Die Blockchain-Revolution - Don Tapscott - E-Book

Die Blockchain-Revolution E-Book

Don Tapscott

3,7

Beschreibung

Blockchain ermöglicht Peer-to-Peer-Transaktionen ohne jede Zwischenstelle wie eine Bank. Die Teilnehmer bleiben anonym und dennoch sind alle Transaktionen transparent und nachvollziehbar. Somit ist jeder Vorgang fälschungssicher. Dank Blockchain muss man sein Gegenüber nicht mehr kennen und ihm vertrauen – das Vertrauen wird durch das System als Ganzes hergestellt. Und digitale Währungen wie Bitcoins sind nur ein Anwendungs­gebiet der Blockchain-Revolution. In der Blockchain kann jedes wichtige Dokument gespeichert werden: Urkunden von Universitäten, Geburts- und Heiratsurkunden und vieles mehr. Die Blockchain ist ein weltweites Register für alles. In diesem Buch zeigen die Autoren, wie sie eine fantastische neue Ära in den Bereichen Finanzen, Business, Gesundheitswesen, Erziehung und darüber hinaus möglich machen wird.

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Don Tapscott · Alex Tapscott

DIE

Blockchain

REVOLUTION

Wie die Technologie hinter Bitcoinnicht nur das Finanzsystem,sondern die ganze Welt verändert

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

Blockchain Revolution: how the technology behind bitcoin is changing money, business, and the world

ISBN 978-1-10-198013-2

© Copyright der Originalausgabe 2016:

Copyright © 2016 by Don Tapscott and Alex Tapscott

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with Portfolio, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC.

© Copyright der deutschen Ausgabe 2016:

Börsenmedien AG, Kulmbach

Übersetzung: Petra Pyka

Covergestaltung: Johanna Wack

Gestaltung und Satz: Regina Denhard, denksportler Grafikmanufaktur

Herstellung: Martina Köhler

Lektorat: Claus Rosenkranz

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86470-388-1

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Postfach 1449 • 95305 Kulmbach

Tel: 0 92 21-90 51-0 • Fax: 0 92 21-90 51-44 44

E-Mail: [email protected]

www.boersenbuchverlag.de

Für Ana Lopes und Amy Welsman,weil sie dieses Buch möglich gemacht und verstanden haben,„dass sich alles nur um die Blockchain dreht“.

Stimmen zum Buch

„Ein Meisterwerk, das das Potenzial der Blockchain-Technologie fein säuberlich seziert, um so die dringlichsten Herausforderungen weltweit anzupacken.“

–Hernando De Soto, Ökonom und President, Institute for Liberty and Democracy, Peru

„Blockchain verhält sich zu Vertrauen wie das Internet zu Daten. Ebenso wie das erste Internet hat auch die Blockchain das Potenzial, alles zu verändern. Lesen Sie dieses Buch – dann wissen Sie, warum.“

–Joichi Ito, Director, MIT Media Lab

„Auf dieser außergewöhnlichen Reise an die Grenzen der Finanzwelt wirft Tapscott ein neues Licht auf das Phänomen ‚Blockchain‘ und bringt überzeugende Argumente, weshalb wir uns alle über sein Potenzial und seine Macht schlau machen sollten.“

– Dave McKay, President und CEO, Royal Bank of Canada

„Dieses Buch analysiert ebenso scharfsinnig wie eingängig die Chancen, aber auch die Gefahren der Blockchain. Die Blockchain-Revolution bietet den Lesern das Privileg, einen Blick in die Zukunft zu werfen.“

– Alec Ross, Autor von Die Wirtschaftswelt der Zukunft

„Wenn jemals etwas entmystifiziert werden sollte, dann doch wohl die Blockchain. Und den Tapscotts ist dies mehr als gut gelungen, denn mit ihrem Buch bringen sie dem Leser nahe, weshalb dieses Thema für solch eine Aufregung sorgt, weshalb es so wichtig ist und welche Möglichkeiten es eröffnet.“

