Die Amulette - Jula Langhirt - E-Book

Die Amulette E-Book

Jula Langhirt

3,7

Beschreibung

Drei miteinander verwandte Frauen stellen zufällig eine Gemeinsamkeit fest: Alle drei tragen denselben Schmuckanhänger, möglicherweise vom selben Juwelier. Auf den Rückseiten der Schmuckstücke ist eine Jahreszahl eingraviert, die genau einhundert Jahre vor dem jeweiligen Geburtsjahr der Frauen liegt. Bei ihren Nachforschungen kann ihnen nur eine Person helfen: ihre Tante, die als Ordensschwester in einem Kloster lebt. Die Tante aber schweigt sich über die Herkunft der Amulette aus. Dafür bringt sie andere Familiengeheimnisse ans Licht. Während die drei Frauen nach und nach die Geschichten und Schicksale ihrer Vorfahren kennenlernen, beginnt auf dieser Reise in die Vergangenheit auch die Tante sich allmählich zu öffnen … Ein gefühlvoller Roman um eine außergewöhnliche Familie.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 148

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
3,7 (18 Bewertungen)
8
2
2
6
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Prolog

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Vierundzwanzigstes Kapitel

Kreislauf des Lebens

Rezept für eine Geschichte

Nachschlag

Prolog

Es ist mal wieder November geworden. Seit Jahren ist er für mich nicht nur ein trüber und dunkler Monat. Nein, er ist auch mein Monat der Gedanken und Ideen.

Da es abends schon früh dunkel und kalt draußen ist, verkrümele ich mich rechtzeitig ins Haus. Am liebsten vor den Kamin. Dort mache ich es mir mit einer Tasse heißem Tee, Kerzenduft, einer Leselampe und meinem Laptop bequem. Ich sitze in dem alten, schon etwas ramponierten Ohrensessel; denke so über dies und jenes nach. Schließlich lasse ich mich zum Schreiben einer neuen Geschichte hinreißen.

Nachfolgender Roman ist meinen verstorbenen Eltern gewidmet. Jedes Mal, wenn ich eine neue Kurzgeschichte verfasst hatte und sie diese mit Wonne lasen, kam der Kommentar: »Schreib doch längere Texte, sie müssen ja nicht immer auf Tatsachen beruhen.« Mit »Die Amulette« entspreche ich zum Teil ihren Wünschen. Die Handlung ist, ebenso wie die meisten Personen, frei erfunden. Die alten Urkunden, die Amulette, die Fotos und das braune Köfferchen sind allerdings in unserem Familienbesitz.

Jula Langhirt

November 2014 bis Januar 2015

Erstes Kapitel

Wir sitzen in unserem Lieblingslokal.

Wir, das sind drei Frauen mittleren Alters, die zweiten und dritten Grades miteinander verwandt sind: Christine, meine Cousine, Mechthild, meine Großcousine, und ich.

Seit einigen Jahren haben wir das Ritual, uns am ersten Freitag im Juni einen reinen Frauentag zu gönnen. Zuerst gehen wir am frühen Vormittag in die Sauna. Einen kleinen Mittagsimbiss erlauben wir uns noch in der Therme, bevor wir zum Shopping in die Stadt fahren. Dort bringen wir in der ein oder anderen kleinen Boutique die Verkäuferinnen in Unruhe oder in Verlegenheit. Es ist schon vorgekommen, dass wir dreimal die gleichen Sandaletten erworben haben. Alle in Größe achtunddreißig, für kleine Schuhgeschäfte eine richtig gute Herausforderung, denn oft gibt es pro Schuhpaar nur zwei Exemplare einer Größe. Beim Modeschmuck haben wir auch alle drei den gleichen Geschmack und auch hier gibt es keine Größenprobleme. Lediglich in der Auswahl der anderen Klamotten unterscheiden wir uns gewaltig. Christine trägt gerne hautenge Röcke oder Jeans nur in Schwarz mit roten Oberteilen. Mechthild ist die Lady unter uns dreien. Sie bevorzugt Hosenanzüge der Extraklasse, vornehmlich in Champagnerfarben oder edlem Grau. Ich hingegen genieße ein etwas salopp wirkendes Outfit in blauen Jeans mit Buntem darüber.

