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Plötzlich war er da. 47 Geschichten aus dem wahren Leben die mit kleinen netten Botschaften angereichert sind, damit sie ein bisschen mehr als nur Unterhaltung sind. Freuen kann man sich über teilweise historische Bilde.
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Seitenzahl: 168
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Nachbarschaftshilfe für Anton
Als Lockhilfe unverzichtbar
Das benötige ich nicht
Der Traum vom Hauptgewinn
Er hatte sie schon alle
Der Bucheintreiber
Im 630iger
Der Anzugkauf
Bedenkliche Sehschwäche
Blumen zur Goldenen Hochzeit
Ein herausragendes Superangebot
Beinahe aus der ganzen Welt
Danach hast du nicht gefragt
Eine Kohlfahrt - oder Hermanns herzliche Bitte
Für zwei Dicke zu klein
Fahrraddiebstahl
Ich will doch nicht Bauchef sein
Ich muss raus in die Natur
Kalorienzähler
Plötzlich war er da
Freier Eintritt
Berührungsängste
Ist doch Ehrensache
Fünf Richtige
Das Problem werde ich schon lösen
Rückgaberecht
Vielleicht einiges anders machen
Zu schnell – oder?
Probefahrt in Ostfriesland
Es ist der Zwischenhandel
Unschuldig
Eine große Arbeitserleichterung
Unerklärlich diese Fahrradpanne
Ohne alles
Sie sind doch meine Freunde
Fahrt nach Bremerhaven
Ohne Pause reden
Eine resolute Belehrung
Wie jedes Jahr
Einmal musste es passieren
Herbstrabatte
Preußenadler
Böse Buben
Gelber Sack
Das ist doch ganz einfach
Der Landverkauf
Antons letzter Wille
Wolfgang Marschall, wurde 1941 in Schlesien geboren. Er lebt seit 1960 in Bremen. Ab 2003 veröffentliche er 2 Sachbücher und 5 Bücher mit Erzählungen.
Wie jeder der früheren Erzählungsbände entwirft auch dieser ein Panorama der Themen, die den Erzähler Marschall herausforderten.
Neben Themen und Szenerien, die dem Leser durchaus bekannt sein können, tritt Neues ins Bild.
Seinen Lebenstraum, Bauer zu sein, konnte Anton Wurtmann erst im Alter verwirklichen. Zum Erwerb eines eigenen Hofes fehlten ihm in seinen jungen Jahren einfach die finanziellen Mittel.
Notgedrungen arbeitete er deshalb bis zu seiner Rente als Bauarbeiter in der Stadt.
Jetzt ist diese Epoche vorbei, der große schlanke Mann muss nicht mehr täglich mit dem Rad fahren, er ist in Rente gegangen.
Ein Glücksfall war es, den er nutzen wollte. Anton hatte lange gesucht und schließlich einen kleinen Hof gefunden. Ein Bankkredit musste helfen das freistehende, 150 Jahre alte, landwirtschaftliche Gebäude zu erwerben. Doch sein großes Glück war nur von kurzer Dauer. Ganz plötzlich starb seine Frau. Unfassbar, er konnte es nicht begreifen. Schwer trug er an der persönlichen Tragödie, an diesem furchtbarem Verlust. Anton ging kaum noch aus dem Haus, wurde nun immer einsamer.
Mochte nicht mehr unter die Menschen gehen. Trost und Abwechslung geben ihm nur noch seine Tiere. Er hatte durch sie eine Aufgabe.
Die meisten Bürger des Dorfes mieden ihn inzwischen, den Eremiten, wie sie sagten. Sie nannten ihn, wegen seiner zwanzig schneeweißen Ziegen, auch nur Ziegen-Anton. Zusammen mit ihnen und einigen Schweinen teilte sich Wurtmann den begrenzten Platz unter dem Satteldach des alten Hauses.
Einfach sind die drei Zimmer eingerichtet, als Fenstergardinen dienen einfache Kartoffelsäcke. Seine Ziegen gingen ihm nicht von der Seite und waren immer, rund um die Uhr, 24 Stunden bei ihm. Er lebte mit ihnen. Selbst zu den Mahlzeiten standen sie drängelnd um den Küchentisch und griffen sich eigenständig ihre Portionen.
