Die ägyptische Religion - Adolf Erman - E-Book

Die ägyptische Religion E-Book

Adolf Erman

0,0
4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In "Die ägyptische Religion" bietet Adolf Erman eine umfassende Analyse des religiösen Lebens im alten Ägypten. Erman ergründet die Komplexität des ägyptischen Glaubenssystems, das von einer Vielzahl von Göttern, Ritualen und mythologischen Erzählungen geprägt ist. Der Autor schildert eindringlich die Praktiken, das religiöse Denken und die symbolischen Bedeutungen hinter den Äußerlichkeiten des ägyptischen Kults. Sein literarischer Stil kombiniert präzise wissenschaftliche Analyse mit lebendiger Darstellung, was dem Leser ermöglicht, die tiefen spirituellen Überzeugungen der Ägypter nachzuvollziehen und zu schätzen. Diese Betrachtung ist nicht nur für Fachleute von Interesse, sondern auch für alle, die sich für die Antike und deren Weltanschauung begeistern. Adolf Erman, ein herausragender Ägyptologe des 19. Jahrhunderts, hat sich sein umfangreiches Wissen über die altägyptische Kultur und Religion durch Studien vor Ort und die Analyse historischer Texte angeeignet. Sein Engagement für die Erforschung der ägyptischen Zivilisation und seine Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen, sind zentral für seinen Ansatz in diesem Werk. Die Kombination aus wissenschaftlicher Genauigkeit und interdisziplinärem Ansatz spiegelt seine beeindruckenden akademischen Errungenschaften wider. "Die ägyptische Religion" ist eine unverzichtbare Lektüre für all jene, die sich für Geschichte, Religionswissenschaft und Kulturgeschichte interessieren. Es ist ein wertvolles Nachschlagewerk, das nicht nur das Verständnis der alten Ägypten vertieft, sondern auch eine Brücke zu modernen religiösen und philosophischen Gedanken schlägt. Der Leser wird in die tiefen Gewässer eines der ersten großen Religionen der Menschheit gezogen und findet sich in einem reichhaltigen, faszinierenden Kontext wieder.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Adolf Erman

Die ägyptische Religion

Illustrierte Ausgabe
 
EAN 8596547732792
DigiCat, 2023 Contact: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Vorwort.
Vorbemerkung.
Einleitendes.
Erstes Kapitel. Die Grundzüge des Götterglaubens.
Zweites Kapitel. Die Entwicklung des Götterglaubens in älterer Zeit.
Drittes Kapitel. Der Kultus in älterer Zeit.
Viertes Kapitel. Der Götterglaube und der Kultus im neuen Reich.
Fünftes Kapitel. Der Totenglaube der älteren Zeit und des neuen Reiches.
Sechstes Kapitel. Das Totenwesen der älteren Zeit und des neuen Reiches.
Siebentes Kapitel. Die Zauberei.
Achtes Kapitel. Die Religion in der Spätzeit.
Neuntes Kapitel. Die Toten in der Spätzeit.
Zehntes Kapitel. Die ägyptische Religion in den Nachbarländern.
Elftes Kapitel. Aus der griechischen Zeit Ägyptens.
Zwölftes Kapitel. Die ägyptische Religion in Europa.

Vorwort.

Table of Contents

Schon seit Jahresfrist war eine neue Auflage dieses Handbuches nötig geworden; wenn diese erst jetzt erscheint, so liegt das daran, daß ich das Buch umzuarbeiten und zu ergänzen wünschte. Dies diem docet,wir haben in den letzten Jahren viel für die ägyptische Religion hinzugelernt, und damit hat sich auch mein Urteil in wesentlichen Punkten geändert. So schließe ich mich jetzt Masperos Ansicht an, daß die Heimat des Osiris im Delta hege; daß diese Annahme das Richtige traf, hat sich durch Eduard Meyers Entdeckung des ursprünglichen Gottes von Abydos ergeben.

Es sind besonders die ersten Abschnitte des Buches, die neu gestaltet sind, aber auch die späteren haben mancherlei Änderungen und Zusätze erfahren. Es lag nahe, dabei die Kapitel über Kultus und Totenwesen und die über die griechisch-römische Zeit starker zu erweitern, denn gerade für diese ist das Material in den letzten Jahren gewaltig angewachsen; ich habe dieser Versuchung aber widerstanden, denn diesen Abschnitten mußte ihr mehr skizzenhafter Charakter bewahrt bleiben, wenn anders sie nicht die Hauptteile des Buches überwuchern sollten.

Die Anmerkungen sind jetzt etwas reichlicher gegeben und ich habe sie ab und zu auch zur Darlegung meines wissenschaftlichen Standpunktes benutzt, doch konnte ich dabei natürlich nicht auf alle Theorien eingehen, die von Berufenen und Unberufenen über die ägyptische Religion aufgestellt sind. In Ergänzung des dort Gegebenen sei es mir gestattet, hier noch einen Punkt hervorzuheben, in dem sich meine Behandlung der ältesten Epoche von der heute zumeist üblichen scheidet. Ich glaube, wir müssen auch bei ihr rein empirisch verfahren und uns davor hüten, das wenige, was wir erblicken, auf Grund von allgemeinen Theorien zu interpretieren und zu ergänzen. Ist doch auch diese älteste Phase, die wir kennen, selbst schon das komplizierte Produkt jahrtausendelanger Entwicklung, und nur, weil wir so wenig von ihr zu sehen vermögen, erscheint sie uns einfach. Was berechtigt uns da, einen solchen Glauben in das Schema des Fetischismus, Animismus oder Totemismus einzuzwängen? Mag es wirklich unter den Religionen der sogenannten Naturvölker solche geben, die sich so aus einem Punkte erklären lassen, immer bleibt es doch unhistorisch und unwissenschaftlich, wenn wir diese Erklärungsart nun schlechtweg auch auf den Glauben anderer Volker übertragen. Zum mindesten müssen wir doch jede einzelne Religion erst einmal unbefangen durchforschen und dürfen erst dann uns fragen, ob die empirisch erlrannten Tatsachen zu jenen Theorien stimmen.

Und noch etwas anderes, was man nur zu oft vergißt, bitte ich den Leser des Buches sich gegenwärtig zu halten. Jede Behandlung einer Religion ist notwendig unzulänglich, denn sie kann sich nur auf die äußere Seite derselben richten, und ihr entgeht, das was doch eigentlich die Grundlage aller Religion ist, das Gefühl des einzelnen. Ob die Götter, ihr Kultus und ihre Sagen so gestaltet sind oder so, das erklärt noch nicht ihre Bedeutung für den Menschen und ihre Kraft; erst die Empfindungen, die er an diese Götter knüpft und die ihn über das Tägliche hinausheben, machen die Religion zu dem gewaltigen Faktor im Leben der Menschheit. Für diese Empfindungen aber können wir nur selten ein altes Zeugnis aufweisen und so muß, wer eine Religion recht beurteilen will, sich diese Seite derselben stets selbst hinzu-denken. Auch das seltsamste Götterbild gewinnt damit ein anderes Aussehen.

Den Namen der Götter habe ich ihre bisher in Deutschland üblichen Formen belassen. Wir können sie doch nicht richtig herstellen und da ist es immer noch besser, wir behalten die gewohnten falschen Formen (wie Sokaris oder Schu) bei, als daß wir sie durch neue ersetzen, die doch sicher ebenso falsch sind wie jene.

