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Humorvolle und dramatische Kurzgeschichten mitten aus dem Leben. Zum Lachen und zum Vorlesen. Auch für Freunde der Berufsfeuerwehr und von Werder Bremen.
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Seitenzahl: 168
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Der Autor Wolfgang Marschall erzählt in einer klaren, humorvollen und zugleich unterhaltsamen Sprache. Auch ruft er mit der einen oder anderen Geschichte Nachdenkliches hervor.
Es gibt sie nämlich noch, die manchmal aufregenden Erlebnisse des Alltags, spannend und mit einem oft überraschenden Ende. Ereignisse bei denen die Beteiligten manchmal lieber unerkannt bleiben wollen, doch diese sind besonders reizvoll.
Eines aber eint alle 38 Geschichten: Sie sind wahr oder ruhen auf wahren Begebenheiten.
Von einem täglichen Ärgernis
Wirklich wahre Freunde
Vielleicht zum 95. Geburtstag
Wie jedes Jahr
Wie einst bei den Husaren
Hier lebt meine Cousine
Und wo schläfst du dann
Die Geschichte vom kleinen roten Koffer
Überraschend wieder Freunde
Er erkannte nicht mal seine Verwandten
Jetzt geht es nicht mehr
Eine pfiffige Arbeitserleichterung
Berührungsängste
Das Spiel mit dem roten Ball
Ich habe gut geschlafen
Schwarzbrennen
Hier bleibe ich nicht
Der Fahrraddiebstahl
Ein anatomisches Wunder
Dann guck doch einfach mal
Der unverhoffte Hauptgewinn
Die Probefahrt
Schade, um die schönen Schuhe
Totenruhe
Das Märchen von der großen Hilfe
Sein linkes Bein ist steif geworden
Heute passt Renate auf
Das ist ja Wildverbiss
Sein erstes Jagdglück
Eine Frechheit war das
Auf einem deutschen Amt
Jetzt auch Geheimnisträger
Blumen zur Goldenen Hochzeit
Die Hafenrundfahrt
Es ist Vorschrift
Wir hauen ab
Freier Eintritt
Eine plötzliche Fahrradpanne
Das historische Fachwerkhaus, dem man sein wahres Alter wirklich nicht ansieht, steht an einem Straßenkreuz am Ortseingang und ist überhaupt nicht zu übersehen. Es ist für sein historisches Alter ein sehr gepflegtes Gebäude und die hiesige Bevölkerung betrachtet es als ihr dörfliches Schmuckstück. Oft diskutieren dort die Männer am Stammtisch über das Alter des Hauses, aber keiner kann es genau sagen. Einige schätzen 250 andere sagen 120 Jahre. Sicher aber ist, dass der Alte Krug die älteste Gaststätte der Gemeinde ist.
Zu allen Zeiten herrschte in seinen Räumen eine urige Gemütlichkeit die auch der jetzige Wirt bewusst weiter führt. In den 1950iger Jahren hatte der junge Georg Lange den „Alten Krug“ übernommen. „Schorse“, wie sie ihn hier nur nennen, ist bei der dörflichen Bevölkerung nämlich sehr beliebt. Immer herrscht im
Krug reges Leben. Hier treffen sich die Menschen mit den unterschiedlichsten Interessen, mal zum Diskutieren oder auch zum Amüsieren. Der junge Gastwirt ist nämlich ein kluger Geschäftsmann und er bemüht sich stets ein volles Haus zu haben. Jeden Sonnabend im Monat, manchmal auch zusätzlich am Sonntag, veranstaltet er deshalb ein kleines Tanzvergnügen. Besonders die dörfliche Jugend nutzt dieses Angebot regelmäßig mit Begeisterung. Es geht dann an so einem Tag immer fröhlich zu, besonders wenn Heini Fittger mit seinem Akkordeon zum Tanz aufspielt.
Besonders lustig sind auch immer die Sondereinlagen der jungen Burschen wenn flotte Musik aus der Wurlitzer Jukebox erklingt. Dann springt manchmal einer von seinem Stuhl hoch, baut sich vor der Box auf und betätigt sich mit zwei kleinen Stöckchen in den Händen, manchmal sind es auch nur Strohhalme, zum Vergnügen der anwesenden Gäste, als Dirigent.