– Blythe Masters, CEO, Digital Asset Holdings

„Dieses Buch steht dem prognostischen Wert von Orwells 1984 und der visionären Kraft eines Elon Musk in nichts nach. Wer es nicht liest, den wird wohl das Schicksal der Dinosaurier ereilen.“

– Tim Draper, Gründer von Draper Associates, DFJ und Draper University

„Die Blockchain ist eine ziemlich radikale technologische Welle – und wie schon so oft ist Tapscott auch jetzt wieder da draußen, diesmal gemeinsam mit seinem Sohn Alex, und surft in den Sonnenuntergang. Was für ein Ritt!“

– Yochai Benkler, Berkman Professor of Entrepreneurial Legal Studies, Harvard Law School

„Jeder Mitarbeiter eines Unternehmens oder einer Behörde sollte wissen, was die Blockchain-Revolution ist. Es gibt dazu kein besser recherchiertes und fesselnderes Buch über dieses Thema als das von Tapscott und Tapscott.“

– Erik Brynjolfsson, Professor am MIT; Koautor von The Second Machine Age

„Eine unverzichtbare und aktuelle Analyse, wie die Technologie hinter Bitcoin das wahre Potenzial einer digitalen Wirtschaft ausschöpfen könnte – und sollte –, um Wohlstand für alle zu ermöglichen.“

– Douglas Rushkoff, Autor von Present Shock und Throwing Rocks at the Google Bus

„Technologischer Wandel vollzieht sich normalerweise über etwa eine Generation, doch jetzt geht das in Sekundenschnelle! Und niemand erzählt uns diese Geschichte besser als die Tapscotts.“

– Eric Spiegel, President und CEO, Siemens USA

„Nur wenige Vordenker bringen uns dazu, über den Tellerrand zu schauen – doch Don Tapscott beherrscht das wie kein anderer. In Die Blockchain-Revolution vermittelt er uns gemeinsam mit seinem Sohn Alex Hintergrundwissen, bringt uns zum Nachdenken und weist uns einen ganz neuen Weg in die Zukunft.“

– Bill McDermott, CEO, SAP SE

„Die Blockchain-Revolution ist eine geniale Mischung aus Geschichte, Technologie und Soziologie, die alle Aspekte des Blockchain-Protokolls abdeckt – eine Erfindung, die sich einmal als so weltbewegend erweisen könnte wie die Kunst des Buchdrucks.“

– James Rickards, Autor von Währungskrieg und Die Geldapokalypse

„Die Blockchain-Revolution ist wie eine Straßenkarte für die Welt des digitalen Geldes mit einer perfekten Beschreibung der derzeitigen Landschaft, die zugleich den Weg weist in ein gerechteres, effizienteres und besser vernetztes globales Finanzsystem.“

– Jim Breyer, CEO, Breyer Capital

„Die Blockchain-Revolution ist definitiv der unverzichtbare Ratgeber für diese neue Technologie, die unsere Welt auf den Kopf stellen wird.“

– Jerry Brito, Executive Director, Coin Center

„Unglaublich. Wirklich unglaublich! Die Tapscott’sche Analyse der Blockchain als Modell für Inklusion in einer immer zentralisierteren Welt ist ebenso differenziert wie außergewöhnlich.“

– Steve Luczo, Chairman und CEO, Seagate Technology

„Dieses Buch liefert überzeugende Argumente dafür, dass die Blockchain die Transparenz erhöht und sogleich den Datenschutz stärkt. Um es mit den Worten der Autoren zu sagen: ‚Kein Internet der Dinge ohne Hauptbuch der Dinge‘.“

– Chandra Chandrasekaran, CEO und Geschäftsführer, Tata Consultancy Services

„Das Epizentrum des Vertrauens teilt sich auf! Der ultimative Bericht über die revolutionären Möglichkeiten eines dezentralen Systems des Vertrauens.“