Vorbemerkung.

Table of Contents

Unsere Kenntnisse der ägyptischen Geschichte sind bekanntermaßen sehr dürftige. Einen kurzen Überblick über ihren Verlauf findet der Leser in dem »Ausführlichen Verzeichnis der ägyptischen Ältertumer. Berlin 1899« S. 8—20. Hier sei nur bemerkt, was die Einteilung bedeutet, die man in die ägyptische Geschichte eingeführt hat, um damit dem Mangel einer genaueren Chronologie abzuhelfen. Wir zerlegen die ägyptische Geschichte in

die prähistorische Zeit.

die »älteste Periode«, von der Gründung des einheitlichen ägyptischen Reiches an (etwa seit 3300 v. Chr.). Diese zerfallt ihrerseits wieder in drei »Dynastien«.

das »alte Reich«, die erste Blütezeit Ägyptens; etwa von 2800—2300 v. Chr. Eingeteilt in Dynastie 4, 5 und 6.

eine wenig bekannte Zwischenzeit.

das mittlere Reich«, Dynastie 11 —13. Dabei die große Blütezeit der Dynastie 12 (etwa 2000—1800).

die wenig bekannte Periode der sogenannten Hyksoszeit.

das »neue Reich«; zerfallt in Dynastie 18 (1580—1320), die Epoche der ägyptischen Macht, und in Dynastie 19 bis 20 (1320—1100 v. Chr.).

die wenig bekannte Zwischenzeit der sogenannten »libyschen Zeit«.

die »saitische Zeit« ; zerfallt in Dynastie 26, die Zeit der saitischen Könige (663 — 526 v. Chr.) und in die Zeit der persischen Herrschaft (525—332 v. Chr.).

die »griechische Epoche« Ägyptens; zerfallt in die Zeit Alexanders und der ptolemäischen Könige (332 bis 30 v. Chr.) und in die der römischen Herrschaft (seit 30 v. Chr.).

Einleitendes.

Table of Contents

In dem engen Tale des unteren Niles hat einst in unvordenklichen Zeiten ein afrikanisches Volk gesessen, das auf den Marschen des Delta seine Rinder zog und auf den Ackern des oberen Landes seine Gerste baute und das es bei dieser friedlichen Tätigkeit früher als andere Volker zu einer höheren Gesittung gebracht hatte. Freilich die dürftigen Nachbarvölker um es her suchten es mit Raubzügen heim, und noch können wir aus der Bildung seiner Sprache ersehen, daß es einmal dauernd von den Beduinen der syrisch-arabischen Wüste unterjocht worden ist. Aber diese Unterjochung änderte nur seine Sprache und nicht auch sein Wesen oder seine Kultur. Es ging so, wie es später im modernen Ägypten gegangen ist, wo auch wieder erobernde Beduinen, die Araber des Islam, den alten Bewohnern ihre Sprache aufzwangen, ohne daß darum diese arabisch sprechenden Ägypter etwas wesentlich anderes wurden, als es ihre christlichen und heidnischen Vorgänger waren. Die Natur des merkwürdigen Landes ist eben starker als jede menschliche Macht.

In einem Punkte scheint aber die jetzige Arabisierung des Landes doch einen größeren Einfluß gehabt zu haben als jene beduinische Eroberung der Urzeit. Denn sie hat den Ägyptern außer der neuen Sprache auch eine neue Religion gegeben, wahrend nichts uns nötigt, ein Gleiches auch für die Invasion der alten Zeit anzunehmen. In dem Glauben und den Vorstellungen der alten Ägypter, wie sie uns in ihrer ältesten Literatur entgegentreten, ist nichts, was irgendwie auf die Natur oder die Lebensverhältnisse der Wüste deutete, wahrend sehr vieles in ihnen sich nur aus der eigentümlichen Beschaffenheit des ägyptischen Landes verstehen läßt. Man muß daher die ägyptische Religion als ein Erzeugnis Ägyptens betrachten, und damit ist zum guten Teil schon ihr Charakter gegeben. Ägypten ist ein Land des Ackerbaues, das bei aller Fruchtbarkeit doch schwere Arbeit erfordert und das seine Bewohner gut zum praktischen Leben erzieht; ein gewisser nüchterner Ernst wird daher auch ihren Glauben auszeichnen. Die heitere Phantasie will auf diesem schweren Boden nicht recht gedeihen, besser gedeiht auf ihm schon allerlei Aberglauben. Und die Welt, in der das Volk lebt, ist eine enge; es kennt nur sein langgestrecktes schmales Tal, in dem sein wunderbarer Fluß alljährlich den Segen über die Äcker ergießt; alles daneben ist die Wüste, mit der der Mensch nichts zu tun hat. Nur eines mußte den Ägypter über sich hinausziehen, wie es ja auch für uns dem Niltale seinen Zauber verleiht: der Himmel mit der Glut seiner Sonne und der unermeßlichen Pracht seiner Sterne. Und so sieht denn der Ägypter in diesen Gestirnen gern seine Götter, und kein Gott steht ihm hoher als die Sonne, die alles erhält und alles ins Leben gerufen hat. Unter dem aber, was sich dem Ägypter auf Erden zeigte, fesselten ihn besonders die Tiere, mit denen er als Landmann in steter Berührung war und die er täglich erblickte; auch in ihrer Gestalt stellte er sich daher gern seine Götter vor.

Und noch in anderer Weise wirkte die eigentümliche Beschaffenheit des Landes auf die ägyptische Religion ein, es zersplitterte sie. Unterägypten ist von Flußarmen, Sümpfen und Wasserlaufen in allen Richtungen zerschnitten, und Oberägypten ist ein einziges, schmales Flußtal, in dem drei bis vier Millionen Menschen auf einer Strecke wohnen, die etwa der von Basel bis zur Nordsee gleichkommt. In einem so gearteten Lande, in dem die verschiedenen Teile nur wenig miteinander in Berührung kommen, werden sich notwendig allerlei Sonderheiten der einzelnen Gegenden herausbilden, in der Sprache, in den Sitten und in der Religion.

In jeder Landschaft und in jeder größeren Stadt finden wir denn auch Götter von besonderer Gestalt, besonderem Namen und mit eigenen Sagen und der erste Eindruck, den die ägyptische Religion uns bietet, ist der der Zersplitterung und Zusammenhangslosigkeit: so viele Städte so viele Gottheiten. Allerdings die Ägypter selbst haben ihre Religion nie so aufgefaßt; sie versichern uns immer wieder, daß diese und jene Götter trotz der Verschiedenheit ihrer Bilder und Namen im Grunde dasselbe heilige Wesen bedeuten1. Und dem wird wirklich so sein.

