Dichterfrauen sind immer so - Emilie Fontane - E-Book

Dichterfrauen sind immer so E-Book

Emilie Fontane

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Beschreibung

Emilie Fontane erzählt ihr Leben als »Netzwerkerin« im Kreis der Prominenz ihrer Zeit.

Sie war weit mehr als die Abschreiberin der sämtlichen Werke ihres bis heute populären Schriftstellermannes: Emilie Fontane stand mit der kulturellen und politischen Elite jener Tage im Austausch. In ihren Briefen aus mehr als sechs Jahrzehnten spiegeln sich alle Stationen ihres Lebens und fügen sich zu einer facettenreichen Autobiographie zusammen. Sie wurde immer mehr zu der eigenständigen, ebenbürtigen Akteurin, die sich mit Stolz als »Dichterfrau« sah. 

Gotthard Erler, dessen jahrzehntelange Forschung an der Verbreitung des Fontane’schen Werkes einen hervorragenden Anteil hat, erschließt die bislang größtenteils unveröffentlichte Korrespondenz und macht damit erstmals das Briefwerk Emilie Fontanes in seiner Breite zugänglich. Die neuen Dokumente erhellen zahlreiche unbekannte Details und erzählen die Emanzipationsgeschichte einer eindrucksvollen Frau des 19. Jahrhunderts.

»Ich weiß, Glück u. Unglück wechselt in jedes Menschen Leben ab.« EMILIE FONTANE, 1850.

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Seitenzahl: 498

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Über das Buch

Auf dem Hintergrund kleinstädtischer Lebensweisen und biedermeierlicher Moralvorstellungen nimmt sich die Herkunft der späteren Emilie Fontane reichlich verworren aus. Unehelich geboren, besucht sie zwar eine ordentliche Schule, wird aber herumgereicht und als »angenommener Panker« (illegitimes Kind) beschimpft. Auf den 15‑jährigen Swinemünder Apothekersohn Theodor Fontane, der seit 1833 im Nachbarhaus bei seinem Onkel August lebt, macht sie zunächst den Eindruck eines schmuddeligen »Ciocciarenkindes aus den Abruzzen«. Aber da ist zum Glück auch Tante Pine, August Fontanes Frau Philippine, eine ehemalige Schauspielerin, die sich der verwahrlosten Emilie annimmt, deren offensichtliche Passion für Theater und Theaterspiel geschickt fördert und den jungen Theodor mit einbezieht. Und so nimmt das Schicksal der jungen Frau eine Wendung, von der sie selbst vielleicht am wenigsten zu träumen gewagt hätte. Von hier entfaltet sich die erstaunliche Lebensgeschichte einer Frau, die sich als unentbehrliche Partnerin an der Seite ihres Mannes ein ganz eigenes Wirkungsfeld schuf und den gängigen Rollenbildern ihrer Zeit zu entwachsen vermochte.

Über Emilie Fontane

Emilie Fontane, geborene Rouanet, wurde 1824 als uneheliches Kind in Dresden geboren und von dem Berliner Globushersteller Wilhelm Kummer adoptiert. Zum Missfallen ihrer Familie heiratete sie 1850 den »Habenichts« Theodor Fontane. Neben Haushalt und vier Kindern übernahm sie zahlreiche Aufgaben im Zusammenhang mit der Entstehung und Veröffentlichung der Werke ihres Mannes. Sie starb 1902 in Berlin.

Dr. Gotthard Erler ist Autor der Emilie-Fontane-Biographie »Das Herz bleibt immer jung« und Herausgeber zahlreicher Fontane-Editionen, u. a. begründete er die Große Brandenburger Fontane-Ausgabe, in deren Rahmen der 3-bändige »Ehebriefwechsel« erschien, auf dessen Grundlage er den Auswahlband »Die Zuneigung ist etwas Rätselvolles. Eine Ehe in Briefen« zusammenstellte.

Dr. Christine Hehle, Herausgeberin und Lektorin, war als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Theodor-Fontane-Archivs u. a. verantwortlich für die editorische Betreuung des erzählerischen Werkes innerhalb der Großen Brandenburger Ausgabe.

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Emilie Fontane

Dichterfrauen sind immer so

Eine Autobiographie in Briefen

Herausgegeben von Gotthard Erler, Christine Hehle

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Kapitel 1: »Das Mächen mit de Eierkiepe« — Die vermeintliche Ziegenhirtin aus den Abruzzen hat sich sehr verhübscht (1839–1844)

Kapitel 2: »… es ist auch gar zu bitter immer vergebens zu hoffen« — Verliebt, verlobt – und schließlich doch noch verheiratet (1845–1850)

Kapitel 3: »… daß London unsere zweite Heimath werden soll« — Eine Brief-Ehe zwischen britischer Metropole und preußischer Residenz (1850–1858)

Kapitel 4: »Unterwegs und wieder daheim« — Familienleben in Berlin und Reisen in Mitteleuropa (1859–1869)

Kapitel 5: »Ein Jahr der Unruhe« — Der Mann erst stellungslos, dann kriegsgefangen (1870/71)

Kapitel 6: »… es wird uns eine Sehnsucht im Herzen bleiben« — Zwei Italienreisen (1874 und 1875)

Kapitel 7: »Mir ist die Freiheit Nachtigall, den andern Leuten das Gehalt« — Frau eines Kurzzeit-Beamten, dann Theaterkritikers und Romanciers (1876–1878)

Kapitel 8: »… mein Gott, wie verwöhnt ist man doch in geistiger Beziehung« — Lektorin, Kopistin, Vorleserin, Brief- und Papel-Partnerin (1878–1891)

Kapitel 9: »Die Krankheit hat ihn rapid zum alten Mann gemacht« — Nach einem schlimmen Sommer im Riesengebirge schreibt sich der knapp 74‑jährige Ehemann wieder aus seiner Depression heraus (1892)

Kapitel 10: »Was sagt Ihr zu diesem endlosen Sommer?« — Zwischen Potsdamer Straße 134c und Grandhotel Pupp in Karlsbad (1893–1898)

Kapitel 11: »… so lange ich mich noch hier auf der Reise befinde, will ich die Augen offen halten, für Alles Gute was mir geblieben« — Post mortem auctoris – die Jahre als Witwe (1898–1902)

Anhang

Bildteil

Nachwort

Kommentiertes Verzeichnis der Briefempfängerinnen und Briefempfänger

Briefverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Editorische Notiz

Dank

Impressum

Emilie Fontane: »Meine geliebten Söhne«, Brief vom 4. Juli 1867

Kapitel 1

»Das Mächen mit de Eierkiepe«

Die vermeintliche Ziegenhirtin aus den Abruzzen hat sich sehr verhübscht (1839–1844)

Auf dem Hintergrund kleinstädtischer Lebensweisen und biedermeierlicher Moralvorstellungen nimmt sich die Herkunft der späteren Emilie Fontane reichlich verworren aus. Der Großvater Jean Pierre Barthélemy Rouanet (Jahrgang 1747) ist ein katholischer Rebell aus Toulouse, den es zur Zeit Friedrichs des Großen ins protestantische Brandenburg verschlägt, wo er es als Stadtkämmerer in Beeskow zu Reputation und Vermögen bringt. Seine 34‑jährige Tochter Thérèse, die Witwe des Pfarrers Johann Heinrich Müller (dem sie fünf Kinder geboren hat), lässt sich auf eine leidenschaftliche Affäre mit dem in Beeskow stationierten Militärchirurgen Georg Bosse ein (er ist 27 Jahre alt, wird 1824 ins Rheinland versetzt und erfährt nie von seiner Beeskower Hinterlassenschaft), und die Familie hält es für angebracht, die Folgen der Liaison anderswo austragen zu lassen. So kommt Emilie Rouanet am 14. November 1824 in Dresden, »heimlich, zu keines Menschen Freude« (an Bertha Kummer, 21. November 1865), auf die Welt, wie sie später einmal formulieren wird.

Die auf ihr Ansehen bedachte Familie hält das Mädchen weiter unter Verschluss und gibt es in die Obhut des Apotheker-Onkels Jean August Alexander Rouanet in Wermsdorf (in der Nähe von Schloss Hubertusburg bei Chemnitz). Die leibliche Mutter bestimmt ihren ehemaligen Schulfreund, den Diakon Johann Ferdinand Wilhelmi, zum Vormund für das Kind, und dieser freundliche Mensch sorgt dafür, dass die Kleine aus der vorübergehenden Unterbringung in Wermsdorf erlöst wird, wo sie unter der Abneigung der Apothekersfrau zunehmend zu leiden hat. Wilhelmi lässt 1827 in der »Vossischen Zeitung« in Berlin eine Annonce abdrucken, in der nach einem kinderlosen Ehepaar gefragt wird, das, »unter Zusichrung einer namhaften Summe«, daran interessiert sei, »ein dreijähriges, gesundes, wohlgebildetes Kind (Mädchen) an Kindesstatt anzunehmen« (zit. nach Emilies »Jugendnovelle«). Die »namhafte Summe« löst zahlreiche Zuschriften aus, und Wilhelmi entscheidet sich für Karl Wilhelm Kummer, den das Berliner Adressbuch von 1838 als »Verfertiger geographischer Reliefs und akademischen Künstler« ausweist. Nachdem sich die dreijährige Emilie mit großem Geschrei von ihren Stiefgeschwistern getrennt hat und durch ihr Gezeter unterwegs den guten Wilhelmi in Verdacht bringt, das Kind entführt zu haben, liefert er es in der Burgstraße 18, an der Spree, gegenüber dem Schloss, ab, und die kleine Emilie muss sich daran gewöhnen, dass der 42‑jährige Kummer nun ihr Papa und dessen Frau ihre Mama ist.

