Deutsch in der Gesundheits- und Krankenpflege - Barbara Haider - E-Book

Deutsch in der Gesundheits- und Krankenpflege E-Book

Barbara Haider

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Beschreibung

Pflegeberufe erfordern neben einer umfassenden Fachkompetenz auch ein hohes Maß an kommunikativer Kompetenz. Für Pflegekräfte mit anderen Erstsprachen als Deutsch ist dies in Österreich eine besondere Herausforderung, da es für sie bis dato kein berufsspezifisches Sprachkursangebot gibt, das sie gezielt auf ihre Arbeit vorbereiten würde. Die Autorin zeigt ausgehend von Interviews mit nostrifizierten Krankenschwestern und -pflegern auf, welche sprachlichen Anforderungen der gehobene Dienst in der Pflege stellt – von professionellen Gesprächen mit PatientInnen bis zur schriftlichen Dokumentation, vom Beherrschen der Pflegefachsprache bis zum Verstehen von Dialekt – und welche Konsequenzen die fehlende sprachliche Vorbereitung sowohl für die Betroffenen als auch für das Gesundheitssystem hat. Als Ergebnis der Arbeit stellt sie Konzepte für den dringend notwendigen Aufbau eines berufsvorbereiten-den/-begleitenden Sprachkursangebots vor.

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Barbara Haider Deutsch in der Gesundheits- und Krankenpflege

In memoriam

Barbara Haider

Deutsch in der Gesundheitsund Krankenpflege

Eine kritische Sprachbedarfserhebung vor dem Hintergrund der Nostrifikation

facultas.wuv

Die Plakatserie „für wien“ der Magistratsabteilung 17 – Integration und Diversität, zeigt die Gleichheit der Leistungen von Zugewanderten und Einheimischen auf.

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr, eine Haftung der Autorin oder des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage 2010

Copyright © 2010 Facultas Verlags- und Buchhandels AG facultas.wuv Universitätsverlag, Berggasse 5, 1090 Wien, Österreich Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.

Druck: Facultas Verlags- und Buchhandels AG

Printed in Austria

ISBN 978-3-99030-437-2 pdf, 978-3-99030-438-9 epub

Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung in Wien, dem Referat für Wissenschafts- und Forschungsförderung, Wien sowie mit freundlicher Unterstützung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG).

Vorwort

1. Einleitung

2. Beruflicher Sprachbedarf als Gegenstand der Forschung

2.1. Sprachenlernen für einen speziellen Zweck

2.1.1. Fachsprachenunterricht

2.1.2. Zur Abgrenzungsproblematik des berufsbezogenen Sprachunterrichts vom Fachsprachenunterricht

2.1.3. Zur Charakteristik berufsbezogenen Deutschunterrichts

2.1.4. Berufsbezogener Sprachunterricht im Kontext des allgemeinen Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts

2.1.5. Zusammenfassung

2.2. Zur Erhebung von Sprachbedarfen und Sprachbedürfnissen

2.2.1. Begriffsklärung

2.2.2. Charakterisierung von Sprachbedarfen und Sprachbedürfnissen

2.2.3. Erhebungsmethoden

2.2.4. Von einer deskriptiven zu einer kritischen Sprachbedarfserhebung

2.2.5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

3. Forschungsproblematik und -methodik

3.1. Annäherung an das Forschungsthema

3.2. Konsequenzen aus der Orientierungsphase

3.3. Untersuchungsdesign

3.4. Zur methodischen Vorgangsweise bei der Sprachbedarfserhebung

3.4.1. Hospitationen

3.4.2. Gruppeninterviews

3.4.3. Fragebogenerhebung am AKH und Vinzentinum

3.4.4. LehrerInneninterviews

3.4.5. Beobachtungen in einem Krankenhaus und einer Pflegeeinrichtung

3.4.6. ExpertInneninterviews

3.4.7. Österreichweite Fragebogenerhebung an Nostrifikationslehrgängen

3.4.8. Literaturstudium

3.4.9. Qualitative Interviews

3.5. Zur Darstellung der Ergebnisse

4. Ergebnisse der Sprachbedarfserhebung im Berufsfeld der Gesundheits- und Krankenpflege

4.1. Sprachbedarf und -bedürfnisse im Rahmen der Nostrifikation

4.1.1. Rechtlicher und politischer Hintergrund

4.1.2. Objektiver Sprachbedarf im Rahmen der Nostrifikation

4.1.3. Subjektive Sprachbedürfnisse im Rahmen der Nostrifikation

4.1.4. Zusammenfassung

4.2. Sprachbedarf und -bedürfnisse im Beruf

4.2.1. Beruflicher Hintergrund: Gesundheits- und Krankenpflege in Österreich

4.2.2. Objektiver Sprachbedarf im Beruf

4.2.3. Subjektive Sprachbedürfnisse im Beruf

4.2.4. Zusammenfassung

5. Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse

5.1. Sprachbedarfe und -bedürfnisse in der Nostrifikation

5.2. Kritische Einschätzung der Nostrifikationspraxis und ihr Veränderungspotenzial

5.3. Sprachbedarfe und -bedürfnisse im Beruf

5.4. Kritische Einschätzung des Umgangs mit Sprachkenntnissen in der Pflege und Veränderungspotenzial

6. Konsequenzen: Plädoyer für ein umfassendes Sprachförder-konzept für Pflegepersonal mit Migrationshintergrund

7. Bibliographie

Vorwort

Am Ende eines langen Arbeitsprozesses angelangt, möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei den zahlreichen WegbegleiterInnen zu bedanken, die in direkter und indirekter Weise zur Entstehung und Fertigstellung dieser Arbeit beigetragen haben.

Den wichtigsten Beitrag zu diesem Buch, das als Dissertation an der Universität Wien im Fachbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache entstanden ist, haben meine InterviewpartnerInnen geleistet, die mir ihre Zeit geschenkt und mit großer Offenheit über ihr Ankommen in Österreich, ihren Sprachlernprozess und ihre beruflichen Erfahrungen berichtet haben. Ihnen gebührt mein herzlichster Dank!

Mein Dank gilt auch Frau Direktor Anna Danzinger von der Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege am AKH der Stadt Wien, die mir die Erlaubnis erteilt hat, am Nostrifikationslehrgang, der an dieser Schule angesiedelt ist, Erhebungen durchzuführen. Stellvertretend für alle Unterrichtenden im Lehrgang möchte ich mich ganz besonders bei der Organisatorin DGKS Elfriede Berger für ihr großes Entgegenkommen, ihre fachlichen Auskünfte und persönlichen Worte bedanken. Ihre große Begeisterung für die Pflege hat mich immer wieder angesteckt und mir neue Impulse für meine Arbeit gegeben. Ebenso möchte ich mich beim Stv. Direktor der Schule, DGKP Wilhelm Draxler-Wernbacher, für sehr hilfreiche Gespräche und zusätzliche Hospitationsmöglichkeiten in der Regelausbildung bedanken.

Für die stets umsichtige fachliche Betreuung und persönliche Begleitung danke ich herzlichst Prof. Hans-Jürgen Krumm und Prof. Rudolf De Cillia.

Mag.a Teresa Haider sage ich einen ganz speziellen Dank für das ausgezeichnete Lektorat des Textes sowie unzählige stets motivierende Gespräche während des Schreibprozesses.

Ein inniger Dank gilt schließlich meiner Familie sowie all meinen KollegInnen und FreundInnen für ihr über all die Jahre andauerndes Interesse an meiner Arbeit und ihre vielfältigen Unterstützungen.

1. Einleitung

Pflegeberufe gehören zweifellos zu den „Sprachberufen“, fast jeder Aspekt der Pflege hat auch kommunikative Anteile. (ZEGELIN 1997a, V)

Berufe im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege, insbesondere der gehobene Dienst der Diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester bzw. des Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegers (DGKS/DGKP), auf den sich diese Arbeit konzentrieren wird, sind Sprachberufe par excellence, da sie neben einer umfassenden Fachkompetenz auch ein hohes Maß an kommunikativer Kompetenz im Umgang mit PatientInnen, KlientInnen, aber auch KollegInnen im intra- und interdisziplinären Diskurs fordern. Um diesen Anforderungen vor dem Hintergrund eines sich stark wandelnden und auf dem Weg der Professionalisierung befindlichen Berufsbildes gerecht zu werden, wurde 1997 im Bundesgesetz für den gehobenen Dienst in der Gesund-heits- und Krankenpflege das Unterrichtsfach „Kommunikation, Konfliktbewältigung, Supervision und Kreativität“ für alle drei Ausbildungsjahre verpflichtend festgeschrieben. Für den praktischen Teil der Ausbildung wurde zudem ein sogenannter „Kompetenz- und Qualifikationsnachweis“ (WKAV 2002; 2006) entwickelt, in dem die „sozial-kommunikative Kompetenz“ als eigener Punkt angeführt wird und Teil der Gesamtbewertung ist. Neben diesen Änderungen in der Ausbildung findet das Thema auch in der Forschungsliteratur großen Widerhall, wie eine eigene Bibliographie zu Forschungsarbeiten und Publikationen über mündliche und schriftliche Kommunikation in der Pflege (WALTHER 2003) zeigt.

Trotz dieses zentralen Stellenwerts der Kommunikation in der Pflege, dem in den letzten Jahren explizit Rechnung getragen wurde, gibt es in Österreich bis dato kein (institutionalisiertes) Sprachförderungsprogramm für Pflegekräfte mit einer anderen Muttersprache als Deutsch, die in Österreich traditionell einen hohen Anteil der Beschäftigten darstellen. Die derzeit gängige Praxis sieht vor, dass sich Pflegekräfte eigenverantwortlich die für den Beruf notwendigen Sprachkenntnisse aneignen, ohne dabei auf ein entsprechendes Angebot zurückgreifen zu können. Berufsspezifische Deutschkurse für diese Zielgruppe werden, wenn überhaupt, nur punktuell vor allem an Volkshochschulen (VHS) angeboten, wo ich als Kursleiterin selbst mit dieser Problematik konfrontiert war und aufgrund unzureichender Unterrichtskonzepte und -materialien die dringende Notwendigkeit einer eingehenderen Beschäftigung mit diesem Thema sah.

Ich gehe von der Annahme aus, dass allgemeinsprachliche Deutschkurse allein nicht ausreichen, um den vielfältigen kommunikativen Anforderungen im Beruf gerecht zu werden, die im Zuge der fortschreitenden Qualitätsentwicklung verstärkt in den Vordergrund rücken. Auch die bisherige Vorgehensweise, adäquate Sprachkenntnisse direkt in der Berufspraxis selbst – durch learning by doing – zu erwerben, stößt an Grenzen: Sie stellt eine harte Form des immersiven bzw. sogar submersiven Lernens dar, die auf die Formel „sink or swim“ (FTHENAKIS ET AL. 1985, 316) gebracht werden kann. Um beruflich zu „überleben“, müssen sich die Betroffenen ohne Hilfestellungen selbst die nötigen berufssprachlichen Grundlagen beibringen, wobei die Lernprozesse sehr unterschiedlich verlaufen und stark vom jeweiligen Arbeitsumfeld abhängen. Aufgrund der steigenden Anforderungen – vor allem im schriftlichen Bereich durch die Einführung einer umfassenden Dokumentation des Pflegeprozesses – wird es jedoch zunehmend schwieriger, ohne eine trag- und ausbaufähige (berufs)sprachliche Basis mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten.