– Frank D’Souza, CEO, Cognizant

„Die Blockchain-Revolution ist die Vorhut des technologischen Fortschritts – und das ist nur der Anfang!“

– Frank Brown, Geschäftsführer und Chief Operating Officer, General Atlantic

„Es geht einer neuen technologischen Bewegung auf den Grund und stellt den Zusammenhang her zu einem menschlichen Urbedürfnis: Vertrauen. Fundiert und provokant. Jeder Unternehmer und politischer Entscheidungsträger, der ernst genommen werden will, sollte Die Blockchain-Revolution gelesen haben.“

– Brian Fetherstonhaugh, Chairman und CEO, OgilvyOne Worldwide

„Dieses Buch müssen Sie gelesen haben. Denn nur dann begreifen Sie, weshalb sich die Blockchain schnell zu einer der wichtigsten technologischen Erfindungen seit dem Internet entwickelt.“

– Brian Forde, Director der Digital Currency Initiative, MIT Media Lab

„Die Blockchain-Technologie weist das Potenzial auf, die Industrie, das Finanz- und Staatswesen auf den Kopf zu stellen – Pflichtlektüre für jeden, der sich für die Zukunft des Geldes und der Menschheit interessiert.“

– Perianne Boring, Gründerin und President, Chamber of Digital Commerce

„Wenn eine generationsübergreifende Technologie die Welt verändert, in der wir leben, können wir uns glücklich preisen, dass es Kartografen wie Don Tapscott und seit Neuestem auch seinen Sohn Alex gibt, die uns erklären, wohin die Reise geht.“

– Ray Lane, Managing Partner, GreatPoint Ventures; Partner Emeritus, Kleiner Perkins

„Don und Alex haben den ultimativen Ratgeber für alle verfasst, die daran interessiert sind, die Tür zu einer neuen und vielversprechenden Welt zu öffnen.“

– Benjamin Lawsky, ehemaliger Superintendent of Financial Services des US-Bundesstaats New York; CEO von The Lawsky Group

„Die Blockchain-Revolution ist ein erhellendes, unglaublich wichtiges Manifest für das nächste digitale Zeitalter.“

– Dan Pontefract, Autor von The Purpose Effect, Chief Envisioner, TELUS

„Das hervorragend recherchierte und sorgfältig erarbeitete Buch bietet tiefe Einblicke in die aufregendste neueste Technologie seit dem Internet. Ein Werk von außergewöhnlicher Klarheit und erstaunlich breitem und tiefem Kenntnisreichtum.“

– Andreas Antonopoulos, Autor von Mastering Bitcoin

„Die Blockchain Revolution klärt auf über die schöne neue Welt des dezentralen, vertrauenslosen Geldes.“

– Tyler Winklevoss, Mitgründer, Gemini und Winklevoss Capital

„Ein faszinierender – und beruhigender – Einblick in eine Technologie, die die Weltwirtschaft neu erfinden kann. Was für eine Errungenschaft! Und was für ein Buch!“

– Paul Polman, CEO, Unilever

Inhaltsverzeichnis

Stimmen zum Buch

Teil 1: Say You Want a Revolution

Kapitel 1:

Das Protokoll des Vertrauens

Auf der Suche nach dem Vertrauensprotokoll

Wie funktioniert dieses weltweite Hauptbuch?

Rationaler Überschwang für die Blockchain

Wie lässt sich im digitalen Zeitalter Vertrauen gewinnen?