(Stiefvater Kummer, den Fontane als »Tausendkünstler« mit etwas zwielichtigen Beziehungen zur Berliner Theaterszene darstellt, ist als Erfinder und Techniker, als Künstler und Ingenieur eine bedeutende Gestalt seiner Zeit. Er stellt in seiner Werkstatt eine besondere Art von Pappmaché her, mit der er die Gebirgsreliefs seiner berühmten Landkarten und Globen modelliert. Aber er ist auch der damals viel bewunderte Schöpfer des Kronleuchters, der 1844 im von Langhans wiederaufgebauten Opernhaus Unter den Linden installiert wird: 330 Gasflammen erhellen, auf drei Ebenen kunstvoll von Figuren umrahmt, den Zuschauerraum. Klaus-Peter Möller hat darüber berichtet [Klaus-Peter Möller, Ein Kronleuchter aus Pappmaschee; in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Oktober 2023]. In Emilies Briefen aus dieser Zeit ist mehrfach davon die Rede und von den Schwierigkeiten Kummers, das für das Kunstwerk mit Recht geforderte Honorar von der Baukommission einzutreiben.)

Kein Wunder, dass nach so viel frühkindlichen Eindrücken und ständigem Wechsel der Bezugspersonen Emilie später energisch nach geordneten und stabilen Verhältnissen strebt und bei Störungen leicht in Panik zu geraten pflegt – zumal ihr Leben als Kummers Adoptivtochter sie weiterhin mit Ungereimtheiten und fatalen Begegnungen konfrontiert.

Sie besucht zwar eine ordentliche Schule, wird aber nach dem Tod von Frau Kummer von dessen nächster Frau, einer betuchten, aber poltrig-ungehobelten ältlichen Witwe, herumkommandiert und als »angenommenen Panker« (illegitimes Kind) beschimpft. Als sich Kummer von ihr trennt, übernehmen »Haushälterinnen« die Aufsicht, die aber mehr mit Freund und Liebhaber beschäftigt sind als mit der Erziehung. Diese Erlebnisse wirken verheerend auf das aufgeweckte und sensible Mädchen, und Emilie verwildert, ist naseweis und maliziös und wehrt sich auf diese Weise gegen ihr Umfeld. Ihre Attacken gegen andere Kinder auf dem Spielplatz sind gefürchtet. Und auf den 15‑jährigen Swinemünder Apothekersohn Theodor Fontane, der seit 1833 im Nachbarhaus bei seinem Onkel August lebt, macht sie den Eindruck eines schmuddeligen »Ciocciarenkindes aus den Abruzzen« (»Von Zwanzig bis Dreißig«, S. 352).

Aber da ist, zum Glück, auch Tante Pine, August Fontanes Frau Philippine, eine ehemalige Schauspielerin, die sich der verwahrlosten Emilie annimmt, deren offensichtliche Passion für Theater und Theaterspiel geschickt fördert und den jungen Theodor mit einbezieht. Hier liegen die Wurzeln für die lebenslange Beziehung der Fontanes zur Bühne: Emilies Leidenschaft als Theater- und vor allem Opernbesucherin und Theodors Karriere als Theaterkritiker bei der »Vossischen Zeitung«.

Nebenher hat Emilie aber auch ein weiteres Kapitel Kummer’scher Weiberwirtschaft zu überstehen: Er stellt Madame Sohm, die Mutter von Philippine Fontane, als Wirtschafterin an, und diese setzt alles daran, Frau Rat Kummer zu werden. Sie versucht, Emilie als Komplizin zu gewinnen, die aber wirft ihr bei passender Gelegenheit einen Filzschuh an den Kopf, und Kummer beendet das Arbeitsverhältnis mit Frau Sohm.

Doch Emilie stehen neue Verwirrungen bevor: Sie soll am 23. September 1839 konfirmiert werden, und Kummer muss sich entschließen, seiner vernachlässigten, aber geliebten Pflegetochter die Wahrheit zu sagen und das böse Wort vom »angenommenen Panker« zu erklären. Wenig später, Ende November 1839, heiratet Kummer in Dresden die aus Herrnhut stammende Bertha Kinne. Zum Polterabend präsentiert sich Emilie als Berliner Dienstmädchen mit einem Rollengedicht, das Fontane für sie geschrieben hat. In der damals 32‑jährigen Bertha begegnet Emilie zum ersten Mal einem Menschen, dem sie sich in kindlichem Liebebedürfnis hingebungsvoll anvertrauen kann. Diesem herzlichen Verhältnis verdanken wir die bekenntnisreiche Folge von Briefen, die mit dem fast devoten Schreiben vom 5. Oktober 1839 an die Braut des Adoptivvaters beginnt, mit dem Brief an die Stiefmutter vom 28. Dezember 1839 weitergeht und erst 1866 endet. Emilies Briefe sind berührende Zeugnisse für eine tiefe menschliche Bindung an eine Adoptivmutter, die dem Kind und der jungen Frau die leibliche Mutter verständnisvoll zu ersetzen vermochte.

1844 begleitet die 19‑jährige Emilie Kummer eine zickige alte Staatsrätin nach Bad Kissingen – Reise, Kur und Kurbetrieb mit klugem Witz beschreibend. Als sie nach Berlin zurückkehrt, ist aus dem »Mächen mit de Eierkiepe«, wie die Straßenjungen sie einst nach ihrem sonderbaren Strohhut zu nennen pflegten, eine attraktive junge Frau mit schwarzem Haar geworden. Sie habe sich »sehr verhübscht« (»Von Zwanzig bis Dreißig«, S. 358), stellt der alte Spielfreund Fontane fest, der inzwischen in Leipzig und Dresden seine Apothekerausbildung fortgesetzt hat und am 1. April 1844 in Berlin seinen Dienst als Einjährig-Freiwilliger im »Kaiser-Franz-Garde-Grenadierregiment Nr. 2« beginnt. Beide nehmen den »alten herzlichen Ton« (»Von Zwanzig bis Dreißig«, S. 358) gleich wieder auf.

An Bertha Kinne

Berlin, d 5 ten Oct. 39.

Nicht ohne Ängstlichkeit ergreife ich die Feder um an Sie diese Zeilen zu richten, da ich das Unvermögen meine Gedanken schriftlich auszudrücken an mir kenne; jedoch hoffe ich, werden Sie gütig Nachsicht haben, indem es ja nicht auf die Form, sondern auf das Herz ankömmt, welches zu Ihnen spricht.

Mit Freude sehe ich der Zeit entgegen, wo meinem guten Vater in Ihrem Besitz, ein Glück zu Theil werden wird, welches er lange, gewiß schmerzlich entbehrt, u. wo Ihre Güte meiner sich mütterlich annehmen will, die ich der Nachsicht u. Leitung so sehr bedürftig bin. Ich erbitte mir deshalb vorher, gewiß von Grund meines Herzens, Ihre Verzeihung, für alles womit ich Sie künftig vielleicht belästigen u. betrüben könnte. Auch versichere ich Ihnen, daß es stets mein aufrichtigstes Bestreben sein wird, Ihre Liebe mir zu erwerben, u. die meines guten Vaters immer mehr u. mehr zu erhalten suchen.

Das viele Gute u. Liebe, welches mir Vater u. meine gute Marie, von Ihnen mittheilen, machte einer anfänglichen Ängstlichkeit, eine freudige Ungeduld Sie kennen u. lieben zu lernen, Platz.

In der Hoffnung, daß Sie diesen Zeilen einer gütigen Nachsicht widmen, verbleibe ich mit der Bitte, meine Empfehlungen an Ihre werthe Familie zu machen

Ihre

Sie ehrende

Emilie Kummer.

An Bertha Kummer

Dresden d. 28 ten Dez. 39.

Geliebte Mutter!

Wie soll ich Dir, meine gute, gute Mutter meine große Freude beim Empfange Deines lieben Briefes schildern. Die wahre, mütterliche Liebe, die sich wiederum darin ausspricht, rührte mich bis zu Thränen. Ja, ich will Deine Wünsche, die mein Wohl betreffen, erfüllen, ich will den lieben Gott recht bitten, daß er mir Kraft dazu giebt, damit ich zu Eurer Freude lebe. Für Eure vielen freundlichen Gaben, habt recht recht herzlichen Dank, leider trafen sie mich krank an, ich hatte eine so starke Halsentzündung, daß der Arzt fürchtete, ich würde das Nervenfieber bekommen, jetzt geht es aber ganz gut.

Zu dem neuen Jahre wünsche ich Euch Gottes Segen, möge er Euch unter seinen Schutz u. Schirm nehmen, u. Euch vor Krankheit u. Unglück bewahren, dann ist mein größter Wunsch erfüllt.

Bitte grüße den guten Vater recht herzlich, u. danke ihn in meinem Namen recht sehr, auch die gute Marie, bitte grüße u. danke. Gern hätte ich noch mehr geschrieben, allein die Zeit drängt sehr.

Alle, Alle grüßen recht herzlich, die gute Tante Auguste hat mich recht reichlich beschenkt.

Lebet recht wohl, bitte gebt mir im Gedanken eine Hand u. einen Kuß.

Deine Dich aufrichtig liebende

Tochter Emilie.