In der vorliegenden Arbeit soll erstmals dieser – vielfach gar nicht wahrgenommene – Sprachbedarf aufgedeckt und analysiert werden. Dabei werde ich mich auf eine spezielle Zielgruppe konzentrieren, die bereits mit einer abgeschlossenen Ausbildung nach Österreich kommt und hier ihr Diplom als Diplomierte/r Gesundheits- und Krankenschwester/-pfleger nostrifizieren, d.h. offiziell anerkennen lassen muss. Jene Personen stehen vor einer zweifachen Herausforderung, nämlich einerseits die Nostrifikation mit den vorgeschriebenen Ergänzungsprüfungen und andererseits den tatsächlichen Berufseinstieg, an den jeweils andere (sprachliche) Anforderungen geknüpft sind, zu meistern. Um welche Anforderungen es sich im Konkreten handelt, von welchen Seiten sie an die Betroffenen gestellt werden und wie diese damit umgehen, soll im Laufe dieser Arbeit näher untersucht werden.

Zu Beginn erfolgt eine theoretische Verankerung meines Themas in jenen Fachgebieten, die sich mit spezifischem Sprachunterricht und Möglichkeiten der Erhebung von Sprachbedarf beschäftigen (Kap. 2.). Es sind dies die Fachsprachendidaktik sowie die erst junge Richtung der Berufssprachendidaktik, in deren Kontext ich meine Arbeit angesiedelt sehe. Dabei geht es um die Frage, welche Formen fach- bzw. berufsspezifischen Sprachunterrichts existieren und wie in Abhängigkeit davon Sprachbedarf definiert und erhoben wird. Nachdem es im angloamerikanischen Raum bereits eine sehr lange Forschungstradition zu „speziellem Englischlernen“ gibt – bekannt unter dem Akronym ESP (English for Specific Purposes) –, wurde insbesondere für die Darstellung der Sprachbedarfserhebung (needs analysis) zentrale Literatur aus diesem Bereich berücksichtigt.

Die Aufarbeitung des theoretischen Hintergrunds soll v.a. eine Begründung für die Wahl einer umfassenden kritischen Sprachbedarfserhebung anstelle einer rein deskriptiven Erhebung bieten. Erstere erlaubt es nämlich, über die sprachlichen Anforderungen der Zielsituation (objektiver Sprachbedarf) hinaus auch die Perspektiven und Wünsche der Lernenden (subjektive Sprachbedürfnisse) in der Untersuchung zu berücksichtigen. Zudem eröffnet eine kritische Sprachbedarfserhebung die Möglichkeit, bestehende institutionelle Strukturen und Mechanismen nicht nur sichtbar zu machen, sondern auch kritisch zu hinterfragen und nach Veränderungsmöglichkeiten zu suchen.

Im Anschluss an die theoretische Einführung in die Thematik werden die Forschungsproblematik sowie die empirische Vorgangsweise expliziert (Kap. 3.). Ausgangspunkt meiner Untersuchung ist das Nostrifikationsverfahren zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Gesundheits- und Krankenpflegediplomen und die Frage nach den sprachlichen Anforderungen in diesem Kontext. Ausreichende Deutschkenntnisse werden in Wien zwar seit einigen Jahren als Eingangsvoraussetzung für die Teilnahme an der Ergänzungsausbildung systematisch überprüft, im Lehrgang selbst, in dem Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwestern/-pfleger aus dem Nicht-EWR-Raum je nach Ausbildungshintergrund verschiedene Fächer besuchen, werden sprachliche Aspekte – von der Kommunikation mit PatientInnen bis hin zur schriftlichen Pflegedokumentation – jedoch nicht mehr eigens vor dem Hintergrund einer fremd- bzw. zweitsprachigen Lernsituation thematisiert. Von verantwortlicher Seite werden entsprechende Deutschkenntnisse vorausgesetzt bzw. wird erwartet, dass NostrifikantInnen durch eine forcierte, rein fachliche Nachschulung gleichzeitig die notwendigen fachspezifischen Deutschkenntnisse erwerben. In diesem Zusammenhang soll die Frage geklärt werden, welche (sprachlichen) Anforderungen im Detail von welchen Seiten an die NostrifikantInnen gestellt werden und welche (sprachlichen) Bedürfnisse sie selbst in diesem Kontext entwickeln. In einem zweiten Schritt soll der Blickwinkel erweitert und auch die tatsächliche berufliche Praxis in die Sprach-bedarfserhebung einbezogen werden, wobei es hier um die Frage geht, wie stark sich die sprachlichen Anforderungen in der Nostrifikation von jenen im Beruf unterscheiden.

Für die Verfolgung dieser weiten Fragestellung war es notwendig, auch einen weiten empirischen Zugang mit unterschiedlichen Erhebungsmethoden zu wählen, die eine möglichst gegenstandsnahe Erfassung der Problematik gewährleisten. Die gewählten Methoden werden ebenfalls in diesem Abschnitt näher vorgestellt.

Der umfangreichste Teil der Arbeit ist der Darstellung der Ergebnisse aus der multiperspektivischen Erhebung gewidmet (Kap. 4.). Hier werden in zwei großen Abschnitten jeweils die institutionellen Rahmenbedingungen und Hintergründe der Nostrifikation und des Berufs, die sprachlichen Anforderungen im Lehrgang und im beruflichen Alltag der Pflege und die damit korrespondierenden Erfahrungen und Bedürfnisse von Betroffenen freigelegt und analysiert.

Für den ersten Abschnitt über die Nostrifikation (Kap. 4.1.) bedeutet das, dass zunächst die rechtlichen Bedingungen und der Ablauf des Nostrifikationsverfahrens beschrieben und im Anschluss daran der Eignungstest und der Lehrgang untersucht werden. Diesem Sprachbedarf, der auch die Sicht und Erwartungen von verantwortlicher Seite (LeiterInnen von Nostrifikationslehrgängen) miteinschließt, werden die subjektiven Sprachbedürfnisse der NostrifikantInnen gegenübergestellt. Hier geht es um eine kritische Einschätzung der Nostrifikationspraxis und der damit verbundenen sprachlichen Anforderungen aus Sicht der Betroffenen.

Im zweiten Abschnitt (Kap. 4.2.) wird das Berufsbild der Gesundheits- und Krankenpflege in Österreich vorgestellt, wobei ein besonderes Augenmerk auf den Wandel dieses Berufs von einer medizinischen Hilfsarbeit hin zu einer eigenständigen Profession und die damit verbundenen Veränderungen sowohl im Aufgabenbereich als auch im Selbstverständnis von Diplomierten Gesundheits- und Krankenschwestern/-pflegern gelegt wird. Darüber hinaus soll der Frage nachgegangen werden, welche Rolle MigrantInnen als Arbeitskräfte, aber auch als PatientInnen, in der Pflege spielen, ob und wie sie von der Forschung wahrgenommen werden und welche Konzepte es zu ihrer Integration ins Gesundheitswesen gibt.

In einem nächsten Schritt wird versucht, die Bedeutung kommunikativer Kompetenz in der Pflege herauszuarbeiten und den Sprachbedarf anhand eines Überblicks über die wichtigsten Gesprächstypen darzustellen. Diese theoretischen Vorgaben des Faches werden im Anschluss daran mit der Berufswirklichkeit und den tatsächlichen sprachlichen Handlungen von diplomiertem Pflegepersonal in Beziehung gesetzt. Dabei stütze ich mich auf linguistische Untersuchungen von Pflegekommunikation und auf Aussagen von PflegeexpertInnen, die ein sehr kritisches Licht auf den sprachlichen Umgang in der pflegerischen Praxis werfen. Beide Aspekte, sowohl die theoretischen Vorgaben als auch die tatsächliche Umsetzung, die zum Teil in großem Widerspruch zueinander stehen, bestimmen den „objektiven“ Sprachbedarf.

Im Mittelpunkt der Sprachbedürfniserhebung im Beruf steht schließlich die Auseinandersetzung mit den individuellen Sprachlern- und Sprachanwendungserfahrungen ehemaliger NostrifikantInnen, d.h. von Personen, die die Nostrifikation bereits hinter sich gebracht haben und als Diplomierte Gesund-heits- und Krankenschwestern/-pfleger tätig sind. Ihnen soll als ExpertInnen sowohl für den Nostrifikations- als auch für den beruflichen Sprachlernprozess eine starke Stimme verliehen und viel Raum für die Darstellung ihrer Erfahrungen sowie für ihre kritischen Einschätzungen des österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegesystems gegeben werden.

In der darauf folgenden Interpretation (Kap. 5.) werden die Resultate aus der multiperspektivischen Sprachbedarfs- und -bedürfniserhebung zusammengeführt und zueinander in Beziehung gesetzt, um so ein möglichst differenziertes Bild des Untersuchungsfeldes zu erhalten und etwaige Veränderungsmöglichkeiten der derzeit herrschenden Praxis ausloten zu können.

In einem Ausblick (Kap. 6.) sollen diese schließlich – vor allem in Hinblick auf den Nostrifikationslehrgang – konkretisiert und die erhobenen Sprachbedarfe und -bedürfnisse in Form von Empfehlungen für die Konzeption berufsspezifischer Deutschkurse auf verschiedenen Ebenen (berufsvorbereitend/-begleitend) an die Praxis rückgekoppelt werden. Gerade das österreichische Gesundheitssystem ist massiv auf Pflegepersonal aus dem Ausland angewiesen. Es besteht daher meines Erachtens eine gesellschaftspolitische (Mit)-Verantwortung, ein entsprechendes Sprachkursangebot zu schaffen, das den betroffenen Personen einerseits fundierte Grundkenntnisse der deutschen Sprache und andererseits die Spezifika der Fach- und Berufssprache des Pflegeberufs vermittelt. Das vorgestellte Sprachförderkonzept berücksichtigt daher sowohl den Sprachbedarf im Beruf als auch die Sprachbedürfnisse der Betroffenen und zielt auf eine umfassende Kompetenzentwicklung ab.

Aufgrund der derzeitigen Forschungslage zu diesem Thema und der sehr weit angelegten Fragestellung, die sowohl die Nostrifikation als auch die berufliche Praxis umfasst, besitzt die Arbeit explorativen Charakter. Das bedeutet auf der einen Seite, dass sich meine ursprüngliche Forschungsfrage, die sich rein auf die Nostrifikation beschränkt hatte, im Laufe des Forschungsprozesses stark in Richtung Berufsfeld ausgeweitet hat und sich aufgrund neu auftauchender Fragen neue Schwerpunktsetzungen ergeben haben. Auf der anderen Seite folgt daraus, dass das Endprodukt als Pilotstudie zu sehen ist, die sich sowohl als Sprachbedarfserhebung, im Sinne einer kritischen Analyse des Status quo, als auch als Sprachbedarfsaufdeckung versteht, die zahlreiche neue Fragen generiert und Impulse für eine Veränderung und Optimierung der derzeitigen Praxis geben will.