Werktags jedoch, ist die Gaststätte in den Abendstunden das dörfliche Kommunikationszentrum der meistens männlichen Bevölkerung.
Man trifft sich hier nach Feierabend um den Durst zu löschen und um Dorfneuigkeiten auszutauschen. Oft geht es dann laut und hitzig in der dann stark verräucherten Gaststube zu. Manchmal ist es so laut, dass vorübergehende Spaziergänger an den immer zum Lüften geöffneten Fenstern stehen bleiben um zu lauschen. Amüsiert folgen sie den hitzigen Debatten. Doch es sind ja keine Streitereien, nein, hier wird temperamentvolle kommunale Politik betrieben.
Auch der Dachdeckermeister Kurt Grabau der seinen kleinen Handwerksbetrieb unweit der Gaststätte hat, ist täglicher Stammgast. Er ist im Dorf durchaus bekannt jedoch nur als fleißiger Handwerker gut angesehen, der von morgens in der Frühe bis zum Dunkel werden einen langen schweren Arbeitstag hat. Doch nach Feierabend ändert sich das, dann sorgt er regelmäßig für Ärger.
Früher ist ihm nach so einem langen Tag der Heim-weg immer schwer gefallen. Oft musste er viele Kilometer zu Fuß gehen und dabei auch immer noch den mit Baumaterial beladenen Handwagen hinter sich herziehen. Jetzt aber ist diese schwere Zeit für ihn vorbei, er muss nun nicht mehr laufen, sich nicht mehr quälen. Denn er hat sich ein Firmenauto zugelegt. Bequem ist es mit dem neuen Goliath. So hat er es sich, seit er das Auto besitzt, zur Gewohnheit gemacht gleich von der Arbeitsstelle kommend direkt vor dem Krug zu halten um einzukehren.
Dort genießt er dann täglich seinen Feierabend, erholt sich von seiner schweren Arbeit und lässt so den Tag ausklingen. Er fühlt sich wohl im „Krug“ bei Schorse. Die beiden Männer kennen sich ja schon so viele Jahre, weil sie doch beinahe Nachbarn sind. Eigentlich haben sie sich in der vergangenen Zeit immer gut verstanden, es gab ja nie Probleme. Doch seit der Goliathzeit ist die Atmosphäre zwischen ihnen sehr angespannt. Der Grund dafür ist Kurt`s Verhalten. Schorse ärgert sich nämlich täglich über seinen Nachbarn, den Dachdeckermeister.
Immer wieder wird der Wirt nämlich von seinen Gästen aus dem Dorf angesprochen, sie beschweren sich bei ihm über Grabau. Dieser sei so rücksichtslos und parke immer direkt vor der Eingangstür des Lokals seinen „Goliath“, sein dreirädriges Firmenauto. Dadurch könne man überhaupt nicht gefahrlos in das Lokal kommen, beklagen sie sich.
Grabau hatte es sich vom ersten Tag an angewöhnt den dreirädrigen Kleinlaster mit Starrachse und Hinterradantrieb, immer auf dem Fußweg, direkt vor der Eingangstür des alten Fachwerkhauses zu parken. Natürlich ärgern sich die zu Fuß kommenden Gäste über diese rücksichtslose Vorgehensweise und schimpfen das diese Handlungsweise eine bodenlose Frechheit wäre. Dadurch sei es für sie unmöglich auf normalen Weg an den Gaststätteneingang zu gelangen. „Immer müsse man auf die Heerstraße treten und das Auto umrunden. Das ist äußerst unangenehm und durch den Autoverkehr auch gefährlich, klagten die älteren Gäste“. Die Beschwerden nahmen täglich zu.
Einige drohen sogar damit nicht mehr in das Lokal zu kommen wenn sich das nicht schnell ändert.
Schorse ist das natürlich sehr peinlich und so spricht er Grabau, als er wieder zu Feierabend an der Theke sitzt, wegen der ärgerlichen Vorwürfe und der damit verbundenen Geschäftsschädigung an. „Du Kurt, ich muss mit dir reden. Es kann so nicht weiter gehen. Viele Gäste aus dem Dorf ärgern sich über dich und deinen dreirädrigen Lastenesel, weil du das Auto immer direkt vor der Haustür parkst“. „Kurt, ich bitte dich das zu unter-lassen. Du kannst doch dein Auto neben dem Haus abstellen, dort habe ich doch extra einen Platzplatz bauen lassen“. „Nein, das mache ich nicht, ich parke wo ich will. Hier vor dem Haus zu parken ist für mich sehr praktisch und angenehm“. „Schau mal Schorse, ich brauchte doch dann nur wenige Meter bis zum Tresen zu gehen“.
