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Das römische Reich war durch seine militärischen Erfolge seit dem 3.Jahrhundert v.Chr. enorm gewachsen. Mit seiner stürmischen Entwicklung aber hatten auch seine innenpolitischen Probleme dramatisch zugenommen. Die Folge waren blutige Bürgerkriege, in denen die römische Republik als Staatsform – wenn auch noch nicht als Idee – unterging. Aus diesem Chaos ging Gaius Iulius Caesar Octavianus – ein Großneffe des im Jahre 44v.Chr. ermordeten Dictators Caesar – siegreich hervor. Er stammte aus einem wenig bekannten römischen Adelsgeschlecht, doch sollte er zum Stammvater aller römischen Kaiser werden und unter seinem Ehrennamen AUGUSTUS in die Geschichte eingehen. Marcus Junkelmann erschließt in den „101 wichtigsten Fragen“ die Geschichte des Augustus und seiner Epoche. Er bringt seinen Leserinnen und Lesern in informativen und verständlichen Antworten – auch mit Hilfe zahlreicher Abbildungen, Pläne, Karten und Rekonstruktionen – nicht nur den Herrscher selbst, sondern auch die Grundzüge der augusteischen Herrschaft, des römischen Imperiums, seiner Gesellschaft, Kultur (Religion, Literatur, Architektur), des Heerwesens und der Wirtschaft nahe. Den Abschluß des Bandes bilden Fragen und Antworten zu Thronfolge, Tod und Nachleben des Augustus.
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Veröffentlichungsjahr: 2014
Marcus Junkelmann
Die 101 wichtigsten Fragen
C.H.Beck
Das römische Reich war durch seine militärischen Erfolge seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. enorm gewachsen. Mit seiner stürmischen Entwicklung aber hatten auch seine innenpolitischen Probleme dramatisch zugenommen. Die Folge waren blutige Bürgerkriege, in denen die römische Republik als Staatsform – wenn auch noch nicht als Idee – unterging. Aus diesem Chaos ging Gaius Iulius Caesar Octavianus – ein Großneffe des im Jahre 44 v. Chr. ermordeten Dictators Caesar – siegreich hervor. Er stammte aus einem wenig bekannten römischen Adelsgeschlecht, doch sollte er zum Stammvater aller römischen Kaiser werden und unter seinem Ehrennamen AUGUSTUS in die Geschichte eingehen.
Marcus Junkelmann erschließt in den 101 wichtigsten Fragen die Geschichte des Augustus und seiner Epoche. Er bringt seinen Leserinnen und Lesern in informativen und verständlichen Antworten – auch mit Hilfe zahlreicher Abbildungen, Pläne, Karten und Rekonstruktionen – nicht nur den Herrscher selbst, sondern auch die Grundzüge der augusteischen Herrschaft, des römischen Imperiums, seiner Gesellschaft, Kultur (Religion, Literatur, Architektur), des Heerwesens und der Wirtschaft nahe. Den Abschluß des Bandes bilden Fragen und Antworten zu Thronfolge, Tod und Nachleben des Augustus.
Der promovierte, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Historiker Marcus Junkelmann ist seit langem einem breiten Publikum bekannt – nicht zuletzt dank seiner aufsehenerregenden Arbeiten auf dem Feld der experimentellen Archäologie. Zur Geschichte der römischen Kaiserzeit hat er sich durch einschlägige Publikationen wie «Die Legionen des Augustus», «Die Reiter Roms» oder «Panis militaris» ausgewiesen.
Eine erste Frage
1. Aus welchen Quellen beziehen wir unser Wissen über Augustus?
Die vielen Namen des Imperators
2. Gaius Octavius, Gaius Iulius Caesar Octavianus, Imperator Caesar Divi Filius, Caesar Augustus Pater Patriae, Divus Augustus – ein Mann und viele Namen. Wann hat «Augustus» wie geheißen und warum?