Die Rückkehr des Internets

Ihr persönlicher Avatar und die Blackbox der Identität

Ein Wohlstandsplan

Chancen und Risiken der neuen Plattform

Kapitel 2:

Das Bootstrapping der Zukunft – sieben Gestaltungsprinzipien für die Blockchain-Wirtschaft

Die sieben Gestaltungsprinzipien

1. Vernetzte Integrität

2. Verteilte Macht

3. Wert als Anreiz

4. Sicherheit

5. Datenschutz

6. Wahrung von Rechten

7. Inklusion

Gestaltung der Zukunft

Teil 2: Umwälzungen

Kapitel 3:

Die Neuerfindung der Finanzdienstleistungen

Ein neuer Look für das zweitälteste Gewerbe der Welt

Die goldenen Acht: Wie sich der Finanzdienstleistungssektor verändert

Von der Stock Exchange zur Block Exchange

Der faustische Blockchain-Pakt

Die Bank-App: Wer hat im Privatkundengeschäft die Nase vorn?

Google Translate für die Wirtschaft: Neue Regelwerke für Rechnungslegung und Unternehmensführung

Reputation: Zeig mir deine Bonitätsbewertung und ich sage dir, wer du bist

In der Blockchain an die Börse

Der Markt für Prognosemärkte

Ein Fahrplan für die goldenen Acht

Kapitel 4:

Die Neugestaltung des Unternehmens – im Kern und am Rande

ConsenSys-Findung

Die Unternehmensgrenzen verändern

Festlegung der Unternehmensgrenzen

Kapitel 5:

Neue Geschäftsmodelle – die Regenmacher in der Blockchain

bAirbnb und Airbnb – ein Vergleich

Globales Computing: Der Siegeszug dezentraler Anwendungen

Die DApp-Könige: Verteilte Unternehmen

Autonome Agenten

Verteilte autonome Unternehmen

Die glorreichen Sieben: Geschäftsmodelle für offene Netzwerkunternehmen

Die Zukunft hacken: Innovative Geschäftsmodelle

Kapitel 6:

Das Hauptbuch der Dinge – Animation der physischen Welt

Power to the People

Die Evolution des Computers: Vom Großrechner zur intelligenten Pille

Kein Internet der Dinge ohne Hauptbuch der Dinge

Die zwölf Umwälzungen: Animation der Dinge

Der wirtschaftliche Nutzen

Die Zukunft: Von Uber zu SUber

Die Zukunft hacken für eine Welt der intelligenten Dinge

Kapitel 7:

Das Wohlstandsparadox und sein Lösung – wirtschaftliche Inklusion und Unternehmertum

Ein Schwein ist kein Sparschwein

Das neue Wohlstandsparadox

Fahrplan zum Wohlstand

Überweisungen: Die Geschichte von Analie Domingo

Humanitäre Hilfe über die Blockchain

So sicher wie ein Haus? Der Weg zum eigenen Vermögen

Umsetzungsprobleme und Führungschancen

Kapitel 8:

Die Umgestaltung von Staat und Demokratie

Etwas ist faul im Staate

Ein hochleistungsfähiger öffentlicher Dienst und Staatsbetrieb

Mehr Möglichkeiten für Menschen, sich und anderen zu dienen

Das zweite demokratische Zeitalter

Blockchain-Abstimmung

Ein alternatives Politik- und Justizmodell

Die Bürger an der Lösung großer Probleme beteiligen

Wie die Demokratiewerkzeuge des 21. Jahrhunderts zu handhaben sind

Kapitel 9:

Die Befreiung der Kultur in der Blockchain – Musik für unsere Ohren

Fair-Trade-Musik: Vom Musik-Streaming zur Messung der Rechte

Artlery für Kunstfreunde: Wie Künstler und Mäzen zusammenfinden

Datenschutz, Meinungs- und Pressefreiheit in der Blockchain

Weitersagen: So wichtig ist Bildung

Kultur in der Blockchain – und Sie

Teil 3: Chancen und Risiken

Kapitel 10:

Showstopper – zehn Probleme bei der Umsetzung

1. Die Technologie ist noch nicht massentauglich

2. Der Energieverbrauch ist untragbar

3. Regierungen können die Entwicklung abwürgen oder verfälschen

4. Mächtige etablierte Vertreter des alten Paradigmas vereinnahmen das neue

5. Unzulängliche Anreize für dezentrale Massenkooperation

6. Die Blockchain als Jobkiller

7. Protokolle zu verwalten ist wie einen Sack voller Flöhe zu hüten

8. Dezentrale autonome Agenten, die Skynet bilden

9. Der große Bruder sieht dich (immer noch)

10. Missbrauch durch Kriminelle

Gründe für das Scheitern der Blockchain – oder doch nur Umsetzungsprobleme?

