Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dieses Buch bietet umfassende, praktische Informationen und hilfreiche Tipps zur therapeutischen Verwendung von Cannabis und einzelner Cannabinoide auf der Basis der aktuellen Rechtslage. Es behandelt sowohl die medizinischen Themen, wie Anwendungsgebiete, Dosierung, Nebenwirkungen, als auch darüber hinausgehende Aspekte, die bei einer Therapie mit Cannabisprodukten eine Rolle spielen können. Dazu zählen die Kostenübernahme durch die Krankenkassen, Cannabis und Führerschein, die optimale Verwendung mittels Inhalation und oraler Einnahme, Umgang mit möglichen Bedenken von Ärzten, Anbau und Lagerung von Cannabis. Alle Themen werden vom Autor dank seiner langjährigen Praxiserfahrung und seiner umfangreichen Kenntnis der wissenschaftlichen Literatur mit grosser Sachkenntnis und dem Augenmerk auf das Wesentliche behandelt. Entstanden ist ein kompakter Ratgeber, unentbehrlich für alle, die einen praxisorientierten Einstieg in die komplexe Materie suchen. Die Neuausgabe des Klassikers - aktualisiert und erweitert! >> Dass Cannabis bei bestimmten Leiden eine heilende Wirkung entfaltet, ist unbestritten. Franjo Grotenhermen beschäftigt sich mit den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Cannabisprodukten, deren richtiger Anwendung und Dosierung, und informiert über wichtige rechtliche Aspekte. << Buchjournal 02/2019
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 151
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Franjo Grotenhermen
Medizinische Möglichkeiten, rechtliche Lage, Rezepte und Praxistipps
Verlegt durch:
Nachtschatten Verlag AG
Kronengasse 11
CH-4500 Solothurn
Tel:0041 32 621 89 49
Fax: 0041 32 621 89 47
www.nachtschatten.ch
© 2019 Nachtschatten Verlag AG
© 2019 Franjo Grotenhermen
8. aktualisierte und überarbeitete Neuauflage des 2006 erstmals erschienenen Titels:
Grotenhermen F., und Reckendrees B., Die Behandlung mit Cannabis und THC
Lektorat: Markus Berger
Korrektorat: Jutta Berger, Caro Lynn von Ow, Inga Streblow
Umschlaggestaltung: Sven Sannwald
Layout: Sven Sannwald, Nina Seiler
Druck: Druckerei & Verlag Steinmeier GmbH, Nördlingen
Printed in Germany
ISBN 978-3-03788-579-6
eISBN 978-3-03788-602-1
Nachdruck und sonstige Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages
Vorwort
Mein erster Arztbesuch – Eine Einführung für Patienten und deren Angehörige
Grundsätzliches
Arztgruppen
Erfahrene Ärzte
Erfahrene Ärzte, die nur Dronabinol und Sativex® verschreiben
Unerfahrene Ärzte, die offen für die Thematik sind
Unerfahrene Ärzte, die eine Therapie mit Cannabismedikamenten grundsätzlich ablehnen
Recht
Zulässigkeit der Verschreibung
Voraussetzungen für eine Kostenübernahme
THC, Nabilon, CBD
Verschreibungshöchstmengen
Medizin
Wirksamkeit
Verträglichkeit
Einnahmemöglichkeiten
Dosierung
Wechselwirkungen
Therapie mit Cannabis: Die wichtigsten Vor- und Nachteile
Die wichtigsten Vorteile auf einen Blick
Die wichtigsten Nachteile auf einen Blick
Welche Cannabisprodukte können medizinisch verwendet werden?
Cannabis und Cannabinoide – eine Einführung
Ganzpflanzenprodukte und isolierte Cannabinoide
Medizinische Wirkungen von Cannabis und THC
Hintergrund: Das breite Wirkungsspektrum von Cannabis und THC
Medizinische Wirkungen von CBD (Cannabidiol)
Rechtliche Lage
Die rechtliche Situation in Deutschland
Zulässigkeit der Verschreibung
Kostenübernahme durch die Krankenkasse
Begleiterhebung
Rechtliche Lage in der Schweiz
Rechtliche Lage in Österreich
Arzt-Patient-Beziehung
Was darf der Arzt?