3. Hat der spätere Kaiser Augustus je den Namen Octavian getragen?
4. Was bedeutet der Name Augustus?
Die Ausgangslage: Die römische Republik und ihr Niedergang
5. War die römische Republik eine Demokratie oder eine Aristokratie?
6. Wie hat die Republik funktioniert – und weshalb hat sie schließlich nicht mehr funktioniert?
7. Welche Rolle spielten die Armee und ihre Feldherren beim Niedergang der Republik?
8. Warum wurde Caesar ermordet?
9. Wer kämpfte nach Caesars Tod um die Macht?
Der Erbe Caesars – ein 18jähriger Landadeliger nimmt den Kampf mit den Mächtigen auf
10. Weshalb hat Caesar den jungen Gaius Octavius als Erben eingesetzt?
11. Was umfaßte das Erbe Caesars?
12. Woher kam Gaius Octavius?
13. Warum kämpfte Octavian zuerst auf der Seite der Caesarmörder gegen Marcus Antonius?
14. Weshalb hat sich Octavian nach seinem Sieg bei Mutina mit dem geschlagenen Antonius verbündet?
15. Was ist ein Triumvirat?
16. Was sind Proskriptionen?
17. Wer war für Ciceros Tod verantwortlich?
18. Wer traf sich bei Philippi?
19. Welche Folgen hatte die Veteranenansiedlung in Italien?
20. Welche Abmachungen wurden im Vertrag von Brundisium getroffen?
Die Spaltung des Reiches und ihre Überwindung durch den Sieg über Antonius und Kleopatra