Für die 2 Thaler, mit denen mich Eure Liebe bedacht hat, werde ich mir ein Kleid kaufen, indem ich den Thaler den ich durch die Güte des Onkel Kummers zu W. erhalten habe, hinzulege. Von Jeden bin ich hier zu W. bedacht worden, jedoch von der Tante Auguste am Meisten.

bitte schön inliegendes Briefgen Marien zu geben?

An Bertha und Karl Wilhelm Kummer

Kißingen d 14 Juni. [1844]

Meine theuren vielgeliebten Eltern!

Wenn jemand eine Reise thut, so kann er was erzählen, u. ich könnte schon jetzt so viel erzählen, daß ein Buch voll würde, von meiner alten Dame, bei der ich mich sehr unglücklich fühle; sie ist ein altes geiziges eitles geld u. adelstolzes Weib, läßt an keinem Menschen einen guten Faden u. hat mich auf der Reise hierher bald verhungern laßen, kaum Mittagbrod u. dann nur Kaffee und Thee, sie glaubt vielleicht die Hungerkur thue mir nöthig, außerdem bin ich ihr Kammermädchen, Bediente, Hausknecht, Gesellschafterin, alles in Allem, u. wenn sie mir erst gesagt hat, ihre Koffer zu schleppen, so sagt sie nachher, warum bemühen sie sich denn, wenn ich es nämlich schon gethan habe. Doch ich will im Verlauf der Reise bleiben. Ach! meine theuren lieben Eltern diese Reise wird eine bittre Lehre für mein ganzes Leben sein, u. niemals werde ich glauben, daß es wo anders hübscher als bei Euch, u. Dich meine Herzensmutter werde ich nie mehr mit einem Blick betrüben, daß habe ich mir unter Thränen gelobt, ach! Ihr seid so gut, wäre ich doch bei Euch, könnte Dir meinem Väterchen Morgens die Pfeife stopfen anstatt meiner Dame falsche Zöpfe anbinden; die Frau Staatsräthin ist so liederlich mit ihren sehr schönen Sachen, daß M. noch ein Muster von Ordnung dagegen ist, in die Koffer waren die schönsten Atlaßkleider mit Schuhen u. Kragen in einem Knaul hineingestopft, daher sieht sie auch in dem besten Staat wie vom Trödel gelaufen aus; bin ich mit ihr allein, so behandelt sie mit [!] gut u. bittet, doch mit anderen da diene ich ihr.

Als ich am Montag früh nach dem Brihschen Hôtel kam, hatte sie schon auf mich gewartet, ihre Sachen wurden in meine Droschke gepackt u. fort ging es, sie sprach kein Wort. Im Dampfwagen, wir fuhren zweiter Klaße, waren ihre 2 Rußinnen, sehr nette Damen u. eine Dame u. Hr. Rendant Lorenz mit Frau aus Berlin. Als wir eben abfahren wollten, kam mein Droschkenkutscher u. verlangte die Bezahlung u. Vater hatte doch schon, ich sagte ihm, dann sollte er es sich holen. Es war mir sehr unangenehm, alle Leute sahen mich an, u. ich wäre vor mein Leben gern schon da zu Euch zurück gekehrt. Unterweges erfuhren wir das die Berliner auch nach Kißingen reißen, aber nur bis Halle, weil es über Leipzig um wäre, so beschloß denn die Gnädige auch nur bis Halle zu fahren. Hier angekommen hatten wir große Mühe unser Gepäck zu bekommen, weil sie bis Leipzig eingetragen, u. halbtodt vom vielen Rennen u. Hunger setzte ich mich mit in den Personenwagen der uns nach Weißenfels über Merseburg bringen sollte, in einem Dorfe dazwischen, Mittag hatten wir nichts bekommen, tranken wir ungefähr um 5 Uhr Kaffee, u. Abends in W. Abendbrod. Um 9 ½ Uhr angekommen, nahmen wir uns mit den Berlinern einen Hauderer fuhren die Nacht durch (wo eine Art Wolkenbruch uns überraschte[)] nach Naumburg [Danach gestrichen: wo wor Mittag nehmen] über Ekardsberg nach Weimar [Danach gestrichen: wo wir die Nacht blieben. Den anderen Morgen 4 Uhr mit einem anderen Hauderer Ekards]. Erfurt, wo wir sehr schlecht zu Mittag aßen, nach Gotha blieben da zur Nacht, u. reisten den andern Morgen 4 Uhr über Reinhardsbrunn, einer herrlichen Besitzung des Herzogs von Coburg-Gotha nach Dambach, Schmalkalden, wo wir in dem Zimmer indem der Schmalkaldische Bund geschlossen wurde, zu Mittag speisten. In Meiningen übernachteten wir abermals, u. reisten gestern früh 3 Uhr ab, u. kamen hier, Nachmittag 2½ Uhr an, waren also 3½ Tag unterwegs. In einem sehr schönen Hause haben wir ein recht hübsches Zimmer, unsere Reisegefährten, welche es sehr hübsch mit mir machten, u. mich sehr bedauerten wohnen nicht weit von uns, u. haben mir gesagt, wenn ich es eimal nicht aushalten [kann], so soll ich zu ihnen kommen; nun ich sehe diese Reise für eine Prüfung an u. werde alles ertragen, vielleicht wird mir dann der schönste Lohn wenn ich mit meinem Väterchen nach Salzbrunnen reisen kann. Kißingen ist sehr vornehm gebaut, fast lauter neue elegante Häuser, liegt auch sehr hübsch von Bergen umgeben, an der Saale, hat aber einen kalten unbehaglichen Eindruck auf mich gemacht; theurer ist es hier wie in jedem andern Bad, u. meine Dame klagt über jeden Kreutzer den sie ausgeben muß, was für mich sehr peinlich zu hören ist. Salzbrunn ist sehr billig in allem dagegen. Gestern Abend kam Prinz Albrecht hier an. Morgen wird Fr. St. anfangen Brunnen zu trinken, u. ich muß sie nüchtern dahin begleiten, im Verlaufe des Vormittags nimmt sie ein Bad, ob ich dahin mitgehen muß, weiß ich noch nicht. Nun bis jetzt kann ich leider nichts Angenehmes schreiben, vielleicht kommt das Dicke Ende noch, ich wende mich lieber zu früh Ihr lieben Theuren, bei denen meine Gedanken u. mein Herz in jeder Minute mit heißer Liebe weilt, die Angst um Vaters Gesundheit hat mich auch sehr beunruhigt, u. ich habe den lieben Gott immer um Regen seinetwegen gebeten, er war so eng ehe ich abreiste. Wenn ich an Adelbertchen denke, sein liebes freundliches Gesicht mir vorstelle u. dann in das grämliche meiner Herrin sehe, so kann ich mich der Thränen nicht erwähren u. frage mich, wie war es möglich Euch zu verlaßen, u. nun namentlich jetzt wo Tante, die liebe, liebe Seele bei uns verweilt. Meine Mutter, mein Vater ach! ich liebe Euch alle unaussprechlich!

Wenn ich hier keine Paßkarte brauche, so werde ich auch nicht nach Leipzig um das Paket schreiben, es würde sehr viel Porto kosten u. Fr. St. es vielleicht ungern bezahlen, brauche ich sie hingegen, so ist es ihre Sache und ich laße sie her schicken. Heute Abend kommt der Kaiser hier an. Unter den vielen ausgezeichneten Eigenschaften meiner Dame zeignet sich auch die aus, daß sie erschrecklich viel lügt u. sie wiederspricht sich oft in einer Minute. Mit meinen Sachen werde ich sehr sparen, u. womöglich sehr wenig Gutes anziehen, denn auf eine Entschädigung kann ich bei diesem Harzax nicht rechnen. An den Kronleuchter denke ich Tag u. Nacht u. wünsche ihm den besten schnellsten Fortgang. Könnte ich mich doch als tausend Thaler Schein in diesen Brief packen u. dann Vater damit überraschen. Wenn der gute l. Papa noch in Berlin ist, so bitte grüßt ihn recht herzlich, ich ließe ihn bitten, mich nicht zu sehr auszulachen. Emchen werde ich selbst noch ein paar Zeilen schreiben; – wie es mit meiner Rückreise die ich heute lieber wie morgen antreten möchte, werden wird, weiß ich noch nicht, ich hoffe u. bitte Euch recht sehr mir bald zu schreiben, u. dann werde ich wohl mehr wißen zu antworten. Bitte sagt aber Grubels u. anderen nichts von dieser mißglückten Vergnügungsreise, damit ich nicht noch obendrein verhöhnt u. verspottet werde.

Mein liebes Mütterchen hat mich denn Adelbert vermißt u. wohl eimal nach mir gefragt? grüße u. küße ihn recht ab den herrlichen Jungen u. ich ließe ihn bitten mich nicht zu vergeßen; an seinem Geburtstag werde ich immer an ihn denken u. für sein ferneres Wohlergehen beten. Wenn Fontane zurück kommt, bitte grüßt ihn recht herzlich, überhaupt jeden der nach mir fragt. Wenn nur Emchen recht gesund u. munter würde, vielleicht kommt Ludolpfine sich eimal nach ihrem Gesundheitszustande persönlich erkundigen, daß würde gewiß zu ihrer Beßerung beitragen. Ich hoffe mit Gott über Vaters Gesundheitszustand tröstliche Nachricht bekommen zu können, bis dahin werde ich immer in Angst sein, mein guter bester Vater ich küße Dich recht herzlich. Kißingen rechnet man 60 M. von Berlin so weit bin ich von Euch ihr Theuren. Für Heute muß ich schließen, der Bolzen wartet ich werde jetzt den Staat aufplätten.

