Der weiße Heiland - Gerhart Hauptmann - E-Book

Der weiße Heiland E-Book

Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

"Der weiße Heiland" ist ein Versdrama in elf Szenen des deutschen Nobelpreisträgers für Literatur Gerhart Hauptmann, das ab 1908 entworfen und am 28. März 1920 im Berliner Großen Schauspielhaus unter Max Reinhardt und Karlheinz Martin mit Alexander Moissi als Montezuma und Emil Jannings als Cortez uraufgeführt wurde.Anno 1520 in Mexiko: Jahre vor der Gründung des Vizekönigreichs Neuspanien zieht der spanische Eroberer General Fernando Cortez gegen Tenochtitlan und lässt Montezuma, den Kaiser von Mexiko, in der "Traurigen Nacht" umbringen. "Im Vertrauen auf die mystische Verheißung eines Menschheitserlösers, des weißen Heiland," hatte Montezuma "allzulange die weißhäutigen Spanier für Boten eines höheren und neuen Menschentums gehalten".

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Inhaltsverzeichnis

Dramatis Personae

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zehnte Szene

Elfte Szene

Gerhart Hauptmann

Der weiße Heiland

Dramatische Phantasie

Zuerst erschienen:1920

Dramatis Personae

Montezuma, Kaiser von Mexiko Guatemotzin, sein Sohn Cacamatzin, mexikanischer Fürst Qualpopoca, mexikanischer Fürst Marina, eine Mexikanerin Der Priester des QuetzalcoatlDer Oberpriester des HuitlipochtliErster Opferpriester des Huitlipochtli Zweiter Opferpriester des Huitlipochtli Der Erste GelehrteDer Zweite GelehrteDrei Töchter MontezumasFernando CortezPedro de Alvarado, Ritter Las CasasGomara, Hausgeistlicher des Cortez Pater OlmedoDiego OrdazChristoval de GuzmanDon Juan XamarilloJeronimo de AguilarBernal DiazGonzalo de SandovalVelasquez de LeonMartin LopezErster OffizierZweiter OffizierEin Wundarzt

Spanische Ritter und Soldaten, Mexikanische Adlige, Haushofmeister des Cortez, Tempeldiener, Krieger, Läufer, Diener, Mädchen, Weiber und das Volk.

Erste Szene

Ein Gemach im kleinen Tempel des Quetzalcoatl zu Tenochtitlan. Ein mit astronomischen Zeichen bedeckter Vorhang verschließt die hintere Hälfte des Raumes. Davor steht ein Priester.

Montezuma erscheint, mit geringem Gefolge, das sich in der Entfernung  hält, darunter Cacamatzin und Guatemotzin.

Montezuma

Nachdem er langsam und wie geistesabwesend auf und ab geschritten ist, bleibt er vor dem Priester stehen.

Sprich mir von dem weißen Gotte, Priester! Ich will jene Mär  wieder hören! Welche, weißt du.

Der Priester

Die Altvordern deines Hauses, allgewalt'ger Herr und König, unterwarfen dieses Land. Der Gebieter ihrer Scharen war, wie du, ein Sohn der Sonne. Bist du seines Bluts und göttlich, nennen Kunden unsrer Tempel ihn sogar den Sonnengott. Als er seiner Kinder Herrschaft unbesiegbar hier gegründet, schwang er sich zurück zum Himmel  auf den Flammenthron des Weltalls.

Montezuma

Die Verheißung melde mir.

Der Priester

Die Verheißung, die der Gott seinen Priestern hier zurückließ, lautet: Wenn dreitausend Sommer auf der Winter Schnee gefolgt sind, kehre er zu euch zurück, um die lang verbannten Kinder  heimzuholen in den Glanz.

Montezuma

Und die Rechner Eurer Gilde, die auf Jahr und Stunde achten,  meinen nun ...?

Der Priester

Die Zeit sei nah, glauben wir, der Wiederkehr, wo zum andernmal die Gottheit mit dem Goldhelm niedersteiget, Himmelsfarbe in den Augen, weißen Glanz im heil'gen Antlitz,  golden flüssiger Strahl ihr Haar.

Montezuma

Ich bin häßlich!

Der Priester

Sohn der Sonne: wenn der Nebel deines Trübsinns, durch dies Wort, gleich einer Wolke, deiner Schönheit Blitz auch schwächte, blendet sie das Auge dennoch,  daß es schmerzend sich verschließt.

Montezuma

Priester, ist die mächtige Gottheit weiß von Antlitz, weiß von Haaren, weiß gegliedert, blauen Auges, scheint's, daß sie mich haßt, nicht liebt. Oder weshalb wär' ich sonst schwarzen Haars und schwarzen Auges? Ekler, dunkelfarbiger Haut? Warum wißt ihr nicht zu sagen, weshalb mein Geschlecht verbannt ward in die traumbeladne Welt? Was wir wohl an ihm gesündigt, dem Urvater unsres Blutes, daß er uns so hart gestraft hat? Ihr verdient den Tod, ihr habt Gottes Wort nicht treu bewahrt. – Und wie steht's mit den Gerüchten, daß ein Volk von fremden Räubern, weiß und mördrisch wie Dämonen, über unsre Grenzen einbricht? Die bestürzten Boten stammeln Dinge, die unfaßbar sind: glaubt man ihnen, tragen jene Blitz und Donner in der Faust, reiten wilde Fabeltiere, feuerspeiend und geflügelt,  töten fernhin, nur im Wink.

Der Priester

Herr, du kamst zur rechten Stunde. Von den Grenzen deines Reiches dringt verworrenes Gerücht: jene fürchterlichen Fremden, heißt es, warfen deinen Erbfeind, bändigten die Tlascalaner, herrschen jetzt in ihrer Hauptstadt.  Doch unsterblich sind sie nicht.