Ärztliche Schweigepflicht
Möglichkeiten der Einnahme von Cannabisprodukten
Einnahme natürlicher Cannabisprodukte
Inhalation natürlicher Cannabisprodukte
Orale Einnahme von natürlichen Cannabisprodukten
Einnahme von Fertigarzneimitteln
Dosierung und Dosisfindung
Dosisfindung
Dosierung von THC-Präparaten
Dosierung bei verschiedenen Erkrankungen
Toleranzentwicklung
Überdosierung
Nebenwirkungen
Akute Nebenwirkungen
Akute psychische Nebenwirkungen
Akute körperliche Nebenwirkungen
Langzeitnebenwirkungen
Einfluss auf Psyche und Denken
Abhängigkeit
Immunsystem
Hormonsystem
Cannabiseinnahme während der Schwangerschaft
Risiken des Rauchens
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Wichtige Wechselwirkungen
Übersicht über die wichtigsten Wechselwirkungen
Ungünstige Kombinationen mit Cannabisprodukten
Cannabis, Fahrtüchtigkeit und Fahreignung
Medizinische Verwendung von Cannabismedikamenten
Überprüfung der Fahreignung bei medizinischer Verwendung
Ärztliches Gutachten oder MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung)
Informationen durch den behandelnden Arzt
Mögliche Fragestellungen durch die Fahrerlaubnisbehörde
Fahreignung
Fahruntüchtigkeit
Ärztliches Attest
Missbräuchliche Medikamenteneinnahme
Nachweis des THC-Konsums
Cannabiskonsum und Arbeitsplatz
Praxis im Umgang mit Cannabis am Arbeitsplatz
Drogentests
Beamtenrecht
Kündigung bei Pflichtverletzung
Cannabisanbau und Lagerung
Rechtliche Grundlagen des Cannabisanbaus
Anbaumöglichkeiten
Pflanzenanzucht mit Samen
Cannabiszucht mit Stecklingen
Ernte
Lagerung
Anhang
Zum Thema Eigenanbau
Zum Kapitel »Kostenübernahme von Cannabinoiden durch die Krankenkassen«
Zum Kapitel »Möglichkeiten der Einnahme von Cannabisprodukten«
Zum Kapitel »Cannabis, Fahrtüchtigkeit und Fahreignung«
Abkürzungsverzeichnis
Definitionen und Erläuterungen
Weiterführende Literatur
Adressen
Über den Autor
Cannabis ist kein Schmerzmittel. Es ist ein bekannter Irrtum, dass Cannabis ein Schmerzmittel sei, vor allem unter Schmerztherapeuten, aber auch in der Öffentlichkeit. Das ist jedoch nicht der Fall; aus zwei Gründen. Zum einen wirkt es bei Schmerzen leider häufig nicht. Und zum anderen kann es bei so vielen verschiedenen Erkrankungen hilfreich sein, dass man es unmöglich auf seine schmerzstillenden Eigenschaften reduzieren kann.
Gemäß der Deutschen Schmerzliga leiden etwa 5 Millionen Deutsche unter schwer zu behandelnden Schmerzen. Gemäß klinischer Studien mit einzelnen Cannabinoiden oder Zubereitungen der ganzen Cannabispflanze bei Patienten mit schweren Schmerzerkrankungen profitiert etwa jeder dritte oder jeder fünfte Teilnehmer gut von einer Therapie mit Cannabismedikamenten. Gehen wir von einem geringen Anteil von 20 Prozent aus, so würden eine Million Deutsche von einer Therapie mit THC-haltigen Cannabisprodukten gut bis sehr gut profitieren. Der Vergleich mit der realen Versorgungssituation in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt eindrucksvoll, dass es eine eklatante Unterversorgung der Bevölkerung mit Cannabismedikamenten gibt.