21. Welche Drohung ging von Sextus Pompeius aus, und wie wurde sie bekämpft?
22. War Octavian ein Feldherr?
23. Welche Rolle spielte Marcus Agrippa?
24. Weshalb versuchte Kleopatra, die mächtigsten Männer Roms in ihren Bann zu ziehen?
25. Welche Ziele verfolgte Marcus Antonius?
26. Warum ließ sich der 31jährige Octavian in Rom ein Mausoleum bauen?
27. Wie gewannen Octavian und Agrippa den Krieg gegen Antonius und Kleopatra?
28. Warum begingen Antonius und Kleopatra Selbstmord?
29. Was machte Octavian mit dem eroberten Ägypten?
Octavian wird Augustus – der gleitende Übergang zur Monarchie
30. War es Augustus ernst mit der Rückgabe der Macht an den Senat?
31. Welche Ehrungen wurden Augustus im Rahmen der Staatsreform 27 v. Chr. zuteil?
32. Was sagt der Titel «Princeps» aus?
33. Welche republikanischen Ämter führte Augustus?
34. Wie funktionierte die Zusammenarbeit mit dem Senat?
35. Inwiefern war das proconsularische Imperium das Fundament der Macht des Augustus?
36. Ließ sich Augustus als Gott verehren?
37. War die Monarchie des Augustus ein autoritäres Unterdrückungssystem?
38. Gab es Widerstand gegen die neue Ordnung?
39. Hat Octavian/Augustus einen Charakterwandel durchgemacht?
40. Warum gibt es von Augustus so viele Portraits wie von keinem anderen Kaiser?
41. Sah Augustus seinen Portraits ähnlich?
Ein Staat wird umgebaut – die Neuordnung von Heer, Verwaltung und Finanzen
42. Warum hat Augustus ein stehendes Heer geschaffen?
43. Wie stark waren die Legionen, wie viele Legionen gab es, und wo waren sie stationiert?
44. Welche Bedeutung hatten die Auxiliartruppen?
45. Gab es militärtechnische Fortschritte?
46. Wie wurde die Armee finanziert?
47. Woher stammte der Reichtum des Augustus?
48. Welche Änderungen nahm Augustus im Rechtswesen und in der Verwaltung vor?
49. Brachte die Steuerreform des Augustus den Provinzialen Entlastung?
Familie, Sitte und Religion – die konservative Revolution des Princeps
50. Welche Bedeutung hatte der mos maiorum?
51. Welche Schritte unternahm Augustus gegen Eheunlust und Geburtenrückgang?
52. Entsprach das persönliche Verhalten des Princeps den von ihm propagierten Normen?
53. Wie führte Augustus den Nachwuchs der Elite in die alten Werte und die staatlichen Pflichten ein?
54. Kümmerte sich Augustus um die Kleidung der Bürger?
55. War Augustus ein Förderer öffentlicher Spiele in Theater, Amphitheater und Circus?
56. Welche Kulte und Bräuche hat Augustus wiederbelebt?
57. Welche Maßnahmen wurden zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffen?
58. Wie sind die Vorlieben des Augustus für bestimmte Gottheiten zu erklären?
59. Warum hat Augustus das Tierkreiszeichen des Steinbocks zu seinem Emblem bestimmt?
60. Was war die Bedeutung des Goldenen Zeitalters?
Pax Augusta – das Imperium erhält eine Mission
61. Wieso monopolisierte Augustus den Triumph?
62. Was hat die Schließung der Tore des Ianustempels zu bedeuten?
63. Wie friedlich war die Pax Augusta?
64. Brachte die Einverleibung in das römische Reich den Unterworfenen zumindest langfristig mehr Frieden und Sicherheit sowie materiellen und kulturellen Fortschritt?
65. Hat Augustus der römischen Reichsidee eine neue Richtung gegeben?
Der Friedensbringer als Eroberer – die römische Expansion erreicht einen neuen Höhepunkt und stößt an ihre Grenzen
66. Welche Eroberungen machten die Römer nach dem Ende der Bürgerkriege?
67. Welcher Kompromiß wurde mit den Parthern erzielt?
68. Hatte Augustus Welteroberungspläne?
69. Wie verlief der Illyrische Krieg, die schwerste militärische Herausforderung nach den Bürgerkriegen?
70. Wie konnte es geschehen, daß in der Varusschlacht drei Legionen römischer Berufssoldaten von germanischen «Barbaren» vernichtet wurden?
71. Schlug die römische Strategie nach der Varuskatastrophe endgültig in die Defensive um?
Die Stadt aus Ziegeln wird zur Stadt aus Marmor
72. Welches Prestige verliehen Gold und Marmor?
73. Kann man von einer augusteischen Klassik sprechen?
74. Kann man das Haus des Augustus auf dem Palatin einen kaiserlichen Hof nennen?
75. Lag der augusteischen Kunstpolitik eine propagandistische Konzeption zugrunde?
76. Hat der Princeps bei seinen Baumaßnahmen auf dem Forum Romanum die republikanischen Traditionen respektiert?
77. Welches Programm verkündeten das Augustusforum und der Tempel des Mars Ultor?
78. Weshalb verpflanzte Augustus mit großem Aufwand Obelisken von Ägypten nach Rom?
79. Welche Vorbilder hatte das Mausoleum des Augustus?
80. Wie ist die monumentale Sonnenuhr auf dem Marsfeld zu erklären?
81. Welche Baumaßnahmen führte Agrippa auf dem Marsfeld durch?
82. Welche Botschaften sind der Augustusstatue von Prima Porta zu entnehmen?
83. Was macht die Ara Pacis zur Quintessenz der augusteischen Kunst?
Horaz, Vergil, Ovid – der Hof des Maecenas und die Blüte der lateinischen Literatur
84. Wer war Maecenas, und wie war sein Maecenatentum beschaffen?
85. Hat Augustus lenkend oder zensierend in die literarische Produktion eingegriffen?
86. Wie kam es zur Verbannung Ovids durch Augustus?
87. Was verbindet die Schilderung von Natur und Landleben bei Ovid, Horaz und Vergil mit der bildenden Kunst der augusteischen Ära?
