Familie. Sechzehneinhalb Jahre in Heimen, weil sie kein Zuhause hatte, da war es kein Wunder, daß sie mitunter meinte, nach jedem schlagen zu müssen, der eins besaß, auch nach Stine. Stine, eigentlich Christine, so nannte sie aber niemand, ähnelte einer Hausmutter nur sehr entfernt: sie war groß, weißblond, mager und von einer bestechenden Wurschtigkeit gegenüber allen Nebensachen. Ihr Zuhause war kein Musterhaushalt, o nein. Aber ein Zuhause.
Außer Mann und Kindern, Stine hatte in zwei Jahren drei Söhne geboren, ohne Zwillinge dabei zu haben, worauf sie sehr stolz war, gehörten zum Haushalt noch zwei Hunde, Flaps, ein Basset, und die ‚Wurscht‘, ein ungarischer Hirtenhund, vier Kater, Elisa, die Gans, die nie geschlachtet werden würde, zwei Pferde und sechzehn Esel. Zwergesel, wohlgemerkt, große Esel waren heute nicht gefragt, Zwergesel dagegen sehr. Stine verkaufte Eselfohlen, immerzu wurde sie danach gefragt. Da sie die Fohlen aber nur in gute Hände gab, zu sehr netten Leuten also, verkaufte sie sie billig oder gab sie sogar umsonst weg, denn die nettesten Leute waren meist arme Leute, oder jedenfalls solche, die sich eigentlich kein Tier leisten konnten, die aber Tiere sehr liebten. So war das Ganze eigentlich kein Geschäft, sondern nur ein Hobby, das recht teuer gekommen wäre, wenn Stine nicht fotografiert hätte. Sie fotografierte ihre Esel so reizend, mit ihren Kindern oder ohne sie, auf Wiesen oder im Stall, angeschirrt oder mit Fohlen, machte kleine Bildbändchen mit lustigen Unterschriften, und durch diese Bildbändchen kamen die Leute darauf, sich Esel bei ihr zu kaufen. So griff eins ins andere, und die Sache trug sich wenigstens. Freilich machte sie sehr viel Arbeit, und so hatte eine frühere Schulfreundin, die jetzt im Sozialamt arbeitete, ihr Bärbel geschickt. Und Bärbel hatte sich wie gesagt den ganzen Sommer über auch großartig bewährt. Das Haus, vorher fast verwahrlost, war gemütlich eingerichtet, mit alten Möbeln, die neu gestrichen entzückend aussahen, die Küche behaglich, das Kinderzimmer reizend. Bärbel hatte eine Schreinerlehre hinter sich und konnte so etwas sehr gut machen. War die Arbeit jedoch getan, fiel sie in ein Loch. Und dies war jetzt der Fall.
Jetzt, das war im Herbst. Die Kastanien neben dem Brunnen hatten sich golden gefärbt, aber keine Sonne lag darauf, um sie leuchten zu lassen. Es regnete, regnete, einfach niederschmetternd. Die Koppeln standen unter Wasser, die Esel mußten im Stall bleiben. Die Kinder waren erkältet und entsprechend schlechter Laune. Holle, Stines Mann, er ist Lehrer, arbeitete für die zweite Dienstprüfung. Die einzige, die sich nicht unterkriegen ließ, war Stine.