Kapitel 11:

Führung im nächsten Zeitalter

Wer führt die Revolution an?

Das Blockchain-Ökosystem: Ohne Spielerliste weiß man nicht, wer spielt

Ein warnendes Beispiel für die Regulierung der Blockchain

Der Senator, der die Welt verändern sollte

Zentralbanken in einer dezentralen Wirtschaft

Regulierung und Governance – eine Gegenüberstellung

Ein neues System zur Blockchain-Governance

Eine neue Agenda für das nächste digitale Zeitalter

Was das Protokoll des Vertrauens für Sie persönlich bedeutet

Anmerkungen

Dank

Teil 1

Say you want a Revolution

Kapitel 1

Das Protokoll des Vertrauens

Wieder einmal hat es den Anschein, als hätte jemand den Geist der Technik aus seiner Flasche befreit. Niemand weiß, wer diesen Geist heraufbeschworen hat oder aus welchen Motiven – in einer Zeit, die alles andere als sicher ist. Dennoch steht uns dieser Geist jetzt zu Diensten. Er kann die Machtverteilung in der Wirtschaft auf den Kopf stellen und die alte Gesellschaftsordnung zum Besseren wenden. Wir müssen es uns nur wünschen.

Wie es dazu kam?

Die ersten vier Jahrzehnte nach der Erfindung des Internets brachten uns Neuerungen wie E-Mail, das World Wide Web, Dotcoms, soziale Medien, das mobile Web, Big Data, Cloud-Computing und die ersten Tage des Internets der Dinge. All das hat in erheblichem Maße dazu beigetragen, die Kosten für die Suche nach und den Austausch von Informationen und für die Zusammenarbeit zu reduzieren. Es hat die Einstiegsbarrieren für neue Nachrichten- und Unterhaltungsmedien, neue Formen des Einzelhandels und der Arbeitsorganisation und bislang ungekannte digitale Projekte gesenkt. Durch Sensortechnologie verfügen wir nun über intelligente Brieftaschen, Bekleidung, Fahrzeuge, Gebäude, Städte – und diese Entwicklung hat nicht einmal vor unserer ureigenen Biologie Halt gemacht. Unser gesamtes Umfeld ist derart gesättigt damit, dass wir uns im Berufs- und Privatleben bald nicht mehr in diese allgegenwärtige Technologie „einloggen“, sondern gänzlich darin aufgehen werden.

Alles in allem hat das Internet viel zum Guten verändert – zumindest für diejenigen, die Zugang dazu haben. Im Geschäfts- und Wirtschaftsleben weist es aber schwerwiegende Defizite auf. The New Yorker konnte Peter Steiners Cartoon über das Gespräch zwischen zwei Hunden von 1993 gänzlich unverändert noch einmal abdrucken: „Im Internet weiß niemand, dass du ein Hund bist.“ Online sind wir nicht in der Lage, unsere Identität zweifelsfrei nachzuweisen, und für jede Transaktion und jeden Austausch von Zahlungsmitteln sind wir auf die Validierung durch einen Dritten wie eine Bank oder Regierungsbehörde angewiesen. Eben diese Intermediäre sammeln unsere Daten und missachten aus Profitgier oder aus Gründen der nationalen Sicherheit den Datenschutz. Doch selbst mit dem Internet schließt ihre Kostenstruktur an die 2,5 Milliarden Menschen aus dem globalen Finanzsystem aus. Trotz des Versprechens, eine Welt zu schaffen, in der alle gleichberechtigt sind, zeigt sich, dass die wirtschaftlichen und politischen Vorteile ungleich verteilt sind. Macht und Wohlstand fließen den Menschen zu, die bereits darüber verfügen – ohne dass sie noch viel dafür tun müssten. Mit Geld verdient man mehr Geld als die meisten Bürger durch Arbeit.