Hinzu kommen Patienten mit neurologischen Erkrankungen, mit psychiatrischen Erkrankungen, mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen, mit Appetitlosigkeit und Übelkeit aufgrund unterschiedlicher Ursachen und mit vielen weiteren Erkrankungen, die oft nicht auf Standardtherapien ansprechen, die aber zum Teil durch Cannabinoide gelindert werden können.
Durch das Cannabis-als-Medizin-Gesetz, das am 10. März 2017 in Deutschland in Kraft trat, wurde die Verschreibung von Medizinalcannabisblüten und daraus hergestellten Extrakten durch jeden Arzt und jede Ärztin möglich gemacht. Unter bestimmten Voraussetzungen müssen auch die Kosten für eine solche Therapie von den Krankenkassen erstattet werden. Das gilt auch für andere Cannabismedikamente wie reines THC (Dronabinol) sowie die beiden arzneimittelrechtlich zugelassenen Präparate Sativex® und Canemes®.
Die gegenwärtige Situation wirft viele Fragen auf. Wann dürfen Medikamente auf Cannabisbasis verschrieben werden? Welche Mittel können eingesetzt werden? Wie können Cannabispräparate eingenommen werden? Was muss in der schriftlichen Dosierungsanleitung stehen? Was muss bei einem Kostenübernahmeantrag an die Krankenkasse beachtet werden? Wie sieht die rechtliche Lage bei der Verwendung von Cannabismedikamenten im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr oder am Arbeitsplatz aus? Dieses Buch soll dabei helfen, diese und weitere Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer Cannabistherapie ergeben können, zu beantworten.
Es richtet sich vor allem an Patienten, die sich auf einen Arztbesuch vorbereiten möchten. Viele Ärzte kennen sich mit der Thematik nicht gut aus, sodass es ihnen leichter fällt, wenn sie einem informierten Patienten gegenübersitzen, der bereit ist, wichtige Fragen für sie zu recherchieren und zu klären und den eigenen bürokratischen Aufwand, der mit einer solchen Therapie verbunden ist, durch eigene Vorarbeit zu reduzieren.
Viele Inhalte des Buches basieren auf dem Buch Die Behandlung mit Cannabis und THC, das ich mit Dr. Britta Reckendrees verfasst hatte. Es ist jedoch mittlerweile nicht nur durch die rechtlichen Entwicklungen, sondern auch durch Entwicklungen im Bereich der Forschung überholt. So hat CBD (Cannabidiol), ein zweites Cannabinoid der Cannabispflanze mit einem bemerkenswerten therapeutischen Potenzial, in den letzten Jahren deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Nicht nur CBD, sondern auch dem Thema »Cannabis gegen Krebs« habe ich daher in den vergangenen Jahren separate Bücher gewidmet.
Dieses Buch befasst sich weniger mit den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Cannabis und Cannabinoiden, sondern konzentriert sich auf praktische Fragen der medizinischen Nutzung. Ich hoffe, es wird Ihnen helfen, die Antworten zu bekommen, nach denen Sie suchen, und die Therapie zu erhalten, die Sie benötigen.
Dr. med. Franjo GrotenhermenSteinheim, im September 2019
Viele Patienten, die ihren Arzt auf eine Medikation mit Cannabismedikamenten ansprechen, erfahren eine Ablehnung. Das kann verschiedene Gründe haben. Viele Ärzte sind grundsätzlich nicht bereit zu einer solchen Therapie, weil sie Cannabis für wirkungslos oder für eine gefährliche Droge, die nicht therapeutisch verwendet werden sollte, halten. Es gibt jedoch auch viele Ärzte, die für eine Therapie gewonnen werden könnten, sich bisher allerdings kaum damit befasst haben. In diesen Fällen kommt es auch darauf an, wie sie von ihren Patienten auf das Thema angesprochen werden. Einige Tipps können helfen, grundlegende Fehler beim ersten Arztbesuch zu vermeiden.
Sie können nicht davon ausgehen, dass Ihr Arzt sich mit dem Thema bereits gut auskennt. Eine Therapie mit Cannabismedikamenten ist zwar nicht kompliziert, wenn man einige grundlegende Dinge beachtet, aber die meisten Ärzte verfügen nicht über dieses grundlegende Wissen. Zwar ist eine zunehmende Zahl von Ärzten offen für das Thema, es sind aber leider bisher zu wenige.
