Die Allisters kommen - G.F. Barner - E-Book

Die Allisters kommen E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

»Johnny – Hilfe!« Die Frau schrie, während ihr der eine Kerl mit dem Unterarm das Kinn zurückbog und der andere in den Kasten unter dem Tresen griff, in dem Reddy-Lou das Geld aufbewahrte. Ja, Rotschopf-Lady, ich bin schon da, dachte Johnny Boon und sprang. Die Linke des Mannes wollte nach dem Colt schnappen, aber Johnny Boon war zu schnell zur Hintertür hereingekommen. Johnny trat aus dem Sprung voll gegen die Schublade. Der Kerl schrie. Es gab ein ganz dumpfes Geräusch, als Johnny an den Tresen prallte und mit dem rechten Arm einen Sichelhieb führte. Der erwischte den Mann, dem die Schublade das Handgelenk angeknackst hatte, am Kinnwinkel und schleuderte ihn nach hinten. Er landete auf den Dielen. Johnny raffte den Colt des Burschen an sich und sah den zweiten Kerl, mit dem die Rotschopf-Lady-Lou, die eigentlich Louisa hieß, kämpfte. Johnny holte mit der Waffe aus. Dann schlug er zu und war selbst erstaunt, daß der Kerl sein Messer fallen ließ und sich danach vor Reddy-Lou »verneigte«. Er gab sie frei, fiel mit dem Gesicht voran auf die Bretter von Reddy-Lous Saloon in Guadalupe. »Johnny!« Reddy-Lou hob die Arme und klammerte sich an ihn. »Johnny!« Marshal John Boon spürte ganz deutlich, daß ihn jemand anfaßte, als er nach dem Traum jäh die Augen aufschlug. »Johnny, wach auf!« Wie denn, nicht Reddy-Lou, dieses verrucht-schöne Weib mit den aufregenden Formen? Das Gesicht war vor ihm.

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G.F. Barner Bestseller – 7 –

Die Allisters kommen

G.F. Barner

»Johnny – Hilfe!«

Die Frau schrie, während ihr der eine Kerl mit dem Unterarm das Kinn zurückbog und der andere in den Kasten unter dem Tresen griff, in dem Reddy-Lou das Geld aufbewahrte.

Ja, Rotschopf-Lady, ich bin schon da, dachte Johnny Boon und sprang.

Die Linke des Mannes wollte nach dem Colt schnappen, aber Johnny Boon war zu schnell zur Hintertür hereingekommen. Johnny trat aus dem Sprung voll gegen die Schublade.

Der Kerl schrie. Es gab ein ganz dumpfes Geräusch, als Johnny an den Tresen prallte und mit dem rechten Arm einen Sichelhieb führte. Der erwischte den Mann, dem die Schublade das Handgelenk angeknackst hatte, am Kinnwinkel und schleuderte ihn nach hinten. Er landete auf den Dielen.

Johnny raffte den Colt des Burschen an sich und sah den zweiten Kerl, mit dem die Rotschopf-Lady-Lou, die eigentlich Louisa hieß, kämpfte. Johnny holte mit der Waffe aus. Dann schlug er zu und war selbst erstaunt, daß der Kerl sein Messer fallen ließ und sich danach vor Reddy-Lou »verneigte«. Er gab sie frei, fiel mit dem Gesicht voran auf die Bretter von Reddy-Lous Saloon in Guadalupe.

»Johnny!«

Reddy-Lou hob die Arme und klammerte sich an ihn.

»Johnny!«

Marshal John Boon spürte ganz deutlich, daß ihn jemand anfaßte, als er nach dem Traum jäh die Augen aufschlug.

»Johnny, wach auf!«

Wie denn, nicht Reddy-Lou, dieses verrucht-schöne Weib mit den aufregenden Formen?

Das Gesicht war vor ihm. Er stieß beinahe damit zusammen, als er hochschnellte. Es war auch kein ganz junges Gesicht mehr. Die Frau hatte auch kein rotes Haar, sondern aschblondes, das zu einem Knoten aufgesteckt war. Ihre Augen waren blau.