88. Wie spiegelt sich die Friedenssehnsucht der Bürgerkriegsgeneration in Vergils Vierter Ekloge?
89. Wie hängt das Carmen Saeculare des Horaz mit der augusteischen Saecularfeier zusammen?
90. Was macht Vergils Aeneis zum römischen Nationalepos?
91. Ist das Latein auf seinem Höhepunkt in augusteischer Zeit erstarrt und von da an zur «toten Sprache» geworden?
Sorge um die Thronfolge – die mühsamen Anfänge einer Dynastie
92. Welche Rolle spielte die dritte Gemahlin des Kaisers Livia Drusilla?
93. Welche der vorgesehenen Nachfolger starben eines frühen Todes?
94. Warum verbannte der Kaiser seine Tochter Iulia?
95. Aus welchem Grund hat Augustus so lange gezögert, seinen Stiefsohn Tiberius zum Nachfolger zu ernennen?
96. Wie wird die endgültige Nachfolgeregelung auf der «Gemma Augustea» dargestellt?
Divus Augustus – Tod und Nachleben des Augustus
97. Wie wurde aus einem Schauspieler ein Gott?
98. Wer war größer – Caesar oder Augustus?
99. Wie kam es, daß Augustus zum Kaiser zweier Zeitenwenden wurde?
100. Warum hat es Augustus nicht nach Hollywood geschafft?
101. «Totengericht» – wie fiel das Urteil der Nachwelt über Roms ersten Kaiser aus?
Anhang
Literaturhinweise
Nachweis der wissenschaftlichen Bildzitate
Eine erste Frage1. Aus welchen Quellen beziehen wir unser Wissen über Augustus? Augustus hat ein einzigartiges Selbstzeugnis hinterlassen, nämlich seinen Rechenschaftsbericht (Res gestae), der nach seinem Tode laut Testament veröffentlicht werden sollte. Das Urdokument bestand aus Bronzetafeln, die vor seinem Mausoleum in Rom angebracht wurden. Sie sind verloren, doch hat es zahlreiche Abschriften in den wichtigsten Städten des Reiches gegeben. Eine von ihnen ist in zweisprachiger Ausführung (lateinisch-griechisch) vollständig erhalten geblieben. Es handelt sich um Inschriften, die auf mehrere Wände am Tempel des Augustus und der Roma in Ankyra (Ankara, Türkei) verteilt waren. Das Dokument ist deshalb auch als Monumentum Ancyranum bekannt. Der große Althistoriker Theodor Mommsen hat es als die «Königin der Inschriften» bezeichnet. Der Rechenschaftsbericht ist von Augustus kurz vor seinem Tode verfaßt oder zumindest in seine endgültige Form gebracht worden. Bei der in ihrer Art unvergleichlichen Selbstdarstellung, die in dem für Augustus charakteristischen knappen, prägnanten Stil verfaßt ist, handelt es sich natürlich um einen ganz und gar offiziösen Text zur Rechtfertigung und zum höheren Ruhme des Verfassers. Er zeigt uns aber in aller Deutlichkeit, was der Kaiser in seiner langen Karriere für bemerkenswert hielt und wie er von der Nachwelt gesehen werden wollte. Augustus hat auch eine Autobiographie verfaßt, von der nicht mehr als kleine Fragmente auf uns gekommen sind. Sie hat nur den früheren Teil seiner Laufbahn bis 25 v. Chr. umfaßt und stellte wohl in erster Linie den Versuch dar, sich gegen Angriffe auf die fragwürdigen Seiten seiner politischen Anfänge zur Wehr zu setzen.