Christine und ich wohnen nur fünf Straßenkilometer voneinander entfernt. So ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir an diesem Tag mit einem Auto unterwegs sind. Mechthild wohnt in Saarbrücken und wird von uns immer abgeholt. Auch heute. Mit einem Wagen ist es wesentlich einfacher, in der Innenstadt einen Parkplatz zu finden. Sehr zentral für uns ist das Parkhaus am Beethovenplatz. Es besitzt sogar extra ausgewiesene Frauenparkplätze. Ich finde gleich auf der ersten Plattform so ein Plätzchen.

Nach Schuhen und Kleidern Ausschau zu halten, dazu fehlt uns der nötige Elan. Stattdessen lassen wir uns einfach mit der Masse treiben. Vorbei an den vielen Handyläden, Schuhgeschäften, Modehäusern und Büchereien. Hier und da bleiben wir natürlich doch an Schaufenstern stehen. Schließlich haben wir Hochsommer und alle Geschäfte haben ihre Auslagen auf Urlaub und Sonne getrimmt.

Das bringt uns auf die Idee, einen Kurztrip in ein gutes Wellnesshotel an der See zu buchen. In der neu gestalteten Einkaufspassage suchen wir ein Reisebüro auf. Mit einem riesigen Berg an Katalogen von Angeboten der Ost- und Nordsee betreten wir schließlich Jo’s Winery am alten Markt.

Es ist ein eher kleines Lokal mit Sitzgelegenheit auf dem Markt, an der kleinen Bar und im mediterran eingerichteten Innenhof. Wir bevorzugen Letzteres und lassen uns auf den Loom-Sesseln nieder. Sogleich ist ein äußerst netter glatzköpfiger Kellner an unserem Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Mechthild und Christine entscheiden sich, gemeinsam eine Flasche spanischen Rotwein zu trinken. Schließlich ist Jo bekannt dafür, eine vortreffliche Auswahl an Rotweinen zu haben. Mir bleibt als Autofahrerin nur prickelndes, kühles Beamtenwasser.

Vor uns liegen die Hochglanzprospekte verschiedener Nobelhotels quer durch die ganze Republik. So richtig voran kommen wir mit unserer Auswahl nicht. Dies liegt daran, dass wir bisher weder einen idealen Termin gefunden noch unser Budget abgesteckt haben. Stattdessen haben wir dem Ober eine weitere Order gegeben. Die hoch angepriesenen Tapas wollen wir uns noch genehmigen. Wir verlieren jegliches Zeitgefühl und entdecken eine weitere Gemeinsamkeit.

Ohne nachzudenken, rein aus Zeitvertreib oder um die Finger zu beschäftigen, spielen wir an unseren Kettenanhängern. Mir fällt das auf und ich werde neugierig, wieso wir alle drei die gleichen Anhänger haben.

»Wo habt ihr euer Amulett her?«

Jetzt erst werden auch Christine und Mechthild aufmerksam und zugleich nachdenklich. Jede von uns nimmt ihr Schmuckstück ab und legt es auf den Tisch. Sie sind bis auf die Ketten identisch. Das Sternzeichen des Löwen ist auf dem goldenen runden Anhänger mit circa anderthalb Zentimeter Durchmesser. Dieser Anhänger wurde uns offensichtlich zur Taufe geschenkt. Ich glaube mich erinnern zu können, dass mir mein Vater vor sehr langer Zeit erzählt hat, dass dies ein sehr, sehr altes Familienstück sei, das eine tragische Geschichte verberge. Damals legte ich keinen besonderen Wert auf Familiensaga und winkte desinteressiert ab. Warum eigentlich?

Mechthild dreht die drei Teile, welche wie kleine Taler wirken, um. Winzig klein ist auf der Rückseite eine Gravur. Christine und Mechthild setzen ihre Lesebrillen auf; ich hingegen nehme meine Brille ab. Wir blinzeln und halten die Goldstücke unter die Lampe.

»Ich hab’s, ich kann es entziffern«, frohlockt Christine.