„Machst du dir denn überhaupt keine Sorgen, antwortet beinahe hilflos der Gastwirt, dass du mit deiner Parkweise den freien, ungehinderten Durchgang zur Gaststättentür für andere Gäste versperrst und dass sie eventuell durch den Autoverkehr gefährdet werden“, vorsichtig redet der Wirt nochmals auf Grabau ein.
Nein, egoistisch wie er war, dachte Grabau offensichtlich nicht im Geringsten daran, dass andere Gäste mit seiner Parkweise nicht einverstanden sein könnten und er sie dadurch sogar in Gefahr bringe könnte. Nein, er ignorierte es einfach. Grabau blieb stur. „Nein, ich parke da wo ich möchte“, antwortet er nur kurz und ignoriert einfach die Wünsche des Gastwirtes.
Es kann so nicht weiter gehen. Ich muss etwas unternehmen, ohne Kurt zu verärgern. Ich muss mir unbedingt Hilfe besorgen. Schwer grübelt Schorse, sucht nach einer Lösung des Problems.
Vielleicht sollte ich den Dorfpolizisten zu Rate ziehen, überlegt er, ihm vom dem Verkehrshindernis erzählen. Aber vielleicht lieber nicht, es gibt dann bestimmt großen Ärger. Nein, ich muss einen anderen Weg suchen.
An jedem Freitag veranstaltet Schorse seinen über weite Grenzen hinaus bekannten Frikadellentag. Es ist immer der Tag an dem die jungen Burschen aus dem Dorf ins Lokal kommen. Vielleicht finde ich bei ihnen die Lösung, ich werde sie einfach vorsichtig fragen, ihnen von dem großen Problem erzählen. Bestimmt können sie mir helfen, die sind doch pfiffig. Ich werde sie um Hilfe bitten. Die jungen Burschen werden bestimmt eine gute Idee haben.
Am Frikadellentag bietet der Wirt nämlich seine selbst gemachten Frikadellen an. Dieser Tag ist inzwischen zu einem echten Treffpunkt der dörflichen Jugend geworden. Dann ist bei „Schorse“ ganz besonders viel los. Dieser Tag ist im Dorf äußerst beliebt und genießt bei der Bevölkerung durchaus Kultstatus.
Es ist wieder ein Freitag. Heinz ist mit seinen drei Freunden aus dem Dorf natürlich auch wieder bei „Schorse“. Doch heute sind sie nicht wegen der Frikadellen gekommen. Sie sind wegen einer ganz besonderen Aktion schon früh im Lokal. Der Wirt hat in der vergangenen Woche mit ihnen gesprochen, hat ihnen von dem täglichen schweren Problem erzählt und sie um Hilfe gebeten. Das kriegen wir doch hin, Schorse, erklärte Heinz sogleich, wir lassen uns bis Freitag etwas einfallen.
Sie sind gut vorbereitet zum Krug gekommen und haben ihr benötigtes Zubehör heimlich mitgebracht. Es ging dann alles blitzschnell. Wie zufällig stehen sie nun an diesem Freitag ganz in der Nähe des Handwerksmeisters am Tresen. Rechts und links von ihm stehen sie. Sie haben ihre Taktik genau besprochen und sich ganz bewusst dort hingestellt. Jede Bewegung des Dachdeckermeisters registrieren sie aus den Augenwinkeln und horchen auf jedes Wort von ihm. Geduldig warten sie, ihnen ist ja bekannt, dass sich der Meister manchmal durchaus etwas länger in der Gaststätte aufhält. Sie wissen auch, dass er dann ganz großen Durst hat. Und so ein Tag ist wohl heute, auf ihn hatten sie gehofft. Geduldig warten sie.