»Johnny, um Gottes willen, es gibt ein Unglück. Billy Calder ist mit einer Horde seiner rauhen Burschen gekommen und zu Pacos Store geritten. Dort sind die Garcias mit dem Wagen, um einzukaufen und…«

»Moment«, sagte Johnny Boon und war nun halb munter und aufgesprungen. Der Schaukelstuhl, in dem er gelegen hatte, wippte nach. »Langsam, Mrs. Leyland! Die Garcias kaufen ein, und Billy Calder ist gekommen. Und was haben diese beiden Dinge miteinander zu tun?«

Diana Leyland sah ihn an, als hätte er trotz des Sonnenscheins draußen gefragt, ob es stark regnete. Sie war eine vollschlanke Frau, kinderlos geblieben, obgleich sie genau der Typ war, dem man ein halbes Dutzend Kinder zugetraut hätte. Aber das mochte an ihrem verstorbenen Mann gelegen haben, der immerhin die Kleinigkeit von 26 Jahren älter und Schulmeister gewesen war. Nun unterrichtete seine Witwe an seiner Stelle.

Das alles ging Johnny Boon durch den Kopf, als ihn Diana Leyland wie einen Verrückten ansah. Sie zerrte immer noch an seinem rechten Arm, so daß er mit der Linken nach dem Waffengurt greifen mußte, den er auf den Tisch gelegt hatte.

»Johnny, begreifen Sie denn nicht? Billy Calder will nicht zulassen, daß die Garcias weiterhin bei Paco einkaufen.«

»So?« murmelte Johnny Boon gelassen. »Will er das nicht? Und warum nicht, Mrs. Leyland?«

»Weil sein Vater den Garcias gesagt hat, daß sie, wenn sie ihm das Land nicht vermachten, auch nicht mehr in seinem Store einkaufen könnten. Sie wissen doch, daß der alte Horace Calder Land von den Garcias kaufen wollte, oder?«

»Ja«, antwortete der Marshal von San Mateo. Er war inzwischen hellwach und versuchte, mit einer Hand die Schnalle des Waffengurtes zu schließen, was ihm nicht gelingen wollte. »Wenn Sie meinen rechten Arm loslassen könnten, Mrs. Leyland? Danke, jetzt geht’s. Und woher wissen Sie, daß Horace Calder das zu den Garcias gesagt haben soll?«

»Von Amos Calder«, erklärte Diana Leyland. »Ich hatte ihn zum Mittagessen eingeladen. Dann sah er die Garcias kommen und erzählte es mir. Dann kam sein Bruder Billy mit den Burschen, unter ihnen ausgerechnet Jake Clinton.«

»So –, Jake Clinton?« echote Johnny Boon gleichmütig, aber nur nach außen hin. »Sind sie in Pacos Store gegangen?«

»Ja, alle – Clinton hinten herum, die anderen vorn herein«, berichtete Diana Leyland aufgeregt. »Johnny, Amos ist rübergegangen, um Billy zur Vernunft zu bringen, aber ich fürchte…«

»Ja«, unterbrach Johnny sie. »Ich verstehe. Ist in Ordnung, Mrs. Leyland, ich bin schon unterwegs.«

John Boon griff nach seinem neben der Tür am Haken hängenden Hut und stülpte ihn auf. Als er auf den Gehsteig sprang, sah er drüben Ramon Lorca und Arturo Madera stehen. Sie blickten mit jener eigenartigen Scheu zur Straßenbiegung, die John Boon kannte. Sie waren und blieben in diesem Land Mexikaner, Menschen zweiter Klasse gegenüber denen, die sie Gringos nannten und für die sie ewig und immer Greaser bleiben würden.

Sie taten so, als hätten sie den Marshal nicht bemerkt. John Boon, das wußte in San Mateo jeder, verdankte seinen Orden den Calders. Er war ihr Marshal, also auch ein Gringo.

Irgendwann, dachte Johnny, werden sie begreifen, daß ich der Marshal für alle hier bin. Und dann werden sie mich nicht mit Mr. Boon oder Marshal anreden, sondern wie alle Gringos mit Johnny.

Er dachte an den Unterschied zwischen den Menschen in diesem Land, als er sich in Bewegung setzte. Er hatte diesen Unterschied damals kennengelernt, als er achtzehn gewesen und nach Guadalupe in Reddy-Lous Saloon gesprungen war. Damals hatte ihm Reddy-Lou den Unterschied zwischen der Frau eines Amerikaners und der eines Mexikaners klargemacht, denn das letztere war sie gewesen.