In der Tat sind es kleine Goldstempel, jeweils vier Zahlen. 1858, 1861 und 1869 sind dort eingraviert. Daneben eine kleine Punze, kaum zu erkennen. Meine herumgedrehte Brille wirkt wie ein Vergrößerungsglas.

»Sieht aus wie eine Krone«, sagt Christine mit meiner Brille in der Hand und ihrer auf der Nase. Die zwei legen ihre Sehhilfen wieder ab, ich rücke meine wieder zurecht.

»Das sind Jahreszahlen. Wir sind aber 1958, 1961 und 1969 geboren, also einhundert Jahre später«, stellt Mechthild fest. Wir beiden anderen nicken erst einmal. Stille herrscht auf einmal an unserem sonst eher lebhaften Tisch.

Ich breche das Schweigen und erzähle, was ich von meinem Vater erfahren habe. Mechthild runzelt die Stirn und sagt letztlich das Gleiche wie ich. Ihre Mutter erwähnte mal so etwas vor etlichen Jahren. Aber sie habe kein Interesse an Klatsch und Tratsch gehabt und deswegen lässig abgewunken.

Jetzt ist es offensichtlich zu spät, diese Geschichte zu recherchieren. Christine hat keine Ahnung, wo ihr Teil herkommt. Aber offensichtlich gehört es zu dieser Serie.

Neugierde und Ehrgeiz treiben mich an, erst einmal die beiden lieben Cousinen zu überreden, dies nicht so einfach hinzunehmen.

Es dauert noch geschlagene zwei Stunden, bis wir endlich das Lokal verlassen. Den Wellnessurlaub haben wir vertagt. Jetzt wollen wir uns doch mit der Familiengeschichte und der Herkunft der Amulette beschäftigen. Die erste Überlegung lautet, in der direkten Familie nachzufragen.

Mein Vater ist leider zehn Tage nach dem Tod meiner Mutter 2010 verstorben. Da ich keine Geschwister habe, ist meine Nachforschung schon beendet.

Christines Mutter Helga, die junge Schwester meines Vaters, lebt seit Jahren zusammen mit Ehemann Rainer, Sohn Thomas, Schwiegertochter und drei Enkelkindern auf Mallorca. Dort betreiben sie in der Nähe von Valdemossa eine kleine Bodega mit Zimmervermietung. Der Kontakt mit ihrer Tochter Christine ist sporadisch und findet nur an hohen Feiertagen statt. Den Grund kennt Christine nicht. Somit ist ihr dieser Weg der Nachforschung auch versagt.

Mechthild ist letztlich die Einzige, die noch Chancen sieht. Sie könnte ihre Mutter oder ihre Tante, die nächste Verwandte, befragen.

Wir verabreden uns zu einem weiteren Treffen. Zwei Wochen Zeit räumt sich Mechthild ein, um zuerst mit ihrer Mutter zu reden. Sie ist die Cousine meines Vaters und die von Christines Mutter.

Doch so lange brauchen wir gar nicht auf das Ergebnis zu warten. Zwei Tage nach unserem Sauna- und Restaurantbesuch teilt Mechthild mir telefonisch mit, dass ihre Mutter sich nicht an allzu viel erinnern kann. Eine schleichende Altersdemenz macht es ihren Erinnerungen sehr schwer. Sie ist dreiundachtzig Jahre alt. An das Amulett als Taufgeschenk an ihre einzige Tochter kann sie sich sehr wohl erinnern. November 1958. Das ist lange her. Wo es herkam und wer es angefertigt hatte und was 1858 auf Mechthilds Anhänger bedeutet – dafür findet Sofie keine Antwort. Die Erinnerungs- und Gedächtnislücken sind in der letzten Zeit immer größer geworden. Arme Sofie, arme Mechthild, die mit der Krankheit ihrer Mutter oft überfordert zu sein scheint. Ihre kleinen Fluchten in die Sauna, das Shopping und der innige Kontakt zu Christine und mir helfen ihr.

Christine und ich kennen Tante Anna nicht näher. Sie ist die jüngere und einzige Schwester von Mechthilds Mutter. Selbst Mechthild hat ihre Tante bisher nicht oft im Leben gesehen. Das liegt daran, dass Anna seit 1962 im Kloster St. Laurentius in Krummholz lebt. Der letzte persönliche Kontakt war bei der Beerdigung von Mechthilds Vater 2000. Aber bei ihr könnte man mit den Nachforschungen beginnen.