Wie schon in der Urzeit das ägyptische Volk ein und dieselbe Sprache redete, so wird es auch in seiner Gedankenwelt eine Einheit gebildet haben. Mochte man in den einzelnen Ortschaften noch diese oder jene heiligen Wesen als besondere lokale Schutzpatrone verehren, die großen Gottheiten waren allem Volke gemeinsam und ihre Tempel standen in allen Teilen des weitgestreckten Landes. Aber wo immer in der Welt eine Gottheit an mehreren von einander entfernten Orten verehrt wird, da bleibt es auch nicht aus, daß sie im Laufe der Zeit in verschiedene Gestalten zerfallt. So auch in Ägypten. Wenn in der einen Stadt ein Sänger das Wesen seines Gottes unter einem neuen Bilde schilderte oder ihm einen neuen Beinamen gab, wenn an einem Orte der Schnitzer das Götterbild anders gestaltete als bisher, wenn in einem Tempel ein neues Fest eingeführt wurde oder ein neuer Gebrauch — immer wurde damit für die betreffende Stadt ein weniges an der bisherigen Vorstellung geändert. Und da bei der räumlichen Zersplitterung des Landes solche Unterschiede sich nicht leicht ausglichen, so mußte im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende die einzelne Gottheit sich immer mehr und mehr in gesonderte Gestalten auflösen. Der Mondgott, der in anderen Teilen Ägyptens ein Ibis war und Thoth hieß, hatte dann in Theben eine menschliche Gestalt und führte einen der alten Beinamen des Mondes: Chons, Durchwandeler des Himmels. Neben die alte Himmelsgöttin Nut trat eine Göttin, die man Hathor, das Horushaus, das heißt die »Wohnung des Sonnengottes« nannte. Und wieder andere Götter erschienen durch abweichenden Kultus oder abweichende Gestalt so sehr als etwas Besonderes, daß sie ihren alten Namen ganz verloren und nur noch nach der Stadt benannt wurden, in der man sie verehrte. So tritt nähen den großen Gott Seth der Nubti d. h. der von Ombos, neben den Sonnengott Horus der Behedti der von Edfu, neben die Himmelsgöttin die fröhliche Bastet die von Bubastis.

Aber wenn das Volk so viele seiner Götter zerlegte und zerteilte, die Uberlieferung von ihrer ursprunglichen Einheit blieb doch erhalten. Bei manchen Göttern wird auch der gemeine Mann diese nie verloren haben; daß Atum und Behedti die Sonne und Nubti der Seth seien, blieb immer allen gegenwärtig. Anderes wußten wenigstens noch die Leute, die die alten Hymnen und Formeln kannten und wieder anderes mochte sich nur noch als Wissenschaft der Gelehrten erhalten. Aber auch dieses halb Vergessene wurde gelegentlich wieder hervorgesucht und betont, besonders, wenn es einmal Mode wurde, einem Götte vor anderen zu dienen. Eine solche Vorliebe für einen bestimmten Gott können wir im Verlaufe der ägyptischen Geschichte öfters beobachten, und mehrfach hatte sie ihren Grund nur in einem äußeren Vorgang: ein neues Königsgeschlecht war auf den Thron gestiegen und der Gott seiner Residenz war damit der Schützer des Reiches geworden. Da wünschte man überall auch diesem Gotte zu dienen und jede Stadt freute sich, wenn sie sagen konnte, daß ihr alter Gott ja im Grunde der neue Reichsgott sei. Natürlich werden nicht alle solche Gleichsetzungen berechtigt gewesen sein; es war berechtigt, wenn man die Hathor von Dendera der neuen Götterkönigin Mut gleichsetzte, denn beide waren gewiß einst dieselbe Himmelsgöttin gewesen. Aber wenn man den krokodilgestaltigen Sobk, den wir nur als Herrscher des Wassers kennen, mit dem Sonnengotte Re identifizierte, so war dies vermutlich nichts als Willkür.

So etwawerden wir uns die Entwicklung der ägyptischen Religion denken müssen: ein ständiges Sichauflosen und ständiges Verknüpfen und Vermischen. In den Urzeiten, wo das Volk politisch zerfallen war, neigte sie mehr zur Zersplitterung, in der historischen Zeit, wo es meist zu einem Staate vereint war, schloß sie sich wieder mehr zu einem Ganzen zusammen.

Wirklich ein Ganzes ist sie freilich nie geworden. In der Kunst, in der Literatur, in der Wissenschaft entwickelte sich wohl ein einheitliches geistiges Leben, das dem ganzen Lande gemeinsam war, aber in der Religion kam es niemals zu einem einheitlichen und vereinfachten Glauben; weder die straf -feren politischen Verhältnisse noch die steigende Bildung des Volkes, noch auch die zunehmende Berührung mit andern Völkern haben dies erreicht. Wenn die Leute von Bubastis lernen, dem Gotte Amon zu dienen, weil er der Gott der Königsstadt ist, so werden sie darum nicht im geringsten in der Verehrung ihrer Göttin Bastet nachlassen, und wenn sie anfangen, diese alte Göttin als identisch mit der Isis anzusehen, so werden sie darum doch noch nicht ein Titelchen an ihren überkommenen Anschauungen andern, sondern einfach das Neue zu dem Alten hinzufügen.

Denn auf dem ägyptischen Volke lastete ein besonderer Fluch: es konnte nicht vergessen; es hatte in frühester Zeit seine Schrift erfunden und damit einen Vorrang vor andern Völkern erworben, aber es mußte auch das Unglück eines solchen Besitzes auskosten. Jede neue Epoche seines langen Lebens brachte ihm neue Vorstellungen, aber die alten Vorstellungen verschwanden darum noch nicht. Sie traten vielleicht zeitweise zurück, aber irgendwie blieben sie doch als heilige Besitztümer aufbewahrt und traten dann in einem andern Jahrhundert wieder in den Vordergrund. Auch das, was in den Tempelbibliotheken nur noch ein papiernes Dasein führte, konnte so wieder lebendig werden und Einfluß gewinnen. Jede Epoche vergrößerte so den Wirrwarr der gemeinsamen Vorstellungen und der örtlichen, des Alten und des Neuen, und vermehrte die Masse des religiösen Details, das die ägyptischen Theologen erfreute und uns ein Gräuel ist.

Und dennoch verlohnt es sich auch für uns, den Glauben der Ägypter durch die Jahrtausende zu verfolgen, nur daß wir versuchen werden, gerade jenen Dingen nachzugehen, die der ägyptische Priester verachtet haben wurde. Wie das Volk in der Urzeit dachte, als es seine Götter noch naiv lebendig schaute; wie es später, als seine Gottheiten ihm in ihren Riesentempeln fremd geworden waren, sich bescheidenere Helfer erdachte, die ihm naher stehen konnten; wie einmal ein Herrscher den kühnen Versuch gemacht hat, sich und sein Volk von dem Banne des alten Glaubens zu erlösen; wie inmitten all der äußerlichen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode das Gefühl durchdringt, daß dabei die Rechtlichkeit des Menschen doch wichtiger sei als Formeln und Zeremonien — das zu sehen erscheint uns wichtiger, als wenn wir alle Namen und Abzeichen und Festtage der Götter und Göttinnen kennten.