Johnny Boon war an jenem Tag auch zum Mann geworden. Und vielleicht war er deshalb nie wieder nach Guadalupe geritten. Reddy-Lou war nun zwölf Jahre älter, und er hatte in diesen zwölf Jahren sehr oft an sie und dieses Land gedacht, aber er war erst vor drei Monaten zurückgekehrt. Damals war er in einer Beziehung ein ausgesprochenes Greenhorn gewesen. Das hatte sich mittlerweile völlig geändert. Sie wußten das hier, erst recht die Calders, ohne deren Zustimmung in diesem Land nichts geschah.

Vielleicht, dachte Johnny Boon, hat das Billy Calder nicht ganz begriffen. Dann wird es Zeit, daß er und auch Jake Clinton sich damit abfinden müssen. Seit wann bestimmt Billy Calder, wer in dieser Stadt einkaufen darf?

Die kleine Flamme des Grimms in Johnny Boon wuchs. Er sah sich ganz kurz um, weil Diana Leyland ihm folgte.

»Bleiben Sie zurück, Madam!« sagte er barscher, als er es wollte. »Das ist jetzt meine Sache, machen Sie sich keinen Ärger.«

»Johnny, Sie kennen Billy nicht«, rief die vollschlanke Lehrerwitwe besorgt. »Er hat noch nie auf Amos, seinen älteren Bruder, gehört. Der Junge macht nur das, was ihm in den Kopf kommt. Es gibt ein Unglück, Johnny, ich weiß es. Amos hat gesagt, Billy müsse es endlich lernen, er würde es ihm beibringen. Aber Amos ist doch nur…«

Diana Leyland sprach nicht weiter. Und doch wußte Johnny Boon, was sie beinahe ausgesprochen hätte. Amos Calder war nur ein knappes Jahr älter als Johnny Boon, aber er hatte zwei Nachteile gegenüber Billy.

Amos stammte aus der ersten Ehe des alten Horace Calder, er war also Billys Halbbruder. Dies war sein Nachteil. Der andere jedoch war weitaus schlimmer: Amos war ein Krüppel. Er zog nicht nur seinen rechten Fuß nach, er hatte auch einen leichten Buckel und einen verwachsenen rechten Unterarm. Billy hingegen war das Bild eines jungen, stolzen Mannes: groß, breitschultrig, blond wie sein Vater und so gut aussehend, daß sich alle Mädchen nach ihm umblickten.

Der verdammte Narr, dachte Johnny Boon zornig. Glaubt er wirklich, daß er Billy aufhalten kann? Der lacht ihn aus, wenn es nicht zu noch schlimmeren Dingen kommt.

Der Marshal hatte die Gasse vor dem Mietstall erreicht, bog mit langen Sätzen in sie ein und rannte durch das hintere Tor in den Hof.

Von hier aus gelangte er an den Schuppen hinter Pacos Store.

*

Billy Calder zog verächtlich die Mundwinkel herab, als sich die schweren Schritte dem Durchgang zum Lagerraum des kleinen Ladens näherten. Gleichzeitig sah er aus den Augenwinkeln, daß sich Juan, der Zweitälteste der Garcias, am Tresen versteifte.

Im Durchgang tauchte Eduardo Garcia, Juans jüngster Bruder, auf. Er trug den Sack mit Leichtigkeit und machte ein ausdrucksloses Gesicht, während er sich näherte.

»Weit genug«, sagte Jake Clinton mit trügerisch sanfter Stimme. »Stell ihn wieder zu den anderen Säcken, Maisfresser! Na los! Hörst du schlecht?«

Clinton, ein sehniger, großer Typ mit kalten Augen und schnellen Händen deutete mit dem Revolverlauf zur Ecke.

»Setz ihn ab, Ed«, murmelte Juan Garcia kaum hörbar. »Tu, was er sagt.«

»Ja«, antwortete Eduardo, »okay, Bruder.«

Der Sack plumpste auf die Dielen. Bei dem dumpfen Aufprall zuckte Paco Ramirez, der mickrig und bleich hinter seinem Tresen stand, heftig zusammen. Der kleine Mann blickte ängstlich auf Clintons Revolver.

»Ohne Maismehl keine Tortillas, was?« höhnte Clinton. Er trat einen Schritt zurück, lehnte sich an das Türfutter in der Trennwand und ließ den Revolverlauf sinken. »Wir sorgen nur für eure Gesundheit, ihr Burschen. Eure Mutter soll die Tortillas immer viel zu fett machen, wie ich hörte. Billy, warum packt Paco die Sachen auf dem Tresen denn nicht ins Regal zurück?«

»Sag’s ihm, Paco«, erwiderte Billy Calder grinsend.