»Sie ging in jungen Jahren ins Kloster, mehr weiß ich nicht«, sagt Mechthild am Telefon. »Wir müssen die Tante im Kloster besuchen.«

»Ich war noch nie in einem noch bewohnten Kloster«, lautet meine etwas entsetzt klingende Antwort.

»Ich auch nicht – aber interessant finde ich das schon, dort mal reinzuschauen. Wie die Nonnen dort leben, von was die leben und das ganze Drumherum in dem alten Gemäuer«, pflichtet mir Mechthild bei.

Christines Reaktion verblüfft uns.

»Ist dort in der Nähe vielleicht ein Wellnesshotel? Das Thema Kurzurlaub und Erholung ist bei mir noch nicht Geschichte. Es könnte aber zu unserer Familiengeschichte Erhebliches beitragen.«

So ihr Gedankengang am darauffolgenden Tag nach Mechthilds Anruf bei mir.

Zweites Kapitel

Meine Gedanken drehen sich im Kreis, beziehungsweise rund um die drei Amulette. Ich krame die von meinen Eltern hinterlassenen Papiere wie Pässe, Stammbücher von den beiden und das meiner Großeltern hervor. Finde alte Geburtsanzeigen von Leuten, deren Namen mir nichts sagen. Es ist jedoch höchst interessant, zu entziffern, wie zur damaligen Zeit solch ein wichtiges Dokument aufgesetzt wurde. Heute ist man auf wenige Fakten wie Name, Geburtsdaten, Ort und Angaben zu den Eltern beschränkt.

ERSTES DOKUMENT

Geburts-Akt

Vom fünften des Monats Dezember im Jahre eintausend achthundert fünf und dreißig um zwölf Uhr des Mittags, Geburts-Akt von Hilde Rosch, geboren zu Hausbach den fünften Dezember um sechs Uhr des Vormittags ein tausend achthundert fünf und dreißig, Tochter von Mathias Rosch, Orgelbauer von Hausbach alt dreißig fünf Jahre und seiner Ehefrau Maria Prinz. Das Geschlecht des mir vorgezeigten Kindes ist für weiblich anerkannt worden.

Erster Zeuge, Wilhelm Heinz vierzig vier Jahre alt, von Gewerbe ein Ackerer, wohnhaft zu Hofheim, zweiter Zeuge, Matthias Hübscher, dreißig acht Jahre alt, von Gewerbe ein Ackerer, wohnhaft zu Hofheim. Auf die Aufforderung die an uns gemacht worden von Mathias Rosch Vater des Kindes wurde dieser Akt in doppeltem Original errichtet; und haben unterschrieben. Anzeiger Heinz erklärte nicht schreiben zu können.

Beurkundet und vorgelesen der Gesetze gemäß von mir Josef Peter Schommer Bürgermeister von Hausbach das Amt eines öffentlichen Beamten des Zivilstandes versehend.

So geschehen zu Hausbach am Tage, Monat und Jahr wie oben.

Gez. Wilhelm Heinz

der Zivilstandesbeamte

Gez. Matthias Hübscher

Gez. Schommer

Für den richtigen Auszug.

Hofheim, den 10. Juni 1931

Gez. Langenfeld

Gebühr 0,60 Mark Nr. 229

ZWEITES DOKUMENT

Heirats-Akt

Im Jahr ein Tausend acht Hundert zwanzig acht schienen vor mir Civilstands – Beamte Michel Hoffmann der Bürgermeisterei Behsering im Kanton Merzig einer Seits der Mathias Rosch, gemäß beigelegtem Geburtsscheins, alte zwanzig neun Jahr, geboren zu Hausbach von Profession Orgelbauer wohnhaft zu Hausbach, großjähriger Sohn des Wilhelm Rosch von Profession Orgelbauer wohnhaft zu Hausbach und der Angela Biesen wohnhaft zu Hausbach.