Technologie schafft weder Wohlstand noch greift sie in die Privatsphäre ein. Doch im digitalen Zeitalter steht und fällt einfach alles mit Technologie – Gutes ebenso wie Schlechtes. Sie sorgt dafür, dass wir die Rechte unserer Mitmenschen auf ganz neue Art und Weise respektieren oder mit Füßen treten können. Die explosionsartige Zunahme der Online-Kommunikation und des elektronischen Geschäftsverkehrs schafft mehr Gelegenheiten für Internet-Kriminalität. Das Moore’sche Gesetz, demzufolge sich die Prozessorleistung jedes Jahr verdoppelt, bedeutet auch, dass sich die Zahl der Betrüger und Diebe – der Moore’schen Gesetzlosen 1 – verdoppelt, ganz zu schweigen von der Flut an fragwürdigen Existenzen, die Spam versenden, Identitäten stehlen, Phishing betreiben, andere bespitzeln, Bot-Netze für ihre Zwecke missbrauchen, Rechner hacken und Cybermobbing oder Datenerpressung begehen – also Viren in Umlauf bringen, die ganze Festplatten verschlüsseln, und vom Anwender dann Lösegeld fordern. Die Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen.

Auf der Suche nach dem Vertrauensprotokoll

Bereits 1981 arbeiteten Erfinder an der Lösung der mit dem Internet verbundenen Probleme wie Datenschutz, Sicherheit und Einbindung von Kryptografie. Doch wie sie es auch drehten und wendeten, es gab immer Sicherheitslücken, weil Dritte ins Spiel kamen. Die Online-Zahlungsabwicklung über Kreditkarten war unsicher, da die Kunden zu viele persönliche Daten preisgeben mussten. Außerdem waren die Transaktionsgebühren bei geringen Rechnungsbeträgen zu hoch.

Schon 1993 hatte sich der brillante Mathematiker David Chaum das digitale Bezahlsystem eCash ausgedacht, „ein in technischer Hinsicht perfektes Produkt, das sichere und anonyme Zahlungen über das Internet ermöglichte. … Es eignete sich ideal, um elektronisch Kleinstbeträge über das Internet zu senden.“ 2 Es war so beeindruckend, dass selbst Branchenriesen wie Microsoft Interesse bekundeten, eCash als Feature in ihre Programme zu integrieren. 3 Das Problem war, dass Datenschutz und Sicherheit für Online-Käufer damals kein Thema waren – ein Grund dafür, dass Chaums niederländisches Unternehmen DigiCash 1998 in Konkurs ging.

Etwa zu dieser Zeit verfasste einer von Chaums Geschäftspartnern, Nick Szabo, eine kurze Abhandlung mit dem Titel „The God Protocol“ (sinngemäß: „Das Gottesprotokoll“), eine Anspielung auf den von Nobelpreisträger Leon Lederman geprägten Begriff vom „Gottesteilchen“, um auf die Bedeutung des Higgs-Bosons für die moderne Physik zu verweisen. Szabo sinnierte darin über ein allumfassendes Protokoll, das Gott als Vertrauensperson ins Zentrum aller Transaktionen rückte: „Alle Beteiligten sollten ihre Eingaben an Gott schicken, der dann zuverlässig die Ergebnisse berechnen und diese zurücksenden würde. Da Gott als ultimative Instanz für Verschwiegenheit gilt – man denke nur an das Beichtgeheimnis –, würde keiner der Beteiligten mehr über die Eingaben eines anderen Beteiligten erfahren, als er aufgrund seiner eigenen Eingaben und Ergebnisse ohnehin wüsste.“ 4 Seine Argumentation überzeugte: Geschäfte über das Internet abzuwickeln ist ohne Vertrauensvorschuss praktisch unmöglich. Doch da es der Infrastruktur an der dringend benötigten Sicherheit fehlt, haben wir oft keine andere Wahl, als Intermediäre wie Götter zu behandeln.