Paco Ramirez würgte sichtlich. Daß er Angst hatte, sah man ihm an. Er hatte den Store von den Calders gepachtet. Hier kauften die mexikanischen Bewohner von San Mateo ein, da sie im neuen General-Store der Calders nicht bedient wurden.

»Ich – ich habe nichts gewußt«, stammelte Paco. »Clinton, niemand hat mir gesagt, daß ich…«

»Jetzt weiß er es«, stellte Billy Calder trocken fest. »An die Garcias wird in Zukunft nichts mehr verkauft.«

»Ich habe bezahlt«, meldete sich Juan Garcia. Er schien, obwohl ihn Hank Luptin und Jesse Hoyt, zwei von Old Calders rauhesten Männer, in die Mitte genommen hatten, keine Furcht zu empfinden. »Calder, er hat mir die Ware schon verkauft.«

»Das ist wahr«, bestätigte Paco Ramirez mit dünner Stimme.

»Gib ihm das Geld zurück!« befahl Billy, und sein Grinsen erlosch schlagartig. »Ihr wolltet uns nichts verkaufen, nun verkaufen wir euch nichts. Ist das klar, Juan?«

»Land verkauft man nicht wie eine Ware«, gab Juan Garcia zurück. »Ich habe bezahlt.«

»Nur nicht frech werden!« zischelte Jake Clinton. »Hör zu, du Greaser, wenn du noch mal sagst, daß du bezahlt hast und darauf bestehst, deine angeblichen Sachen mitzunehmen, erlebst du was!«

Juan Garcia wechselte einen flüchtigen Blick mit seinem jüngeren Bruder dann wandte er sich Ramirez zu.

»Paco, gib mir das Geld«, bat er auf Spanisch. »Wir wollen keinen Streit haben.«

Clinton hob den Revolver an und fauchte: »Was hast du dreckiger Greaser da gesagt? Wenn du Hundesohn dir einbildest, daß ich dein spanisches Gemurmel nicht verstanden habe, irrst du dich. Hast du gehört, Billy, was er gesagt hat?«

»Sicher. Er will dir vor die Stiefel spucken. Ist doch richtig, oder, Luptin?«

»Genau, das habe ich auch gehört«, behauptete Luptin wütend. Er stieß Juan Garcia mit voller Wucht den Ellbogen in die Rippen, daß der einknickte, und stellte gleichzeitig das rechte Bein vor. »Jesse, der will…«

Hoyt, der beide Hände auf dem Tresen gehabt hatte, gab Juan Garcia einen derartigen Stoß, daß der auf seinen Bruder Ed zuflog und ihn mitriß. Sie stürzten gegen die Mehlsäcke, aber zu Billy Calders Überraschung blieben sie liegen, sahen sich an und schwiegen verbissen.

»Sie wollen spucken«, fluchte Clinton. »Dieses schmutzige Packzeug sucht Streit. Hoyt, Luptin – packt sie und werft sie in den Hof! Denen muß man beibringen, wie sie sich zu benehmen haben. Ramirez, du hast doch gehört, was sie gesagt haben, oder?«

Er starrte den kleinen Storepächter an, dessen Gesicht all seine Gefühle widerspiegelte.

»Ich… Ja, ich glaube, ich habe so etwas verstanden«, stammelte Ramirez zitternd. »Es tut mir leid, Juan. Du verstehst?«

»Ich weiß, Paco«, erwiderte Juan Garcia ganz ruhig. »Du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Es kommt, wie es kommt.«

»Da hat der Hundesohn recht«, stieß Clinton hervor. »So kommt es, wenn man nicht hören will. Fertig, Hoyt – Luptin, schmeißt sie raus!«

Er hatte das letzte Wort gerade ausgesprochen, als ein Schatten den Eingang verdunkelte und Amos Calder in den Laden trat. Er bewegte sich etwas ruckhaft, um sein rechtes Bein schnell genug über die Schwelle zu bekommen, und hatte die rechte Hand in der Hosentasche.

Billy Calder wirbelte auf dem Absatz herum, und noch ehe er seinen Bruder sah, knurrte er:

»Was, zum Teufel, willst du hier?«

Da bemerkte er, daß Amos den Waffengurt trug und lächelte spöttisch.