Unter den zeitgenössischen Schriftquellen dominieren die literarisch ausgerichteten Autoren. Die Briefe, die Cicero in seinem letzten Lebensjahr geschrieben hat, und seine Philippischen Reden sind hochwichtige direkte Zeugnisse für den Eintritt des jungen Octavian in die Politik. Horaz, Vergil, Ovid werfen manches Licht auf die Atmosphäre der Zeit und auf die «ideologische» Ausrichtung des augusteischen Systems. Vom Werk des größten Historikers, der in der augusteischen Epoche gearbeitet hat, Titus Livius, fehlen uns gerade die Bücher, die sich mit der eigenen Zeit befaßt haben. Die römische Geschichte des Velleius Paterculus, eines Offiziers des Tiberius, ist ein Zeugnis enthusiastischer Loyalität zum Kaiserhaus. Erhebliche Teile seines Werkes sind gleichfalls verloren. Unter den Historikern späterer Generationen sind vor allem Sueton und Tacitus, die beide ein Jahrhundert nach den Ereignissen schrieben, sowie der ein weiteres Jahrhundert später lebende Cassius Dio zu nennen. Diesen Autoren standen zahlreiche heute nicht mehr existierende Quellen zur Verfügung. Sueton überliefert in den einschlägigen Biographien seiner Kaiserviten (Caesar, Augustus, Tiberius) vor allem viel Anekdotisches. Tacitus setzt mit seinen Annalen erst nach dem Tode des Augustus ein, geht aber in der Retrospektive wiederholt auf dessen Regierungszeit ein, wobei er die Geschichte aus der kritischen Sicht eines überzeugten Anhängers der Senatsaristokratie betrachtet. Das umfangreichste und vollständigste Material bietet der griechisch schreibende Cassius Dio in seiner Römischen Geschichte. Ergänzend zu den antiken Autoren sind die inschriftlichen Quellen heranzuziehen, auf deren wichtigste, das Monumentum Ancyranum, schon eingegangen worden ist. Sehr bedeutende Beiträge bietet die Analyse der Münzen, sowohl ihrer Inschriften als auch der Bildprogramme. Die Münze war das einzige massenhaft reproduzierbare, sich an ein Millionenpublikum wendende Propagandamittel. Die archäologische Hinterlassenschaft der augusteischen Epoche ist enorm. Sie übertrifft bei weitem alles, was wir aus den vorausgegangenen Jahrhunderten der römischen Geschichte besitzen. Unmittelbare Ereignisdarstellungen fehlen allerdings noch so gut wie völlig, das sollte sich erst hundert Jahre später unter Traian ändern.
Die vielen Namen des Imperators2. Gaius Octavius, Gaius Iulius Caesar Octavianus, Imperator Caesar Divi Filius, Caesar Augustus Pater Patriae, Divus Augustus – ein Mann und viele Namen. Wann hat «Augustus» wie geheißen und warum? Die in der Überschrift aufgeführte Liste von Namen ist, wie wir sehen werden, keineswegs vollständig. Kaum ein zweiter Herrscher der Weltgeschichte hat im Laufe seiner Karriere so viele Namen und Namensvarianten verwendet wie der Mann, den ich jetzt der Einfachheit halber bei dem Namen nennen werde, der die Quintessenz seiner Bestrebungen darstellte – Augustus. Dieser Augustus war und ist eine schwer zu fassende, vieldeutige Persönlichkeit, und das war von ihm durchaus so beabsichtigt. Auf dem Totenbett hat er sich mit einem Schauspieler verglichen, der nun bei seinem Abgang den verdienten Applaus des Publikums erwarten dürfe. Es war eine Schauspielerkarriere mit vielen, teils gegensätzlichen Rollen gewesen, und in jeder Rolle hatte er einen anderen Namen oder eine andere Kombination von Namen geführt, oft genug in mehreren Varianten gleichzeitig.