Anderer Seits die Jungfer Maria Prinz gemäß beigelegtem Geburtsscheine, alt zwanzig vier Jahre, geboren zu Saarbach, wohnhaft zu Saarbach, großjährige Tochter des verlebten Joseph Prinz on Profession ein Ackerer wohnhaft zu Saarbach und der Barbara Lang und forderten mich auf, zur feierlich gesetzlichen Anerkennung ihrer versprochenen Ehe voranzuschreiten, indem nach den geschehenen Bekanntmachungen ihrer Eheversprechungen, wovon die erste am zwanzig und achten des Monats Januar im Jahre Achtzehnhundertachtundzwanzig um elf Uhr des Vormittags und die zweite am vierten des Monats Februar im Jahre Achtzehnhundertachtundzwanzig des Vormittags um Elf Uhr zu Behsering verkündet wurde, keine Hindernisse oder sonstige Einsprüche dagegen vorgebracht worden sein. Da mir auch wirklich keine deren gegen dieses Eheverlöbnis zugestellt sind, die Verlobten sich auch laut Einwilligung der noch lebenden Eltern wegen der erforderlichen Einwilligung und des ehrerbietigem Antrage ausgewiesen haben; da ferner alle durch Gesetz vorgeschriebenen Formen beachtet wurden, so wie es aus dem oben Angeführtem erhellt, so habe ich, der Beamtete des Zivilstandes von Behsering nachdem ich alle in diesem Akt angeführten Schriften vorgelesen und den Verlobten die Rechte und Pflichten der Ehegatten wörtlich nach den 6ten Kapitel des 5ten Titels des 1ten Buches der Zivil-Gesetze auseinander gesetzt hatte, den Bräutigam Mathias Rosch gefragt, ob er seine Braut Maria Prinz zur Frau nehmen wolle, ebenso habe ich die Braut Maria Prinz gefragt, ob sie ihren Bräutigam Mathias Rosch zum Manne nehmen wolle, und da jeder der Verlobten auf die an sie gerichteten Fragen mit »Ja« antwortete, so erkläre ich hierdurch die Benannten Mathias Rosch und Maria Prinz von nun ab als Ehegatten vereint; worüber ich gegenwärtigen Akt im Beiseyn von vier Zeugen in doppeltem Original aufgesetzt, nämlich:

1tens des Franz Hoffmann von Profession ohne, alt dreißig drei Jahr, wohnhaft zu Behsering

2tens des Johann Stein von Profession Ackerer, alt vierzig acht Jahr, wohnhaft zu Behsering

3tens des Peter Hoffmann von Profession Handelsmann, alt dreißig zwei Jahr, wohnhaft zu Behsering

4tens des Nikolas Lorenz von Profession ein Taglöhner, alt vierzig zwei Jahr, wohnhaft zu Behsering welche Zeugen mit den zusammengegebenen Ehegatten und mir, nach gehaltener Vorlesung, diesen Akt unterschrieben und gehandzeichnet haben.

So geschehen zu Behsering am Tag, Monat und Jahr wie oben.

Hand + Zeichen. Mathias Rosch, Hand + zeichen Maria Prinz, Barbara Lang, F. Hoffmann, Johann Stein, Peter Hoffmann, Nikolas Lorenz. Der Bürgermeister: Michel Hoffmann.

Die Richtigkeit des Auszuges wird hiermit bescheinigt.

Merzig, den 11. Juni 1931

Der Standesbeamte Krone

DRITTES DOKUMENT

Geburts-Akt

Bürgermeisterei Irsch, Kreis Saarburg, Friedensgerichtsbezirk Saarburg. Vom neunundzwanzigsten des Monat Juli im Jahre eintausendachthundertdreißig und zwei, nachmittags um elf Uhr. Geburtsakt von Paul Schink, geboren den neunundzwanzigsten Juli eintausendachthundertdreißig und zwei, um 6 Uhr des Morgens zu Beuren. Sohn von Johann Schink, Schullehrer wohnhaft zu Beuren und dessen Ehefrau Maria Schmitt. Das Geschlecht des mir vorgezeigten Kindes ist für männlich anerkannt worden.

Erster Zeuge: Nikolaus Newel, Schullehrer, wohnhaft zu Irsch sechs und zwanzig Jahre alt.