2. Beruflicher Sprachbedarf als Gegenstand der Forschung

Menschen lernen andere Sprachen, um sich in einer fremdsprachigen Umgebung zurechtzufinden, um an einem bestimmten Diskurs teilnehmen zu können, um ihre Berufschancen zu erhöhen, um mobiler zu werden, um mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin in dessen/deren Muttersprache sprechen zu können, um Literatur, Filme, Musik im Original zu genießen, … Diese Liste lässt sich beliebig lang fortsetzen. Eines wird jedoch deutlich: Es existieren immer ganz bestimmte Beweggründe, die jemanden das Abenteuer und auch die Anstrengungen, eine neue Sprache zu lernen, auf sich nehmen lassen, wobei gegenwärtig wohl eher die ökonomischen, weniger die humanistischen Motive überwiegen, wie auch Schaeder feststellt:

Während der Erwerb von Fremdsprachen ehemals als ein allgemeiner Gewinn an Bildung angesehen wurde, treten heute praktische Erwägungen zusehends in den Vordergrund. Man lernt Fremdsprachen nicht so sehr, um etwa andere Kulturen besser verstehen zu können, sondern weil man sich von der Beherrschung von Fremdsprachen eine zusätzliche berufliche Qualifikation und einen Wettbewerbsvorteil verspricht. Damit gewinnt der fachsprachliche Anteil an der Fremdsprachenausbildung vermehrt an Bedeutung. Deutsch/Englisch/Französisch usw. als Fachfremdsprachen sind gefragt. (SCHAEDER 1994, 198)

Gerade in der jetzigen Zeit ist es also erforderlich, dass Sprachen möglichst rasch und einfach für einen zumeist beruflichen Anwendungsbereich gelernt werden und dann zur Verfügung stehen; man könnte hier von einer wachsenden Spezialisierung des Sprachenlernens sprechen. Hat man für sich selbst einmal das Ziel definiert oder definiert bekommen („Für diesen Job müssen Sie besser Deutsch/Englisch/Französisch etc. können!“), folgt die Suche nach geeigneten Kursen, Lernmaterialien, Unterrichtenden, mit denen man hofft, diesem Ziel in möglichst kurzer Zeit näher zu kommen. Diese Suche wird sich je nach Sprache, Land, Fachbereich oder Berufsfeld recht unterschiedlich gestalten und nicht immer von Erfolg gekrönt sein, abhängig vom jeweiligen Gewicht, das diesem Thema in den einzelnen Ländern gegeben wird. So wird es beispielsweise einer Ärztin, die Englisch für den Beruf lernen möchte, leichter fallen, ein entsprechendes Angebot zu finden als einer Krankenschwester, die ihr Deutsch für diesen Beruf verbessern möchte. Im ersten Fall gibt es aufgrund der starken internationalen Position des Englischen, vor allem auch in der Medizin, aufgrund des hohen Prestiges dieser Fachrichtung und aufgrund der Tatsache, dass sich die USA, Kanada und Australien als Einwanderungsländer verstehen und hinter speziellen Englischkursangeboten nicht zuletzt wirtschaftliche Interessen stehen, eine langjährige Forschungs-und Unterrichtstradition. Diese ist als eigener Zweig unter der Bezeichnung English for specific purposes (ESP; „Englisch für spezielle Zwecke“) innerhalb der englischen Fremd- bzw. Zweitsprachendidaktik fest verankert.

Im zweiten Fall muss hingegen erst ein Bewusstsein für die Notwendigkeit entsprechender Unterrichtsangebote geschaffen werden, was sich die vorliegende Arbeit zur Aufgabe gesetzt hat. Wohl wächst auch im deutschsprachigen Raum in der Praxis das Angebot für immer stärker zielgruppenspezifische Kurse (v.a. im Bereich der Wirtschaft), aber eine gemeinsame – auch terminologische – Basis, wie sie das Englische mit English for specific purposes besitzt, ist bis dato nicht auszumachen. Die Methodik und Didaktik des Faches Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache sowie die Kursangebote konzentrierten sich bislang vornehmlich auf den allgemeinsprachlichen Bereich oder auf eine Fachsprachendidaktik mit stark linguistischer Ausrichtung. Folgende denkbare Zielgruppen im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege würden sich jedoch in keinem der beiden Angebote zur Gänze wiederfinden:

eine ausgebildete Krankenschwester, die in Österreich arbeiten möchte, aber noch nicht Deutsch kann

eine Migrantin, die schon mehrere Jahre in Österreich lebt und sich zur Pflegehelferin umschulen lassen möchte

eine Krankenschwester, die schon mehrere Jahre als Pflegehelferin in Österreich arbeitet und jetzt ihr Diplom nostrifizieren lassen möchte, um in ihrem angestammten Beruf zu arbeiten

ein Jugendlicher, der erst kurz in Österreich ist und eine Ausbildung als Diplomkrankenpfleger machen möchte

Weder ein rein „allgemeinsprachlicher“ Deutschkurs noch ein fachsprachlicher Kurs – wobei sich hier gleich die Frage stellt: welche Fachsprache? Die der Medizin oder die der Pflege, wenn es eine solche gibt, oder gar die des Rechtswesens, denn man lernt in der Ausbildung viel über berufsspezifische Rechtsgrundlagen? – würde diesen Anforderungen entsprechen. Gebraucht würden in diesem Kontext berufsorientierte bzw. berufsspezifische Deutschkurse.

Im Folgenden soll nun ausgehend vom Fachsprachenunterricht der Versuch einer Abgrenzung und Bestimmung des berufsorientierten sowie des berufsspezifischen Sprachunterrichts unternommen und dessen Verortung im Gebiet von „Deutsch als Zweitsprache“, innerhalb dessen die vorliegende Arbeit angesiedelt ist, nachgegangen werden.

2.1. Sprachenlernen für einen speziellen Zweck

2.1.1. Fachsprachenunterricht

In den letzten Jahren hat die Nachfrage nach speziellen Deutschkursen, die zunächst unter dem Terminus „Fachsprachenunterricht“ subsumiert werden können, stark zugenommen. Dieser ist eng an die Ausbildungs- bzw. Berufsziele der Lernenden gekoppelt, was dazu führt, dass er in sehr unterschiedlichen Ausprägungen auftritt. Es lassen sich in der heutigen Praxis dennoch grob zwei Hauptbetätigungsfelder identifizieren: einerseits der akademische Bereich, der sowohl Studierende als auch WissenschaftlerInnen einschließt, und andererseits der Schulsektor, und hier v.a. das Auslandsschulwesen, wo SchülerInnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch deutschsprachigen Fachunterricht (DFU) erhalten. Das zu unterrichtende Fach steht in diesem Kontext zwar im Vordergrund – der Unterricht wird von Fach- und nicht von SprachlehrerInnen abgehalten –, doch die Sprache findet ebenfalls starke Berücksichtigung, indem sie nicht nur als „‚Transportmittel’ für Fachinhalte vom Lehrer zum Schüler“ aufgefasst wird, sondern als „Werkzeug für die Auseinandersetzung mit Fachinhalten auf der kognitiven und der emotionalen Ebene“ (LEISEN 2003, I, 1). Ziel dieses Unterrichts ist die gleichzeitige und aufeinander Bezug nehmende Entwicklung von Fach und Sprache im Lernprozess (vgl. ebd.).

Aufschwung erhielt dieses Modell des kombinierten Sprach- und Sachlernens, das für Englisch bereits eine lange Tradition besitzt,1 nun auch für Deutsch: In dem groß angelegten Sokrates-Projekt „CLILiG – Content and Language Integrated Learning in German“ (Laufzeit 2005–2007) wurden die Entwicklung und das Entwicklungspotenzial von CLILiG in Europa analysiert.2 Die Ergebnisse zeigen ein breites Spektrum an Realisierungsmöglichkeiten dieses kombinierten Sach- und Sprachlernens, die von speziellen Projekten im Auslandskontext bis hin zu dem Ansatz reichen, dass jede Form des (Fach-) Unterrichts, gerade in multilingualen Kontexten, immer gleichzeitig auch Sprachunterricht ist bzw. sein muss (vgl. PORTMANN-TSELIKAS 1998; SCHMÖLZER-EIBINGER 2008). Dieser Umstand, der auch auf den hier vorgestellten Nostrifikationslehrgang für Gesundheits- und Krankenschwestern/-pfleger aus dem Ausland zutrifft (s. Kap. 4.1.1.), wird jedoch bis dato häufig vernachlässigt und muss erst Eingang in die (Fach-) LehrerInnenausbildung finden (vgl. HAIDER/HELTEN-PACHER 2009).

Klassischer Fachsprachenunterricht ist also vornehmlich im schulischen bzw. universitären/wissenschaftlichen Bereich angesiedelt und verfolgt das Ziel,

den Lerner in seinem Fach sprachlich handlungsfähig zu machen bzw. ihm den Erwerb der sprachlichen Handlungsfähigkeit in seinem Fach zu ermöglichen, zumindest aber zu erleichtern. Unter sprachlicher Handlungsfähigkeit im Fach verstehen wir die Fähigkeit des Lerners, sich in der Zielsprache (L2) angemessen zu informieren und zu verständigen. Angemessenes Verstehen bedeutet in diesem Zusammenhang, daß der Lerner in der Lage ist, mit seinen sprachlichen Mitteln unter Nutzung von Arbeitsstrategien Texten ein Maximum an Informationen zu entnehmen. Angemessene Verständigung bedeutet, daß sich der Lerner auf der Wissensstufe, auf der er sich gerade befindet, eindeutig und sachlich ausreichend differenziert äußern kann. (BUHLMANN/FEARNS 2000, 9)

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen den Lernenden die „Denkelemente und Denkstrukturen des jeweiligen Faches“ (ebd.), die die Mitteilungsstrukturen determinieren, vermittelt werden. In der Fachsprachendidaktik und -methodik muss es demnach vor allem um die Frage gehen,

welche Ausschnitte fachlicher Kommunikation und welche sprachlichen Mittel für die Vermittlung fachlicher Inhalte und die Produktion und Rezeption von Fachtexten relevant sind, welche Rolle diese beim Lernen und Lehren spielen und wie die einzelnen fachsprachlichen Elemente im Hinblick auf bestimmte unterrichtliche Bedingungsgefüge (Ziele, Adressaten, institutionelle Voraussetzungen etc.) zu vermitteln sind. (FLUCK 1992, 16)

Als wichtigste Bezugswissenschaft für die Fachsprachendidaktik fungiert dabei die Fachsprachenforschung, die sich als sehr lebendiger Forschungszweig innerhalb der Angewandten Linguistik3 herausgebildet hat. Allerdings wird von mehreren Seiten ein Mangel an Austausch zwischen Fachsprachendidaktik und Fachsprachenforschung konstatiert, da Forschungsergebnisse aus letzterer vielfach nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß für die Didaktik genutzt wurden und werden:

Auf methodischer Ebene ist es den Vertretern der Fachsprachendidaktik bisher jedoch nur in unzureichendem Maße gelungen, die weitreichenden Erkenntnisse der Fachsprachenforschung in praxiswirksame didaktische Strategien zur Darstellung von lehr- und lernrelevanten Mitteln der Fachkommunikation umzusetzen. Nach wie vor werden kontroverse Debatten über eine thematische, strukturelle und/oder funktionale Progression bei der Erstellung von fachsprachlichen Lehrbüchern bzw. in der mutter-und/oder fremdsprachlichen Fachsprachenausbildung geführt. Eine komplexe Synthese methodischer Konzepte, wie sie die Fachsprachenforschung mit ihrer interdisziplinären Betrachtungsweise nahe legt, will dabei nur in einigen Ansätzen gelingen […]. (BAUMANN 2003, 120)

Einen Grund für dieses unbefriedigende Verhältnis sieht Baumann im langen Festhalten der klassischen Fachsprachenvermittlung an der Konzentration des Unterrichts auf Lexik und Syntax, d.h. auf die funktionale Dimension von Fachsprachen, während das kommunikative Gesamtverhalten vernachlässigt wurde. Das Ziel einer fachkommunikativen Kompetenz, das heute für den Fachsprachenunterricht gefordert wird, verlangt jedoch einen erweiterten Blick auf Fachsprache, der über den Fokus auf Fachwortschatz und spezielle Grammatikphänomene hinausgeht und folgende Teilkompetenzen umfasst: die interkulturelle und die soziale Teilkompetenz, die Teilkompetenz des Fachdenkens, die fachliche, funktionale, textuelle, stilistische, textsyntaktische und lexikalisch-semantische Teilkompetenz (s. BAUMANN 2000, 160ff.). Vor allem die interkulturelle und die soziale Teilkompetenz gehen dabei weit über die Beherrschung von Fachsprache im herkömmlichen Sinn hinaus; hier geht es um das „Vermögen der Beteiligten, die jeweilige Kommunikationssituation umfassend zu analysieren und sich auf den Kommunikationspartner einzustellen.“ (ebd., 163)