Die römische Namensgebung war einerseits von einem regelhaften, geradezu stumpfsinnigen Traditionalismus geprägt, andererseits entwickelte sie, jedenfalls bei der titelführenden politischen Elite, eine geschmeidige Flexibilität, die es ermöglichte, die Namensbestandteile durch Weglassen, Austauschen, Umstellen, Ergänzen den jeweiligen Erfordernissen und Bestrebungen anzupassen. Dies konnte freilich gefährlich werden, wenn die Nomenklatur allzu deutlich Ambitionen signalisierte, die nicht im Einklang mit der herkömmlichen republikanisch-aristokratischen Ordnung zu stehen schienen. Wenn ein Sulla sich den Beinamen «Felix» – «Der glückhaft Siegreiche» zulegte und damit eine spezifische Eigenschaft des immer nur zeitlich begrenzt agierenden Magistrats und Feldherrn als festen und bleibenden Bestandteil seines Namens usurpierte, wenn ein Pompeius sich «Magnus» nennen ließ und auf diese Weise nur allzu deutlich machte, daß er dem Vorbild Alexanders des Großen nacheiferte, wenn ein Caesar sich zum Dictator auf Lebenszeit aufschwang, und ein willfähriger Senat ihm den Ehrennamen Pater Patriae – «Vater des Vaterlandes» – verlieh, dann schrillten bei jedem aufrechten Republikaner die Alarmglocken. Es war ein Symptom der zerbrechenden republikanischen Ordnung, daß im 1. Jahrhundert v. Chr. die Grenzen zwischen privater Namensgebung und offizieller Amtstitulatur ins Fließen gerieten. Die großen Kriegsherren, die Magistrate, Feldherren und Machtpolitiker in einem waren, begannen, das außen- wie das innenpolitische Geschehen zu dominieren, und traten dabei oft genug in kriegerische Konkurrenz miteinander. Sie bogen sich die Regeln der republikanischen Tradition nach Gutdünken zurecht, und dazu gehörten auch die Formen der Namensgebung. Augustus machte von diesen Möglichkeiten exzessiven Gebrauch, um die Verhältnisse am Ende in eine sich traditionell gebende neue Ordnung zu bringen. Mit der schillernden Fassade seiner Namen verschleierte Augustus seine langfristigen Absichten und trieb sie doch gleichzeitig zielstrebig voran. Die Geschichte seiner Namen bildet so einen beredten Kommentar zur Laufbahn dieses außergewöhnlichen Mannes und kennzeichnet die Stufen, die zur Etablierung des Principats führten, jener republikanisch durchwobenen und maskierten Form der Monarchie, die den nächsten zwei Jahrhunderten der römischen Geschichte ihr Gepräge geben sollte.
1 Doppelportrait Iulius Caesars (links: DIV.IVLIVS) und seines Adoptivsohns (rechts: DIVI F.) auf einem Denar Octavians, 38 v. Chr.
Wie die ganze Karriere des Augustus, so zerfällt auch die Entwicklung seines Namens in vier große Phasen:
63–44 v. Chr. Die obskure Vorgeschichte eines kleinen Adeligen mit großer Verwandtschaft – Gaius Octavius.
44–27 v. Chr. Der Kampf um das Erbe Caesars, Triumvirat, Bürgerkriege und schließlich faktische Alleinherrschaft – Gaius Iulius Caesar (Octavianus), Gaius Caesar Divi Filius, Imperator Caesar Divi Filius, in der Geschichtsschreibung subsummiert unter dem Namen Octavian (Oktavian).
27 v. Chr.–14 n. Chr. Schaffung des Principats, gegründet auf das proconsularische Imperium in den Militärprovinzen und die Amtsgewalt des Volkstribunen, «Kaiserherrschaft» – Caesar Augustus, Imperator Caesar Augustus Pater Patriae.
14 n. Chr. – ? Postume Erhebung zum Gott – Divus Augustus.
Sehen wir uns nun die beiden Namen näher an, unter denen Roms erster Kaiser in die Geschichtsschreibung eingegangen ist: «Octavian» und «Augustus».
3. Hat der spätere Kaiser Augustus je den Namen Octavian getragen? In der Geschichtsschreibung hat es sich seit langem eingebürgert, den späteren Augustus bis zur Verleihung dieses Ehrennamens als Octavian(us) oder Oktavian zu bezeichnen. Man kann so den republikanischen und den monarchischen Teil seiner Karriere klar auseinanderhalten. Tatsächlich verlief die Entwicklung jedoch sehr viel komplizierter.