Amos Calder warf einen Blick auf die an den Säcken liegenden Garcias, dann an Billy vorbei auf Hoyt und Luptin. Die beiden Männer grinsten verlegen.

»So ist das geplant«, sagte Amos Calder kühl. »Dachte ich mir doch, Billy.«

Er ging lahmend an ihm vorbei, blieb vor Hoyt stehen und hob die Linke, um ihm den Zeigefinger vor die Brust zu stoßen.

»Jesse, das machst du mit, ja?«

»Verdammt, ich weiß nicht, was das soll«, knurrte Hoyt unsicher. »Warum mischst du dich ein?«

»Mehr brauchst du nicht zu sagen«, fuhr ihn Amos scharf an. »Billy, ihr seid also in der Hütte oben am Lucas Canyon gewesen – und mit wieviel Flaschen?«

»Mensch, was fällt dir ein?« fauchte Billy. »Verschwinde hier und kümmere dich um deine Salzmine oder um das Hotel, aber rege mich nicht auf. Das ist nicht deine Sache.«

»Nein?« fragte Amos Calder düster. »Hank und Jesse haben getrunken, das ist die eine Sache. Eine andere ist das mit diesem Store. Wem gehört er, Billy?«

»Uns, wem sonst«, erwiderte der Halbbruder, der immer wütender wurde. »Mann, irgendwann habe ich von deinen Predigten genug.«

»Wenigstens einer, der sie dir hält«, stellte Amos eisig fest. »Dieser Store gehört mir – mir, verstehst du? Ramirez hat den Vertrag mit mir ­geschlossen, und ich bestimme, ob und wann er aufgelöst wird. Ist das klar? Ich konnte nicht ahnen, daß ich euch jemals daran erinnern müßte, was mir als Erbteil meiner Mutter zugefallen ist. Ich verwalte die Mine, das Hotel und diesen Store, ich allein.«

Billy Calders Augen funkelten.

»Bist du verrückt geworden? Du verdammter Narr, hast du auch noch deinen Verstand verloren? Ich tue nichts ohne Befehl. Wenn dir etwas nicht paßt, dann bist du bei mir an der falschen Adresse. Da mußt du schon woandershin gehen, und du weißt wohin. Ich gebe dir jetzt einen guten Rat, Amos: spiel dich nicht auf und verschwinde! Diese Sache hältst du nicht auf, du nicht.«

»Das bildest du dir ein«, entgegnete Amos Calder. »Ich denke darüber anders, Billy, das weiß er längst. Wenn hier einer verschwindet, dann du. Nimm deine Begleitung mit und reite nach Hause! Die Garcias bekommen in meinem Laden alles, was sie brauchen. Daran wird niemand etwas ändern. Hau endlich ab!«

Billy hatte sich verfärbt, er kochte förmlich und schrie: »Dein Laden? Du stellst dich gegen deine Leute, gegen uns alle? Ah, ich begreife, es geht allein gegen mich, was? Du willst dich wieder mal als der ältere Bruder aufspielen, als der Erstgeborene, he? Was bist du denn, du verdammter Narr? Du hilfst Greasergesindel, diesem dreckigen Packzeug, das uns Calders seit Jahrzehnten bestiehlt, du elender Krüppel…«

Weiter kam er nicht.

Amos Calder holte aus und fegte Billy die Linke mit einem derartig wuchtigen Schlag ins Gesicht, daß Billy bis an die Wand flog und daran herabrutschte. Aus seiner Nase rann Blut.

»Mistkerl!« fauchte Amos Calder fuchsteufelswild. »Ausgerechnet du gehst auf die Garcias los – ausgerechnet du? Dir sollte man doch…«

Billy schien einen Augenblick wie betäubt zu sein. Er starrte seinen Halbbruder mit einem töricht-staunenden Ausdruck an. Dabei griff er nach seiner Nase und betrachtete sie, wobei sich sein Mienenspiel jäh veränderte.

Während Hoyt und Luptin verwirrt auf den zornigen Amos Calder blickten, stieß sich Jake Clinton mit einem Fluch von der Tür zum Durchgang ab.

»Verdammt!« zischelte er. »Ist es soweit? Einmal mußte es ja so kommen. Billy…«

Der stemmte sich blitzschnell auf und stürzte sich auf Amos, während er den Kopf einzog.

»Verfluchter Krüppel, das hast du nur einmal versucht!«

Zugleich sprang Clinton vor, der keinen Moment am Ausgang einer Prügelei zwischen den so unterschiedlichen Brüdern zweifelte.