Zu seinem Elend kamen noch große finanzielle Probleme. Anton kämpfte schon seit einiger Zeit ums Überleben. Die dramatische Folge war, dass er seine Bankschulden nicht mehr bezahlen konnte.
Die Folge stellte sich schnell ein. Zusammen mit seinen Tieren wurde der Hof schließlich zwangsversteigert. Anton musste sein Haus und das Dorf verlassen.
Mittellos und ohne Unterkunft, kehrt Anton, inzwischen schon 66 Jahre alt, nach einiger Zeit in sein Dorf zurück. Die Gemeinde hatte ihn nicht vergessen und bot ihm auf einem Stück Gemeindeland ein kleines leerstehendes Haus am Rande des Dorfes mit Stall und angrenzendem Heuschober, zur günstigen Miete an.
Anton lebte wieder auf und war glücklich. Sofort begann er wieder deutsche weiße Edelziegen zu züchten.
Neben den Ziegen zieht Anton auch Ferkel groß um sie später zu verkaufen. Diese Ferkel bekommt er von den einheimischen Bauern geschenkt. Es sind immer so genannte "Quieker". Diese Quieker sind für die Bauern nichts wert, für die Aufzucht ungeeignet, sind unverkäuflich. Diese kleinen Ferkel werden deshalb von ihren Geschwistern immer gebissen und vom Futtertrog gedrängt. Dadurch sind sie körperlich zu schwach und können sich nicht wehren. Sie quiekten unangenehm schrill, laut und pausenlos. Aber Anton nahm sich ihnen gern an. Er hatte doch genügend Zeit und Geduld um sie mit Ziegenmilch aufzupäppeln.
Täglich, aber nur in den Sommermonaten, öffnete Anton pünktlich um 16.00 Uhr die Tür des Stalles. Wild drängen die Ziegen nach draußen. Die Herde ist es gewohnt mit Anton auf der einzigen Straße, die mitten durchs Dorf führt, entlang zu ziehen. Bis zum dunkel werden weiden sie nun links und rechts den Bewuchs der Grabenränder ab. Die Gemeinde sah es gern, sparte sie doch dadurch die Kosten für den Gärtner.
Im Gegensatz zu den Erwachsenen war Anton bei den Kindern im Dorf sehr beliebt. Immer ist er freundlich zu ihnen und sie halfen ihm deshalb gern. Wussten sie doch, dass sie für verrichtete Arbeit meistens 50 Pfennig in die Hand gedrückt bekamen. Besonders im Herbst lohnte es sich immer für die Kinder, dann wenn Kastanien und Eicheln von den Bäumen fielen. Fleißig sammelten sie. Für einen Zentner Kastanien bekamen sie drei und für Eicheln vier DM.
Es war im späten Sommer, eine Zeit mit viel Sonnenschein und klarer Luft. Anton hatte sich vom Nachbarn einen Pferdewagen geliehen und war auf dem Weg nach Bremen-Arbergen. Neben seinen besten Ziegen war auch der 12 jährige Nachbarsohn Hermann mit dabei.
Hermann saß ganz vorn bei Anton auf dem Kutschbock und ist unheimlich stolz,
Anton hatte sich für diesen besonderen Tag extra frisch rasiert und wohl auch gut gewaschen. Auch seine beste Sonntagskleidung hat er angezogen. Trotzdem, empfand Hermann, roch er immer noch nach Ziegen.
Vier Jungziegenböcke der Deutschen weißen Milchziegen standen hinter ihnen angebunden auf dem Wagen. Es waren seine besten. Sie sollten zur Körung.
Es war ein Glückstag für Anton. Zwei seiner Böcke wurden ausgezeichnet. Noch bei der Ausstellung konnte er sie gut verkaufen. Das brachte guten Gewinn. Sein Glück war auch das Glück des Jungen. Großzügig lies er ihn an seinem Erfolg teilhaben und schenkte ihm sogleich Zwanzig Deutsche Mark.
Zu Antons Ziegenherde gehörten auch zwei besondere Böcke, ein junger und ein alter. Ausgesuchte waren es, für die Zucht zugelassene, gekörte Böcke, den Gesetzen und Vorschriften der Zuchtverbände entsprechend.
Jedes Jahr im Herbst, meistens im Oktober, war Deckzeit. Die Zeit um Geld zu verdienen.