Um Ihre Chancen zu verbessern, sollten Sie sich vor Ihrem Arztbesuch vor allem sehr gut informieren, damit Sie alle möglichen aufkommenden Fragen beantworten können und Ihr Arzt ein Stück seiner Unsicherheit verliert, wenn er erstmalig eine solche Therapie durchführt. Es ist wichtig, dass Sie zum Experten werden.
Es ist zudem hilfreich, wenn Sie sich in die Lage Ihres Arztes hineinversetzen, der möglicherweise wenig Zeit hat, sich in die Thematik einzuarbeiten, und für den eine solche Therapie aufgrund des Zeitaufwandes für die Begleiterhebung durch die Bundesopiumstelle und den notwendigen Kostenübernahmeantrag bei der Krankenkasse nicht attraktiv ist.
Grundsätzlich kann man aus Patientensicht vier Arztgruppen unterscheiden:
• Erfahrene Ärzte, die bereits Patienten mit Cannabismedikamenten behandeln und Erfahrungen mit unterschiedlichen Cannabismedikamenten (Fertigpräparate, Dronabinol, Extrakte, Cannabisblüten) haben.
• Erfahrene Ärzte, die eine Therapie mit Dronabinol und Fertigpräparaten bevorzugen, weil einige Ärzteverbände Ärzten nahelegen, sich darauf zu konzentrieren und zu beschränken oder weil die Inhalation von Cannabisblüten zu stark mit dem Freizeitkonsum assoziiert wird und eine Therapie mit Cannabisblüten und eventuell auch daraus hergestellten Extrakten grundsätzlich ablehnen.
• Unerfahrene Ärzte, die grundsätzlich für eine Therapie offen wären, sich bisher allerdings kaum oder nicht mit der Thematik befasst haben und nicht so recht wissen, wie sie eine Verschreibung und einen Kostenübernahmeantrag angehen können.
• Unerfahrene Ärzte, die eine Therapie mit Cannabis grundsätzlich ablehnen und auch kaum von ihrer Haltung abzubringen sind.
Bei erfahrenen Ärzten geht es meistens im Wesentlichen darum, ob aus rechtlicher Sicht eine Therapie mit Cannabismedikamenten erlaubt ist (nach § 13 Betäubungmittelgesetz), welches Präparat oder welche Präparate auf welche Art und Weise in welcher Dosis eingenommen werden sollten, und ob ein Antrag auf eine Kostenübernahme bei Kassenpatienten nach § 31 Abs. 6 SGB V Erfolg haben könnte. Bei Privatpatienten gibt es andere Grundlagen für die Kostenübernahme. Grundsätzlich sind die Bedingungen bei den privaten Versicherungen aber ähnlich.
Praxistipps
• Auch wenn Sie selbst viel Erfahrung haben, respektieren Sie, dass auch Ihr Arzt Erfahrungen mit der Thematik gewonnen hat. Er entscheidet letztlich, wie die Behandlung laufen wird und welche Präparate eingesetzt werden sollen. Jede Besserwisserei ist fehl am Platze. Es sollte darum gehen, einen gemeinsamen guten Weg zu finden.
• Bereiten Sie sich gut auf den Termin vor. Zeigen Sie Ihrem Arzt, dass Sie ihm Arbeit bei einem Kostenübernahmeantrag abnehmen werden, indem Sie beispielsweise ausführlich bisherige Therapieverfahren aufgelistet haben, von wann bis wann diese durchgeführt wurden, bei welchem Arzt, in welcher Dosierung, mit welchen Wirkungen und welchen Nebenwirkungen. Suchen Sie die wichtigsten bisherigen Arztberichte heraus, die Ihre Angaben belegen.