Lebet recht wohl, recht gesund, heiter u. glücklich, dies ist mein größter Wunsch u. die Erfüllung deßen mein innigstes Gebet. Adelbertchen, Emchen, Alle grüße ich auch Mine u. bin mit treuer Liebe Eure Euch ewig

dankbare

Emilie.

Adreße:

Ludwigstr. N 75.

Bei dem Dr. Maaß.

Kapitel 2

»… es ist auch gar zu bitter immer vergebens zu hoffen«

Verliebt, verlobt – und schließlich doch noch verheiratet (1845–1850)

Theodor Fontane bringt seine Freundin natürlich zum Zug, als sie im September 1845 nach Liegnitz (Legnica) in Schlesien reist, um dort ihre leibliche Mutter und deren neue Familie zu besuchen. Thérèse Müller hat inzwischen den königlich-preußischen Oberförster Karl Gottlob Triepcke (Jahrgang 1777) geheiratet, der sich sogleich als liebevoller »Großvater« bewährt und das familieninterne Versteckspiel mitmacht; die unehelich geborene Emilie gilt als seine »Cousine«. Wie ehrpusslig-verlogen man in dieser Zeit mit menschlichen Beziehungen umgeht, zeigt Emilies Brief an Bertha Kummer vom 15. November 1845: Fontane schickt ihr zum Geburtstag ein Kistchen »mit einem wunderschönen Rosenstock u. herrlichen Gedichten von Lenau« und setzt sie damit vor dem Liegnitzer Familienkreis in größte Verlegenheit. Höchst diplomatisch differenziert sie ihr Verhältnis zu Fontane in »brüderlich« und »freundschaftlich« und verbirgt ihre wahren Gefühle.

Genau drei Wochen nach diesem Eiertanz vor der schlesischen Verwandtschaft – Emilie ist längst wieder in Berlin – holt sie ihn am 8. Dezember 1845 nach seinem Dienstschluss an der Schacht’schen Apotheke ab, und sie schlendern, »plauderhaft und etwas übermütig« (»Von Zwanzig bis Dreißig«, S. 350), die Friedrichstraße hinunter, überqueren den Fluss, biegen am Oranienburger Tor rechts in die Oranienburger Straße ein und erreichen nach wenigen Schritten Haus Nr. 33, wo jetzt die Kummers wohnen. Da haben sie den entscheidenden Schritt dieses Abends bereits hinter sich: An der Weidendammer Brücke, die die Dorotheenstadt mit der Spandauer Vorstadt verbindet – damals eine romantische Stelle mit dem Blick auf die gemächlich dahinfließende Spree –, hat Fontane den »glücklichsten Gedanken« (ebd.) seines Lebens in die Tat umgesetzt und sich mit Fräulein Kummer verlobt. Wahrscheinlich waren beide von dieser neuen Stufe ihrer Beziehung überrascht, denn bevor sie die Brücke betraten, hatten sie noch Sie zueinander gesagt. In der autobiographischen Schilderung des Vorgangs hebt er ausdrücklich hervor, dass er noch einmal ihre Hand ergreift und mit einer ihm »sonst fremden Herzlichkeit« beteuert: »Wir sind nun aber wirklich verlobt.« (Ebd.) Fontane hat den Bund mit Emilie natürlich auch poetisch zertifiziert und das hübsche Gedicht »Zur Verlobung« 1851 in seine erste Gedichtsammlung aufgenommen, wo es in allen Auflagen einen vorderen Platz einnimmt.

Aber die Prosa des realen Lebens überschattet die Poesie der jungen Liebe, und der Verlobten stehen fünf lange Jahre des leidvollen Wartens und des ständigen Enttäuschtwerdens bevor. Fontane avanciert zwar mit Balladen und Gedichten zum Star in der literarischen Vereinigung »Tunnel über der Spree« und qualifiziert sich zielstrebig zum »Apotheker erster Klasse«, aber zum Erwerb einer eigenen Apotheke, die die wirtschaftliche Grundlage für eine Familiengründung bieten würde, fehlt das Geld, und so ist an Heirat nicht zu denken.

Doch das weiß die glücklich Verliebte noch nicht, als sie sich im April 1846 erwartungsfreudig bei Fontanes Eltern in Letschin vorstellt. Fontanes Vater führt die Apotheke in diesem kleinen Ort im Oderbruch, den der Sohn in »Klein-Sibirien« lokalisiert, nur mit einem »Rippenbrecher von Postwagen« (an Wilhelm Wolfsohn, 10. November 1847) erreichbar. Emilie wird sehr herzlich aufgenommen. Fontanes Mutter, die den Vornamen mit ihrer künftigen Schwiegertochter teilt und mit »scharfem Verständnis für alles Praktische des Lebens« (»Von Zwanzig bis Dreißig«, S. 359) ausgestattet ist, versichert ihrem Sohn: »Du hast Glück gehabt, sie hat genau die Eigenschaften, die für dich passen.« (Ebd.) Auch den Jahreswechsel 1846/47 verbringt Emilie Rouanet-Kummer in Letschin, genießt den Oderbruch-Winter und schreibt das Bertha Kummer gewidmete Gedicht »Für Mutter«. Mit beeindruckender Souveränität geht die junge Frau mit der emotional schwierigen Stellung zwischen ihrer Adoptivfamilie und den künftigen Schwiegereltern um – ihre Urteile stets behutsam abwägend, um niemanden zu verletzen.

Da sie die Zeitgeschichte stets aufmerksam verfolgt, irritieren sie bereits 1847 die »Berliner Unruhen«, und 1848 berichtet sie von ihrer »entsetzlichen Angst« um den fernen Geliebten während der revolutionären »Schreckenstage«. Überdies ist es »gar zu bitter, immer vergeblich zu hoffen« (an Bertha Kummer, 29. Mai 1848). Sie fährt nach Schwedt zur Familie ihres Halbbruders, ist in Letschin, Liegnitz und Ludwigslust und hat überall »das Gefühl, daß ich eigentlich nirgend so recht hingehöre« (ebd.).

Lebens-, ja Überlebenshilfe sind Theodors Briefe und seine Liebe. Aber sie quält sich zugleich mit einer »abscheulichen Eifersucht« und schreibt am 14. April 1850 einen großartigen Bekenntnisbrief an den gemeinsamen Freund Wilhelm Wolfsohn, dem sie sich rückhaltlos offenbart: »[…] jahrelang die Hände müßig in den Schoß legend, komme ich mir doch gar zu oft wie ein unnützes Möbel vor, das hemmend ihm im Wege steht und doch fühle ich zu meinem Glück auch wieder, daß ich zu ihm gehöre wie ein Glied zum andren.« Mit gleicher Klarheit reflektiert sie über ihre Liebe zu Fontane und ihre Eifersucht: »[…] ich kann es kaum ertragen, wenn Theo lobend und anerkennend von einer jungen Dame spricht oder wenn er recht glücklich in einer Gesellschaft gewesen ist – ohne mich.« Emilie nennt ausdrücklich Sophie Melgunow, die offenbar aparte Frau des Schriftstellers Nikolai Melgunow, der, wie Wolfsohn, ein hervorragender Kenner der russischen Literatur ist. Dass Fontane auch mit der kapriziösen Schriftstellerin Fanny Lewald gut bekannt ist, erwähnt sie nicht, aber sie dürfte es gewusst haben. Ob sie auch etwas über die beiden vorehelichen Kinder ihres Verlobten erfahren hat – Fontane bekennt sich in einem Brief an seinen Freund Bernhard von Lepel vom 1. März 1849 dazu –, wissen wir nicht; es ist denkbar, denn sie hat, nach der glaubwürdigen Aussage ihres Sohnes Friedrich, den gesamten, sehr umfangreichen Briefwechsel aus der Verlobungszeit verbrannt. Dass Emilie in ihren Gefühlen zu ihrem Theo je schwankend gewesen ist, scheint unwahrscheinlich, obwohl auch er 1847 in einem Brief an Wolfsohn bekennt, »den Höllensoff brennender, verzweifelnder Eifersucht gekostet« oder – wie er hinzufügt – seine »Seele monatelang damit getränkt« (an Wilhelm Wolfsohn, 10. November 1847) zu haben.

Ihre insgesamt verzweifelte Lage legt Emilie am 22. Juni 1850 auch ihrer Adoptivmutter Bertha Kummer dar und teilt ihren Entschluss mit, ihre Situation endlich zu verändern und sich eine Stelle als Haushälterin oder Hauslehrerin zu suchen. Zur gleichen Zeit greift auch Fontane zu einem vermeintlich rettenden Streichholz: Im Norden kämpfen die Herzogtümer Schleswig und Holstein um ihre Unabhängigkeit von Dänemark und haben gerade in der Schlacht bei Idstedt eine schlimme Niederlage hinnehmen müssen; er will als Feldapotheker und Berichterstatter dabei sein.

Aber in diesen Wochen hat die Familie Fontane in spe auch einmal Glück: Fontane, in Altona auf seinen Einsatz wartend, erhält ein amtliches Schreiben seines Freundes Wilhelm von Merckel, den er aus dem »Tunnel über der Spree« kennt. Merckel leitet seit kurzem das »Literarische Cabinet«, eine die Presse steuernde und kontrollierende Abteilung des preußischen Innenministeriums, und Fontane erhält dort eine Anstellung als Lektor. Das Gehalt beträgt nicht mehr als 40 Taler im Monat, aber es reicht zur Familiengründung, und bei Emilie, die sich gerade in Letschin aufhält, treffen die sensationellen Zeilen ein: »Schleswig-Holstein aufgegeben. Wenn Dir’s paßt, im Oktober Hochzeit.« (»Von Zwanzig bis Dreißig«, S. 434.)