Notes

1 Man ist neuerdings geneigt, diese Anschauung, die die Ägypter der historischen Zeit hegen, als eine Täuschung anzusehen und denkt sich gern, daß alle diese Götter ursprünglich gar nichts miteinander zu tun gehabt hatten; Chons wäre ursprünglich kein Mondgott gewesen und Atum kein Sonnengott und Hathor und Neith und Mut hatten nicht der Himmelsgöttin entsprochen. Sie alle waren einmal beliebige heilige Wesen gewesen, die man in einer einzelnen Stadt oder Landschaft verehrte und erst in späterer Zeit, als ein straffer Staat das Volk enger zusammenschloß, hatte man einzelne Götter einander gleichgesetzt und so die Religion in eine gewisse Einheit gebracht. Die Ägypter der Urzeit hatten in ihrer Religion eigentlich nichts gemeinsam gehabt als einige allgemeine Vorstellungen, ihre wirkliche Verehrung aber habe sich überall nur an vereinzelte heilige Wesen gerichtet, die nicht über den einzelnen Bezirk hinaus verehrt wurden, an einen Widder oder einen Stier, an einen Stein oder Pfahl oder auch an ein menschlich gedachtes Wesen. Das alles wurde zwar gut zu modernen religionsgeschichtlichen Theorien stimmen, der ägyptischen Überlieferung selbst aber widerspricht es durchaus, und es liegt wirklich gar kein Grund vor, diese unsere einzige Quelle so kurzweg beiseite zu setzen.

Erstes Kapitel.

Die Grundzüge des Götterglaubens.

Table of Contents

Wer von der ägyptischen Religion spricht, der denkt dabei zunächst an den Glauben jener Zeit, die die Tempel von Karnak und Luxor, von Medinet Habu und Abusimbel geschaffen hat, in denen die Götter wie in Palästen thronten und ihre glanzvollen Feste begingen. Aber für uns, die wir zunächst die einfach verständlichen Anfange des ägyptischen Glaubens suchen, kommt diese glänzende Periode am Ausgänge des zweiten Jahrtausends nicht in Betracht und auch selbst wenn wir noch um ein oder zwei Jahrtausende weiter hinaufgehen, bis in die Zeit der großen Pyramiden oder bis zu den Anfängen der ägyptischen Geschichte, überall stehen wir schon einem verworrenen und überladenen Glauben gegenüber. Bis zu der Jugendzeit der ägyptischen Religion vermögen wir nicht vorzudringen und nur mühsam können wir noch durch Vermutungen einige der einfachen Gestalten erschließen, durch deren Vermischung der Glaube der historischen Zeit entstanden ist.

1. Kronen.

Am sichersten lassen sich noch die äußeren Formen der alten Religion erkennen. Sie zeigen uns die einfachen Verhältnisse eines primitiven Volkes. Rohe Götterfiguren von menschlicher oder tierischer Bildung verstand es schon zu schnitzen und gefiel sich darin, sie durch verschiedene Kronen zu unterscheiden, aber seine Phantasie ging dabei noch nicht über Diademe aus Schilfbündeln, Schaf- und Kühlhörnern und Straußenfedern hinaus. Seine Götter tragen als Szepter einen Stab, wie ihn noch heute jeder Beduine sich schneidet, und seine Göttinnen begnügen sich sogar mit einem Schilfstengel. Sie wohnen in Hütten mit geflochtenen Wänden, deren Dach vorn mit hervor stehenden Stäben geschmückt ist; ein paar kurze Pfähle und zwei lange Masten sind zu weiterem Schmucke davor aufgestellt. Sein Altar ist eine Schilfmatte und seine Feste feiert es, indem es einfache Lauben errichtet.

2. Szepter (a der Götter, b der Göttinnen).

Daß bei so schlichten äußeren Formen auch der geistige Gehalt nur ein schlichter gewesen sein wird, steht von vornherein zu vermuten, und was immer wir von den Anschauungen jener Urzeit erschließen können, tragt in der Tat dies Gepräge. Wem daher in den im folgenden dargelegten ägyptischen Vorstellungen manches gar zu naiv erscheint, der bedenke, daß sie zumeist von einem Volke nackter halbwilder Bauern geschaffen sind. Die Ägypter der historischen Zeit, die Untertanen der Cheops, Amenemhet und Ramses, haben sie von ihnen nur ererbt und haben sie uns bewahrt; wer sie aber richtig verstehen will, der muß sich in jene ferne Kindheit des ägyptischen Volkes zurückversetzen, das staunend aufblickte zu dem, was über ihm am Himmel seinen Lauf nahm, und das auf Erden Wölfe, Stiere und Falken mit scheuer Ehrfurcht betrachtete.

3. Tempel der Urzeit.

Mannigfach sind die Vorstellungen über die Welt und die Bilder, unter denen man sie zu begreifen sucht. Den Himmel denkt man sich zumeist als eine blauglitzernde Flut, auf der die Gestirne in Schiffen fahren; irgendwie ruht er zugleich auf den oft genannten vier Stützen des Himmels oder auch auf vier Bergen, die in den vier Himmelsgegenden belegen sind. Daneben wird der Himmel dann auch oft als eine gewaltige Kuh aufgefaßt, deren Beine auf der Erde aufstehen oder auch als ein Weib, das sich mit den Händen und Füßen auf die Erde stutzt. Wahrend so der Himmel gern weiblich gedacht wird, gilt die Erde als ein Mann, auf dessen Rücken die Pflanzen wachsen; augenscheinlich hat das grammatische Geschlecht der beiden Worte — pet aber Himmel« ist weiblich, to edie Erde« männlich —zu diesen Auffassungen geführt.

Eben so mannigfachen Auffassungen begegnen wir bei der Sonne. Sie wird morgens von der Himmelskuh als Kalbchen oder von der Himmelsgöttin als Kind geboren. Sie ist ihr eigener Vater, der Stier seiner Mutter (Kamephis), der täglich mit der Himmelsgöttin die Sonne des nächsten Tages erzeugt. Abends aber ist sie ein alter Mann, der zu den Toten geht. Sie ist weiter das rechte Auge eines großen Gottes, dessen linkes Auge der Mond ist, und der als ein Falke über den Himmel fliegt. Oder ein Kafer, der große Mistkafer Ägyptens, walzt die Sonne vor sich her, wie man seine Bruder auf Erden die Mistkugeln walzen sieht, in die sie ihre Eier legen. Oder, und das ist die verbreitetste Vorstellung, die Sonne, der Mond und die Sterne fahren in Schiffen über den himmlischen Ozean. Daran knüpft sich dann weiter die Frage, wie die Sonne, die abends im Westen verschwindet, morgens wieder im Osten aufsteigen kann; der Ägypter erklärt sich das durch die Annahme eines zweiten unterirdischen Himmels, den die Sonne in der Nacht durchlauft. Es ist ein finsterer Raum, der von Toten bewohnt wird; denen leuchtet 6. Das Sonnenschiff, das Vorderteil die Sonne des Nachts, wenn sie auf ihrem Schiffe vorbeifahrt. Denn auch in dieser Unterwelt fehlt es nicht an einem Gewässer und dieser geheime Strom sendet sogar einen Arm in das Reich der Lebenden: an der Südgrenze Ägyptens, neben der Insel Elephantine, quillt er in zwei Strudeln empor, um Ägypten als Nil zu durchlaufen. Man sieht, für die Urzeit, der diese Vorstellung entstammt, reichte selbst der Nil nicht über Ägypten hinaus; der Katarakt war die äußerste Grenze ihrer Welt.

4. Der Himmel als Kuh, von dem Luftgott Schu und andern Göttern gehalten. Am Bauch die Sterne und die Schiffe der Sonne. (Grab Sethos’ I.)