Der konzeptionellen Öffnung des Fachsprachenunterrichts sind allerdings auch Grenzen gesetzt, etwa was die Orientierung an den Lernenden anbelangt. Das jeweilige Fach und dessen Anforderungen – gerade in Ausbildungssituationen, aber auch im Beruf – geben nämlich zum Teil sehr starre Strukturen (zu erfüllende Lehrpläne, zu verwendendes Unterrichtsmaterial, Prüfungen etc.) vor und prägen die fachlichen Lernsituationen. Dennoch schlug schon fast ein Jahrzehnt davor Fluck in dieselbe Kerbe, als er in einer Reihe von Thesen, die die Perspektiven fachbezogener Sprachausbildung betreffen, diese Erweiterung der Fachsprachenperspektive forderte, die nicht ausschließlich das Fach und dessen sprachliche Strukturen fokussiert, sondern auch den weiteren Verwendungskontext und die Bedürfnisse der Lernenden berücksichtigt:

Es gilt, die Fachsprachenperspektive neu zu fassen und sowohl auf gesellschaftliche Bedürfnisse (wie Flexibilität, Technologietransfer, transkulturelle Informationsgestaltung) wie individuelle Bedürfnisse (wie Selbständigkeit, Interaktivität, kulturelle Identität, Berufsqualifizierung) zu beziehen. Die dazu in Gang zu setzende Diskussion sollte von einem übergeordneten, gesamtsprachlichen und sozio-kulturellen Standpunkt aus erfolgen und die erwünschten und notwendigen (wie auch die überflüssigen) fachsprachlichen Fähigkeiten im Text- und Handlungsbereich bestimmen […]. (FLUCK 1992, 245f.)

Vor allem der fachliche Handlungsbereich macht es notwendig, dass die Lernenden allgemeine Sprachfähigkeiten entwickeln, sich rasch an neue fachliche Anwendungssituationen anpassen können, eigenverantwortlich ihre Lernprozesse organisieren und gestalten können etc.

Unterricht basierend auf dieser weiten Fachsprachenperspektive weist zahlreiche Berührungspunkte mit dem sogenannten berufsbezogenen Deutschunterricht auf, da es sich auch im Beruf und in der Berufsausbildung um fachliche Handlungsbereiche handelt, in denen Personen flexibel agieren und nach bestimmten (fach)sprachlichen Konventionen handeln müssen. Bei der nun folgenden Charakterisierung des berufsbezogenen Deutschunterrichts wird daher auch keine oppositionelle Gegenüberstellung angestrebt, die sich – wenn überhaupt – nur auf den sehr traditionellen Fachsprachenunterricht mit seinem Lexik- und Grammatikschwerpunkt beziehen könnte; vielmehr werde ich versuchen, ein Gesamtkonzept vorzustellen, das Fachsprachenunterricht und beruflichen Deutschunterricht in einem Kontinuum darstellt bzw. als Beschäftigung mit der prinzipiell gleichen Fragestellung aus zwei unterschiedlichen Richtungen. Als entsprechenden Oberbegriff werde ich – in Anlehnung an den englischen Begriff English for specific purposes – den Terminus „Deutsch für spezielle Zwecke“ verwenden.

2.1.2. Zur Abgrenzungsproblematik des berufsbezogenen Sprachunterrichts vom Fachsprachenunterricht

Während es sich beim Fachsprachenunterricht um ein mittlerweile relativ etabliertes Konzept handelt, ist der Diskurs um den berufsbezogenen4 Deutschunterricht noch in Bewegung, besonders was die Entwicklung einer umfassenden konzeptionellen Basis anbelangt.

Vor nicht allzu langer Zeit konnte man – auch in Fachkreisen – mit diesem Begriff nicht allzu viel anfangen. „Ach ja, damit ist wohl Fachsprache gemeint“ – so waren bestenfalls die Assoziationen. Inzwischen gibt es innerhalb der Didaktik von Deutsch als Fremdsprache und von Deutsch als Zweitsprache eine mehrjährige Diskussion um diesen Begriff, aber von einem allgemein gültigen Konzept ist man auch heute noch weit entfernt. (SZABLEWSKI-ÇAVUŞ 2000, 16)

Auch Funk weist auf den Umstand hin, wie schwierig es ist, eine Abgrenzung zwischen Fachsprachenunterricht und Deutsch für den Beruf zu finden: „Wer den etwas sperrigen Begriff ‚berufsbezogener Deutschunterricht’ hört, denkt meistens sofort an Fachsprachen [und] an unbekannten Wortschatz, schwer verständliche Texte und fachliche Inhalte.“ (FUNK 1992, 4) Dies hängt u.a. damit zusammen, dass Fachsprachenunterricht eine längere Tradition aufweist und damit auch präsenter ist, während berufsbezogener Sprachunterricht sich erst in der Phase der Etablierung befindet, was sich nicht zuletzt in folgender Beobachtung zeigt:

Bis in die Gegenwart hinein wird der Begriff Fachsprachenunterricht immer noch fälschlicherweise synonym verwendet. Ein Blick in die gängigen DaF-Studieneinführungen zeigt, dass in den Stichwortverzeichnissen bestenfalls von fachsprachlichem Unterricht oder fremdsprachlichem Fachunterricht die Rede ist. Eigenständige Einträge oder gar Definitionsversuche des berufsbezogenen DaF-Unterrichts fehlen. (FUNK 1999, 344)

Diese Situation hat sich heute zumindest dahingehend verändert, dass im internationalen Handbuch „Deutsch als Fremdsprache“ (HELBIG ET AL. 2001) sowie im Standardnachschlagewerk zum Fremdsprachenunterricht in der neu bearbeiteten Auflage von 2003 (BAUSCH ET AL. 2003) erstmals eigene Artikel zu berufsbezogenem Deutsch- bzw. Fremdsprachenunterricht von Hermann Funk aufgenommen wurden und damit auch die Bezeichnung als Fachbegriff festgelegt wurde. Funk konstatiert darin zunächst eine Vielfalt an Begriffen, die in der Praxis benutzt werden – von berufsbezogenem bis hin zu berufsorientiertem oder beruflichem Deutschunterricht – und verweist auf die anglo-amerikanische Tradition, die in der Begriffsbildung einen anderen Weg eingeschlagen hat:

Ein Blick auf das Englische zeigt eine terminologische Alternative: den Verzicht auf das offensichtlich problematische Adjektiv und die Konzentration auf das Ziel: Hier haben sich je nach Darstellungsebene die Begriffe English for Specific Purposes (ESP) bzw. English for Professional Purposes durchgesetzt, ein Begriff, der die Zweckorientierung des Sprachunterrichts betont, zugleich aber inhaltlich völlig offen in Bezug auf den konkreten Zweck ist, der von Fall zu Fall pragmatisch definiert werden muss. (FUNK 2001, 962)

Die „Zweckorientierung des Sprachunterrichts“ findet sich auch in seiner Definition des berufsbezogenen Deutschunterrichts, den er als Standardterminus vorschlägt, wieder: Dieser ist zuallererst „pragmatischer, lerner- und bedürfnisorientierter Sprachunterricht“ (FUNK 2003, 175). Damit rückt Funk die Lernenden an prominente Stelle und distanziert sein Gebiet klar vom Fachunterricht auf Deutsch, in dem das Fach und die fachlichen Denkstrukturen im Vordergrund stehen und die Unterrichtsplanung und -durchführung vorgeben bzw. stark prägen (s. Kap. 2.1.1.).

Auch bei Paleit stehen im berufsbezogenen Deutschunterricht die Lernenden im Zentrum; sie geht davon aus, dass sich berufsorientierte Ansätze in Deutsch als Zweitsprache5 „über den linguistischen Begriff der Fachsprache [hinwegsetzen]“ (PALEIT, 1996, 17), wobei Fachsprache als solche generell als nicht definierbar erscheint. Sie nennt in diesem Zusammenhang ein durchaus übliches (fachsprachliches) Angebot: „Deutsch für JuristInnen“, das auf den ersten Blick ganz klare Assoziationen auslöst, „bis die Überlegung beginnt, welches Deutsch, für welche Situation, für welchen Juristen?“ (ebd.) Je weiter man dieser Fragestellung nachgeht, desto deutlicher wird, dass die Zielgruppenorientierung vor der Orientierung an einer Fachsprache bzw. Fachsprachenkonstruktion stehen muss. Bei ihrem Versuch, aus der Praxis bereits bestehender berufsorientierter Kurse zu einer Definition selbiger zu kommen, taucht genau diese Anforderung als verbindendes Element auf: „Nachfragen zeigen, es gibt wenig Vergleichbares in diesen Kursen. Zielgruppen, Inhalte und selbstverständlich die zugrunde liegenden Konzepte variieren von Träger zu Träger.“ (ebd.) Als einziges gemeinsames Kriterium des berufsorientierten Deutschunterrichts scheint die „Ausrichtung auf die (potenziellen) Lernenden“ (ebd.) auf, d.h. hohe Zielgruppenorientierung ist das zentrale Prinzip dieser äußerst vielgestaltigen Kurse.

Die Vielfalt des Angebots, die sich hinter dem Begriff „berufsorientiertes Deutsch“ verbirgt, ist fast so groß, wie die Vielfalt an Arbeitsplätzen, an denen Deutsch als Umgangssprache verwendet wird. Deutsch ist für die unterschiedlichsten Ziele und Zwecke zu vermitteln,

– ausbildungsbegleitend

– berufsvorbereitend

– umschulungsbegleitend

– berufsspezifisch

– arbeitsplatzspezifisch

– firmen- und abteilungsspezifisch usw. (PALEIT 2000, 17)

Ein Grund für die Entstehung eines so bunten Angebots ist die Notwendigkeit, auf Veränderungen am Arbeitsmarkt rasch zu reagieren. Generell wächst durch die hohe Arbeitslosenrate der Konkurrenzdruck unter den Arbeitssuchenden, wobei Personen mit mangelnden Deutschkenntnissen zusätzlich benachteiligt sind. Selbst bei Jobs, die früher mit sehr geringen Deutschkenntnissen bewältigbar waren (z.B. im Reinigungs- oder Küchendienst), werden heute gute Deutschkenntnisse verlangt (vgl. PEIKERT 1996). Angesichts der rasanten Veränderungen und dem Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt ist anzunehmen, dass diese Anforderungen kontinuierlich ansteigen:

Immer mehr Beschäftigungen verschwinden, die auch ohne deutsche Sprachkenntnisse ausgeführt werden konnten oder nur den Erwerb einer geringen Sprachkompetenz in der Fremd- bzw. Zweitsprache Deutsch voraussetzen. Mit Geschicklichkeit, Schnelligkeit, Disziplin und hohem Arbeitseinsatz allein lässt sich heute kaum mehr eine Stelle finden. Diese Qualitäten brachten MigrantInnen bislang ein „Konkurrenzplus“ gegenüber Deutschen ein, gewiß auch die Bereitschaft, weniger attraktive Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. (ebd., 22f.)

Hinzu kommen gravierende Veränderungen in der Arbeitsorganisation: Konzepte wie Qualitätssicherung oder Kundenorientierung machen verbesserte kommunikative Kompetenzen in fast allen beruflichen Kontexten sowie auf allen Qualifikations- und Hierarchieebenen erforderlich. So müssen ArbeiterInnen beispielsweise in der Lage sein, im Zuge einer Qualitätsprüfung ihren Arbeitsablauf genau zu beschreiben, Probleme zu benennen oder auch Berichte zu verfassen. Schließlich besteht für alle arbeitenden Personen ein hoher Bedarf an Fort- und Weiterbildung sowie gegebenenfalls an Umschulungen, die ebenfalls nur mit adäquaten Sprachkenntnissen bewältigbar sind.