Bei erfahrenen Ärzten, die nur Dronabinol und Sativex® und eventuell auch standardisierte Extrakte verschreiben, kann es nicht selten zu Konflikten kommen, wenn Sie bisher Cannabisblüten verwendet haben. Da 1 g Cannabisblüten mit einem THC-Gehalt von 20 %, entsprechend 200 mg Dronabinol / THC, nicht durch 10 oder 20 mg reines Dronabinol ersetzt werden können, stellen viele Patienten fest, dass Dronabinol oder Sativex® nicht so wirksam sind wie die Cannabisblüten. Dies liegt häufig an einer Unterdosierung und nicht grundsätzlich an einer schlechteren Wirksamkeit der oralen Präparate.
Praxistipp
• Informieren Sie sich, welche Präparate, bezogen auf den THC-Gehalt, am günstigsten sind. Eine kurze Übersicht findet sich beispielsweise im ACM-Magazin der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, aber auch in Büchern für Ärzte, die Sie Ihrem Arzt zeigen können. Am günstigsten sind Cannabisblüten. Ein möglicher Kompromiss könnte darin bestehen, dass Ihr Arzt Ihnen Extrakte aus solchen Cannabisblüten verschreibt. Einige Apotheken stellen solche Extrakte selbst her. Sie sind deutlich günstiger als Dronabinol und Fertigextrakte bei gleich guter Dosierbarkeit und häufig besserer Verträglichkeit. Sie werden ebenfalls oral eingenommen, sind allerdings teurer als Cannabisblüten.
Aus ärztlicher Sicht stellt sich das Thema anders dar als aus Patientensicht. Eine Therapie mit Cannabismedikamenten ist für Ärzte grundsätzlich nicht besonders attraktiv. Man muss sich in die Thematik einarbeiten, hat einiges an bürokratischem Aufwand zu bewältigen und ist zudem von einem möglichen Regress (Strafzahlung bei unwirtschaftlicher Verschreibung) bedroht.
Wenn Patienten berichten, dass sie bereits 50 Ärzte angerufen haben mit der Frage, ob diese grundsätzlich bereit sind, eine Therapie mit Cannabis durchzuführen, bedeutet dies auf der anderen Seite, dass viele Ärzte von vielen Patienten angerufen wurden, die ohne sich bei ihnen vorgestellt zu haben, gleich mit der Tür ins Haus fallen und nach einer Cannabistherapie fragen. Viele Ärzte haben daher ihre Sprechstundenhilfen angewiesen, solche Patienten gleich abzuweisen.
Praxistipps
• Klären Sie nicht telefonisch ab, ob ein Arzt eine Cannabistherapie durchführt, wenn Sie nicht wissen, dass er diese auch durchführt. Sie bekommen sonst sofort eine Anzahl von Absagen. Es macht wenig Sinn, viele Ärzte in kurzer Zeit zu kontaktieren. Es ist immer am besten, das Thema bei dem Arzt anzusprechen, der Sie schon länger kennt. Wenn Sie einen neuen Arzt suchen, geben Sie ihm Gelegenheit, Ihr Krankheitsbild kennenzulernen, und akzeptieren Sie, dass er mit ihnen zunächst Standardtherapien durchführen möchte. Der Hinweis, pharmazeutische Präparate grundsätzlich abzulehnen, ist weder aus ärztlicher Sicht noch juristisch (§ 13 Betäubungsmittelgesetz) ein Grund für eine Cannabis-Medikation.
• Zeigen Sie Ihrem Arzt, dass Sie sich gut vorbereitet haben. Sie sollten wissen, welche Präparate verschrieben werden können, wie ein Cannabismedikament auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet wird, wie eine Dosierungsanleitung für Medikamente auf Cannabisbasis aussieht und wie ein Kostenübernahmeantrag bei der Krankenkasse abläuft. Seien Sie auf alle möglichen Fragen vorbereitet, wie beispielsweise das Risiko für eine Abhängigkeit, für die Entwicklung einer Psychose oder die Regeln für die Teilnahme am Straßenverkehr für Cannabispatienten. Machen Sie deutlich, dass Sie Ihrem Arzt die Hauptarbeit bei einer Kostenübernahme abnehmen, indem Sie darauf hinweisen, dass Sie alle Fragen, die im Arztfragebogen beantwortet werden müssen, etwa hinsichtlich der bereits durchgeführten Standardtherapien, in Ihren Worten vorbereiten werden, sodass der Aufwand für Ihren Arzt möglichst niedrig ist.