5. Der Himmel als Frau, von Schu getragen, daran die Sonne als Käfer oder Scheibe. (Grab Ramses’ IV.)

6. Das Sonnenschiff, das Vorderteil ist mit einem Teppich behangt.

Daß alle diese Anschauungen ältester Zeit entstammen, wird man nicht wohl bezweifeln mögen. Eine andere Frage ist freilich, ob sie je alle im gleichen Maße ernst gemeint waren. Gewiß wird der alte Ägypter den flimmernden Himmel wirklich für eine ferne blaue Flut gehalten haben, aber einen Kuhbauch in ihm zu erkennen, durfte doch auch demnaivsten Menschen schwerlich eingefallen sein. Solche wunderliche Vorstellungen durften anders entstanden sein; sie werden aus den Liedern stammen, an denen das ägyptische Volk stets seine Freude hatte und in denen es mit kühnen Vergleichen zu spielen liebte. War es in der Poesie üblich geworden, den regenspendenden Himmel mit einer milchgebenden Kuh zu vergleichen und Erde und Himmel als Mann und Weib zu schildern, so bürgerte sich eine solche Vorstellungsart allmählich auch im Volke ein. Auch die bildende Kunst nahm sie an, und schließlich wurde es für die Menge ein Glaubensartikel, daß solches wirklich die wahre Gestalt jener überirdischen Dinge sei.

Auch das störte nicht, daß die verschiedenen Vorstellungen nicht zueinander paßten, und ruhig nahm man den unglaublichen Widersinn hin, der aus ihrer Verbindung entstand. Der Ägypter malt den Himmel als Kuh und läßt doch auf deren Bäuche das Sonnenschiff fahren; man spricht vom Himmel als Ozean und läßt doch die Sonne von ihm geboren werden; man spricht von dem Sonnengott als von einem Käfer und bezeichnet doch die Sonne als sein Auge.

Auch bei den Bildern, die man sich von den einzelnen Göttern machte, ertrug man eine ähnliche Verwirrung, die durch die beständige halb ernste und halb spielende Vermischung der Götter und der ihnen eignenden Tiere entstand. Weil die naive Phantasie den Mondgott einem Ibis und die Göttin Bastet einer Katze verglichen hatte, wurden diese Götter nun auch wirklich als Ibis und Katze gedacht und dargestellt. Das hinderte aber nicht, daß man ihnen gleichzeitig auch menschliche Gestalt zuschrieb. In der Regel half man sich dann mit einem Kompromiß und gab dem menschlich gestalteten Gotte den Kopf des betreffenden Tieres; das Unnatürliche einer solchen Verquickung haben die ägyptischen Künstler schon in sehr früher Zeit durch geschickte Kunstgriffe zu verdecken gewußt, so daß selbst wir es bei guten Götterbildern kaum als störend empfinden.

So weit hinauf wir die Religion verfolgen können, steht kein Gott in höherem Ansehen bei den Ägyptern als das gewaltige Gestirn des Tages, dessen Segen und dessen Schrecken ja im Süden ungleich fühlbarer ist als in unseren Breiten. Den mancherlei Gestalten, unter denen man sich die Sonne dachte und die wir schon oben aufgeführt haben, entsprechen auch besondere Namen. Denkt man nur an das Gestirn, so nennt man den Gott Re d. h. die Sonne. Denkt man ihn als Falken mit leuchtenden Augen, so heißt er Horus oder Hor-achte, der Horus vom Horizonte. Chepre bezeichnete die Sonne als Käfer und Atum war der Name für den menschlich gestalteten König, als den man die Sonne in Heliopolis verehrte. Aber da man sich stets bewußt war, daß alle diese Namen und Gestalten einem und demselben Wesen entsprachen, so hielt man es auch für erlaubt, sie beliebig miteinander zu verbinden und zu vertauschen, und man läßt beispielsweise auch einmal den Käfer1 oder den Falken im Schiffe über den Himmel fahren, was doch eigentlich nur dem menschlich gedachten Gotte zusteht.

Oft hat man auch die verschiedenen Formen und Namen der Sonne so aufgefaßt, als entsprachen sie ihrer Rolle in den verschiedenen Tageszeiten: sie ist Chepre am Morgen, Ream Mittag und Atum am Abend2; aber auch dies ist nie konsequent durchgeführt, und ein alter Text läßt z. B. auch Re aufgehen und Chepre untergehen3.

Die verbreitetste Auffassung ist wohl immer die gewesen, nach der der Sonnengott in einem Schiffe über den Himmel fahrt; von diesem Schiffe aus regiert er als der große Gott, der Herr des Himmels alle Dinge der Welt. Er hat weiter für gewöhnlich den Kopf eines Falken und tragt auf diesem die Sonne; um diese herum ringelt sich seine furchtbare Dienerin, die flammenspeiende Schlange, die seine Feinde vernichtet. Denn an feindlichen Wesen, die sich seiner Fahrt widersetzen wollen, fehlt es nicht, und eines derselben, die Wolken- und Gewitterschlange Apophis, gilt als der Inbegriff alles Scheußlichen. Aber sie können dem Gotte nichts anhaben, er vollendet glücklich seine Fahrt über den Himmel und gelangt zur Abendzeit an die westliche Bergwand, wo ihn die Göttin des Westens empfangt. Hier verläßt er seine Morgenbarke, in der er am Tage gefahren ist, und besteigt die Abendbarke um seine nächtliche Fahrt durch die Unterwelt zu beginnen. Dort leuchtet er für den großen Gott Osiris, den ewigen Herrscher. Die Toten aber, in ihren Hohlen, begrüßen ihn freudig; sie heben ihre Arme und preisen ihn und sagen ihm alle ihre Wünsche . . . Ihre Augen öffnen sich wieder bei seinem Anblick und ihr Herz jauchzt, wenn sie ihn sehen. Er hört die Gebete dessen der im Sarge liegt, und vertreibt ihr Leid und verjagt ihr Böses. Er gibt wieder Atem in ihre Nasen. Und da die frischen Winde der Oberwelt keinen Zugang in diesen Hades finden, so fassen die Toten den Strick am Vorderteil des Schiffes und ziehen es fort, so wie man auf Erden die Nilschiffe bei schlechtem Winde zieht4.

7. Das Sonnenschiff als Sitz der Weltregierung. Vor dem Gott, der in einer Kapelle thront, steht Thoth als sein Vezier und halt ihm Vortrag. Der Gott ist widderköpfig wie auf seiner nächtlichen Fahrt durch die Unterwelt. (Aus dem Tempel von Wadi Sebua, LD. III 181.)

8. Der Sonnengott.

Verläßt er dann am Morgen die Unterwelt wieder und zeigt sich im östlichen Horizonte, in dem sagenhaften Berge Bech, so bringt er allen Wesen Leben und Freude. Wenn die Paviane bei Sonnenaufgang larrnen und kreischen, so tun sie das um den Sonnengott in ihrer Weise zu preisen, die Menschen aber erheben ihre Hände zum Morgenliede und sprechen so: Preis dir, der im Himmelsozean aufgeht und Ägypten erleuchtet, wenn er hervorkommt. »Lob dir«, sagen die Götter insgesamt . . . du schönes liebes Kind. Wenn er auf geht, leben die Menschen und die Leute jauchzen über ihn. Die Götter von Heliopolis jubeln ihm zu und die Götter der beiden Hauptstädte erheben ihn. Es preisen ihn die Paviane; »Preis dir«, sagen alle Tiere zusammen. Deine Schlange fällt deine Feinde. Du jauchzt in deinem Schiffe, deine Mannschaft ist zufrieden . . und du freust dich, Herr der Götter, über die, die du geschaffen hast. Sie preisen dich; die Himmelsgöttin blaut neben dir5).