„[W]ährend die Praxis – wie ja so oft im Weiterbildungsbereich – bereits gegenwärtig gefordert ist, notfalls eben auch ohne fundierte theoretische Unterstützung, einen auf den Arbeitsplatz, auf die Berufstätigkeit ausgerichteten Deutschunterricht durchzuführen“ (SZABLEWSKI-ÇAVUŞ 2000, 29), steckt die Theorieentwicklung noch in den Anfängen. Auch Bauer und Gartmann betonen in ihrer Untersuchung von berufsorientierten Deutschkursen in Deutschland (1995–1998), für die insgesamt 403 Konzepte und Berichte von 95 verschiedenen Bildungsträgern nach den Kriterien Kursart, Zielgruppe, Kursziel, Lehrmaterial und Besonderheiten im didaktisch-methodischen Vorgehen analysiert wurden: „Der berufsorientierte Deutschunterricht ist weiter ein Experimentierfeld, in dem vorgefertigte didaktische Konzeptionen, Materialien, Zertifikate etc. weitgehend fehlen, und in dem Scheitern und Gelingen nahe beieinander liegen.“ (BAUER/GARTMANN 1998, 268)

Diese Vielfältigkeit der Ausformungen und Anforderungen im Bereich „Deutsch für den Beruf“ kann als die Hauptschwierigkeit für die Entwicklung eines einheitlichen Konzepts angesehen werden:

Berufsbezogener Deutschunterricht als „Schnittmenge“ von beruflicher Weiterbildung und einem DaZ6-Unterricht tangiert in der Praxis jeweils sehr unterschiedliche Berufsbereiche bzw. Berufsbilder und ist mit sehr verschiedenen inhaltlichen Anforderungen – und dies auf sehr unterschiedlichem Niveau aus sprachlich-didaktischer Perspektive – konfrontiert. […] Die Beschäftigung mit berufsbezogenem Deutsch umschreibt eine spezielle Lehr-/Lernanforderung in sehr unterschiedlichen organisatorischen Konstellationen mit differenten (Teil-) Zielen. (NISPEL/SZABLEWSKI-ÇAVUŞ 1996, 5)

Die unterschiedlichen Anforderungen und Konstellationen zeigen deutlich die zahlreichen Überschneidungen zwischen fach- und berufssprachlichen Angeboten, v.a. wenn es sich um Ausbildungssituationen handelt, wo sowohl streng fachbezogene Sprachverwendung mit ihrem typischen Wortschatz und ihren typischen Strukturen gefordert ist als auch berufsbezogene Sprachverwendung, wenn es um die Gestaltung beruflicher Aufgaben und Funktionen geht: „Berufliche Sprachverwendung enthält sehr oft auch fachsprachliche Anteile, fachbezogene Sprachverwendung muß nicht beruflich sein.“ (SCHNEIDER 1997, 152) Folgende Graphik verdeutlicht dies nochmals sehr anschaulich:

(nach Schneider 1997, 153)

Der hier angeführte Bereich der Berufsausbildung, der am stärksten fach- und berufsbezogene Sprachverwendung vereint, lässt sich um berufliche Fort- und Weiterbildung sowie – im Hinblick auf das Thema dieser Studie – um den Erwerb einer Berufsberechtigung (Nostrifikation) ergänzen. So wird im Rahmen der Nostrifikation von Gesundheits- und Krankenpflegediplomen in der theoretischen Ausbildung die „Auseinandersetzung mit dem Fachgebiet“ bzw. den Fachgebieten (von Pharmakologie bis zu berufsspezifischen Rechtsgrundlagen) verlangt und in den Praktika die „Gestaltung der beruflichen Funktion“ geübt (s. Kap. 4.1.2.2.). Für die vorliegende Arbeit hat dies zur Folge, dass sie sowohl fach- als auch berufsbezogene Sprachverwendung berücksichtigt, wobei der Begriff „Deutsch für spezielle Zwecke“ eine terminologische Klammer für beide Bereiche bietet.

Im folgenden Abschnitt soll nun der Versuch unternommen werden, den berufsbezogenen Deutschunterricht sowie dessen Prinzipien und Ziele, von denen bereits einige angedeutet wurden, näher zu bestimmen und auf diesem Weg auch zu einer Definition von Berufssprache zu kommen.

2.1.3. Zur Charakteristik berufsbezogenen Deutschunterrichts

Bisher wurde festgestellt, dass berufsbezogener Deutschunterricht nicht, wie lange Zeit angenommen, mit Fachsprachenunterricht gleichzusetzen ist und dass er v.a. aus neuen Anforderungen sowie verstärkter Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt entstanden ist und damit als ein „Kind der Praxis“ bezeichnet werden kann. Dabei ist eine starke pragmatische Ausrichtung als Antwort auf die Bedürfnisse der Lernenden zu beobachten, woraus sich eine weitere Differenzierung des Angebots, die bereits oben angedeutet wurde, ableiten lässt.

Das wesentlichste Element der Definition des berufsbezogenen Deutschunterrichts besteht in seiner Zweckorientierung als entscheidendem Element für didaktische Planungen, Materialentwicklung und die Motivation von Kursteilnehmern und damit in seiner pragmatischen Grundlage. Der Begriff des berufsbezogenen Deutschunterrichts hat also Bestand als umfassendste terminologische Klammer eines DaF-Unterrichts, der sich auf eine Vielzahl möglicher konkreter Unterrichtszwecke im Bereich der beruflichen Sprachverwendung bezieht. (FUNK 1999, 345f.)

Eine mögliche Differenzierung des berufsbezogenen Sprachunterrichts kann nach dem Zeitpunkt seines Stattfindens getroffen werden (vgl. FUNK 1999, 344): a) berufsvorbereitend mit dem Ziel einer allgemeinen sprachlichen Vorbereitung auf die beruflichen Anforderungen; eine denkbare Zielgruppe sind hier etwa Jugendliche, die noch keinen bestimmten Beruf gewählt haben und die in einer Orientierungsphase auch sprachlich begleitet werden; Inhalte können z.B. Lebenslauf und Bewerbungsschreiben verfassen, Bewerbungstraining etc. sein; b) berufsbegleitend mit dem Ziel einer besseren Bewältigung der sprachlichen Anforderungen im Beruf, wobei das Angebot hier von Kursen vor/nach der Arbeit bis hin zu einer Begleitung der Lernenden direkt am Arbeitsplatz reichen kann; c) berufsqualifizierend mit dem Ziel der sprachlichen Vorbereitung auf eine Sprachprüfung oder einen beruflichen Qualifikationsabschluss, d.h. neue fachliche Inhalte und Sprache werden gleichzeitig vermittelt oder aber Fachkenntnisse sind schon vorhanden und es geht um einen Transfer der Kenntnisse aus der Ausbildungssprache ins Deutsche, was auf (potenzielle) Kurse für NostrifikantInnen zutreffen würde.

Darüber hinaus kann eine weitere Untergliederung nach dem Grad der fachlichen bzw. beruflichen Spezialisierung des Sprachunterrichts getroffen werden. Zieht man einen radikalen Schluss aus der oben angeführten Definition für berufsbezogenen Deutschunterricht, so muss wohl jeder Unterricht, der Lerner- und Bedürfnisorientierung für sich reklamiert, notwendigerweise berufsbezogen sein oder zumindest berufsbezogene Komponenten besitzen, da Personen – gerade im Deutsch als Zweitsprache-Kontext – meist nicht „zum Spaß“ oder nur für die Freizeit Deutsch lernen, sondern auch für einen beruflichen Verwendungszweck (vgl. FUNK 1999).

Es bleibt festzuhalten, dass es sich hier immer schon um verbundene Bereiche handelt, da kommunikative Kompetenz nicht in einen privaten und einen beruflichen Teil zu trennen und daher auch nicht separat entwickelbar ist. Zudem sind zahlreiche sprachliche Handlungen im Beruf weder berufsspezifisch noch berufssprachenspezifisch (vgl. FUNK 2003) – man denke nur an den berühmten Smalltalk mit KollegInnen, aber auch an die Einbettung jeglichen Gesprächs in allgemeingültige Kommunikationsmuster und -abläufe (z.B. Gesprächsbeginn, Aufrechterhaltung eines Gesprächs, Themenwechsel, Gesprächsende etc.). Und umgekehrt entspricht eine solide allgemeine Basis dem grundlegenden Bedürfnis vieler InteressentInnen, sich nicht von Anfang an ausschließlich auf eine Domäne festzulegen, sondern, wie z.B. Aldag aufgrund ihrer Beratungstätigkeit an der VHS Duisburg berichtet (ALDAG 2000, 33), „erst einmal richtig Deutsch zu lernen“, d.h. eine umfassende sprachliche Kompetenz zu erwerben, in der Berufsbezogenheit einen wichtigen Aspekt unter anderen darstellt.

Je nach Stufe und Bedürfnis kann berufsorientierter Sprachunterricht im späteren Verlauf spezifischer werden, wie die folgende Graphik der „gegenläufigen Pyramiden“ zeigt, in der eine Zeitschiene für eine idealtypisch verlaufende Kursplanung vorgestellt wird.

Zeitschiene für die Kursplanung (FUNK 1992, 6)

Solchermaßen verstanden kann berufsbezogener Deutschunterricht, der die allgemeinsprachliche Basis nicht vernachlässigt, auch kritischen Stimmen, die von einer Ökonomisierung des Sprachenlernens, einem Abkappen wichtiger Sprachbereiche und einer Reduktion der MigrantInnen auf ihre Funktion als Arbeitskraft sprechen, die Stirn bieten. So formuliert z.B. Steuten, der mit der ausschließlichen Fokussierung von berufsorientiertem Deutsch einen „gravierenden Qualitätsverlust im DaZ-Spracherwerb“ befürchtet, folgende Kritik:

Auffällig erscheint mir, dass bei einer Vielzahl von aktuellen berufs-/arbeitsplatzorientierten Modellen entweder nicht (mehr) gesehen oder aber leichtfertig in Kauf genommen oder sogar ignoriert wird, dass sie sich stillschweigend von der Idee eines umfassenden allgemeinsprachlichen Deutschlernens verabschiedet haben. Die Abkehr von diesem – zumindest zeitweise von humanistischen Erwägungen geleiteten – Ideal ist offensichtlich keinen Gedanken mehr wert. Sowohl die Verdrängung dieses Ansatzes als auch den Mangel an Reflexion diesbezüglich halte ich für beklagenswert. […] So muss meiner Ansicht nach die Frage erlaubt sein, ob in der anscheinend unhinterfragten Selbstverständlichkeit, in der hier die Suspendierung allgemeinsprachlicher Qualifizierung zugunsten berufssprachlicher Anpassung auf konzeptioneller Ebene favorisiert wird, nicht letztlich wiederum eine arbeitsökonomische Instrumentalisierung des Migranten zutage tritt. (STEUTEN 2002, 25)

Derartige Entwicklungen in der Praxis, die Steuten hier anprangert, zeigen einmal mehr, wie wichtig die Arbeit an einem grundlegenden Konzept für berufsbezogenen Deutschunterricht ist, das gute Argumente für ein ganzheitliches Sprachlernprogramm bereithält. Nur so ist das Ziel aller genannten Formen von berufsbezogenem Sprachunterricht, nämlich die Erweiterung der Handlungsfähigkeit der Lernenden und nicht nur ihre möglichst schnelle Anpassung an einen Job, erreichbar:

Bezogen auf die Lernenden ist das Ziel des berufsbezogenen Deutschunterrichts die Verbesserung der deutschsprachigen Kommunikation im Berufsleben oder im Qualifizierungsalltag, um sich und ihre (fachlichen) Fähigkeiten dort aktiver einbringen zu können, um sich als Fachkräfte, als KollegInnen und ggf. als TeilnehmerInnen in beruflichen Fortbildungsangeboten „ins Gespräch“ zu bringen und „Gehör“ zu verschaffen, d.h. ihre berufliche Handlungsfähigkeit zu erweitern. (SZABLEWSKI-ÇAVUŞ 1997a, 100)

Der Erwerb beruflicher Sprachkompetenz, die nötig ist, um in diesem Feld erfolgreich handeln zu können, setzt sich aus mehreren Kompetenzbereichen zusammen, die voneinander abhängig und daher auch nicht getrennt voneinander zu entwickeln sind: Neben der bereits erwähnten allgemeinsprachlichen Grundlage beruht berufliche Sprachkompetenz auch auf einer fachlichen und damit verbundenen fachsprachlichen Kompetenz. Funk spricht in diesem Zusammenhang von einem „Spannungsfeld dieser vier Kompetenz- und Lernzielbereiche“ (FUNK 1992, 7), in dem sich der berufsbezogene Fremdsprachenunterricht befindet:

Kompetenzbereiche (FUNK 1992, 6)

Daran zeigt sich deutlich, dass Sprachkompetenz im Beruf nicht deckungsgleich mit fachsprachlicher Kompetenz, Berufssprache nicht (nur) Fachsprache ist – wie lange Zeit und teilweise auch heute noch angenommen wurde bzw. wird –, sondern weiter zu fassen ist. Anhand der obigen Graphik erscheint Berufssprache – ganz grob gefasst – als Schnittmenge von Allgemeinsprache und Fachsprache. Die Grundlage stellt die Allgemeinsprache dar, die in einem bestimmten beruflichen Feld oder an einem bestimmten Arbeitsplatz eine spezifische Prägung und Verwendungsweise erfährt. Diese erhält sie zunächst durch die vorgegebenen Arbeitsabläufe, die mit sprachlichen Handlungen verbunden sind – von berufsübergreifenden Anlässen (z.B. sich bewerben, Gehaltsverhandlung führen, Sicherheitsbestimmungen befolgen etc.) bis zu stark berufsspezifischen Handlungen (z.B. eine Materialbestellung aufgeben, einen Arbeitsbericht verfassen, eine Dienstübergabe machen) –, aber auch aufgrund von expliziten und impliziten sozio-kulturellen Regeln der jeweiligen „community of practice“ (vgl. GRÜNHAGE-MONETTI/KLEPP 2004).

Unter „berufsbezogener Sprache“ ist im Allgemeinen die thematische Ausrichtung des Sprachgebrauchs auf die Arbeits- und Berufssituation, d.h. im engeren Sinne auf Personen, Gegenstände und Arbeitsvorgänge am Arbeitsplatz und bei der Berufsausübung und im weiteren Sinne auf das berufliche und soziale Beziehungsgeflecht des Arbeits- und Berufsumfeldes zu verstehen. (KÜHN 2001, 9)

Dies führt zu einem zentralen und viel diskutierten Thema im berufsbezogenen Deutschunterricht, das auch für den Fachsprachenunterricht bestimmend ist, nämlich zu der Frage nach dem zu vermittelnden Wortschatz. Wo ist diese Schnittmenge zwischen Allgemeinsprache und Fachsprache im Kurs anzusetzen, worauf soll der Fokus gerichtet werden? Wie weit soll fachsprachlicher Wortschatz doch berücksichtigt werden?

Die Beantwortung dieser Frage kann natürlich nicht unabhängig vom Kontext, der Zielgruppe und den Bedürfnissen der TeilnehmerInnen beantwortet werden, doch generell findet sich in der Diskussion um berufsbezogenen Deutschunterricht ein starkes Plädoyer für berufsfeldübergreifenden Wortschatz. Eine der ersten Untersuchungen dazu stammt von FUNK und OHM (1991). Für die „Handreichung Fachsprache in der Berufsausbildung“ analysierten sie Lehrwerke aus Berufsschulen (Metallbereich und Arzthelferin) – damals noch in mühsamer Kleinarbeit, was heute in der Arbeit mit digital gespeicherten Korpora Konkordanzprogramme übernehmen: „Tendenzielles Ergebnis war neben dem großen Umfang des Wortschatzes […] ein hohes Maß an Übereinstimmung in allen Wortschatzbereichen ungeachtet der Unterschiedlichkeit der Wortfelder.“ (FUNK 1999, 346f.)

Speziell für BerufsanfängerInnen, die angesichts der heutzutage fehlenden Arbeitsplatzsicherheit ein hohes Maß an Flexibilität mitbringen müssen, ist ein berufsfeldübergreifender Wortschatz von großer Bedeutung:

Die in den jährlichen Berufsbildungsberichten und Arbeitsamtsstatistiken nachweisbaren immer häufigeren Berufs- und Branchenwechsel von Berufsanfängern besonders nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit machen eine fachsprachliche Spezialisierung von Berufsanfängern nicht sinnvoll, sondern legen vielmehr ein Konzept fach- und berufsfeldübergreifender sprachlicher und lernstrategischer Kompetenz nahe. (FUNK 1999, 348)

Aber auch Fort- und Weiterbildung innerhalb eines Berufsfelds haben eine grundlegende Sprachkompetenz als Voraussetzung, auf die aufbauend neuer (fach- bzw. berufsspezifischer) Wortschatz eines sich ständig weiterentwickelnden Berufs erworben werden kann. Die Betroffenen müssen Strategien besitzen, mit neuen sprachlichen Anforderungen umzugehen und sich die neuen Wörter selbst zu erschließen und anzueignen.

Die Konzentration auf die Vermittlung von speziellem Fachwortschatz im berufsbezogenen Deutschunterricht, wie sie traditionell vorgenommen wurde, erscheint deshalb wenig gewinnbringend; hinzukommen weitere Gründe, die Funk wie folgt zusammenfasst:

Es besteht die Gefahr des Veraltens fachlicher Wortschatzbestände innerhalb nur weniger Jahre.

Angesichts des riesigen Umfangs von Fachwortschatzbeständen7 und der mehr und mehr geforderten beruflichen Flexibilität ist kaum eine begründbare Auswahl etwa für einen berufsvorbereitenden Kurs zu treffen.

Es bleibt unüberprüfbar, ob das rezeptive oder gar aktive Verfügen über Fachwortschatz tatsächlich eine für die konkrete Berufspraxis nützliche Fähigkeit darstellt.

Es gibt keine tragfähigen, verallgemeinerbaren Kriterien für die Unterteilung in Rezeptionswortschatz und aktivierbare Wortschatzbestände.

Zeitaufwand und Ergebnis eines jeglichen Verfahrens der Wortschatzakkumulation stehen angesichts all dieser unklaren Prämissen in keinem vernünftigen Verhältnis.

(FUNK 1999, 350)

Beobachtungen in unterschiedlichen Kontexten (vgl. z.B. FLUCK 1992, 144; EGBERS 1993; MÜLLER 1996) haben zudem gezeigt, dass der Erwerb spezifischer Fachterminologie oft nicht das Kernproblem für Lernende darstellt, was ich auch in von mir durchgeführten Deutschkursen für Pflegepersonal feststellen konnte: TeilnehmerInnen waren äußerst versiert in medizinischer Fachterminologie, aber ihnen fehlte sozusagen „die Sprache rundherum“, sei es in einfachen Gesprächssituationen oder im Textverständnis. Hinzu kommen, wie Funk hervorhebt, häufig Fehleinschätzungen von Lernenden, wenn diese „Kommunikationsprobleme im Beruf als Fachsprachenprobleme bezeichnen, obwohl diese eher allgemein-kommunikativer, arbeitstechnischer oder interkultureller Natur sind oder im Bereich der fachlichen Denkstrukturen liegen“ (FUNK 2003, 176).

Schwierigkeiten tauchen also vorwiegend im schriftsprachlichen Bereich, beim Lesen und Verstehen von Texten, beim Verfassen von eigenen Texten etc. auf, wobei oftmals eine große Diskrepanz zwischen mündlichen Sprach-kenntnissen und schriftlichen Verstehensleistungen liegt. Das bedeutet, dass Personen in ihrem Beruf durchaus erfolgreich agieren können, solange sie sich im mündlichen Sprachbereich bewegen: „Berufsbezogene Anforderungsprofile sind immer auf umgangssprachliche Handlungsmuster bezogen und selten eindeutig fachlich bedingt. Berufssprachlich erfolgreiches Handeln ist demnach oft auch ohne fachsprachliche Spezialkenntnisse möglich.“ (FUNK 1999, 347) Auch diese Feststellung deckt sich mit meinen Beobachtungen aus dem Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege, wo Pflegehelferlnnen, die im Umgang mit PatientInnen in etwa die gleichen kommunikativen Anforderungen wie diplomiertes Personal zu erfüllen haben, jahrelang erfolgreich in ihrem Beruf arbeiten konnten, aber bei der Nostrifikation, die die Kenntnis von fachspezifischem Vokabular, das Verstehen von Fachtexten und Fachvorträgen etc. erfordert, scheitern (s. Kap. 5.1.).

Deutlich wird, dass hier nicht von einer starren, abgeschlossenen Definition von Berufssprache – mit einem klar umgrenzbaren Wortschatz – ausgegangen werden kann, sondern mit einem dynamischen Begriff operiert werden muss, der sich auf einem Kontinuum zwischen der Allgemeinsprache und hochspezialisierten

Fachsprachen bewegt. Ein prägnantes Bild für diese verschiedenen Schichten der Sprache, die aufeinander bezogen und daher als Ganzes zu betrachten sind, bringt Verhallen mit seinem „Zwiebelprinzip“ der Sprache:

Die erste Schicht besteht aus den frequentesten Wörtern einer Sprache; sie sind zum größten Teil bei den Auszubildenden bekannt. In der zweiten Schicht findet man die sogenannten “allgemein-berufssprachlichen Wörter”. Diese Wörter zeigen in Texten einer bestimmten Berufsgruppe eine hohe Frequenz und eine ebenso hohe Verteilung […]. Diese Wörter sind auch im alltäglichen Sprachgebrauch wiederzufinden, hier aber zumeist weniger frequent oder auch mit anderen Bedeutungen. […]

Die dritte Schicht ist die der spezialisierten Fachtermini und -ausdrücke, die meistens an spezialisiertes Fachwissen gebunden sind. In Analysen zeigen diese Wörter meistens eine hohe Frequenz aber eine niedrige Verteilung. (VERHALLEN 1996, 13)

Diese letzte Schicht, die so „typisch“ für ein Fach, einen Beruf scheint, kommt stets nur für einen relativ kleinen Anwendungsbereich zum Tragen und ist nur für eine kleine spezialisierte Gruppe von LernerInnen relevant; selbst innerhalb eines Berufsfeldes können dies viele verschiedene Bereiche sein: z.B. in der Gesundheits- und Krankenpflege von der Neonatologie bis hin zur Geriatrie. Berufsbezogener Deutschunterricht wird sich, nachdem es unzählige fachsprachliche Varianten gibt, daher selten in dieser Schicht bewegen (können), sondern den Fokus auf die „Förderung der allgemeinen sprachlichen Kompetenzen unter Berücksichtigung der Inhalte der jeweiligen Fachdisziplin“ (MÜLLER 1996, 16) legen.