Den Namen Octavian(us) hat der spätere Augustus tatsächlich nie geführt, und er war auch bei seinen Zeitgenossen nicht üblich. Nur Cicero nannte ihn im Sommer/Herbst 44 v. Chr. Octavian. Es ist dies die adjektivische Form des Familiennamens Octavius, wie man sie an einen vom Adoptivvater übernommenen Namen anzuhängen pflegte. Nach der Annahme des Testaments seines Großonkels Iulius Caesar und der darin enthaltenen postumen Adoption hätte der volle Name des Adoptierten nach römischem Brauch «Gaius Iulius Caesar Octavianus» gelautet. Dass aber «Octavian» von dieser Namensform nie Gebrauch machte, lag daran, daß es für ihn politisch opportun war, den Namen Caesars zur Geltung zu bringen, ohne zugleich störend an die Herkunft des neuen Trägers aus einer kleinen, wenig bekannten Adelsfamilie aus dem Landstädtchen Velitrae (Velletri) zu erinnern. Aus ebendiesem Grund hatte ihm Cicero zunächst den Namen «Caesar» verweigert und ihn «Octavian» genannt. Nachdem er sich aber im Dezember 44 mit dem jungen Mann verbündet hatte, ging auch er zur Anrede «Caesar» über.
Um auf die Anfänge zu kommen: In den ersten 18 Jahren seines Lebens trug der spätere Kaiser den Vornamen (praenomen) Gaius, meist in der üblichen Abkürzung «C.», und den Familiennamen (nomen gentile) Octavius. Ein dritter Namensbestandteil, der Beiname (cognomen), wie er bei römischen Bürgern verbreitet war, ist für ihn ebensowenig wie für seinen gleichnamigen Vater überliefert. Für die Beinamen Thurinus und Caepias, die von späteren Autoren genannt werden, fehlt jeder zeitgenössische Beleg. Die Octavii gehörten dem municipalen Ritteradel an, also dem niederen Adel einer Landstadt. Der Vater hatte es in der Ämterlaufbahn zum Praetor gebracht und gehörte dem Senat an, starb aber, bevor er das höchste Amt, den Consulat, erreichen konnte, das den Zugang zur Nobilität, dem Hochadel, nach sich gezogen hätte. Durch seine Mutter Atia stammte Gaius Octavius aber von der patrizischen gens Iulia ab, einem der vornehmsten Uradelsgeschlechter Roms. Seine Großmutter Iulia war die Schwester keines Geringeren als des Dictators Gaius Iulius Caesar. Dieser sorgte dafür, daß sein Großneffe im Alter von 14 Jahren vom Senat als Mitglied des iulischen Hauses und damit als Patrizier anerkannt wurde.
Die Ermordung Caesars und die Bekanntgabe seines Testaments 44 v. Chr. änderten alles. Mit der Annahme des Erbes im Mai 44 übernahm der 18jährige Gaius Octavius auch den Namen seines Adoptivvaters. Damaligem Gebrauch folgend, wurde der Familienname meist weggelassen, der junge Mann nannte sich also Gaius Caesar. Das brachte freilich die Gefahr der Verwechslung mit seinem Adoptivvater mit sich. Zeitgenossen behalfen sich damit, daß sie vom «jungen Caesar» sprachen – Caesar adolescens (auch puer, iuvenis), während die Historiker eben zu der unauthentischen, aber eindeutigen Benennung «Octavian(us)» zu greifen pflegen.
Auf seinen Münzen nannte sich der junge Caesar nach Über tragung des propraetorischen Kommandos im Januar 43 v. Chr. (Gaius) CAESAR IMP(erator). Ab November desselben Jahres, nachdem er die Dreimännerdictatur (Triumvirat, Frage 15) mit Marcus Antonius und Lepidus errichtet hatte, änderte er das zu C. CAESAR III VIR (triumvir). Dieser Name enthielt zwar eine Amtsbezeichnung, die zeitlich begrenzt und kein eigentlicher Bestandteil des Namens war, unterschied ihn nun aber doch eindeutig von seinem Adoptivvater. Nachdem letzterer im Januar 42 v. Chr. in aller Form unter die Götter erhoben worden war (Divus Iulius), bot sich Octavian nun die Möglichkeit, seinen Namen durch den Hinweis auf die göttliche Abkunft enorm aufzuwerten und zugleich ganz und gar unverwechselbar zu machen. Er nannte sich von jetzt an CAESAR DIVI F(ilius), «Caesar, Sohn des Vergöttlichten» – oder einfach DIVI F (Abb. 14).