Als der Meister schließlich seinen Aufbruch ankündigt, verlassen die vier jungen Männer sofort und unauffällig die Gaststätte. Der Ablauf ihrer geplanten Aktion ist genau überlegt und jeder Handgriff immer wieder besprochen, jeder wusste was er zu tun hat, alles passte. Es ging dann alles rasend schnell. Ohne Probleme. haben sie ihre Arbeit getätigt und nehmen an der Längsseite des Hauses, für den Meister nicht einsehbar, ihre Lauerstellung ein. Still und geduldig warten sie und freuen sich wie die Schneekönige auf die kommende, gerechte Bestrafung des Meisters.
In diesem Moment öffnet sich langsam die Gaststättentür und der Meister tritt, ein wenig wackelig, ins Freie. So hatten sie sich das gewünscht. Schwerfällig nimmt er hinter dem Lenkrad seines Autos Platz. Umständlich nestelt er den Fahrzeugschlüssel aus der Jackentasche und steckt ihn in das Zündschloss. Eine leichte Drehbewegung nach rechts und der kleine Motor springt sofort problemlos an. Ruhig und routiniert schiebt Kurt, wie immer, den Schalthebel nach vorn, legt so den ersten Gang ein, lässt die Kupplung vorsichtig kommen - und es passiert nichts. Das Auto bewegt sich keinen Zentimeter vom Platz. Der Meister ist verunsichert, schaltet nochmals den ersten Gang, wieder nichts.
Verwirrt von dem unerwarteten Geschehen steigt er aus dem Auto. Er versteht es nicht. Langsam und den Fehler suchend geht er um seinen Goliath mit Starrachse und Hinterradantrieb herum. Aber er kann keinen Schaden erkennen, alles sieht ganz normal aus. Auch der kleine Motor schnurrt noch immer anstandslos. Grübelnd steht der Meister ganz still, schaut abwechselnd auf sein Auto und den Fußweg, als er in diesem Moment die vier jungen Burschen bemerkt. Gemeinsam sind sie aus ihrem Versteck hinter dem Haus hervorgetreten und stehen nun freundlich lächelnd ganz still vor dem Meister.
Entschlossenheit strahlen sie aus als Heinz das Wort ergreift: „Kurt, du bist bestimmt erstaunt uns hier zu sehen aber das hat einen ganz besonderen Grund und den werde ich dir jetzt sagen. Du weißt doch sicherlich dass sich viele Bürger und auch Schorse über dein Verhalten, das Parken mit deinem Auto direkt vor der Gaststättentür ärgern. Oft ist es dir bestimmt schon gesagt worden und man hat dich darum gebeten das zu unterlassen. Du weißt bestimmt, das dein Parken für die Gäste nicht nur ein Hindernis, sondern auch eine große Gefahr ist. Wir möchten, dass in der Gaststätte Ruhe und Frieden herrscht und machen dir jetzt ein Hilfsangebot. Wenn du in Zukunft nicht mehr verkehrswidrig vor der Eingangstür des Kruges parkst und andere Bürger dadurch behinderst und gefährdest helfen wir dir sofort und machen dein Auto wieder fahrbereit. Wenn du dich aber weigerst, musst du wohl hier stehen bleiben, dann lassen wir die Ziegelsteine unter der Starrachse einfach stehen“.
Der Meister ist total verunsichert und hilflos. Er begreift nicht wo von Heinz spricht. Erst als er sich vorsichtig bückt und unter das Auto schaut sieht er verdutzt die Handbreit Luft zwischen Straßenbelag und Reifen und erkennt dass die Räder ihre Bodenhaftung durch die Steine verloren haben. In diesem Moment erkennt er seine alleinige Hilflosigkeit. Gut, sagt Grabau, wenn ihr mir helft verspreche ich hoch und heilig nie wieder vor der Eingangstür zu parken.
Seine Frau hatte ihn schon öfter darum gebeten endlich die Fußballschuhe auszuziehen. Du bist nun 37 Jahre alt, es ist doch wirklich genug. Viele Stunden in der Woche bist du immer von zu Hause weg. Drei bis vier Tage wöchentlich. Ich finde das es reicht, besonders bei den 1. Herren. Hör auf, bittet sie nochmals. Vielleicht kannst du ja in einer unterklassigen Mannschaft noch ein wenig trainieren und spielen. Und das hat er getan. Ein Jahr wollte er noch zum Ausklang spielen.