Billy nimmt ihn auseinander. Teufel, er will ihn umrennen, aber…

Das schien tatsächlich Billys Absicht zu sein, doch auch Amos mußte es ahnen, und er wich, als Billy wie ein Stier mit gesenktem Kopf auf ihn zuraste, instinktiv zur Seite. Woher er trotz seines lahmen Beines die Schnelligkeit nahm, blieb Jake Clinton ein Rätsel.

Calder schickte einen Schwinger auf die Reise.

Erst in dieser Sekunde überkam Clinton eine schreckliche Ahnung. Er wußte genau, daß Amos Calders Unterarm zwar steif war und er die Rechte nur langsam öffnen und schließen konnte, aber der Arm in seiner Länge war voll beweglich. Er schwang wie ein Dreschflegel herum.

Clintons heimtückischer Stoß schleuderte den ahnungslosen Amos wieder nach vorn. Amos hätte es geschafft, dem Ansturm Billys zu entgehen, wurde nun jedoch genau vor ihn gestoßen und von Billy gerammt.

Ehe sich Amos mit seinem lahmen Bein fangen konnte, kippte er schräg nach hinten, schlug mit dem Hinterkopf auf das am Ende der Theke stehende Kerosinfaß, warf es beinahe um und fiel wie leblos zu Boden. Billy landete mit der Brust auf dem Tresen und wischte einen Teil der von den Garcias gekauften Ware herunter.

»Du verdammter Krüppel…«

Das war alles, was Billy herausbrachte, bevor er sah, was mit Amos geschehen war. Billy blieb, beide Hände auf die Platte gestemmt, sprachlos stehen und starrte auf Amos herab, von dessen Hinterkopf Blut auf die Dielen sickerte.

Dann sagte jemand voller Grimm: »Du hinterlistige, zweibeinige Ratte!«

Johnny Boon! durchzuckte es Clinton.

*

Der Marshal hatte genug gesehen, und als Clinton herumwirbeln wollte, packte er so blitzartig zu, daß Clintons rechter Unterarm wie in einem Schraubstock festgehalten wurde. Ein kurzes Drehen genügte, und der gefürchtete Revolverheld, den der alte Calder als Weidewächter angeworben hatte, stieß einen gellenden Schrei aus.

Dabei ließ er die Waffe gezwungenermaßen fallen. Ehe sich Clinton versah, fegte Johnny Boon zur Seite, riß den Revolvermann mit und schleuderte ihn dann von sich.

Clinton flog mit dem Kopf voran zwischen zwei Regalbretter, fegte eine Anzahl Schüsseln und Blechteller herunter, prallte mit dem Schädel gegen die Wand und wurde schon wieder gepackt.

»Du hinterhältiges Stinktier!«

Der sehnige Marshal ergriff den Mann hinten am Waffengurt, riß ihn aus dem Regal und schleuderte ihn nach einer halben Drehung erneut von sich.

Clinton segelte quer durch den Raum und dem Tresen entgegen. Er sah alles an sich vorbeiwirbeln, dann tauchte Hoyts töricht-staunendes Gesicht vor ihm auf, und daß er voll gegen Hoyt prallte und auch noch Hank Luptin mitriß, begriff er erst, als er am Boden lag.

Boon zerrte ihn mit der Linken hoch, setzte ihm die Faust haargenau auf den Kinnwinkel. Es war der schlimmste Hieb, den der Revolverheld jemals erhalten hatte. Ihm war, als hätte ihm ein wilder Gaul den Huf vor den Schädel gehauen. Danach ging für Jake Clinton die Welt in einem schwarzen Loch unter. Daß er von Boon zurückgestoßen wurde, merkte er bereits nicht mehr. Er prallte auf den mit offenem Mund dastehenden Billy Calder und brachte den auch noch zu Fall.

Für Hoyt und Luptin war Boons Eingreifen wie der Ausbruch eines verheerenden Erdbebens gewesen. Beide lagen auf den Dielen, und Hoyts Verstand arbeitete erst wieder, als er den kräftigen Ruck an seinem Holster spürte.

In diesem Augenblick begriff er, daß alles, was man von Johnny Boon gehört hatte, eher untertrieben gewesen war. Der Mann, der dieses Land mit 18 Jahren verlassen hatte, um nach einem Dutzend Jahre im Dienste