Bertha Kummer erfährt natürlich als Erste am 5. August 1850 die langersehnte Nachricht. Als Hochzeitstag wählen sie den 16. Oktober, und Fontane hat dabei mit patriotisch-ironischem Augenzwinkern an den Tag der Völkerschlacht bei Leipzig gedacht. Um denkbarem Gerede über Emilies verwandtschaftliche Beziehungen vorzubeugen, legt Fontane in einem Brief an Bernhard von Lepel vom 14. Oktober die Sprachregelung fest. Lepel werde drei Geschwister kennenlernen. »Ich muß Dich nun bitten, genannte drei immer nur als Cousins und Cousinen meiner Braut zu betrachten, da sie vor der Welt als solche gelten […] Ich rate Dir, der Vereinfachung halber immer ganz kurz von ›der Braut‹ zu sprechen und Dich auf Cousinen- und Geschwisterschaft gar nicht einzulassen.« Mit solchen Regeln sucht Fontane die »romanhafte Lebensgeschichte« (an Bernhard von Lepel, 14. Oktober 1850) der Emilie Rouanet-Kummer zu tarnen. Die Trauung findet in der französisch-reformierten Kirche in der Klosterstraße statt. Die Zeremonie verzögert sich, da Fontanes Vater eine halbe Stunde zu spät erscheint. Prediger August Fournier, mit den Eigenheiten der Familie Fontane vertraut, sagt zu Emilie: »Es ist vielleicht von Vorbedeutung – Sie sollen warten lernen« (»Von Zwanzig bis Dreißig«, S. 438) – als ob sie das nicht schon fünf Jahre trainiert hätte! Gefeiert wird in einem Lokal in der Bellevuestraße, wo der »literarisch etwas angekränkelte« (ebd.) Oberkellner Wilhelm Spreetz alles vorzüglich arrangiert hat. Die Türen des Gartensaals stehen weit auf, und draußen ist wunderschönes Herbstwetter.

An Bertha und Karl Wilhelm Kummer

Liegnitz d 15. Nov. 45.

Meine lieben Eltern!

Schon längst sehnte ich mich nach Nachricht von Euch und endlich wurde sie vor einigen Tagen erfüllt, leider aber um mich recht sehr bis ins Innerste meines Herzens zu betrüben; was habt Ihr Theuren gelitten u. wie werdet Ihr angegriffenn sein, u. Du meine arme liebe Mutter nun ohne Mädchen! ich kanns Euch garnicht beschreiben, wie unglücklich es mich macht Euch so bekümmert zu wißen u. es kommt mir immer wie ein Unrecht vor, daß ich Freuden genieße während Ihr Euch kümmert u. härmt; mein Wunsch war es bereits an meines lieben Vaters Geburtstag zurückzukehren, doch da um diese Zeit erst die Taufe stattfindet, so werdet Ihr es mir wohl verzeihen, wenn anstatt meiner Person mein Herz Euch treu bis zum Tode ergeben im Geiste an dem Tage bei Euch weilt u. seit [!] versichert das ich auch in der Ferne tief Eure Leid u. Sorgen mitempfinde. – Fels hatte zur Aushebung wegreisen müßen, sonst wäre die Taufe früher gewesen, meine Schwester u. der Kleine sind Gott sei Dank wohl u. munter. […] Nun denkt Euch von Theodor war ein Kistchen angekommen mit einem wunderschönen Rosenstock u. herrlichen Gedichten von Lenau; es setzte mich aber in sehr große Verlegenheit u. habe ich hier garnicht sagen dürfen, daß es von ihm kam, da sie sehr darüber geredet haben würden u. ist es auch sehr Unrecht von ihm, da er sich doch denken kann, daß es sehr auffallen würde, wenn es hieße ich bekäme von einem jungen Mann Geschenke geschickt, in Berlin ist es ganz etwas anderes, wo jeder unser freundschaftliches Verhältniß kennt ohne etwas Auffallendes daran zu finden; ich habe sagen müßen die Geschenke wären von meinen Freundinnen; daß er über meinen Brief geklagt hat, thut mir recht sehr leid, aber Unrecht habe ich ihm nicht gethan, daß nähere darüber werde ich Euch mündlich auseinandersetzen. Ich habe ihn sehr lieb, u. seine Freundschaft ersetzt mir die Stelle eines Bruders, aber um dieser Freundschaft willen müßte er sich auch in Acht nehmen, nichts zu thun was mir in den Augen der Welt schaden könnte, darin meine liebe gute Eltern gebet Ihr mir gewiß Recht; es betrübt mich daß ich mich über seine Aufmerksamkeit nicht freuen kann, aber Ihr werdet es gewiß auch nicht billigen u. darum bitte ich Euch sagt es ihm doch wenn die Rede darauf kommt so schonend wie möglich, denn es wäre mir schmerzlich ihn unserer großen Freundschaft willen, noch zu kränken! in einigen Tagen werde ich an ihn schreiben, bis dahin sagt ihm, wenn er Euch besuchen sollte, meinen herzinnigen Dank, schreiben kann ich heute noch nicht an ihn; auch Röschen u. Pinchen schrieben mir einige herzliche Zeilen, wie leid thut es mir das sie ihre schöne Wohnung verlaßen müßen, von Grubels habe ich keine Nachricht u. hoffe ich noch daß sie bald etwas von sich werden hören laßen. Du schreibst mir nicht meine liebe gute Mutter wie Vater es nun mit dem Geschäft halten wird? Neulich stand in der Breslauer Zeitung was Euch meine Lieben gewiß interreßiren wird: »Mit Erstaunen hört man daß der seiner Zeit so prach[t]voll geschilderte Kronleuchter im Opernhause zu Berlin, deßen Verfertiger der Hr. Commißionsrath Kummer ist, u. 4000 Thaler kosten soll, noch nicht bezahlt ist.« Es ist doch eine schreiende Ungerechtigkeit u. verliere ich alle Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang. […]

Nun lebet wohl ach! könnte ich doch sagen glücklich u. zufrieden, aber ich weiß nur zu gut, daß Ihr es jetzt nicht seien könnt. Grüßt Alles herzlich und freundlich von mir, was meiner gedenkt, auch die gute Anne; meinen Adelbert einen tüchtigen u. Euch meinen lieben einzigen Eltern die wärmste aufrichtigste Versicherung meiner Liebe.

Im Geist umarmt Euch

Eure Euch treu ergebene

Emilie.

An Theodor Fontane

[Berlin, 8. Dezember 1845]

Lieber Freund.

Ich war eben zur Gratulation bei Ihrem Onkel und erfuhr zu meinem Bedauern, daß Sie durch Ihren Dienst verhindert sind, die heutige Geburtstagsfeier mitzumachen. Ich meinerseits werde da sein, bin aber in einiger Verlegenheit wegen des Nachhausekommens. Ich denke, Ihr Bruder soll mich um 10 bis an Ihre Apotheke begleiten, von wo aus Sie wohl den Rest des Weges übernehmen.

Ihre Emilie Kummer.

An Bertha und Karl Wilhelm Kummer

Liebe gute Eltern.

Wahrscheinlich gelangen erst Sontag früh diese Zeilen in Eure Hände u. von Herzen wünsche ich daß sie Euch Alle beim besten Wohlsein antreffen mögen. Die letztverlebten acht Tage kann ich zu den glücklichsten meines Lebens rechnen u. wenn es möglich ist daß ich meinen Theodor noch mehr lieben könnte als es bis jetzt geschah, so ist es in diesem längeren Beisammensein geschehen, wenigstens hat sie sich immer mehr befestigt. Theodors Mutter ist eine so ausgezeichnete Frau, wie ich wohl selten Gelegenheit gehabt habe kennen zu lernen u. wird es mir die höchste Freude sein mir in etwas ihre Liebe zu erwerben. Jenny, ist ein gutes, liebenswürdiges Wesen wie Ihr sie ja kennt, natürlich kommen auch Wolken hervor wie am schönsten Himmel, doch kommen sie nie stürmisch zum Ausbruch, sondern zertheilen sich wieder zur schönsten Klarheit. Wenn Theodor fort ist, werden wir u. namentlich ich recht fleißig sein, bisjetzt ist nicht viel geworden, unser Leben und Treiben hier wird er Euch wohl getreulich schildern, vielleicht namentlich meinen guten Appetit, der sich hier bekundet hat, Euch mittheilen.

Hoffentlich sind die Kinder wohl, grüßt u. küßt mir meinen lieben guten Adelbert recht herzlich, gedenkt er denn meiner?

Im Anfang nächster Woche hoffe ich einige Zeilen durch meinen Theodor von Euch zu erhalten, denn ich sehne mich sehr etwas von Euch zu erfahren. Heute haben wir uns Alle wiegen laßen, ich wiege 118 , Jenny meint bei ihrer vortrefflichen Mast würde ich wohl noch etliche   vor meiner Abreise zunehmen.

Jenny so wie Theodors Eltern senden Euch die herzlichsten Grüße; an Grubels meine besten Grüße u. Euch meinen geliebten Eltern die innigste Umarmung u. viele, viele Küße.

Mit treuer inniger Liebe

Eure dankbare

Emilie.

[Letschin] d. 24. 4. 46.

Entschuldigt die große Eile, aber die Post geht jede Minute fort.