Im ganzen Bezirk hatten Antons Böcke einen guten Ruf und so machten sich viele Ziegenbesitzer aus der näheren dörflichen Umgebung mit ihren Ziegendamen auf den Weg in das kleine Wümmedorf. Die meisten kamen zu Fuß, im Schlepptau ihre Ziegen oder benutzten ein Fahrrad, an dem die Tiere angebunden waren.
Auch der 13jährige Theo, aus dem Nachbardorf ist, wie jedes Jahr, im Herbst 1948 wieder auf dem Weg zu Anton. Er geht langsam, denn er zieht einen mit zwei Ziegen beladenen Handwagen hinter sich her. Diesen Weg ist er schon oft gegangen, jedes Jahr. Auch heute muss er die Ziegen seiner Eltern zu dem preisgekrönten Ziegenbock bringen. Alles läuft wie immer ohne Probleme für ihn ab. Die Ziegen stehen wieder ganz still auf dem Wagen. Vielleicht wissen sie wo es hingeht und was ihnen bevorsteht und kennen wohl den genauen Ablauf.
Von Natur aus sind Ziegen eigentlich störrisch, eigensinnig. Nur am Tag dieser kleinen Reise änderte sich seltsamer Weise ihr Charakter. Theo brauchte morgens nur den Handwagen in den Stall zu schieben, sofort kamen sie freudig angelaufen und sprangen freiwillig hinauf und rührten sich nicht mehr, verhielten sich ganz still.
Natürlich verlangte Anton für diese Art Dienstleistung ein entsprechendes Honorar. Wer konnte bezahlte den geforderten Preis, wer aber das nötige Kleingeld nicht aufbringen konnte, hatte die Möglichkeit mit einer bestimmten Menge Torf zu bezahlen. Torf war für Anton zum heizen ganz besonders wichtig. Für die Lagerung des Torfes hatte er sich extra einen überdachten Anbau gebaut.
Nun konnte es aber durchaus schon mal vorkommen, dass Anton verhindert und nicht zu Hause war. Dann war es ihm natürlich nicht möglich die abgesprochenen Termine einzuhalten. Aber für diesen Notfall hatte er jedoch klug und pfiffig vorgesorgt.
Mit seiner Nachbarin Katharina Heydenreich hatte er eine freundliche Absprache getroffen. Sie hatte sich sofort einverstanden erklärt und war natürlich bereit zu helfen.
Für diesen außergewöhnlichen Fall hatte Anton nämlich pfiffig ein großes handgeschriebenes Plakat angefertigt, welches er, wenn er das Haus verließ, an seiner Haustür befestigte. Schon von Weitem konnten jetzt die müden und erschöpften Kunden, die mit ihren hoffnungsvoll wartenden Ziegen auf das Gelände traten, den Anschlag lesen:„Wenn ich nicht da bin, deckt Frau Heydenreich.“
Der 23. November 1977 ist schon am Morgen ein sonniger, aber kalter Tag. Er hatte schon darauf gewartet, diese günstige Witterung und das für die Jahreszeit besonders schöne Wetter, wollte der junge Landwirt deshalb zur Poljagd nutzen. Der frische Wind hielt die kleine Wasserstelle vor seiner Polhütte noch eisfrei. Diese günstige Wettersituation muss ich nutzen, vielleicht ist in den nächsten Tagen schon alles zugefroren, dachte er.
Alles ist genau geplant. Seine 12 zahmen Lockenten saßen ruhig in ihren Drahtkäfigen im Laderaum seines kleinen „Kombi“. Die hintere Sitzbank ist wie immer für die gepflegte Doppelflinte reserviert. Vorsichtig hatte er sie dort abgelegt. Es sollte kein Schaden an ihr entstehen. Und ganz nah, neben der Flinte, lag noch eine große Pappschachtel. Der Inhalt ist ein Rest vom Kindergeburtstag seines Sohn Ole. Es sind viele süße Schokoladenküsse. Sie sind übrig geblieben und das hat ihn riesig gefreut. Zu gern nascht er nämlich diese schokoschalige Süßigkeit.
Startbereit steht der junge Landmann nun vor seiner Frau um sich von ihr zu verabschieden. Sie hatte sich, wie Frauen nun mal so sind, liebevoll Gedanken gemacht und ihm, nicht nur für die Nacht, Verpflegung in den Rucksack gepackt. Auch hat sie noch einen alten Strohsack und eine kupferne Wärmflasche heimlich in das Auto gelegt. Sie weiß, dass die Nächte um diese Jahreszeit schon kalt sind und er sollte es angenehm warm und bequem haben.