Mögliche Gründe für eine grundlegende Ablehnung einer Therapie mit Medikamenten auf Cannabisbasis durch Ärzte sind vielfältig. Die häufigsten Gründe sind eine grundlegende Ablehnung einer solchen Behandlung, da die Studienlage bei vielen Indikationen schlecht ist oder Cannabis als sehr gefährliche Substanz betrachtet wird, die Psychosen auslöst und Abhängigkeit verursacht. Diese Ablehnung kann so weit gehen, dass einige Ärzte davon ausgehen, dass Cannabis keinen therapeutischen Wert besitzt und die meisten Patienten nur ihren Freizeitkonsum legalisieren möchten. Andere Gründe sind der bürokratische Aufwand und mögliche spätere Regressforderungen, die Sorge, in der Stadt als Cannabisarzt bekannt zu werden und damit nicht nur viele weitere Patienten anzuziehen, sondern auch einen schlechten Ruf zu bekommen.
Praxistipp
Falls überhaupt ein Gespräch möglich ist, versuchen Sie herauszubekommen, welche Gründe der Ablehnung bei Ihrem Arzt vorliegen. Wenn er beispielsweise Angst davor hat, als Cannabisarzt bekannt zu werden, weisen Sie darauf hin, dass sie seine Behandlung für sich behalten und das Medikament in einer Apotheke aus einem anderen Ort bestellen werden.
Wenn Ihr Hausarzt oder der bisherige Arzt eine Therapie grundsätzlich ablehnen, kann sich dies möglicherweise im Laufe der Zeit verändern. In allen Ländern, in denen die medizinische Verwendung von Cannabis legalisiert wurde (Kanada, Niederlande, Israel etc.) war es zu Beginn immer nur eine kleine Zahl von Ärzten, die zu solch einer Therapie bereit waren. In allen Ländern hat diese Zahl dann langsam zugenommen. Häufig benötigt man viel Geduld, bevor vielleicht doch eine Offenheit entsteht.
Wann dürfen Cannabismedikamente verschrieben werden? Cannabisbasierte Medikamente befinden sich in der Anlage 3 des Betäubungsmittelgesetzes. Betäubungsmittel dürfen nach § 13 BtMG verschrieben werden, wenn »ihre Anwendung … begründet ist. Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.«
Praxistipps
Dies bedeutet grundsätzlich, dass Betäubungsmittel keine Mittel der ersten Wahl sein können, es sei denn, dass mögliche Alternativen im konkreten Fall mit einer ungünstigeren Risiko-Nutzen-Bewertung einhergehen. Dabei kann auch das langzeitige Risiko-Nutzen-Profil Berücksichtigung finden. So kann die Anwendung begründet sein, obwohl schwache Opioide (Tramadol, Tilidin®) – aufgrund ihres Abhängigkeitspotenzials –, Biologika – aufgrund ihrer potentiell tödlichen Nebenwirkungen – oder Neuroleptika – aufgrund ihrer möglichen motorischen Nebenwirkungen – zur Verfügung stehen. Es macht daher keinen Sinn, damit zu argumentieren, dass Sie bestimmte Medikamente, die bei Ihrer Erkrankung grundsätzlich zum Einsatz kommen könnten, prinzipiell ablehnen. Ihr Arzt darf Ihnen Cannabismedikamente nur verschreiben, wenn ihr Einsatz medizinisch begründet ist. Haben Sie schon genug Standardtherapien ausprobiert, die unzureichend wirksam oder mit ausgeprägten Nebenwirkungen verbunden sind?
Informieren Sie sich genau über die Rechtslage, die an anderer Stelle in diesem Buch noch ausführlicher dargestellt wird, damit Ihr Arzt sicher sein kann, nicht gegen das Betäubungsmittelgesetz zu verstoßen.