An Bertha und Karl Wilhelm Kummer

Meine lieben Eltern.

Heut Abend verläßt uns Max, sonst hätte ich schon heut früh einen Brief für Euch abgeschickt, so erhaltet Ihr ihn zum neuen Jahr. Daß ich jetzt viel, sehr viel jetzt Eurer meiner Geliebten denke, ist wohl natürlich aber auch viele, viele Wünsche für Euch u. Eure Zukunft gesellen sich dazu; daß Alles Unangenehme und Betrübende mit dem guten Schluß des Prozesses auch mit dem Schluß des alten Jahres vorbei sei, kann ich bei der Einsicht der Unmöglichkeit nicht wünschen, wohl aber daß Euch meinen Lieben recht bald klar werde, was das richtige ist zu thun, auf daß Ihr beide bald Alles beseitigt u. dann auch vergeßen könnt. Möge der liebe Gott vor Allem mein Väterchen Deine Gesundheit kräftigen, u. Dir meiner einzig guten Mutter Deinen Muth u. Glauben unbenommen laßen, dann sind mit den besten Wünschen für unseren lieben Jungen Adelbert, meine Hoffnungen für Euch erfüllt. Heut früh hatte ich eine recht große Freude, Max brachte mir einen Brief mit roth Couvert, ich wußte gleich daß er von meinem lieben, lieben Herrmann. Er schreibt so, wie er immer gegen mich ist, liebevoll u. herzlich, ganz ein wahrer Bruder, wie macht mich seine Liebe so glücklich, wie will ich sie aber auch für das ganze Leben bewahren. Grüßt ihn bei seiner Zurückkunft recht herzinnig von mir und sagt ihm daß Mila jetzt recht wohl u. munter. Nach Tisch gehen wir immer spatzieren u. genieße ich dabei noch das besondere Vergnügen schlidern zu können. Gestern, an meines Theo’s Geburtstag waren wir sehr heiter u. vergnügt, mein Schatz hatte große Freude über seine Geschenke, recht viel haben wir Eurer gedacht. Wie geht es denn Euch? meine liebe gute Mutter u. Du mein Vaterchen schreibt doch recht bald eimal an Eure Mila, freundlich u. liebevoll wie immer, daß macht mir ja doch immer eine große Freude. Wenn Ihr Fontanes seht, so bitte grüßt namentlich Röschen, Pinchen u. August haben zu sehr auf meinen Theodor geschimpft, als daß ich ihrer sehr liebevoll gedenken könnte, Max wird Euch wohl das Nähere erzählen. Meine Lieben hier grüßen Euch u. auch mein Brüderlein Herrmann aufs herzlichste nebst den innigsten Glückwünschen zum neuen Jahr. Ich aber umarme Euch Alle mit der größten Herzlichkeit, natürlich auch klein lieb Adelbert u. bitte Euch stets lieb zu behalten Eure Euch ergebene

Emilie.

d. 31. 12. 46

Für Mutter

Was wir säen erndten wir

Allezeit hienieden;

Und dem Guten wird schon hier

Frucht u. Lohn beschieden;

Sieht er Vieles sich versagt,

Wird ihm Viel genommen, –

Hoffen darf er unverzagt,

Seine Zeit wird kommen.

Spärlich haben Freud u. Glück

Dich gesucht im Leben,

Zogen schnell die Hand zurück,

Die sie kaum gegeben;

Doch sie werden Dir auf’s Neu

Und auf lang erscheinen,

Lachen sollst Du sonder Scheu,

Und nicht unter Weinen.

Daß Dein Herz für Fried u. Freud’

Bald die rechte Stätte, –

Und, was meine Liebe beut,

Nur ein Glied der Kette,

Sieh, das will vom Himmel ich

Heute heiß erflehen

Und wenn nicht um mich, um Dich

Läßt er’s wohl geschehen.

[Danach von der Hand Theodor Fontanes:]

Diese Zeilen dürfen nicht fort ohne Anhängsel von mir, so will es Emilie, und weil ich längst keinen Willen mehr habe (nach Pinchen) natürlich auch ich. An dieser Artigkeit gegen Sie werden Sie mich erkennen! Uebrigens bedarf es außer des eignen Antriebes, wirklich noch eines brautrechtlichen Imperativ’s, um mich zum Schreiben zu bringen; eines Theils weil ich Emilien so herzhaft gedrückt habe, daß mir die Hand zittert, andrerseits weil ich es nach vorstehenden Versen Ihrer talentvollen Tochter für gefährlich halte, mit einem prosaischen wenn auch gutgemeinten Glückwunsch hinterdrein zu humpeln. Ein Mensch, der den Himmel alle Tage um eine gute Dosis Philisterthum beschwört, kann seine natürliche Anlage für dasselbe nicht besser als durch die Neujahrsgratulation bekunden: »der Himmel erfülle alle Ihre Wünsche!« Ich rechne mit Bestimmtheit darauf, daß Sie an dies Greifen nach einer abgegriffenen Redensart, alle möglichen schönen Hoffnungen für meine Zukunft knüpfen. Uebrigens ist es mit solchen Gemeinplätzen nicht immer so schlimm; ich weiß es, daß man zu Zeiten in die verbrauchteste Ueberschrift seine ganze Liebe hineinlegen will, so bitte ich auch den Gebrauch obiger Redensart zu deuten: – Emilie guckt mir auf die Finger; ich habe nicht die Courage es ihr zu verbieten, wenn sie diese meine unmaßgebliche Meinung liest, sieht sie vielleicht weg; aber wenn auch, viel Segen kann Ihnen daraus nicht mehr erwachsen; wir sind am Ende, gehaben Sie sich wohl Ihr

Theodor.

Viel Grüße an Ihren Ehegespons nebst Sprößling; auch an Herrmann bei seiner Rückkehr.

An Bertha Kummer

[Liegnitz] d 28. 3. 48.

Meine liebe, beste Mutter,

Deinen letzten Brief, für den ich Dir recht zärtlich danke, habe ich mit großer Freude gelesen, es war die erste Nachricht von Dir, die ich ohne Thränen lesen konnte; der liebe Gott hilft doch immer, freilich nur Deinetwegen, sonst würde wohl Alles noch Anders stehen. Du kannst wohl denken mein Mütterchen, welche entsetzliche Angst ich während der Schreckenstage ausgestanden habe, ich entsinne mich nicht in meinen Leben schon eimal solch eine Pein ausgestanden zu haben. Denke nur daß ich von meinem Theo sowohl wie von Herrmann denken mußte: sie können ebenso gut todt wie lebend sein. Ach liebes Herz ich habe auch kniend dem lieben Gott gedankt. Daß Ihr in Eurer Straße so ganz bewahrt geblieben seid, ist doch auch sehr erfreulich, was sagte denn Adelchen zu dem Allen? grüße u. küße den lieben Jungen, er ist gewiß recht fleißig, er kann ja jetzt Minister werden, wenn er viel lernt, damit spornen wir jetzt Herrmann an. Das [!] Vater sich jetzt in jeder Beziehung wohler fühlt, ist mir recht lieb, nun schläfst Du wohl auch beßer? Du mußt mir mein Mütterchen durchaus ausführlicher schreiben, Deine Briefe genügen mir immer garnicht, ich möchte noch viel, viel mehr von Dir wißen, wie steht es denn mit Deiner Reise? Mutter grüßt Dich recht schön u. läßt recht herzlich für die Proben danken, aber bei jetzigen schlechten Zeiten, will Großvater eine solche Ausgabe nicht machen. Die beiden sind unwohl, Mutter recht sehr, Großpapa hat sich aber nur etwas verfreßen, er will sich noch güthlich thun, ehe die Rußen kommen. Hast Du denn auch solche Angst für den Krieg? Noch ist mir nicht bange, jetzt denke ich immer an Herrmann u. denke wie dem diese Unruhen nützen können, ich wollte mich doch sehr, sehr freuen, wenn der gute Mensch am Ziele wäre, ehe er es erwartete. Mit rechter Sehnsucht erwarten wir Nachricht von ihm, gewiß hat er jetzt wenig Zeit, sonst würde er doch schreiben. Ist er u. seid Ihr denn auch auf Seiten des Militairs? hier, Mutter, Großvater Alle, bedauern die armen Soldaten, ich schweige dazu, wenn doch Herrmann seine Meinung her schreiben wollte, denn wahrhaftig hier urtheilt Alles ins Blaue, man sehnt sich ordentlich nach einem vernünftigen Urtheil. – Du kannst wohl denken mit welcher Freude ich den nahen April begrüße, er wird mir doch meinen Theo bringen, ach, ich sehne mich ganz gewaltig nach dem guten Jungen, er soll schon froh u. heiter bei mir sein, läge nur nicht die Trennung im Hintergrund; es ist recht traurig daß man sich so absehnen muß. […]

Lebewohl, liebes, gutes Herz ich will noch an unser Thildchen schreiben. Grüße Vater, Adelchen u. Herrmann, auch meinem Theo sage noch einen ganz aparten Gruß. Die Meinigen grüßen Dich Alle u. ich bin wie immer

Deine Emilie.

An Bertha Kummer

Ludwigslust d 29. 5. 48.

