Die beiden Nebenbuhlerinnen - Miguel de Cervantes Saavedra - E-Book

Die beiden Nebenbuhlerinnen E-Book

Miguel de Cervantes Saavedra

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Beschreibung

"Die beiden Nebenbuhlerinnen" ist eine Erzählung von Miguel de Cervantes Saavedra. Miguel de Cervantes Saavedra (* vermutlich 29. September 1547 in Alcalá de Henares, getauft am 9. Oktober 1547 in Alcalá de Henares; † 23. April 1616 in Madrid) war ein spanischer Schriftsteller. Der Autor des Don Quijote gilt als Spaniens Nationaldichter.

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Seitenzahl: 67

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Inhaltsverzeichnis

Die beiden Nebenbuhlerinnen

Impressum

Die beiden Nebenbuhlerinnen

Fünf Meilen von der Stadt Sevilla liegt ein Ort, namens Castilblanco, und in einem von den verschiedenen Gasthöfen, die es daselbst gibt, kam gegen Abend ein Reisender auf einem schönen ausländischen Pferde an. Er hatte keinen Bedienten bei sich, und ohne zu warten bis ihm jemand die Steigbügel hielte, sprang er sehr schnell vom Sattel. Der Wirt, ein tätiger und aufmerksamer Mann, eilte sogleich herbei, doch er war nicht so schnell bei der Hand, daß der Reisende nicht schon auf einer steinernen Bank vor der Türe Platz genommen hätte, wo er sich eiligst die Brust aufknöpfte, die Arme sinken ließ und deutliche Zeichen von Ohnmacht gab.

Die Wirtin, ein mitleidiges Weib, eilte herbei und sprengte ihm Wasser ins Gesicht, worauf er wieder zu sich kam. Man sah ihm an, daß es ihm unangenehm sei, daß man ihn in diesem Zustande erblickt habe; er knöpfte sich wieder zu und verlangte auf der Stelle ein Schlafgemach und womöglich für sich allein.

Die Wirtin sagte, sie habe im ganzen Hause nur ein einziges mit zwei Betten, und wenn nochjemand einkehre, so müsse man ihm eins davon überlassen. Der Reisende entgegnete, er wolle beide Betten bezahlen, es möge noch jemand kommen oder nicht, und zog ein Goldstück heraus, das er der Wirtin unter der Bedingung gab, daß sie niemandem das leere Bett überlassen solle.

Die Wirtin war mit der Zahlung nicht unzufrieden, sondern versprach vielmehr, seinem Befehle Folge zu leisten, und wenn der Dechant von Sevilla selbst diese Nacht in ihrem Hause übernachten wolle. Sie fragte ihn, ob er zu Abend speisen werde, was er ausschlug, und bloß sein Pferd ihrer sorgsamen Pflege empfahl. Er verlangte den Schlüssel zu seinem Schlafgemache, nahm ein großes Felleisen mit auf dasselbe und schloß sich nicht bloß ein, sondern lehnte auch noch, wie man nachher sah, ein paar Stühle vor die Türe.

Kaum hatte er sich eingeschlossen, so traten der Wirt, der Hausknecht und ein paar Nachbarn, die gerade gegenwärtig waren, zusammen, unterhielten sich über die große Schönheit und den einnehmenden Anstand des neuen Gasts, und erklärten, nie so viel Schönheit gesehen zu haben. Sie schätzten sein Alter ab und fanden, daß er sechzehn bis siebzehn Jahre alt sein müsse. Sie schwatzten ein langes und breites, woher wohl seine Ohnmacht habe herrühren können; doch, da sie es nicht errieten, begnügten sie sich seine Anmut zu bewundern.

Die Nachbarn gingen nach Hause, der Wirt nach dem Pferde und die Wirtin in die Küche, um ein Abendbrot zuzurichten auf den Fall, daß noch andere Gäste kämen. Und es währte nicht lange, so kam ein anderer an, der etwas älter war als der erste und nicht minder hübsch. Kaum hatte es die Wirtin gehört, so rief sie: »Was ist das, in aller Welt? Wollen vielleicht diesen Abend Engel bei mir einkehren?«

»Was wollt Ihr damit sagen, Frau Wirtin?« fragte der Kavalier.

»Nichts, gnädiger Herr,« versetzte die Wirtin; »ich meine nur, daß Ihr nicht absteigen mögt, weil ich Euch kein Bett geben kann; denn die beiden, die ich habe, hat ein Kavalier in Beschlag genommen, der das Zimmer dort bewohnt, und hat mich für beide bezahlt, ob er gleich nur eins braucht, damit niemand auf sein Zimmer komme. Er muß wohl großen Geschmack an der Einsamkeit finden und ich weiß, meiner Seele, nicht warum; denn er hat nicht ein Gesicht, das er zu verstecken brauchte, sondern das jedermann sehen und rühmen sollte.«

»So schön ist er, Frau Wirtin?« fragte der Kavalier.

»Ob er schön ist?! Jawohl, und mehr als überschön«, versetzte die Wirtin.