Wann müssen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten einer Therapie übernehmen? Die Zulässigkeit der Verschreibung nach § 13 BtMG ist nicht zu verwechseln mit den Vorgaben des § 31 Abs. 6 SGB V, die die Voraussetzungen für die Kostenübernahme regeln. Im Wesentlichen müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss 1. eine schwere Erkrankung vorliegen, die 2. weitgehend austherapiert ist, und 3. eine begründete Aussicht auf Linderung bestehen.
Praxistipp
•Bieten Sie Ihrem Arzt an, dass Sie ihm bei der Argumentation gegenüber der Krankenkasse zuarbeiten. Dazu zählt eine detaillierte Übersicht über die bisher durchgeführten Behandlungen mit Dosierungen, erwünschten und unerwünschten Wirkungen sowie einer Darstellung der Schwere der Erkrankung: Wie macht sich die Erkrankung im Alltag bemerkbar? Welche Defizite liegen vor? Welche Verbesserungen werden durch Cannabismedikamente erzielt?
Das Gesetz sieht gemäß fünftem Sozialgesetzbuch nur für THC- und Nabilon-haltige Medikamente eine Kostenübernahme unter bestimmten Voraussetzungen vor. Für CBD (Cannabidiol), das nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, ist keine Kostenübernahme vorgesehen. Allerdings übernehmen Krankenkassen sehr selten aus Kulanzgründen auch eine Kostenübernahme für CBD, etwa bei einer sehr schweren Epilepsie von Kindern, die anderweitig nicht beherrschbar sind.
Praxistipps
•Der CBD-Extrakt Epidiolex® ist in den USA für die Behandlung bestimmter Formen der Epilepsie zugelassen. Eine solche Zulassung wird für das Jahr 2019 nach Drucklegung dieses Buches auch für Deutschland und andere europäische Länder erwartet.
•Prinzipiell durch die Krankenkassen erstattungsfähige Präparate müssen mindestens ein Prozent THC enthalten. Damit möchte das Bundesgesundheitsministerium vermeiden, dass CBD-Produkte über die Hintertür ebenfalls von den Krankenkassen erstattet werden müssen. Daher enthalten Cannabisblüten und Cannabisextrakte aus diesen Blüten mindestens ein Prozent THC.
Die Verschreibungshöchstmenge für reines Dronabinol beträgt 500 mg, für Dronabinol in Cannabisextrakten 1000 mg (beispielsweise in Sativex®) und für Cannabisblüten 100 g. Wird die Verschreibungshöchstmenge innerhalb von 30 Tagen überschritten, so muss diese mit einem A vor dem verschriebenen Präparat gekennzeichnet werden.
Tipp für den Arzt
Da sich die Verschreibungshöchstmenge auf 30 Tage bezieht und Patienten gelegentlich schon ein neues Rezept nach 28 oder 29 Tagen erhalten, kann man ein A auch dann bereits setzen, wenn die Hälfte der Verschreibungshöchstmenge überschritten wird, also bei mehr als 250 mg reinem Dronabinol oder mehr als 50 g Cannabisblüten. Lieber ein A zu viel, als ein A zu wenig! Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, immer ein A auf ein Betäubungsmittelrezept zu setzen.
Cannabisbasierte Medikamente wirken häufig nicht oder werden nicht gut vertragen. Bei chronischen Schmerzen spricht einer von 3 bis einer von 5 Patienten auf die Medikation an. Bei vielen möglichen Einsatzgebieten, wie beispielsweise Migräne, Tinnitus, Colitis ulcerosa etc., gibt es kaum klinische Studien, sodass unbekannt ist, wie häufig Cannabisprodukte wirksam sein können.
Praxistipps
• Wenn bisher unklar ist, ob ein cannabisbasiertes Medikament wirksam ist, und der Arzt wenig Erfahrung hat, kann man mit Extrakten aus Cannabisblüten beginnen. Wenn man feststellt, dass ein Extrakt die Symptome zunächst ein wenig bessert, kann man dem Arzt einen Wechsel vorschlagen, um zu schauen, ob noch eine bessere Wirkung erzielt werden kann.