Es ist gerade kurz vor Pfingsten. Und wie schon seit vielen Jahren so unternimmt seine neue Mannschaft, die „Dritte“ des Vereins, auch 1980 am Himmelfahrtstag wieder eine "Vatertagstour". Das Programm ist wie jedes Jahr genau gleich und genau geregelt. Die Alten kennen natürlich den Ablauf des Tages und freuen sich jedes Jahr schon riesig darauf aber ganz besonders auf das zugedachte Schicksal eines Neuen.
Treffpunkt und Start ist wie jedes Jahr morgens 10.00 Uhr am Vereinsheim.
Hier sitzt er nun zum ersten mal mit seinen neuen Freunden beim Bier zusammen. Obwohl die meisten von ihnen auch nicht mehr die Jüngsten sind, einige von ihnen haben sicherlich das 40igste Lebensjahr schon überschritten, sind sie für diesen Feiertag voller Begeisterung und wollen ihn wie jedes Jahr ausgiebig genießen. Sie machen diese Vatertagestour wohl schon über 20 Jahre so. Das Motiv und die Freude an dieser gemeinsamen Radtour, ist allerdings unterschiedlich gelagert. Für den Neuen ist es die Spannung des Unbekannten. Für die Alten jedoch eine riesige Vorfreude auf das zu erwartende unglaublich Lustige.
Sie wollen sich an diesem Tag amüsieren und können es kaum erwarten. Sie freuen sich schon ein paar Tage vorher und reden heimlich unter sich lachen über das zugedachte Schicksal des neuen Spielers, des Ahnungslosen.
Beste Laune herrscht bei den „Alten“ als sie starten. Auch das Wetter spielt wieder mit, die Stimmung ist wunderbar. Alles läuft prima, es gibt keine Probleme, sie haben sich alle gut im Griff, sie schweigen und warten schon ungeduldig auf die so lustige Aktion.
Die 30 Km lange Rundstrecke und die zwölf gastronomischen Stationen, sowie der Genuss der genau festgelegten alkoholischen Getränke ist, wie jedes Jahr, exakt gleich. Dort ein Bier, bei der nächsten ein Schnaps. Die Alten wissen natürlich aus Erfahrung ganz genau wo was getrunken oder gegessen wird und planen für sich, für den Neuen natürlich unbemerkt. Pfiffig wie sie sind verzichten sie zwischendurch auf so manches Getränk. Die "Profi-Erfahrung" aus den vergangenen Jahrzehnten "Vatertag" hat sie vorsichtig werden lassen. Nur der Neue, mit seiner naiven Begeisterung hat das nicht rechtzeitig erkannt. Er hat die immer näher kommende Gefahr überhaupt nicht bemerkt, nicht geahnt. Woher sollte er auch. Schon früh kämpfte er gegen die gnadenlose Härte des Hochprozentigen. Natürlich hätte er auch einmal nein sagen können, nur, er bemerkte die verhängnisvolle Wirkung des Alkohols viel zu spät und außerdem wollte er als Neuer auch keine Schwäche zeigen, kein Außenseiter, ein guter Freund sein. Er fühlte sich eigentlich auch noch wohl und die Stimmung und das Wetter sind doch so gut, einfach wunder-bar, empfand er. Lange Zeit lies er sich nichts anmerken.
Der fünfte Haltepunkt ist immer im Bootshaus Bolte. Dort ist das rote Sofa jedes Jahr für die Truppe reserviert. Hier sitzen sie dann gemütlich zusammen und leeren, wie jedes Jahr, der Wirt weiß natürlich Bescheid, die schon auf dem Tisch stehende Flasche "Apfelkorn".
Der Neue bemerkte es nicht. Doch die Alten freuen sich jetzt schon. Denn sie wissen, dass es nur noch wenige Kilometer bis zu dem für sie so lustigen Ereignis sind. Und dieses große Ereignis ist wie jedes Jahr immer dem Neuen zugedacht. Natürlich ahnt er es nicht, auch hat er noch nie etwas davon gehört. Immer macht er mit Begeisterung jede Aktion mit, ohne zu überlegen, macht das was von Hermann, dem Anführer, den sie nur „Hermi“ nennen, vorgegeben wird, ohne zu überlegen. Misstrauen kommt bei ihm überhaupt nicht auf, warum auch, es sind doch alles Sportkameraden, richtige Freunde nämlich.