Wir stoßen hier auf ein typisches Verfahren Octavians. Er umgab seinen Namen mit der Aura des Göttlichen, ohne jedoch formell den Rang eines Gottes zu beanspruchen, was vielen Römern sehr suspekt erschienen wäre. Deutlicher wurden die monarchischen Ambitionen, als Octavian 38 v. Chr. dazu überging, den Titel «Imperator», der eigentlich den zeitlich befristeten Inhaber der Amtsgewalt und des Oberbefehls kennzeichnete und durch Zuruf der Soldaten auch als Ehrenname Verwendung fand, zum dauerhaften Bestandteil seines Namens zu machen, und ihn statt des Vornamens Gaius führte: IMP(erator) CAESAR DIVI F.
4. Was bedeutet der Name Augustus? Im Rahmen der Neuordnung des Staates im Winter 28/27 v. Chr. trug der Senat dem Princeps, dem «ersten Mann im Staate», einen noch nie dagewesenen Ehrennamen an: «Augustus». Am 16. Januar 27 akzeptierte Octavian den Vorschlag. Die Wahl des neuen Namens war natürlich vorher zwischen den Senatoren und dem Machthaber beraten und beschlossen worden. Das Wort ist schwer zu übersetzen. Meist wird die Bedeutung mit «der Erhabene» wiedergegeben. Das ist nicht falsch, trifft aber nicht die Fülle an Assoziationen, die im Lateinischen mit «Augustus» verbunden sind. So nannte man etwa einen Tempel ein «templum augustum», einen «hehren, erhabenen Tempel». Aber es klingt auch das Wort «augere» an, das so viel bedeutet wie «mehren», «vergrößern», Augustus also als «Mehrer des Reiches». Schließlich konnte man auch an das Amt des Auguren denken, eines Beamten, der den Willen der Götter erforschen konnte und im Einklang mit diesem Willen handelte. Romulus, der Gründer und erste König Roms, hatte als primus augur das augustum augurium, das erhabene Recht zur Erkundung des Götterwillens, besessen und praktiziert. «Romulus» soll auch als Alternative zu «Augustus» im Gespräch gewesen, aber wegen der zu deutlichen monarchischen Anklänge fallen gelassen worden sein. Doch auch ohne die direkte Nennung des Stadtgründers ließ «Augustus» den Princeps im Lichte eines zweiten Romulus, eines Wiederbegründers der Stadt und des Staates erscheinen. Wie bei Divi flius ist auch hier charakteristisch, daß der Name eine nicht näher faßbare, doch suggestive religiöse Färbung besitzt. Sie wirkt bei «Augustus» noch unmittelbarer, da die Gottähnlichkeit nicht mehr eine von einem vergöttlichten Adoptivvater abgeleitete, sondern eine persönliche ist. In der Tat wurde der Namensbestandteil Divi filius nach 27 v. Chr. zwar grundsätzlich beibehalten, aber weniger regelmäßig benutzt als vorher. Hier klingt eine gewisse Emanzipation vom übermächtigen legitimierenden Leitbild des Adoptivvaters an. Auf Münzen und anderen Inschriften der nächsten 40 Jahre begegnet am häufigsten die ganz einfache Form CAESAR AVGVSTVS, daneben IMP(erator) CAESAR AVGVSVTVS, aber auch AVGVSTVS DIVI F(ilius). Eine zusätzliche und bis heute andauernde Dimension erhielt der Name «Augustus», als Senat und Volk 8 v. Chr. beschlossen, den Monat Sextilis nach dem Princeps zu benennen («August»), wie man es schon mit dem Quintilis (Juli) zu Ehren des Iulius Caesar gemacht hatte.