Hinzu kommt die steigende Nachfrage nach Schlüsselqualifikationen, zu denen nach Funk folgende zu zählen sind: „Eigenständiger Umgang mit Aufgaben, Entscheidungsfähigkeit, Kritikfähigkeit/Selbstevaluation, Informationsverarbeitungskompetenz, Sozialverhalten/Teamfähigkeit, Selbständigkeit/Initiative“ sowie „[a]ngesichts der multikulturellen Realitäten in Ausbildung und Arbeitswelt […] ‚interkulturelle Kompetenz’“ (FUNK 2001, 966f.). Schlüsselqualifikationen werden heute in nahezu jedem Beruf gefordert und müssen daher nach Funk den „didaktische[n] Kern des berufsbezogenen Deutschunterrichts“ (ebd., 965) darstellen, während die Bedeutung von Fachsprachenkenntnissen tendenziell abnimmt bzw. sich auf den rezeptiven Bereich beschränkt. So kommt es z.B. im Kontakt mit KundInnen, KlientInnen oder GeschäftspartnerInnen hauptsächlich auf die soziokulturelle Angemessenheit einer Aussage, das Eingehen auf das Gegenüber, das überlegte Angehen heikler Themen etc. an.

Überträgt man die berufspädagogischen Forderungen [nach Schlüsselqualifikationen; d.Verf.] auf den Sprachunterricht, so würde dies in der Konsequenz analog bedeuten: Weg vom grammatischen und fachsprachlichen Spezialwissen hin zu verstärktem Kommunikationstraining unter Integration berufsspezifischer und je nach Kursrahmen auch betriebsspezifischer Elemente. Der fachliche und fachsprachliche Aspekt des Lernens ist offensichtlich nur ein Teil dessen, was später beruflich nützt. (FUNK 2001, 967)

In den neuesten Ansätzen zu berufsorientiertem Deutschunterricht sind Schlüsselqualifikationen mit dem Sprachenlernen bereits untrennbar verbunden und gelten als „übergreifende Ziele“ der Kurse:

– Lernen Lernen

– Selbständige Informationsaufnahme und –verarbeitung

– Denken in Zusammenhängen

– Planerisches Denken

– Kooperationsfähigkeit

– Verantwortungsbereitschaft

– Interkulturelles Lernen

– …

(GRÜNHAGE-MONETTI ET AL. 2003, CD-Rom)

Diese kontinuierliche Weiterentwicklung berufs- und arbeitsplatzorientierten Zweitsprachenlernens ist laut GRÜNHAGE-MONETTI und KLEPP (2004) v.a. im Kontext der Durchführung europäischer Projekte zu sehen, als deren Grundlagen die Entwicklungen des Europarats zur lernerzentrierten Bedarfserhebung (vgl. RICHTERICH/CHANCEREL 1978) und zum Vocationally oriented language learning (vgl. EGLOFF/FITZPATRICK 1997) gelten. Vier Projekte seien besonders hervorgehoben: „Odysseus – Zweitsprache am Arbeitsplatz – Sprachbedarfe und -bedürfnisse von ArbeitsmigrantInnen. Konzepte des Sprachelernens im berufsbezogenen Kontext“, „Setting up partnership against social exclusion at the workplace”, „TRIM – Training for the integration of migrants into the labour market and the local community“ (vgl. GRÜNHAGE-MONETTI/KLEPP 2004) und als jüngstes das Projekt „Deutsch am Arbeitsplatz (DaA). Untersuchung zur Kommunikation im Betrieb als Grundlage einer organisationsbezogenen Zweitsprachförderung“ (2007–2009), gefördert von der VW-Stiftung8.

In all diesen Projekten ist ein starker Fokus auf die tatsächliche Arbeits- und Sprachwirklichkeit und die daraus entstehenden Sprachbedarfe und -bedürfnisse zu beobachten. Sprachbedarfsanalysen werden in diesem Kontext als Grundlage für Kurs- und Materialentwicklungen einerseits sowie als konstitutiver Teil des Unterrichtsprozesses andererseits (vgl. GRÜNHAGE-MONETTI 2000) betrachtet. Sehr deutlich wird gezeigt, wie wichtig die Verzahnung von beruflicher und sprachlicher Förderung von MigrantInnen ist, um ihnen soziale und berufliche Integration, den Erhalt des Arbeitsplatzes, die Teilnahme an Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen zu ermöglichen (vgl. GRÜNHAGE-MONETTI ET AL. 2003).

Die hier beschriebene Weiterentwicklung des berufsorientierten bzw. berufsbezogenen Deutschunterrichts „weg vom fachsprachlichen Spezialwissen hin zu verstärktem Kommunikationstraining“ (s.o.) und zur Förderung von Schlüsselqualifikationen findet auch in der vorliegenden Arbeit insofern ihren Niederschlag, als die zu ermittelnden Sprachbedarfe und -bedürfnisse in der Gesundheits- und Krankenpflege sehr weit gefasst und nicht auf eine rein fachsprachliche Sichtweise eingeengt werden. Es wird demnach nicht um die Ermittlung eines für die Pflege relevanten Fachwortschatzes gehen, der in weiterer Folge als Grundlage für die Schaffung eines berufsbezogenen Deutschkursangebotes dienen soll, sondern um die Identifizierung jener Faktoren, die berufliche Handlungsfähigkeit ermöglichen und bedingen. Dieser Herangehensweise liegt das hier explizierte, weite Konzept von Berufssprache zugrunde, das eine Schnittmenge aus sogenannter „Allgemeinsprache“ und Fachsprache darstellt und von den beruflichen Handlungsabläufen sowie sozio-kulturellen Regeln der jeweiligen „community of practice“ geprägt ist.

2.1.4. Berufsbezogener Sprachunterricht im Kontext des allgemeinen Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts

Nach dieser ersten Standortbestimmung des berufsbezogenen Deutschunterrichts und der Skizzierung seiner zentralen Inhalte soll der Blick nun auf den Unterricht von Deutsch als Zweitsprache (für Erwachsene) gerichtet und der Frage nachgegangen werden, auf welchen fachlichen Prämissen berufsbezogener Sprachunterricht beruht und wo umgekehrt von diesem neue Impulse ausgehen.

Innerhalb des Arbeitsgebietes Deutsch als Zweitsprache tauchte das Thema Fach- bzw. Berufssprachen laut Barth in den 80er-Jahren auf. „Ausgangspunkt war die Beobachtung und Überlegung, daß Migranten, die über relativ entwickelte Deutschkenntnisse verfügen, erhebliche Verstehensprobleme in der Berufsausbildung und auch in der Berufsvorbereitung haben.“ (BARTH 1996, 10) Der Erwerb adäquater Sprachkenntnisse stellt demnach ein wichtiges Kriterium für den Erfolg von MigrantInnen in Schule und Ausbildung dar, besonders angesichts der sich stark ändernden Arbeitsmarktsituation (vgl. SZABLEWSKI-ÇAVUŞ 2000). So trifft man auf berufsbezogenes Deutsch als eine wichtige Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit in Deutschland vor allem im Kontext von Qualifizierungsmaßnahmen oder beruflicher Weiterbildung mit MigrantInnen. Entsprechende Kurse sollen als Grundlage für eine erfolgreiche Teilnahme an den Angeboten dienen und sind folglich als wichtiger Baustein für die berufliche Weiterentwicklung von MigrantInnen und generell für ihre Integration zu sehen, wie Paleit in einem umfassenden Konzept zur Zweitsprachenförderung von ZuwanderInnen demonstriert. Dieses reicht von Alphabetisierungskursen über berufsorientierte bis zu sehr spezifischen arbeitsplatzbezogenen Deutschkursen, die mittels eines Sprachenportfolios kontinuierlich reflektiert und dokumentiert werden. (PALEIT 2000, 19)

In Österreich beschränkt sich das Angebot für MigrantInnen weitgehend auf die ersten beiden Stufen – Alphabetisierungs- und allgemeine Deutschkurse auf einem niedrigen Niveau (Stufe A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens; TRIM ET AL. 2001), die zur Erfüllung der sogenannten Integrationsvereinbarung9 dienen. Ein Konzept für ein umfassendes sprachliches Integrationsprogramm, das auch den Qualifizierungs- und Berufsbereich umfasst, existiert bis dato nicht. Berufsbezogener Deutschunterricht ist hauptsächlich in Einzelinitiativen auf Projektbasis vertreten, die untereinander kaum vernetzt sind und meist auch keine Nachhaltigkeit über das Projektende hinaus aufweisen. Zudem sind viele dieser Kurse oft nur an engagierte Personen und nicht an Institutionen geknüpft, wodurch eine langfristige Etablierung eines berufsorientierten Angebots und eine kontinuierliche Arbeit nahezu unmöglich sind. Zwar werden im Rahmen von AMS-Maßnahmen in Österreich berufsorientierte Deutschkurse angeboten, allerdings ohne gemeinsames Konzept, Evaluierung, Kursleiterqualifizierung etc. In den meisten Fällen ist daher anzunehmen, dass hier „Berufsorientierung“ nur ein Schlagwort bleibt.

Wie sieht es aber nun mit dem Verhältnis von berufsbezogenem Deutsch zu Deutsch als Zweitsprache aus? In einem mehrjährigen Projekt des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) zu berufsbezogenem Deutsch hat sich ein Arbeitskreis des Projekts „Berufliche Weiterbildung mit ausländischen Arbeitskräften“ u.a. mit dieser Frage beschäftigt und versucht zu klären, „inwiefern sich die Anforderungen beim Erlernen von berufsbezogenem Deutsch zum allgemeinen Erlernen des Deutschen als Zweitsprache (DaZ) abgrenzen lassen bzw. diese ergänzen.“ Dabei konnten drei Teilbereiche identifiziert werden, „in denen Anforderungen an deutschsprachige Kompetenzen im Arbeitsleben bestehen und die zumindest in dieser Konkretheit im außerbetrieblichen Alltag nicht bestehen.“ (SZABLEWSKI-ÇAVUŞ 2000, 19) Die Teilbereiche sind: arbeitsplatzbezogene Kommunikation, die die allgemeine Einbindung ins Arbeitsleben (Sozialversicherung, Gewerkschaft etc.) und in eine betriebliche Organisationsstruktur betrifft, berufsfachliche Kommunikation, die die tatsächliche Berufsausübung und die damit verbundenen sprachlichen Anforderungen betrifft – nach dem Motto: „Es genügt nicht, etwas zu wissen, man muß es auch sprachlich vermitteln bzw. kommunizieren können.“ (SZABLEWSKI-ÇAVUŞ 1997a, 102) –, und qualifizierungsbezogene Kommunikation, die mit dem Erwerb von Fachwissen in Qualifizierungsmaßnahmen zusammenhängt (vgl. auch NISPEL 1996).

Die genannten Bereiche sind in erster Linie thematische Schwerpunktsetzungen, die eine bestimmte Auswahl an Inhalten, d.h. authentischen Texten, Situationsbeispielen etc., nach sich ziehen. Bei der Beschäftigung mit berufsorientiertem Deutschunterricht tauchen jedoch zahlreiche weitere Problemfelder auf, die weit über diese berufs- bzw. fachsprachliche Thematik im engeren Sinn hinausreichen. Kaufmann nennt hier einige Beispiele: Probleme der Lernenden mit der deutschen Allgemeinsprache, Schwierigkeiten im Umgang mit Fachtexten, Probleme der Lernenden mit dem Lernen, Heterogenität in den Kursen, kulturelle Fremdheit (KAUFMANN 1996a, 20). Diese Aspekte liegen nicht in den berufssprachlichen Anforderungen begründet und sind nichts spezifisch Neues, sondern aus dem Deutsch als Zweitsprache-Bereich seit jeher bekannt. Auch die Unterrichtsprinzipien, auf die berufsorientierter Deutschunterricht zurückgreift und die er aufgrund seines Anspruchs mit besonderer Konsequenz umsetzt, stellen etablierte Grundlagen heutigen Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts dar. Faistauer führt auf Basis des konstruktivistischen Ansatzes vier Hauptprinzipien an:

– Prinzip der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität (Lernen ist ein aktiver und konstruktiver Prozess)

– Prinzip der Authentizität (Lernen ist situations- und kontextgebunden)

– Prinzip der Autonomie (Lernen ist ein selbstgesteuerter Prozess)

– Prinzip der Kooperation (Lernen als sozialer Prozess) (FAISTAUER 2005, 12ff.)