Die Poolhütte
Es ist schon lange her, dass er hier draußen gewesen ist.
Als erstes brachte er natürlich seine gezähmten Erpel, seine Lockvögel, in dem flachen Wasser vor der Hütte in Stellung. Durch einen 30 cm langen Riemen, der an einem Bein angebunden ist, sind sie an dem Sitzbrett, dem „Beekstuhl“, im Halbkreis „angebeekt“. Hier sitzen sie nun, halb im Wasser, halb auf dem Brett, und sollen, nur durch bloße Anwesenheit, ihre wilden Verwandten anlocken.
Gezähmte Lockenten
Schon gleich nach dem Betreten des kleinen gemauerten Raumes hat er für Ordnung gesorgt und die beiden Liegesofas vom Staub befreit. Die Kissen sind inzwischen gerade gerückt und der Kanonenofen ist bis zum Rand befüllt. Knisternd brennt das trockene Holz.
Ruhe war eingekehrt. Eine angenehme Stille die er sehr genießt. Nur die knackenden Geräusche des Ofens sind zu hören, als sich das plötzlich ändert. Es klopft. Klaus öffnet und sieht Herbert, einen guten Bekannten aus dem Dorf vor der Tür stehen. „Ich bin gerade auf dem Rückweg von einer kleinen Radtour durch die Wischen und habe gesehen, dass du in deiner Hütte bist“, erklärte er dem Landwirt, „ich wollte einfach mal sehen was du hier so machst“.
Freundlich redend sitzen beide auf dem Sofa als Herbert unversehens die vielen Süßigkeiten auffallen.
„Nanu, was machst du denn mit so viel Schokoküssen hier draußen“? Klaus überlegt nicht lange. Schlagfertig erklärt er dem neugierigen Besucher ihre Bewandtnis mit den Worten: „Ja, ist dir das denn nicht bekannt, die sind für mich hier draußen ganz besonders wichtig, die brauche ich doch ganz dringend für die Pooljagd. Die Wildenten sind ganz verrückt danach“. „Ich benutze sie immer als unverzichtbares Lockmittel“. Das verschlägt dem neugierigen Gast die Sprache, nein, das hatte er noch nicht gehört.
Herbert fährt wieder heimwärts. Ich werde noch kurz im „Dorfkrug“ einkehren. Nur auf ein Bier, hatte er sich vorgenommen.
Sie waren wie immer alle da und saßen in der Mitte des Raumes, am großen runden Tisch, die Herren vom Stammtisch.
„Wo kommst du denn jetzt noch her“. Herbert wusste das diese Frage kommt und antwortet wahrheitsgemäß. Ich komme gerade aus den Wischen, ich war bei Klaus in seiner Poolhütte. Von ihm habe ich etwas ganz besonders Interessantes erfahren. Vielleicht kennt ihr es auch noch nicht. Ich werde es euch erzählen.
„Wisst ihr eigentlich womit der die Wildenten anlockt“? Herbert sonnt sich, fühlt sich stolz als Eingeweihter, sein großes Geheimnis aber noch hütend. Spannung herrscht im Gasthaus. „Nun erzähl schon“ fordern ihn die Stammtischfreunde auf.
„Also, der Klaus hat palettenweise Schokoküsse in seiner Poolhütte und mit diesen lockt er die Wildenten an“. „Die seien ganz verrückt nach dem süßen Zeug“, hat er mir erzählt.
Ruhig hört man ihm zu und mit ernstem Gesicht antwortet schließlich Friedo: „Ich staune, dass dir das nicht bekannt war“! Das mache ich doch schon mit großem Erfolg seit vielen Jahren so.
Abwartende Stille herrschte bei den Anwesenden. Schließlich unterbricht Friedo das Schweigen: „Herbert, du musst uns jetzt aber versprechen das du es keinem erzählst, dieses Insiderwissen muss unter uns bleiben.
Natürlich versprach Herbert das. Er war doch richtig stolz auf sich. Denn jetzt gehörte er auch zu den Geheimnisträgern.