Ein Jahrzehnt später, also im Jahr 2008, kam es zur weltweiten Finanzkrise – womöglich ein günstiger Zeitpunkt für eine Person oder Gruppe, unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein neues Protokoll für ein elektronisches Peer-to-Peer-Zahlungssystem unter Verwendung einer Kryptowährung namens Bitcoin vorzustellen. Kryptowährungen (also digitale Währungen) unterscheiden sich dadurch von herkömmlichen Fiatwährungen, dass sie nicht von Staaten eingeführt und kontrolliert werden. Das neue Protokoll stellte in Form dezentraler Berechnungen Regelsätze auf, um die Datenintegrität der zwischen Milliarden elektronischen Endgeräten übermittelten Daten sicherzustellen, ohne dass ein vertrauenswürdiger Dritter vonnöten war. Dieser scheinbar unspektakuläre Schritt war der Zündfunke, der in der Computerwelt helle Aufregung auslöste – und mitunter auch Angst und Schrecken. Die Zukunft wurde in den schillerndsten Farben ausgemalt. Von dort aus sprang das Feuer auf die Geschäftswelt über und erfasste Behörden, Datenschützer, Aktivisten für soziale Entwicklung, Medientheoretiker und Journalisten, um nur einige zu nennen – und das weltweit.

„Sie alle jubelten ‚Mein Gott, das ist es! Endlich ist der Durchbruch geschafft! Darauf haben wir die ganze Zeit gewartet‘“, formulierte es Marc Andreessen, der Mitentwickler des ersten kommerziellen Webbrowsers Netscape und einer der großen Technologie-Investoren. „‚Er hat alle Probleme gelöst. Wer immer er sein mag, er hat den Nobelpreis verdient – er ist ein Genie.‘ Das ist der ganz große Wurf! Das ist das dezentrale Vertrauensnetzwerk, das das Internet schon immer gebraucht und bislang entbehrt hat.“ 5

Heutzutage versuchen vorausschauende Menschen auf der ganzen Welt zu begreifen, welche Tragweite ein Protokoll hat, das es Normalsterblichen ermöglicht, Vertrauen mithilfe eines cleveren Codes zu erzeugen. So etwas hatte es bislang noch nicht gegeben – sichere und direkte Transaktionen zwischen zwei und mehr Parteien, authentifiziert durch die Zusammenarbeit der Masse, neuerdings angetrieben durch kollektives Eigeninteresse und nicht mehr durch die Profitgier großer Unternehmen.

Mochte es auch nicht allmächtig sein, so war es doch eine vertrauenswürdige globale Plattform für unsere Transaktionen – also an sich schon eine große Sache. Wir bezeichnen das als Protokoll des Vertrauens.

Dieses Protokoll bildet die Grundlage für eine wachsende Zahl globaler dezentraler Hauptbücher, die Blockchains genannt werden. Die größte davon ist die Bitcoin-Blockchain. Die Technologie dahinter ist sehr kompliziert und auch der Begriff Blockchain geht nicht wirklich leicht ins Ohr, aber die zugrunde liegende Idee ist beeindruckend simpel. Solche Blockketten ermöglichen es, Geld direkt und sicher zum Beispiel von mir zu Ihnen zu transferieren, ohne dass einer von uns eine Bank oder ein Kreditkartenunternehmen oder PayPal bemühen müsste.