Im Folgenden soll nun näher auf diese Prinzipien und ihre Verankerung im berufsbezogenen Deutschunterricht eingegangen werden.

ad 1) Prinzip der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität

Ein besonderes Konzept, das im Deutsch als Zweitsprache-Bereich und dessen Prinzipien fest verwurzelt ist und auf dieser Basis einen berufsbezogenen Schwerpunkt setzt, stellt die „integrative berufsbezogene Sprachförderung des Deutschen als Zweitsprache“ (vgl. MÜLLER 1996) dar. Sie fokussiert nicht ausschließlich die fehlenden (berufs-/fach-) sprachlichen Kompetenzen, sondern betont im Sinne des Mehrsprachigkeitsprinzips auch die schon vorhandenen Sprachkompetenzen als wichtiges Kapital der auszubildenden ImmigrantInnen:

Ein Grundgedanke [dieses Konzepts; d.Verf.] ist die Anerkennung der Zweisprachigkeit junger Immigrantinnen und Immigranten, die Würdigung ihrer zweisprachigen Kompetenz als ganzheitlich und unteilbar und die Auffassung, daß Zweisprachigkeit eine persönliche Bereicherung ist und darüber hinaus ein gesellschaftliches Potential bedeutet, aus dem Selbstvertrauen und Selbstbewußtsein wachsen kann. (MÜLLER 1996, 13)

Nicht zu vergessen ist die Rolle des Englischen in der Mehrsprachigkeitsdiskussion. Viele Berufe verlangen ausdrücklich englische Sprachkompetenzen oder besitzen selbst einen großen englischen Wortschatz (z.B. die EDV-Branche), ohne dessen Kenntnis Fort- und Weiterbildung nahezu unmöglich ist. Vorstellbar wäre hier beispielsweise, den Weg einer funktionalen Mehrsprachigkeit unter Einschluss des Englischen zu verfolgen, der die Sprachenlernenden optimal auf einen mehrsprachigen europäischen Berufsalltag einstellt. Im Bereich der Sprachförderung von MigrantInnen ist jedoch bisher wenig von der Integration des Englischen bemerkbar.

Als weitere Lernbereiche haben sich in diesem ganzheitlichen Sprachlernansatz neben dem berufsbezogenen Sprachlernen, das fachliches und sprachliches Lernen verbinden soll, die Förderung allgemeinsprachlicher Fähigkeiten und die Ausbildung interkultureller Kommunikationskompetenzen herauskristallisiert. Der letztgenannte Bereich geht von der Lebenswelt und dem beruflichen Alltag der betroffenen Personen aus und rückt ihre Rolle als künftige KulturmittlerInnen in den Vordergrund:

Ziel des Lernbereichs „Interkulturelle Kommunikation“ ist die Sensibilisierung für Prozesse beruflicher Interaktion. Angestrebt wird dabei die Erweiterung sprachlicher Handlungsfähigkeit. Als potentielle Sprach- und Kulturmittler in multinationalen Arbeitsbereichen sind Immigranten in ihrer Beobachtungsfähigkeit, in ihrem Vermittlungsgeschick und in ihren Argumentationsfertigkeiten und somit in ihrem verbalen Ausdrucksvermögen stark gefordert. Als Multiplikatoren interkulturellen Lernens stehen Immigrantinnen und Immigranten vor der Aufgabe, sowohl ihren Landsleuten als auch deutschen Einheimischen kulturgeprägte Haltungen und Deutungsmuster zu erklären bzw. zu übersetzen und gegebenenfalls zum besseren Verständnis ergänzende Informationen anzuführen. (MÜLLER 1996, 18)

In ganz besonderem Maße treffen die geforderten Kompetenzen auf den Bereich der Pflege zu, worauf ich später noch genauer eingehen werde. Zu betonen ist, dass es sich bei interkultureller Kommunikation allerdings nur um einen wechselseitigen Prozess handeln kann, der die Kommunikationsfähigkeit aller Beteiligten fördern und erweitern soll. Das kann berufsbezogener Unterricht natürlich nicht alleine leisten, aber er kann sehr wohl Multiplikationsprozesse initiieren, die auch Deutsch-Muttersprachige erreichen.

Der Fokus auf interkulturelles Lernen, das darauf abzielt, gewohnte Selbstverständlichkeiten und Sichtweisen infrage zu stellen und neue Lernchancen für alle zu entdecken, bedeutet u.a. eine Abkehr vom Defizitansatz, da interkulturelles Lernen gerade die Kompetenzen und Erfahrungen der Lernenden in den Mittelpunkt rückt und nicht die mangelnden Deutschkenntnisse. In diesem Zusammenhang ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass Interkulturalität und interkulturelle Öffnung z.B. sozialer Einrichtungen „nicht nur ein sozialpolitisches Muß, das einer stärkeren Nachfrage gerecht wird, sondern zunehmend auch ein Marketing-Plus für Unternehmen“ (NISPEL 1997, 81) darstellt, wo Personen mit Migrationshintergrund besonders punkten können. Diese Prozesse können aber – wie bereits oben erwähnt – nicht von ihnen allein bewerkstelligt werden:

Eine interkulturelle Öffnung der sozialen Dienste ist nicht allein durch die Einbeziehung ausländischer Fachkräfte zu erreichen. Sie sollte vielmehr als ein Querschnittsthema in den Einrichtungen und in den ausbildenden Fachschulen sowie in der Fortbildung der deutschen Fachkräfte verstanden werden. Eine Sensibilisierung für interkulturelle Fragestellungen der deutschen Fachkräfte ist Voraussetzung für die Ermöglichung interkultureller Lernprozesse in gemischt-nationalen Teams. (NISPEL 1997, 82)

Auf diesen Punkt wird später noch genauer einzugehen sein, da gerade in der Gesundheits- und Krankenpflege „gemischt-nationale Teams“ seit langem Realität sind, die bislang noch wenig explizit genutzt, sondern eher stillschweigend hingenommen wurde.

ad 2) Prinzip der Authentizität

Die starke Orientierung an den Erfahrungen der Arbeitswelt und den am Arbeitsplatz real zu bewältigenden Aufgaben erfordert den Einsatz von authentischen Materialien. Dabei handelt es sich um natürlich komplexe Texte (schriftlicher und mündlicher Art), die aus dem Arbeitsleben bzw. aus einem bestimmten Berufsfeld stammen und für den Unterricht didaktisiert werden. Ein ständig präsentes Problem im berufsbezogenen Deutschunterricht ist die viel beklagte Tatsache, dass es jedoch kaum geeignetes Material gibt. Vorhandene Lehrwerke, die z.B. berufsübergreifend auf das Arbeitsleben vorbereiten sollen, etwa „Dialog Beruf“ (BECKER ET AL. 1997f.) entsprechen oftmals „nicht den realen Bedürfnissen der Zielgruppe, da sie nicht die Berufsfelder ansprechen, in denen ein Großteil dieser KursteilnehmerInnen dann später arbeitet“ (ARNDT 1998, 26). Mittlerweile existieren zwar zahlreiche (bundesdeutsche) Neuerscheinungen auf dem Markt, die bestimmte Zielgruppen bzw. Berufsfelder, beispielsweise Wirtschaft (z.B. BUSCHA/LINTHOUT 2007; EISMANN 2006a-d, 2007), Tourismus (z.B. LÉVY-HILLERICH 2005a; ITALIANO/VALPERGA 2006, 2007), Landwirtschaft (LÉVY-HILLERICH 2005b), Pflege (LÉVY-HILLERICH 2005c; PEIKERT 2006; FIRNHABER-SENSEN/RODI 2009), ansprechen sollen, konkrete Erfahrungswerte, vor allem für Österreich, liegen bis jetzt allerdings noch keine vor. Mit der vorliegenden Arbeit soll für den Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege auch auf diese Defizite aufmerksam gemacht und sollen notwendige Schritte zur Schaffung adäquater Unterrichtsmaterialien aufgezeigt werden (s. Empfehlungen in Kap. 6.).

Im Bereich des Testens ist die Auswahl an berufsbezogenen Angeboten noch geringer; als wichtigste Prüfung ist das „Zertifikat Deutsch für den Beruf“ (ZDfB) vom Deutschen Volkshochschul-Verband (DVV) und dem GoetheInstitut (GI) zu nennen, das folgendes Ziel verfolgt:

Nicht die Beherrschung bestimmter Berufssprachen, z.B. von technischen oder kaufmännischen Berufen, wird überprüft, sondern „berufsfeldübergreifende“ Kompetenz, d.h. wir konzentrieren uns im ZDfB auf die „Schnittstellen“ innerhalb der Unternehmenskommunikation, die für eine möglichst breite Mitarbeitergruppe relevant sind. (VON DER HANDT/STRICKER 1995, 9f.)

Das Zertifikat stellt einen wichtigen Entwicklungsschritt in der Berufssprachendidaktik dar und möchte mit seinen Lernzielbeschreibungen, die mit jenen aus dem „Zertifikat Deutsch als Fremdsprache“ (ZDaF) korrespondieren, als „wissenschaftliche Grundlage für die notwendigen Entwicklungen im Bereich der Lehrwerkskonzeption, der Planung eines adressatengerechten Unterrichts […] und nicht zuletzt für die notwendige Kursleiteraus- und -fortbildung“ (ebd., 9) dienen.

Gewichtige Kritik am „Zertifikat Deutsch für den Beruf“ formuliert jedoch FUNK (1999), der vor allem die starren Wortlisten, die eindeutig wirtschaftslastig sind, und die Wiederaufnahme des Fachsprachenparadigmas im Bereich der Grammatik anprangert. Das von ihm eingeforderte Sprachhandlungskonzept beruht hingegen auf dem Prinzip der Authentizität: Nur wenn im Kurs möglichst authentische Situationen und Redeanlässe hergestellt werden, lernen die TeilnehmerInnen mit Sprache zu „handeln“ und sie situationsadäquat einzusetzen. Erreicht werden kann dies einerseits durch den Einsatz von authentischen Materialien (s.o.), die im Rahmen einer Sprachbedarfserhebung (s. Kap. 2.2.) gesammelt werden. Bereits bestehende Lehrwerke können hier sicherlich als Orientierung für die Themenwahl und als Materialergänzung dienen. Andererseits stehen die Lernenden selbst als Quelle für „authentische“ Erfahrungen im Beruf zur Verfügung, die als Unterrichtsthema aufgegriffen werden können und sollen. So verstandene TeilnehmerInnenorientierung ermöglicht situations- und kontextgebundenes Lernen und enthält durch die enge Anknüpfung an die Erfahrungen und Bedürfnisse der Lernenden auch ein nicht zu unterschätzendes Motivationspotenzial.

ad 3) Prinzip der Autonomie

Die Förderung von Schlüsselqualifikationen gilt heute als wesentlicher Teil von berufsbezogenem Deutschlernen, wie bereits im vorangegangenen Kapitel gezeigt wurde. Eine wichtige Komponente dieser Qualifikation ist der eigenständige und kreative Umgang mit Aufgabenstellungen, der durch die Förderung autonomen Lernens im Unterricht erreicht werden soll.