Breitbeinig, die Arme in die Hüften gestemmt, steht sie vor ihr, die elfjährige Enkelin. „Mit diesem Badeanzug nehmen wir dich aber nicht mit auf die Insel, Omi“. „Der ist ja schon uralt, mit dem kannst du nicht mehr am Strand sein, das ist ja peinlich“. „Wirklich, du musst dir unbedingt einen neuen, modernen kaufen“.
Eigentlich wollte Oma nicht mehr, sie hatte das Thema schon vor einigen Jahren abgeschlossen. Sie ist nämlich der Meinung dass sie keinen neuen Badeanzug mehr benötige. Mein alter Badeanzug erfüllt doch durchaus noch seine Aufgabe und außerdem sieht er doch noch ganz gut aus, denkt sie, sagt es aber nicht, weil es sowieso keinen Sinn gehabt hätte. Sie sah nur in die Augen ihrer Enkelin, sah dort unheimliche Energie blitzen und dachte, sei lieber still, diskutiere nicht mehr, es ist so wie so zwecklos. Schließlich willigte sie schweren Herzens ein und fährt an einem Nachmittag mit in das riesige Kaufhaus. Nun steht die ältere Dame schon eine halbe Stunde in der unangenehm warmen, stickigen Umkleidekabine und probiert wohl schon den zehnten Badeanzug an. Aber nichts Passendes ist dabei. Mal ist es die falsche Größe, mal ist er nicht ihr nach ihrem Geschmack. Doch die Enkelin lässt nicht locker. Pausenlos sucht sie und reicht die verschiedenen Modelle und Farben in die Kabine. Langsam hat Oma aber keine Lust mehr. Das pausenlose an- und ausziehen ist furchtbar anstrengend für sie. Sie ist schon total er-schöpft.
„Vielleicht sollten wir es mal mit einen Bikini versuchen, Omi“, und reicht spontan einen schönen Zweiteiler in Omas Kabine.
Stille herrscht in der Ankleide und nach nur kurzer Zeit öffnet sich ein wenig der Vorhang, einen Spalt breit nur.
Eine Hand von Omi ist in diesem Moment nur zu sehen, als sie das Oberteil des Bikinis aus der Kabine reicht. Leise spricht sie zu ihrer Enkelin:
„Höre mal mein Schatz, ein Bikini ist wirklich nicht mehr das Richtige für mich. Ich bin wohl schon zu alt für so ein Model, obwohl die Hose passt prima. Aber das Oberteil benötigte ich wirklich nicht mehr, es passt alles in die Hose“.
Diese Aufregung wiederholt sich jede Woche. Immer sonnabends wird Karl von einer permanenten Unruhe erfasst. Es beginnt schon am frühen Morgen.
Die Ursache dieses Zustandes ist ihm wohl bekannt doch er kann sich nicht dagegen wehren. Manchmal ist ihm seine Aufgeregtheit richtig unangenehm aber er kann es nicht steuern, nicht beeinflussen.
Er kann an diesem Tag an nichts anderes mehr denken.
Karl wartet nämlich auf die Ziehung der Lottozahlen.
Das Spiel mit den Lottozahlen gehört zu seiner großen Leidenschaft und dadurch hofft er jedes Wochenende natürlich auf den Hauptgewinn. Jedes Wochenende schmiedet er Pläne für eine Weltreise, wirklich er ist sich sicher und glaubt fest daran, dass er bald zu den Auserwählten, zu den glücklichen Lottomillionären gehören wird.
Pünktlich, am Sonnabend um 20 Uhr, nimmt Karl seinen Stammplatz auf dem Sofa ein. Unruhig rutscht er auf dem Sitzmöbel hin und her. Er ist hypernervös. Dann endlich ist es so weit. Es ist der Moment an dem die Lottofee die Lottozahlen im Fernsehen zieht.
Manchmal aber meint es das Schicksal besonders hart mit ihm. Dann nämlich wenn er zu diesem Termin verhindert ist.
Karl ist nämlich Feuerwehrmann und hat dadurch in regelmäßigen Abständen an einem Sonnabend Dienst. Und das auch noch Vierundzwanzig Stunden lang. Eigentlich geht er gern seiner hoheitlichen Tätigkeit nach, aber nicht an einem Sonnabend. Zu gern wäre er dann lieber zu Hause, bei Christel, seiner Frau. Er genießt es an diesem Abend gemeinsam mit ihr vor dem Fernsehgerät die Ziehung der Lottozahlen zu verfolgen.