Zweiter Zeuge: Michel Pütz, Ackerer, wohnhaft zu Irsch, sechzig Jahre alt.

Auf die Auforderung die an uns gemacht worden von Johann Schink, Schullehrer wohnhaft zu Beuren, achtunddreißig Jahre alt, Vater des Kindes.

Beurkundet und vorgelesen im doppelten Original dem Gesetze gemäß von mir Johann Mauerer, Adjunktd des Bürgermeisters von Irsch das Amt eines öffentlichen Beamten des Zivilstandes versehend hierzu delegiert in Gemäßheit dessen Beschlusses vom achtundzwanzigsten Januar achtzehnhundertdreißig und zwei und haben mit mir unterschrieben mit Ausnahme des Michel Pütz, welcher erklärte nicht schreiben zu können.

So gesehen zu Irsch am Tage, Monat und Jahre wie oben.

Nikolaus Newel

Michel Pütz

Johann Mauerer

Für den richtigen Auszug:

der Standesbeamte J. V.

VIERTES DOKUMENT

Sterbe-Akt

Im Jahre ein tausend acht hundert und sechs und siebzig am vierten des Monats März um elf Uhr des Vormittags erschienen vor mir Civilstandsbeamten Karl Matthis Bürgermeister der Bürgermeisterei Hausbach, Friedensgerichtsbezirk Merzig der Goldschmied Paul Schink alt vierzig und vier Jahre, wohnhaft zu Saarbach und dessen Ehefrau Hilde Rosch ein und vierzig Jahre alt, dass im Jahre ein tausend acht hundert und sechs uns siebzig , am dritten des Monats März um sechs Uhr des Abends zu Hausbach ihre drei Töchter Rita geboren am elften des Monats August ein tausend acht hundert acht und fünfzig, Anna geboren am vier und zwanzigsten des Monats Juli ein tausend acht hundert ein und sechzig und Rosa, geboren am achten des Monats August ein tausend achthundert und neun und sechzig, und erklärten, dass beim Brand im Hause der Großeltern Mathias Rosch und Maria Prinz zuletzt wohnhaft zu Hausbach, ums Leben gekommen sind, worüber ich gegenwärtigen Akt aufgesetzt habe, welcher nach Vorlesung desselben von den Anzeigenden und von mir in doppeltem Original unterschrieben wurde.

So geschehen zu Hausbach, am Tage, im Monat und Jahre wie oben.

Gez. Paul Schink, Karl Matthis

Es sind ganz vergilbte alte, mit Schreibmaschine geschriebene dünne Durchschläge. Die Buchstaben erscheinen geschwollen, bedingt durch mehrfaches Durchschreibpapier. Es sind bestimmt die letzten Blätter, transparent wie Pergamentpapier. Ich wage es kaum, sie richtig in die Hände zu nehmen. Dennoch blättere ich weiter, stoße auf weitere Geburtsanzeigen, Testamente und Sterbeurkunden, die in der Zeit von 1890 bis 1935 erstellt wurden.

Drittes Kapitel

Sollen wir wirklich der Herkunft der Amulette auf den Grund gehen? Was werden wir erfahren? Eigentlich bin ich schon sehr neugierig, zugleich aber vorsichtig – wie stellen wir die Nachforschungen an? Sind die Papiere tatsächlich aus den Jahren achtzehnhundertsoundso? Wo kommen sie her, wer hat sie angefertigt und für wen, und wie kommen sie ausgerechnet in unsere Hände? Es sind Gedanken, die mich Tag und Nacht beschäftigen. Und nicht nur mich. Auch Mechthild wird aktiv. Sie bemüht sich, Kontakt mit ihrer Tante im Kloster Krummholz aufzunehmen.

Die Telefonnummer des Klosters findet Mechthild im Internet. Sie erreicht nur den Anrufbeantworter. Dort bittet sie um Rückruf von Tante Anna. Am Abend meldet sich eine gewisse Schwester Antonia. Mechthilds Ehemann kann zuerst mit der Anruferin nichts anfangen. Er ist verwirrt und überlässt kopfschüttelnd seiner Frau den Telefonhörer.

Mechthild übernimmt mit großen Augen und äußerst gespannt das Telefongespräch und zieht