9. Affen beten die Sonne an. (Nach Berlin 7315.)

An Stätten der Verehrung wird es diesem Gotte von alters her nicht gefehlt haben, aber eine von ihnen hat frühzeitig so hohen Ruhm erlangt, daß die andern daneben für uns in den Schatten treten. Das ist On, oder, wie wir es gewöhnlich nach griechischem Vorgange nennen, Heliopolis, die Stadt, die unweit des heutigen Kairo bei Matarije belegen war. Hier ist das wahre Heiligtum des Atum, des Hor-achte, und keine Statte hat im religiösen Leben der Ägypter eine so einflußreiche Rolle gespielt wie diese.

Eine zweite wichtige Statte, wo man den Sonnengott verehrte, war das heutige Edfu in Oberägypten, in dem noch jetzt sein großer Tempel völlig erhalten steht. Von hier stammte das merkwürdige Bild des Gottes, das die Sonne darstellt, wie sie mit buntem Gefieder, ihre Feinde vernichtend, über den Himmel fliegt; dieses Bild des Horus von Edfu (oder wie man gewöhnlich nur sagte des von Edfu) pflegte man über den Türen der Tempel anzubringen, damit es auch von diesen alles Böse abhalte.

10. Der Sonnengott von Edfu.

In anderen Tempeln hatte der Sonnengott früh einen besonderen Namen erhalten und, war zu einem selbständigen Gotte geworden, an dem nur weniges noch an seine ursprüngliche Natur erinnerte; dahin gehören vermutlich Min, Horßsopd und andere, die wir unten (S. 18, 19) besprechen werden.

Wir gedachten oben einer alten Vorstellung, wonach Sonne und Mond die Augen eines großen Gottes waren, des Hor-jerti, des Horns der beiden Augen. So selten wie dieser alte Gott selbst erwähnt wird, der Gedanke, daß die beiden großen Gestirne die Augen des Lichtgottes seien, ist den Ägyptern immer geläufig gewesen. Freilich in seltsamer Verquickung: weil das glühende Auge der Sonne deren Feinde versengt, so wirft man es zusammen mit jener Schlange, die am Scheitel des Re ist6 und die die Gegner des Gottes durch Feuerspeien bekämpft. Und weil es zwei Augen sind, die der Gott hat, so muß er nun auch zuweilen statt der gewöhnlichen einen Schlange ihrer zwei tragen, und der Gott hat seine beiden Augen, als seine beiden Schlangen 7).

Auch den Mond treffen wir zuweilen als Auge des Horus an, freilich fast nur wenn man davon spricht, wie das Horus-auge beschädigt wird und wie es dann wieder voll wird; wir werden unten zu erzählen haben, wie die Sage diese Auffassung des Ab- und Zunehmens ausgestaltet hat. In der Regel aber wird der Mond als ein selbständiger Gott gedacht, als der ibisköpfige Thoth, der nächtliche Vertreter des Re. Er ist der Stier unter den Sternen, der Mond am Himmel, wie ihn eine Inschrift unserer Sammlung 8 nennt. Gleichzeitig ist er aber auch der Schreiber der Götter und der Richter am Himmel, der die Sprache und Schrift gab und durch seine Rechenkunst Götter und Menschen wissen ließ, was ihnen zusteht. Er ist der Gott, aller Weisheit und Gelehrsamkeit und er hat die Gottesworte, d. h. die Schriftzeichen, erfunden. Wie der Mondgott zu dieser Rolle gekommen ist, ist übrigens leicht zu erraten; er regelte ja die Zeit und konnte somit auch der Vertreter alles Rechnens und Notierens werden. Der Hauptsitz seiner Verehrung war Schmun in Mittelägypten, die Stadt, die in griechischer Zeit Hermopolis hieß. Unter einem anderen Namen: Chonsu (der Durchführer des Himmels) verehrte man den Mond in Theben, doch war dieser rein menschlich als Kind gebildete Gott in alter Zeit außerhalb seiner Heimat wenig bekannt; erst im neuen Reiche schoben ihn äußere Verhältnisse zeitweise in den Vordergrund.

11. Thoth.

Die anderen Gestirne spielen in der Religion keine Rolle. Zwar nennt man die Planeten »Horus« (Mars z. B. ist der rote Horus) und in einzelnen markanten Sternen und Sternbildern findet man beliebte Götter wieder: der Sothisstern, unser Hundsstern, wird für Isis in Anspruch genommen, die Königsgestalt des Orion gilt auch als Osiris und die sogenannten Horussohne (vgl. S. 43) sieht man neben dem großen Bären stehen 8a. Aber das alles ist nicht viel mehr als Spielerei, und ein wirklicher Sternenkultus hat sich niemals in Ägypten entwickelt.

Was der Sonnengott unter den Göttern ist, ist die Himmelsgöttin unter den Göttinnen, die allverehrte, vielgestaltige, deren verschiedene Namen und Formen sich in der Regel zu besonderen Gottheiten entwickelt haben.

Als Nut war sie geblieben, was sie gewesen war, die Vertreterin des Himmels, die Mutter der Sterne, die Gattin des Erdgottes K e b , und so wenig wie dieser kam sie ernstlich für die eigentliche Religion in Betracht; sie hat in historischer Zeit nur wenig 9 Verehrung genossen. Desto volkstümlicher wurde sie unter einem anderen Namen, als H a t h o r. Obgleich gerade dieser Name Haus des Horus, d. h. Wohnsitz des Sonnengottes, sie ausdrücklich als Himmel bezeichnete, so war doch bei ihr früh fast ein Wechsel der Rolle eingetreten; wie sie ihrer Natur gemäß die oberste der Göttinnen war, so war sie auch die göttliche Vertreterin der Frauen, der diese vor allem dienten10, und damit wurde sie denn auch die heitere Göttin der Freude und der Liebe. Anderes an ihr stammt noch von ihrem himmlischen Charakter her; so ist sie es, die der Sonne den westlichen Himmel öffnet, wenn diese zur Ruste geht. In dieser Rolle wird sie dann geradezu zur Göttin des Westens, die an der westlichen Bergwand steht und Sonne und Tote in die Unterwelt hineinläßt. Einen Zug, der ihr ursprünglich fremd ist, hat Hathor dann noch dadurch erhalten, daß man sie mit jenem Auge des Re und mit seiner Schlange zusammenwarf 11, die beide, wie wir gesehen haben, Feuer gegen dessen Feinde speien. Dadurch wird Hathor nun, ganz gegen ihr sonstiges Wesen, auch eine Göttin des Krieges. — Daß diese Göttin der Frauen zahllose Heiligtümer besaß, versteht sich von selbst; einer ihrer Hauptsitze war Dendera in Oberägypten, wo ihr Tempel uns noch heute in voller Pracht erfreut.