Meine geliebte Mutter,

Schon lange habe ich Dir ein Briefchen zugedacht, aber leider hat mich diesmal ein Unwohlsein davon abgehalten; seit gestern vor 8 Tage wo es anfing, bin ich noch bisjetzt nicht ganz wohl, einige Tage habe ich sogar liegen müßen. Ich medicinire noch u. der Artz [!] meint, ich hätte recht tüchtig die Grippe gehabt; dazu bin ich so schrecklich verstimmt, fühle mich so unglücklich, daß ich mal wieder wünsche es wäre Alles vorbei. Wohl weiß ich wie sündlich es ist, eine solche Äußerung zu machen u. daß gerade ich, namentlich nach der Meinung anderer nicht zu solchen Klagen berechtigt bin, aber glaube nur meine theure Mutter es ist auch gar zu bitter immer vergebens zu hoffen. Das Gefühl, daß ich eigentlich nirgends so recht hingehöre quält mich dann auch u. mit heißer Sehnsucht wünsche ich mir einen eignen, kleinen Herd. Fast finde ich es Unrecht mein liebes Herz daß ich gerade Dir etwas vorklage, aber Dir sage ich auch am liebsten, wie mir zu Muthe ist; kennst Du doch von allen Müttern u. allen lieben Verwandten die alte Mila am besten u. weißt Du doch auch, daß ich, sobald ein schwacher Hoffnungsschimmer sich mir zeigt, wieder frohen Muthes werde. Wäre ich nur erst wieder wohl; Kopf u. Halsschmerzen quälen mich immer fort u. ausgehen kann ich auch noch nicht. Ich lebe wie eine Nonne, schlafe sehr schlecht, u. wünsche doch oft bei der Länge des Tages sehnlichst den Abend herbei. Ich kann Dir mein Mütterchen so eigentlich nichts von meinem jetzigen Leben erzählen ich lebe eigentlich in der Vergangenheit u. blicke trübe in die Zukunft. Glaubst Du wohl daß ich rechte Sehnsucht nach Schwedt habe? ach in einer solchen Familie zu leben, da wünscht man sich wohl selten aus der Gegenwart heraus. […] Mutter schreibt sehr bekümmert über die jetzige Zeit; doch haben sie gute Nachrichten von Fels u. erwarten ihn mit nächstem zurück. Auch in Schleswig scheint es ja klarer zu werden, jedoch schrieb Below gestern, die Friedensunterhandlungen könnten sich sehr in die Länge ziehen u. es leicht möglich sein, daß er bis zum Herbst dort stehen müßte.

Arbeiten habe ich noch nicht können, zuerst werde ich meine Taschentücher fertig machen. Denn leider fehlt mir das Geld um die feine Leinewand zu Theodors Hemden kaufen zu können. Ich bin wieder einmal ganz arm, die Reisen haben mir viel Geld gekostet u. ein Hut den ich mir habe kaufen müßen, hat den Rest meines Vermögens geschluckt, dieser Geldmangel ist mir auch unerträglich, kaum habe ich noch soviel um das Porto zu bezahlen u. an meine Mutter zu schreiben, dagegen sträubt sich Alles in mir. Hätte ich nur die 3 . vom Schneider, aber jetzt wird er den Mantel gewiß nicht verkaufen. Du siehst mein Herz es ist eine klägliche Geschichte mit mir.

Gewiß hast Du Theo’s Mutterchen schon gesehen, grüße sie recht innig, nächstens werde ich ihr schreiben, war denn der Putz zu ihrer Zufriedenheit?

Grüße Vater u. Adelchen recht herzlich, auch Theo, wenn Du ihn siehst, seine Theilnahme hat mir recht wohl gethan. Klara grüßt Euch Alle u. ich bin wie immer

Deine dich innig liebende

Emilie.

An Bertha Kummer

Schwedt d 8. 4. 49.

Meine liebe Herzensmutter.

[…] Über die Meinigen liebes Herz kann ich Dir recht wenig, eigentlich gar nichts mittheilen; von meiner Mutter erwarte ich täglich einen Brief nebst Gehalt, von Klara weiß ich zu meinem innigen Bedauern leider seit Weihnachten nichts u. schließe nur aus einer Äußerung von meiner Mama, daß Below wieder fort ist. Der wiederbegonnene Krieg, der nach der gestrigen Zeitung einen so günstigen Anfang für uns genommen hat, intereßirt mich lebhaft u. hoffe ich von beiden Seiten ein energischeres Auftreten, wird wieder ein so langes hin u. herziehen wie im vorigen Jahre, so wird die Theilnahme schwach, lieber einen gefährlichen Kranken, als ein langes kränkeln. – Du schreibst mir gar nichts über Dein Befinden, soll ich das beste hoffen? ich denke immer, Dein Emchen wird des Seebads wieder bedürfen u. Du wirst dann ihre Begleiterin; das blockirte Swinemünde ist ja jetzt um so interreßanter, u. ich würde über Alles glücklich sein, könnte ich diesen Sommer mit meinem Theo dort hin. Sehen, in meinem Leben muß ich Swinemünde, Max u. Jenny haben durch ihre Erzählungen davon, mich schon so vertraut damit gemacht, den Ort, wo mein Theo Räuberhauptmann gespielt hat, muß ich kennen lernen, aber mit ihm, nur mit ihm will ich hin, die See anschauen u. glücklich sein. Ach, ich komme Dir wohl verdreht vor, mein Mütterchen daß ich so in Extase gerathe, aber der Gedanke an ein solches Glück, läßt in meiner Phantasie tausend Bilder entstehen, alle schön, schön durch ihn.

Thilde u. Herrmann, nach meinem Urtheil passen zusammen. Er, die Leidenschaft, sie, die Ruhe, einer wird so hoffentlich den anderen ergänzen. Wenn ich das liebe Mädchen so sanft, so ohne jegliche Aufregung sehe, dann könnte ich sie darum beneiden u. doch wiederum auch nicht, meinem Theo würde eine solche blos innerliche Innigkeit nicht genügen. Herrmanns Spruch: jedes Thierchen sein Manierchen, ist recht passend.

Doch mein Herz ich muß zum Schluß eilen; ein liebes Gesicht nach dem anderen kukt herein um mich zum Frühstück zu bewegen. Thildechen will noch selbst ihre und der Ihrigen Grüße hinzufügen. Grüße Papa, von dem ich hoffe, daß er wohl u. munter ist, vielmals. Unserem Adelchen viele herzliche Küße, nebst der Versicherung: daß je länger ich bliebe, die Tüte immer größer würde. Geh fleißig spatzieren mein Mütterchen u. schreibe bald eimal wieder. Meinem Theo meine besten Grüße. Ermahne ihn froh zu sein u. seinen »Stuart« nicht zu vergeßen.

Lebewohl, nimm vor allen die freundlichen Grüße u. sei herzlich geküßt von

Deiner Mila.

Beifolgend das Kragenmuster, so gut ich es konnte habe ich es abgezeichnet.

An Wilhelm Wolfsohn

Letschin d 14. 4. 50.

Lieber Wolfsohn,

Diese Zeilen sollten schon vor einem Vierteljahr in Ihren Händen sein u. mögen Sie mich für recht undankbar halten; aber mich beherrscht oft Unlust u. Unvermögen zum Schreiben, daß mir kaum ein Brief an meinen Theo gelingt. Sie sehen lieber Freund, ich bin aufrichtig. Ich danke Ihrer Güte viel; Ihr sinniges Geschenk hat mich erfreut u. gerade dies Schauspiel ist eins meiner Lieblinge u. gewährt es mir Genuß es selbst zu besitzen, da ich mich von Zeit zu Zeit daran ergötze; solch Kunstwerk mit einem Male zu lesen u. zu faßen, fehlt mir die geistige Kraft, aber nach u. nach bekomme ich ein klares Bild u. genieße die einzelnen Schönheiten mit Bedacht. Theodors Portrait u. den Druck seiner »Rosamunde« habe ich mit Freudenthränen empfangen u. innig Ihnen gedankt, der Sie diesen ersten Schritt in die Öffentlichkeit geleitet haben. Die Tage in Dresden waren Theo sehr angenehm u. haben wir gemeinschaftlich in der Weihnachtszeit in der Erinnerung sie durchlebt u. Ihrer mit inniger Freundschaft gedacht.

Seit Ostern bin ich in Letschin; Theo war auch einige Tage hier. Leider geht es ihm nicht gut in Berlin, all seine Pläne u. Hoffnungen scheitern u. doch schreitet er muthig vorwärts u. trägt ergebener sein Schicksal wie ich. Ich lieber Wolfsohn, würde williger u. leichter in das Unvermeidliche mich fügen, wenn ich irgend für das Wohl meines über Alles Geliebten etwas leisten könnte, aber so, jahrelang die Hände müßig in den Schoß legend, komme ich mir doch gar zu oft wie ein unnützes Möbel vor, das hemmend ihm im Wege steht u. doch fühle ich zu meinem Glück auch wieder, daß ich zu ihm gehöre wie ein Glied zum andren.