Inzwischen hat die Truppe die 7. Gastronomische Station erreicht. Sie sitzen gemütlich im Biergarten bei "Jan Gartelmann" beim Bier. Leise unterhalten sich einige, flüstern, manche lachen sogar. Er bemerkt das hinterhältige feixen aber nicht, wie sollte er auch die wohl jetzt schon beginnende Schadenfreude erkennen. Doch die neuen Freunde hielten verschworen ganz still, sagten kein Wort, warteten geduldig auf die schon hier beginnende, für sie so riesige Gaudi.
Natürlich wusste er es nicht, dass "Hermi" jedes Jahr der Anführer ist und immer in seiner väterlichen Art als Lockvogel fungiert.
"Unsere nächste Station ist die „Schleuse“ auf der anderen Wümmeseite, erklärt er dem Neuen freundlich als sie aufbrechen. Dort essen wir zu Mittag. Immer Bratkartoffeln mit saurer Gurke. Wir lassen uns alle von hier per Ruderboot über die Wümme bringen, freundlich lächelt Hermi. Wir werden jetzt gleich dort auf den Deich gehen und dann auf dem Plattenweg zur Wümme zum Bootsführer fahren. Er rudert uns über den Fluss zur Schleuse. Aber, mache dir keine Gedanken, das ist alles kein Problem, das machen wir jedes Jahr so, erklärt er ihm, dem neuen Sportkameraden freundlich“. Dann standen sie alle nebeneinander auf dem Deich.
"Du brauchst einfach nur von hier oben den Plattenweg hinunter, bis zum Anleger fahren, dort wartet ja schon der bestellte Bootsführer".
Wie jedes Jahr, stehen sie alle gierig nebeneinander aufgereiht auf der Deichkrone. Ungeduldig warten sie, ihre Schadenfreude kaum noch beherrschend, auf das hier beginnende für sie so unglaublich Humorvolle. Auf Kosten des Neuen wollen sie Spaß haben. Sie machen sich keine Gedanken, dass bei dem zu erwartenden Missgeschick die Radtour für ihn hier zu Ende sein könnte.
Das ausgewählte Opfer steht natürlich ganz vorn, vor allen anderen. Geschickt hat "Hermi" ihn dort platziert, denn er soll doch als Erster losfahren. Ahnungslos steht er auf dem Deich, hat beste Laune und fühlt sich so richtig wohl unter seinen neuen echten Sportfreunden.
Er überlegt überhaupt nicht lange als Hermi ihm das Zeichen zur Abfahrt gibt. Macht sich keine Gedanken ob sein Gleichgewichtsgefühl noch vorhanden ist und fährt in diesem Moment einfach los, den Deich hinunter. Viel zu schnell fährt er natürlich auf dem nur 50 cm schmalen Plattenweg. Er bemerkt die Rechtskurve auch nicht. Er sieht auch nicht die herunterhängenden Zweige der Büsche. Sieht viel zu spät den Schilfbewuchs und den moorigen Untergrund links und rechts des schmalen Plattenweges.
Wie jedes Jahr, kam es auch in diesem wieder zu dem für die Freunde großartigen erhofften Unfall.
Tief gebückt, den Kopf beinahe über der Lenkstange, verlor er beim Versuch den herunterhängenden Zweigen auszuweichen, erst die Kontrolle und dann sein schon sehr geschwächtes Gleichgewicht. Seitwärts, mit samt dem Rad, fällt er vom Weg. Der Länge nach, verzweifelt Halt suchend, liegt er nun im moorigen Grund. Allein sich aus dem Morast zu befreien ist ihm nicht mehr möglich. Laut lachend kommen sie alle den Deich herunter gelaufen. Sie ergreifen ihn und das Fahrrad und heben ihn aus dem Moor. Wahre Freunde helfen halt immer.
Wie jedes Jahr gehörte auch in diesem die Schleuse natürlich nicht zu einem der Etappen-ziele. Sie diente nur als humorvolles Lockmittel. Viele Monate später, nach einem Trainingstag, hat Hermi ihm das mal im Vereinsheim erzählt.