Die Kuhgestalt der Himmelsgöttin, von der wir oben gesprochen haben, scheint ursprünglich gerade der Hathor geeignet zu haben. Aber es ist begreiflich, daß man sie bei dieser Göttin nicht gern verwendete, und auch wenn man ihr nur den Kopf der Kuh aufsetzte, mochte das nicht recht zu ihrem späteren Charakter passen wollen. Da hat man denn in sehr früher Zeit einen merkwürdigen Kopf für sie erdacht, der menschlich ist und doch zugleich tierisch, ein breites, freundliches Frauengesicht, von schweren Flechten umrahmt, das von der Kuh nur die Ohren beibehalten hat, das aber doch in seinem Ausdruck das Tier nicht ganz verleugnet. Oder man gibt ihr auch einen einfachen Frauenkopf, an dem nur noch der Kopfschmuck, zwei Hörner, zwischen denen die Sonne erscheint, an die alte Himmelskuh erinnert. An Hathor schließen sich zunächst zwei große Göttinnen des unteren Ägyptens an, deren enge Zusammengehörigkeit die Ägypter selbst gern betonen, die katzen-köpfige Bastet von Bubastis und die löwenköpfige S e c h m et von Memphis. Diese letztere, deren Namen die Mächtige bedeutet, hat sich ganz zu einer Kriegsgöttin entwickelt, die wieder Feuer gegen die Feinde speit12. Auch Bastet (der Name bedeutet nur die von Bubastis) gilt zuweilen als Kriegsgöttin 13, in der Regel aber ist sie ein Seitenstück zu der heiteren Hathor, und Tanz und Musik sind ihre Freude. Katzenköpfig, die Sistrurnltlapper der Tänzerinnen in der Hand, am Arm einen Korb, das ist ihr gewöhnliches Bild.

12. Hathorkopf. (Nach einem Kapitel aus Bubasus.)

13. Hathor     14. Sechmet

Sicher der Himmelsgöttin entspricht auch die Göttin Mut von Theben. Ihr Name bedeutet Mutter, und wenn ein später Text dies als die Mutter der Sonne, in der diese auf geht14, erklärt, so liegt darin gewiß eine richtige Überlieferung. Für gewöhnlich ist Mut freilich wie die Sechrnet zu einer Göttin des Kampfes geworden und wird wie diese daher löwenköpfig gebildet. In späterer Zeit, als Theben zur Hauptstadt geworden war, genoß sie als Gattin des Reichsgottes Arnon des höchsten Ruhmes, da wird sie dann als eine Königin dargestellt und tragt die Krone, die sie den Herrschern ihrer Stadt erworben hat.

In der gleichen Doppelrolle einer Kriegs und Himmelsgöttin tritt uns dann auch die großeNeith von Sais entgegen. Ähnlich wie Nut und Hathor heißt sie die Kuh, die die Sonne gebar 15, oder die Mutter, die die Sonne gebar, die zu erst gebar, ehe denn geboren wurde 16. Aber sie heißt auch die, die den Weg bahnt17, weil sie vor dem Könige in der Schlacht einherschreitet, und Bogen und Pfeile sind ihr übliches Attribut. Da sie die rote Krone von Unterägypten tragt, so muß sie einmal als die Vertreterin dieses Landes gegolten haben, früh aber hat sich ihre Verehrung weit verbreitet, und wie bei Hathor sind es gerade die Frauen, die ihr dienen.

15 Baste. Berlin 11354

16. Neith.

17. Isis, auf dem Kopfe tragt sie das Schriftzeichen ihres Namens.

Endlich ist wohl auch die berühmteste aller ägyptischen Göttinnen, die Isis, ursprünglich eine besondere Form der Himmelsgöttin gewesen, die man im nördlichen Delta verehrte. Freilich ist ihre Gestalt so von der Sage verändert und in das Menschliche gezogen worden, daß von ihrem ursprünglichen Charakter nichts mehr zu erkennen ist. Aber eine Spur ist doch geblieben, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine alte Himmelsgöttin und Sonnenmutter hinweist: ihr Sohn heißt Horus, und Horus ist ja der alte Name des Sonnengottes 18

Wie schon oben gesagt, gibt es eine Reihe von Göttern, die, so abweichend sie uns auch heute erscheinen, vermutlich doch aus dem Sonnengotte entstanden sind. Da ist vor allem der große Gott Min, der in der Gegend von Koptos verehrt wird und den sein altes Bild ithyphallisch darstellte, mit zwei hohen Federn auf dem Haupte; den rechten Arm, der eine Geißel halt, reckt er in die Hohe. Dafür, daß er einmal der Sonnengott gewesen ist, spricht noch, daß man ihm nachrühmt, er begatte seine eigene Mutter19 ; diese ständige Selbsterzeugung schreibt man ja, wie wir oben sahen, sonst der Sonne zu. Und weiter stellt man ihn so dar, als wolle er die Wesen in der gleichen Weise erzeugen, in der es nach der unten besprochenen Sage (S.32) der Sonnengott getan haben sollte. Aber seinen Verehrern ist er offenbar früh zu einer Art Priap geworden, zu einem Gotte der Zeugung und Fruchtbarkeit, der die Weiber raubt, der Herr der Mädchen 20; tragt doch auch sein großes Fest Züge, die an eine Erntefeier erinnern. Zu dieser Rolle des Min trat dann noch eine ganz andere, er wurde der Herr des Ostens. Er wurde ja an jener Stelle Oberägyptens verehrt, wo Nil und Rotes Meer sich am meisten nähern und wo daher zu allen Zeiten die Karawanenstraße zu der Welt des Ostens hinführte. Wer sie betrat und sich damit in das unsichere Gebiet der räuberischen Troglodyten begab, der empfahl sich in Koptos, ehe er das Niltal verließ, naturgemäß dem dortigen Gotte, dem Min. So wird dieser zum Gotte der östlichen Wuste, zum Herrn des Lapislazuli und des Malachits und zum Herrn der Fremdländer. Wie alt diese Auffassung des Min ist, sehen wir an den uralten Statuen desselben, die Petrie in den Fundamenten des Tempels von Koptos gefunden hat; selbst diese rohen Bilder der Urzeit zeigen schon an ihren Gürteln Muscheln, Elefanten und Berge, also die Dinge, zu denen die Straße von Koptos hinführte. Übrigens muß ein uraltes Heiligtum des Min schon am Eingänge der Wüstenberge selbst gelegen haben, und dies pflegt man hinter seinem Bilde darzustellen: eine Kapelle in einem spitzen Felsen mit einem davorgebauten Eingang.

18.Min. (Nach Berlin 2439).

Wenn wir dann wenige Meilen südlich von der Heimat des Min einen Gott antreffen, der die gleichen, hohen Federn tragt, der ebenfalls oft ithyphallisch dargestellt wird, und der dem Min auch darin gleicht, daß er rein menschlich gestaltet ist, mit blauer Hautfarbe, so liegt es nahe, in diesem Gott'eine andere Gestalt des Min zu sehen. Dieser Gott ist kein anderer als der spätere Götterkönig Ägyptens, der Amon von Theben. In der alten Zeit, die uns hier beschäftigt, konnte man freilich nicht ahnen, welcher Ruhm ihm einst erblühen sollte; er war der obskure Gott einer kleinen. Stadt, und schon seine nächsten Nachbarn, die Leute von Hermonthis, verehrten einen anderen Gott, den falken-köpfigen M o n t h. Auch Month scheint ursprünglich nur ein besonderer Name des Sonnengottes gewesen zu sein 21, vielleicht ein solcher, der den Gott als den Sieger über seine Feinde bezeichnete, denn Month gilt vor andren als ein Gott des Krieges, das Vorbild der siegreichen Herrscher.