»Komm her, Bursche; ich muß den Menschen sehen, von dem man so viel Rühmens macht, und sollt' ich auf dem Erdboden schlafen«, sprachder Kavalier, hielt seinem Maultiertreiber den Zügel hin, stieg ab vom Pferde und bestellte ein Abendbrot, was ihm auch aufgetragen ward. Während er aß, kam ein Gerichtsdiener des Dorfes herein (wie das an kleinen Orten nichts seltenes ist) und setzte sich zu dem Kavalier, um mit ihm über dem Essen zu sprechen. Unter dem Reden ermangelte er nicht, drei Stutzen Wein hinunter zu gießen und ein ziemliches Stück Rebhuhn abzunagen, was ihm der Kavalier hatte zukommen lassen. Dafür bezahlte ihn der Gerichtsdiener damit, daß er bei ihm nach Neuigkeiten aus der Residenz fragte und nach dem Kriege in Flandern und dem Anmarsche der Türken, ohne die Taten des Siebenbürgers zu vergessen (den Gott in seinen Schutz nehmen möge). Der Kavalier aß und schwieg; denn er kam nicht aus solchen Gegenden, daß er ihm auf seine Fragen hätte Auskunft geben können.

Unterdessen hatte der Wirt das Pferd besorgt und setzte sich zu ihnen, um den dritten Mann beim Gespräche abzugeben und seinem Weine ebenso fleißig zuzusprechen als der Gerichtsdiener. Bei jedem Schluck bog er den Kopf auf die linke Schulter und erhob den Wein bis in die Wolken, wiewohl er's nicht wagte, ihn lange darin zu lassen, damit er nicht verwässert würde. Von Zeit zu Zeit wurde wieder von dem Gaste, der sich eingeschlossen hatte, viel Rühmens gemacht und erzählt, wie er ohnmächtig geworden, wie er sicheingesperrt und kein Abendbrot habe zu sich nehmen wollen. Sie würdigten seinen stattlichen Mantelsack, sein treffliches Pferd, seine prächtigen Reisekleider, was alles nach ihrem Bedünken einen Bedienten zu erfordern schien, der ihm aufwartete. Diese übertriebenen Schilderungen vermehrten die Neugier des Kavaliers, den Fremden zu sehen, und er bat den Wirt, es zu veranstalten, daß er in dem anderen Bette schlafe und versprach, ihm einen Goldgulden dafür zu geben. Obgleich der Wirt das Geld sehr gern verdient hätte, so fand er es doch unmöglich, weil das Schlafzimmer inwendig verschlossen war und er nicht wagte, denjenigen zu wecken, der darin schlief und ohnedem beide Betten bezahlt hatte. Alle diese Schwierigkeiten beseitigte der Gerichtsdiener und sagte: »Was sich tun läßt, ist, daß ich an die Türe klopfe und sage, ich sei eine Gerichtsperson, die auf Befehl des Herrn Schulzen diesen Kavalier hier im Gasthofe unterbringen solle, und weil kein anderes Bett im Hause sich vorfinde, so müsse ihm jenes überlassen werden. Der Wirt muß sich dann beschweren, daß ihm Gewalt geschehe und es nicht recht sei, dem es zu nehmen, der es bereits innehabe. So ist der Wirt entschuldigt und der Herr erreicht seinen Zweck.«

Allen gefiel der Anschlag des Gerichtsdieners, und der Neugierige gab ihm dafür vier Realen. Die Sache ward sogleich zur Ausführung gebracht. Der erste Gast öffnete mit sichtbarem Verdrussedem Gerichtsdiener die Tür und der zweite legte sich in das leere Bett, nachdem er den anderen um Verzeihung wegen des Unrechts gebeten hatte, das man ihm, wie es schiene, um seinetwillen zugefügt hätte. Doch der andere erwiderte kein Wort und ließ ebensowenig sein Gesicht sehen; denn kaum hatte er die Tür geöffnet, so eilte er wieder in sein Bett, kehrte sich mit dem Gesichte nach der Wand und stellte sich, als schliefe er, um keine Antwort zu geben. Der zweite legte sich nieder und hoffte, des Morgens beim Aufstehen seine Neugier zu befriedigen. Es war eine von den trägen und langen Dezembernächten, und Kälte und Ermüdung von der Reise luden zur Ruhe ein. Doch der erste Gast hatte sie nicht, sondern bald nach Mitternacht begann er so tiefe Seufzer zu holen, daß er mit jedem derselben seine Seele auszuhauchen schien, so daß er durch sein klägliches Ächzen den anderen weckte. Dieser wunderte sich über das Schluchzen, womit er seine Seufzer begleitete und horchte aufmerksam, was er halblaut für sich zu sprechen schien.

Das Zimmer war finster und die Betten standen weit voneinander, aber dennoch hörte er unter anderem den betrübten Gast mit leiser und schwacher Stimme folgendes vorbringen: »Ach Unglück! Wohin führt mich noch die unwiderstehliche Gewalt meines Schicksals? Auf welchem Wege bin ich oder wo such' ich den Ausgang aus dem verwickelten Labyrinthe, in dem ich