Oft wünsche ich mir den Winter Ihrer Anwesenheit in Berlin zurück, wie anders würde ich ihn jetzt benutzen; ich konnte mich damals Ihnen nicht offen zeigen, eimal, glaubte ich Sie hätten durch Pinchens Einflüsterungen ein Vorurtheil gegen mich u. ich kannte Sie zu wenig, um daß ich ernstlich gestrebt hätte es zu vertilgen, dann fühlte ich mich in unseren häuslichen Verhältnißen so gedrückt u. unglücklich, daß mich die Prosa des Lebens schlaff machte. Jetzt lieber Wolfsohn, würde ich mich Ihnen rückhaltlos zeigen, mit meinen Fehlern, denn Sie hätten doch ein Auge für das Gute, u. ich den regen Willen Ihrer Meinung Folge zu leisten. Die Eifersucht, die mich durch Fr. v. M. erfüllte, haben Sie getadelt u. da sie leider jetzt gerechtfertigt ist, so gäbe ich dennoch viel darum, Sie hätten noch in der Bewundrung für diese Frau ein Recht. Es gereicht mir nicht zur Ehre, daß ich den Instinkt hatte, sie wäre nicht das, was sie, Euch beiden, schien. Diese Eifersucht oder vielmehr ein unbegrenzter Egoismus ist der Fehler in meiner Liebe, was heilt mich davon? ich kann es kaum ertragen, wenn Theo lobend u. anerkennend von einer jungen Dame spricht, oder wenn er recht glücklich in einer Gesellschaft gewesen ist – ohne mich; sehen Sie, wie kleinlich ich bin. Glück, Seligkeit, Alles will ich soll er durch mich allein genießen u. dabei fühle ich doch wie ich garnicht das Wesen dazu bin u. das macht mich oft unglücklich. Nicht wahr, es wird Kampf kosten, diesen Fehler auszurotten, der wucherndes Unkraut in meiner Liebe ist, aber hoffen Sie mit mir, daß ich mich davon reinige.

Grüßen Sie Ihre Braut; ich möchte sie lebensgern kennen lernen, sie ist das einzige Wesen, von dem Theo mit wahrer Hochachtung spricht, wie gern wollte ich sie lieben.

Jenny grüßt sie; Fontane’s in Amerika sind bisjetzt glücklich u. fordern uns zum nachfolgen auf, ich fürchte nicht, daß es noch dahin kommt.

Leben Sie recht wohl lieber Freund u. wollen Sie mich wieder eimal erfreuen, so benutzen Sie eine Mußestunde u. schreiben

Ihrer

Emilie Kummer.

An Bertha Kummer

Letschin d 22. 6. 50.

Meine Herzens-süße Mutter,

Seit Jahren habe ich nicht mit so inniger Freude die Feder ergriffen um Dir zu schreiben, wie heute, meine beste, meine liebste Mutter. Wie himmlisch wohl mag Dir jetzt sein, da Du endlich Deine gute Mama wieder hast, möge der liebe Gott Euch diese Freude doch recht ungestört genießen lassen. Wie schön mag Dir in der herrlichen Natur zu Muthe sein, wie neu u. reizend Dir Berg u. Thal erscheinen, nachdem Du so lange das alte, staubige Berlin genossen hast. Ich denke Deiner unendlich viel u. oft suchen Jenny’s u. meine Gedanken Dich in Kösen auf, u. freuen sich Deiner Du gutes Herz, möge doch Bad wie Brunnen auch für Dein körperliches Wohlsein recht von Nutzen sein, ich wünsche so von ganzen Herzen, Du könntest gesund heim kehren. Deiner lieben, ausgezeichneten Mama, die ich innig verehre u. liebe, sage meine schönsten Grüße, ich würde mich freuen, wenn sie ein klein wenig gütig meiner gedächte.

Von mir, liebes Herz mag ich Dir nicht viel sagen. Ich harre jetzt in Geduld u. nehme jede neue, geknickte Hoffnung mit Ergebung auf. Der Wille Gottes macht uns dehmüthig, ich hätte nie geglaubt, so ruhig u. sanft werden zu können. Ich kann’s auch noch ertragen; nur wenn ich sehe wie meines Theo’s schönes Leben vergeht ohne Freude, ohne Hoffnung, dann wird mir recht weh um’s Herz. Könnte ich Dich mein Mütterchen doch eimal wiedersehen, ich denke es nach Deiner Rückkehr möglich machen zu können auf einige Tage nach Berlin zu kommen. Von Michaelis an, wo Jenny wahrscheinlich heirathen wird u. die Eltern dann sich einschränken müssen, wird auch mein Leben ein Anderes werden. Zu Euch kann ich nicht u. herumziehen, u. mal von dem u. dann des anderen Verwandten Gnade ein Weilchen leben, will ich nicht mehr. Gott sei Dank kann ich Manches leisten u. werde suchen eine Stellung zu erhalten, wo ich die Hausfrau in der Wirthschaft unterstütze u. kleine Kinder werde ich wohl auch unterrichten können. Auf Gehalt sehe ich garnicht, das brauche ich garnicht, meine 30 sind genug um meine Garderobe zu erhalten. Guten Willen habe ich, Gott wird mir auch die nöthige Kraft verleihen. Vielleicht könnte ich durch Deines Mütterchens ausgebreitete Bekanntschaft eine solche Stellung erlangen u. es würde mir recht lieb sein, wenn Du darüber mit ihr Rücksprache nähmst. Erst, meine Herzens-Mama, machte mich diese Idee recht trostlos, daß ich nun nach fünfjährigem Hoffen u. Harren anstatt mich zu verheirathen, an ein Unterkommen bei fremden Leuten denken muß, aber jetzt bin ich gefaßt u. sehe keinen anderen Ausweg. Wüßte ich nur erst, wohin? glaube übrigens nicht, meine Mutter, daß ich sehr unglücklich bin, ich weiß, Glück u. Unglück wechselt in jedes Menschen Leben ab u. ich weiß auch durch Dich mein Herz, daß man noch unendlich vielmehr tragen kann u. muß, als was mir bisjetzt auferlegt ist. Schreibe mir nur eimal, Deine Briefe erquiken immer mein Herz, in jeder Zeile fühle ich Deine Liebe.

Neulich war ich eimal auf 8 Tage in Schwedt. Die arme Mama hat auch ihr schweres Leiden mit ihrem Manne, der ein eingebildeter Kranker ist. Mathilde so gut sie ist, ist doch sehr häßlich u. langweilig u. ich fühle mich immer wieder mehr zu Laura hingezogen. Diese heirathet im October, ist sehr glücklich u. macht eine sehr gute Parthie. Sie hat mich sehr freundlich gebeten zu ihr zu kommen, aber ich will nicht mehr von einem Ort zum andern ziehen.

Jenny grüßt Dich auf’s innigste, so wie auch mein Mutterchen. Ich hoffe Jenny soll glücklich werden. Grüße mir auch Deine Emma auf’s herzlichste. Deine Mittheilung über den Tod Emil’s hat mich sehr ergriffen. Lebewohl meine einzig süße Mutter, sei auf’s zärtlichste geküßt von

Deiner Dich innigst liebenden

Mila.

An Bertha Kummer

Letschin. d 5. 8. 50.

Liebe Herzensmutter,

Ich werde Dir wohl nur confuses Zeug schreiben, aber ich muß Dir für Deinen lieben, lieben Brief danken u. gleich wieder auf die Bettelei kommen. Grüße u. küße meinen guten Vater u. sage ihm er müßte sich nun auch ein bischen Unruhe meinetwegen gefallen lassen, er ist mich dann ja auf immer los. Ach Mutter, ich werde nun meinen Theo bekommen, mich nie von ihm trennen müssen, glaube mir ich erkenne mein Glück in seiner ganzen Größe; so innig ich Gott danke, so innig bitte ich ihn auch, mir Alles zu verleihen, um den glücklich zu machen, den ich so unaussprechlich liebe. Theo, ist besser wie ich, Mutter, er ist namentlich besser geworden. Stehe Du mir treues Herz auch künftig bei, bleibe unpartheisch u. tadle mich schonungslos, wenn ich ihm Unrecht thue.

Theo will bald heirathen, ich freue mich natürlich darüber, u. stimme mit ihm überein. Jetzt kommt die Bettelei. Vor Mitte dieses Monats kann ich nicht nach Berlin kommen; Du versprachst mir früher schon Deine Hülfe u. ich nehme sie mit den innigsten Bitten jetzt in Anspruch, nur das eine muß ich bei Dir bitten, strenge Dich nicht an.

Habe also die große Güte u. laß Alles von Günthers holen u. nähe mir zuerst das Band an die Überzüge. Vielleicht wenn Dein Mädchen Zeit hat, kann sie etwas Namen aus dem Tischzeug trennen, zuerst die kleinen Gedecke; werden die großen nicht fertig, so kann ich sie nach meiner Hochzeit sticken. Lieb wäre es mir, Du könntest eine gute Schneiderin ausfindig machen u. dieselbe zu Ende August für mich bestellen, ich muß mir mein seiden Kleid zu Jenny’s Hochzeit machen lassen.

Für alle Güte, Liebe, Arbeit u. Umstände kann ich Dir nur aus vollem Herzen danken, ich spreche Deine Hülfe aber ohne Rückhalt an, weil ich weiß es macht Dir Freude, Deiner Tochter zu helfen. Gelder hoffe ich Ende dieses Monats zu bekommen.

Deinen Lieben meine schönsten Grüße, danke ihnen für ihre Theilnahme für mich ich weiß, sie werden sich mit uns freuen.

Entschuldige die Eil, ich habe 7 Briefe zu schreiben u. bin noch sehr aufgeregt. Siehst Du meinen alten Jungen, so sage ihm, er wäre ein guter Kerl. Günthers grüße einstweilen. In spätestens 14 Tagen bin ich bei Dir meine süße Mutter; ich hoffe die letzten Wochen im elterlichen Hause, sollen mir u. Euch frühern Trübsal vergessen machen; nochmals Gruß u. Kuß an Papa u. Adelchen Dir die innigste Umarmung Deiner Dich

liebenden Tochter

Emilie.

Kapitel 3

»… daß London unsere zweite Heimath werden soll«

Eine Brief-Ehe zwischen britischer Metropole und preußischer Residenz (1850–1858)