19. Felskapelle des Min. (Nach Denkmälern des m R)

Unten im Delta in der Landschaft Gosen, die sich ostwärts in die Wuste erstreckt, verehrte man einen Gott Horsopd, der, wie sein Name zeigt, eigentlich zu dem alten Sonnengotte Horus gehörte, der uns aber nur noch als Patron der östlichen Wuste entgegentritt; er war zu diesem Amte ebenso gekommen wie sein oberägyptischer Genosse Min: an seinem Heiligtümer vorbei lief die wichtige Straße, die durch Gosen nach Palästina führte.

20. Amon.

An die lange Reihe himmlischer Götter schließt sich dann endlich noch der Gott an, der nach ägyptischer Auffassung den Himmel stutzt und tragt, S c h u, oder, wie er an manchen Orten heißt, O n u r i s. Die späteren Ägypter selbst denken sich ihn offenbar als den Gott des Luftraumes, der von der Erde zum Himmel reicht.

Bei der Wichtigkeit, die der Nil für Ägypten hat, sollte man erwarten, daß wir ihm unter den Hauptgöttern des Landes begegneten. Aber er muß sich damit begnügen, der unter der Götter zu heißen und bei der Überschwemmung Opfer zu empfangen; im übrigen kommt er für die eigentliche Religion nicht viel mehr in Betracht als etwa die Himmelsgöttin Nut oder der Erdgott Keb. Er hat, wenn man will, nur eine dienende Rolle; in den Tempeln steht er halbweiblich gebildet in der Tracht der Schiffer und Fischer vor den großen Göttern und unerreicht ihnen die Gaben, die seine Flut erschafft. Den Namen eines Vaters der Götter hat der Nil übrigens von einem anderen Gotte entlehnt, der zwar für die eigentliche Religion kaum in Betracht kam, der aber die Phantasie des Volkes desto mehr beschäftigte. Das ist N u n , der Ozean des Himmels, in dem man auch, wie wir unten darlegen werden, das Urwasser sah, aus dem alles entstanden war.

21. Der Nil.

22. Ptah in seiner Kapelle

Mit dem Nun wird dann —wenigstens in späterer Zeit — zusammengeworfen her große Gott von Memphis, P t a h. Er heißt der große Ozean, der Vater aller Gotter und gilt wie jener als der große Gott des Uranfangs, der zuerst existierte als erster Urgott22). Ob dies wirklich der ursprüngliche Charakter dieses berühmten Gottes' gewesen ist, stehe freilich dahin; sicher ist nur, daß Ptah als der eigentliche Bildner unter den Göttern galt, der allen Dingen der Welt ihre Gestalt gegeben hat und immer wieder gibt. Die Künstler und Handwerker der historischen Zeit verehrten ihn daher auch als ihren Schutzpatron. Sein rohes Bild, das gewiß aus uralter Zeit herstammte, läßt auf der Brust zwei Hände erkennen, die ein Szepter hielten; der Kopf scheint geschoren zu sein und trägt keinerlei Schmuck.

In der gleichen Rolle eines Schöpfers und Bildners der einzelnen Wesen begegnen wir noch einem andern berühmten Gott, dem widder-gestaltigen oder widderköpfigen C h n u m , der an vielen Orten verehrt wurde. Einer seiner Tempel hat ihm dann noch einen besonderen Zug verliehen, der auf der Insel Elephantine. Hier zwischen den schäumenden Wassern des Kataraktes, wo der Nil aus der Tiefe emporquellen sollte, wurde er auch zum Gotte der Katarakten, zum Herrn des kühlen Wassers, was gewiß nicht seinem ursprünglichen Charakter entsprach. Viel eher mochte man den Gott S o b k für einen Gott des Wassers halten; er ist krokodilgestaltig, als sei das Wasser sein eigentliches Element und an keinem Orte wird er mehr verehrt, als in dem See- und Sumpfdistrikte des Faijum, in dem man den Acker mühsam dem Wasser abgewinnen mußte.

23. Chnum.

Der Erdgott K e b , auf dessen Rücken die Pflanzen wachsen, kommt für die Religion kaum in Betracht, dagegen hat ein anderer Gott verwandten Charakters die größte Bedeutung für den ägyptischen Glauben gewonnen. Da ist Osiris, der Gott der Deltastadt Dedu, die man später Busiris nanntet23. Was seine ursprüngliche Rolle gewesen ist, läßt sich noch ungefähr erraten; er muß der Gott gewesen sein, dem man die jährlichen Schicksale des Erdbodens zuschrieb 24. Wenn die Überschwemmung kommt, so ist Osiris das neue Wasser25, das die Felder grünen macht; wenn die Pflanzen welken und absterben, so ist das ein Zeichen, daß Osiris auch gestorben ist. Aber er ist nicht ganz tot, denn im neuen Jahre kommen die Kräuter wieder aus seinem Leibe empor und zeigen, daß er lebt. Daß Osiris einst ein solches Wesen gehabt hat, zeigt sich später noch in der Feier eines seiner Feste, wo man sein Aufleben wirklich durch keimende Pflanzen darstellte; im ihrigen freilich hat er früh einen ganz anderen Charakter angenommen, er ist der Schützer der Toten geworden. Zuerst vielleicht, weil man ihn auch als Erdgott auffaßte, der die Toten in seinem Schoße berge, sodann aber, weil die unten (S. 38) erzählte Sage von ihm berichtete, daß er getötet worden und doch wieder zum Leben erstanden sei.

24. Sobk (Berlin 16953, aus seinem Tempel in Faijum.)

25. Aus der Leiche des Osiris sprießen Pflanzen auf.

gewöhnlich bildete man ihn menschlich, ähnlich einer Mumie, und gab ihm Krone und Geißel und Szepter als Zeichen seiner Herrschaft. In Busiris aber verehrten ihn seine Gläubigen unter einem seltsamen Bilde, einem Pfeiler, dessen oberes Ende vierfach ausladet. Als Abzeichen des Osiris ist dieser Pfeiler dann eines der heiligsten Symbole der ägyptischen Religion geworden, aber was mochte er ursprünglich sein? War er, wie moderne Gelehrte dies vermutet haben, irgend ein alter hölzerner »Fetisch« der Einwohner von Busiris? Oder war er, wie die ägyptischen Theologen wollten, das Rückgrat des Gottes, das in dieser Stadt bestattet sein sollte? Jedenfalls ist beachtenswert, daß es zu diesem Zeichen des Osiris auch Seitenstücke in seiner Umgebung gibt; auch für seine Gattin Isis und seinen Freund Anubis besitzt man ebenso unerklärliche Zeichen. Die Freude an solchen Spielereien gehört zu den charakteristischen Zügen des alten Ägyptertums.

Erst in der Gestalt des sagenumsponnenen Toten-Königs hat Osiris jene Stellung in der ägyptischen Religion erlangt, von der wir noch so oft zu sprechen haben werden. Die andern Totengötter hat er allmählich in den Hintergrund gedrängt oder er hat sich auch an ihre Stelle gesetzt. So verband er sich in Memphis mit dem dortigen Herrscher der Toten, dem falkenköpfigen S o k a r i s , und dessen berühmtes Heiligtum, Rosetau, das Tor der Gange, (d. h. die Pforte der Unterwelt) wurde fortan der Tempel des Sokaris-Osiris.