Dieser Sonnabend, Ende September 1985, ist halt wieder so ein schlimmer Tag. Schon früh morgens als er aus dem Haus fuhr grauste ihm vor den 24 Stunden im Wachgebäude. Eine lange, manchmal nervtötende Zeit mit seinen Kollegen auf engstem Raum zu sein. Oft entwickelt sich daraus ein toller Nährboden für so manchen Schabernack.
Ein bisschen Abwechslung an so einem Tag bringt ein wenig Sport an der Tischtennisplatte. Auch an diesem Sonnabend ist die grüne Platte wieder heiß umlagert. Karl ist mittendrin und kämpft um den Sieg eines kleinen, improvisierten Turniers. Unbemerkt vergingen dabei die Stunden. Plötzlich war es 20 Uhr geworden, der Beginn der Tagesschau. Karl ist geschockt als er es plötzlich feststellt. Heute aber ist er unabkömmlich, kämpfend steht er an der Tischtennisplatte.
Aber so richtig konzentrieren kann er sich ab diesem Moment nicht mehr auf den weißen Ball.
Er denkt fortan nur noch an die Lottozahlen und sucht rasend nach einer Lösung.
Ich werde einfach den Kollegen Nils bitten sich vor das Fernsehgerät zu setzten, ging ihm spontan durch den Kopf. Er wird mir sicherlich aus dieser schweren Notlage helfen. „Nils, bist du so lieb und schreibst mir die Lottozahlen auf“. „Na klar, das ist überhaupt kein Problem“. Nils macht sich sogleich auf den Weg zum Fernseher, in den oberen Bereich der Feuerwache.
Natürlich hat Nils listige Hintergedanken, denn er kennt das kleine unverschlossene Privatfach von Karl. Es befindet sich auf dem Flur, direkt vor dem großen Aufenthaltsraum des Wachgebäudes. Oft schon hat er dort die Brieftasche mit dem Lottoschein liegen sehen. Nils ist ein Schelm und sucht in Windeseile Karls ausgefüllten Lottoschein. Schnell sind die Zahlen abgelesen und auf den Rand der Tageszeitung geschrieben. Sekunden später liegt der Schein, wie unberührt wieder im Wandschrank.
Eingeweiht in das Millionenunternehmen sitzen zwanzig Feuerwehrbeamte ruhig vor dem Fernseher und warten geduldig. Es ist schon 22 Uhr, die Sportschau läuft, als Karl voller Hoffnung auf den Geldsegen, aufgeregt den Raum betritt. In seiner rechten Hand hält er seinen Lottoschein. Ungeduldig fragt er nach den Zahlen. „Ich habe sie dir dort auf den Rand der Tageszeitung geschrieben“, freundlich ist die Auskunft von Nils. Karl befindet sich wie in einem Trancezustand. Seine Augen suchen nur nach den Glückszahlen. Die lauernden Blicke seiner Kollegen und die Stille im Raum bemerkt er überhaupt nicht.
Optisch gut platziert liegt der Weser-Kurier auf dem hinteren, letzten Tisch. Ein kurzer Blick auf die Tageszeitung genügt. Blitz-schnell hat Karl die Zahlen die auf den Rand geschrieben sind erkannt. Sein Atem stockt, starr ist sein Blick, eine Art Schockzustand hat ihn erfasst.
Immer wieder sieht er auf das Stück Papier, unfassbar, er kann es nicht glauben. Hektisch wandern seine Augen hin und her. Nochmals vergleicht er sicherheitshalber die Zahlen auf seinem Lottoschein mit denen auf der Zeitung. Dann ist er sich sicher, diesmal habe ich den Sechser. Eigentlich braucht er ja nicht zu überlegen, weil er doch immer die selben Zahlen benutzt. Karl schwelgt im Geheimen schon im großen Reichtum, sieht wie im Traum die Erfüllung seiner Wünsche. Sein freundliches Gesicht glüht förmlich.
Plötzlich springt er mit einem Satz, den man ihm eigentlich nicht mehr zutraute, von seinem Stuhl auf und in überschwänglichem Ton ruft er seinen Kollegen zu: „Ihr könnt alle zur Kantine gehen und euch auf meine Kosten zu trinken holen, was und soviel ihr wollt“.
Nur kurz dreht er sich zu seinem Chef, dem Wachabteilungsleiter um und sagt schon im Hinausgehen: „Walter, nur zu deiner