Montezuma

Was uns Dienern des Mexitli nie gelang: gelang es ihnen, müssen's Göttersöhne sein.  Und was mehr: sie sind uns freundlich.

Cacamatzin, fünfundzwanzig Jahre alt, ein Fürst im Gefolge des Montezuma, wirft sich in Devotion vor ihm nieder.

Du willst reden, Cacamatzin.  Sprich!

Cacamatzin

O Herr, trau nicht den Teufeln, die das große Wasser ausspie! Gib Befehl an die Provinzen, aufzubieten deine Kriegsmacht, jeden, bis zum letzten Mann! Denn sie kommen nicht als Freunde, jene scheußlichen Dämonen,  ärgre Feinde hatt'st du nie.

Montezuma

Priester, weiter! Deine Worte sind mit Himmelsglut geschwängert, Ahndungen durchschüttern mich. Was will mir dein Blick verkünden, schillernd, nenne dein Geheimnis!  Denn noch mehr verbirgst du mir.

Der Priester

Sohn der Sonne, was in Knoten, was in Bilderschrift bewahrt ist, was im Volk lebendig umgeht von der Wiederkunft des Heilands – o erdrückender Gedanke! –, scheint es, wird zu Wirklichkeit. Doch die Diener Quetzalcoatls,  der da kommt – sind nicht unsterblich!

Montezuma

Wie denn weißt du das?

Der Priester

Ich weiß es! König! Wunder, die geschahen, grausige, sind zu berichten. Alles fügt sich, klar am Tage, nach der Überlieferung. Doch es hat Unwissenheit sich auch allbereits versündigt an den Dienern Quetzalcoatls: schwerer Sorgen voll verkünd' ich's,  und die Wahrheit siehe hier.

Der Vorhang öffnet sich, und man erblickt das abgeschlagene langgelockte Haupt eines spanischen Ritters, in einer goldenen Schüssel, auf dem Altar. Dieser ist von Tempeldienern flankiert.

Montezuma

der zuerst nicht erkennt, nähert sich langsam dem abgeschlagenen Haupte, zittert und steht tief erschüttert still. Dann entringt sich seinen Lippen

's ist ein Sonnensohn!

Der Priester

Nicht anders! Ganz so wie die Schrift ihn schildert,  doch ihm fehlt Unsterblichkeit.

Montezuma

Wer weiß das, voreiliger Priester? Ist die Gottheit nicht allmächtig? Und, beleidigt, will sie strafen, jeden Zaubers Herrscherin? Laßt mich schauen! Schweigt! Entfernt euch Und wo ist die Frevlershand, die ein Haupt, das zu berühren Ehrfurchtsschauer mir verbieten, von dem Gottesleib getrennt hat? Wo der Mann, den Ewigkeiten zu entsühnen noch zu kurz sind?  Wo? Ich will es wissen! Wo?

Der Priester

Wo der Täter dieses Mordes sein verfluchtes Leben fristet: niemand weiß es! Denn ein Jäger des Kaziken Qualpopoca, der Statthalter ist zu Nautla, fand im Forst dies heilige Haupt.  So berichtet mir der Fürfürst.

Montezuma

Qualpopoca schläft zu Nautla, liegt zu Bett, ja liegt im Grabe: tote Diener sind mir unnütz.  Und wie kam dies Haupt hierher?

Der Priester

Dein Vasall hat es gesendet.

Montezuma

Wie?

Der Priester

Durch einen Bauern, Herr,  der's in einem Sack hierhertrug.

Montezuma

wendet steh an sein Gefolge

Hört ihr dies? O Guatemotzin! solche Diener hat dein Vater: dumpfe Tiere, ohne Sinn! Welche Schande! Nicht in goldner Herrschersänfte des Kaziken, nicht von Königen geleitet, nicht im langen Zug der Priester unterm dumpfen Paukendonner unsrer Tempel zog es ein, dieses Haupt, in unsre Hauptstadt, sondern schmählich und entwürdigt.  Blutige Sühne fordert das!

Guatemotzin

wirft sich vor Montezuma nieder

Kaiser, Gnade! Nicht ein jeder sieht dies Haupt wie du mit Lust: Graun, ja Haß erzeugt's in anderen,  kalte Schrecken haucht es aus.

Der Priester

Nicht dem Wissenden. Sieh dies.

Tempeldiener bringen den vergoldeten Kriegshelm des Spaniers.

Montezuma

staunend

Eines Gottes Kriegshelm! Köstlich! – Guatemotzin! Cacamatzin! Eure Schrecken sind erklärlich. Nur der Gottentstammte kennt nicht die Furcht beim Nahn der Götter. Und sie nahn: wer zweifelt noch? Ich ertrag' es nicht, mein Herz hämmert allzu wild vor Freuden.  Heilige Schauer töten mich.

Er faßt nach seinem Herzen, das Gefolge eilt herzu und stützt ihn.

Zweite Szene

Ein Saal im Palaste des Montezuma in Tenochtitlan. Die Wand entlang harren Diener. Die fürstlichen Jünglinge Cacamatzin und Guatemotzin schreiten auf und ab in Erwartung des Kaisers. Es ist früher Morgen.

Cacamatzin

Furchtbar ist's: nichts überzeugt ihn.

Guatemotzin

Welch ein Irrwahn. Mögen jene Blitz und Donner mit sich führen, brausend Sonnendrachen reiten,  unverwundbar sind sie nicht.

Cacamatzin

Nein! Das ist es! Was verröchelt unter Feindesfaust, ist sterblich. Sterblich aber und verweslich  sind die wahren Götter nicht.

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