Das ist nicht mehr das Internet der Daten, sondern ein Internet des Wertes oder des Geldes. Zugleich ist es eine Plattform, auf der jeder die Wahrheit erkennen kann – zumindest, was strukturierte, erfasste Daten betrifft. Im Grunde handelt es sich um einen offenen Quellcode. Das heißt, jedermann kann die Plattform kostenlos herunterladen, nutzen oder damit neue Tools für die Verwaltung von Online-Transaktionen entwickeln. Somit birgt sie das Potenzial für unzählige neue Anwendungen und bislang noch nicht realisierte Möglichkeiten – und sie verfügt über die Fähigkeit, vieles von Grund auf zu ändern.

Wie funktioniert dieses weltweite Hauptbuch?

Großbanken und manche Behörden nutzen Blockchains als dezentrale Hauptbücher und revolutionieren damit die Art und Weise, wie Daten gespeichert und Transaktionen abgewickelt werden. Dabei verfolgen sie hehre Ziele: Geschwindigkeit, niedrigere Kosten, Sicherheit, weniger Fehler und das Wegfallen zentraler Angriffspunkte und Fehlerquellen. Bei diesen Modellen ist die Einbindung einer Kryptowährung für Zahlungen aber kein Muss.

Die wichtigsten und weitreichendsten Blockchains basieren auf Satoshis Bitcoin-Modell. Und so funktionieren sie.

Der Bitcoin wird wie andere digitale Währungen auch nicht irgendwo in einer Datei gespeichert; er steht für Transaktionen, die in einer sogenannten Blockchain gespeichert sind – eine Art globales Datenblatt oder Hauptbuch, das sich die Ressourcen eines großen Peer-to-Peer-Bitcoin-Netzes zunutze macht, um jede einzelne Bitcoin-Transaktion zu verifizieren und zu genehmigen. Jede Blockchain ist wie die Bitcoin-Blockchain verteilt. Das heißt, sie läuft auf von Freiwilligen in aller Welt zur Verfügung gestellten Rechnern. Es gibt keine zentrale Datenbank, die gehackt werden könnte. Die Blockchain ist öffentlich. Das heißt, jeder kann sie jederzeit einsehen, da sie Teil eines Netzwerks ist und nicht Teil einer einzelnen Institution, die mit der Überprüfung von Transaktionen und der entsprechenden Dokumentation betraut ist. Außerdem ist eine Blockchain verschlüsselt. Das heißt, es kommt eine umfassende Verschlüsselung einschließlich öffentlicher und privater Schlüssel zum Einsatz (was in etwa dem 2-Schlüssel-System eines Schließfachs entspricht), um virtuelle Sicherheit zu gewährleisten. Kein Grund mehr also, sich um die miserable Firewall von Target oder Home Depot zu sorgen oder um räuberische Mitarbeiter von Morgan Stanley oder US-amerikanischer Behörden.

Alle zehn Minuten – sozusagen der Herzschlag des Bitcoin-Netzwerks – werden alle durchgeführten Transaktionen verifiziert, freigegeben und in einem Block abgespeichert, der sich an den vorausgegangenen Block anschließt, sodass eine Kette entsteht. Jeder Block muss sich auf den vorherigen Block beziehen, ansonsten ist er ungültig. Mit dieser Struktur ist dafür gesorgt, dass jeder Wertaustausch dauerhaft mit einem Zeitstempel versehen und gespeichert wird, was erfolgreich verhindert, dass das Hauptbuch geändert werden kann. Wer eine Bitcoin-Einheit stehlen will, müsste ihre gesamte Historie in der Blockchain unter aller Augen neu schreiben und das ist praktisch unmöglich. Somit ist die Blockchain ein dezentrales Hauptbuch, das für einen Netzwerkkonsens über jede einzelne Transaktion steht, die je erfolgt ist. Ebenso wie man vom World Wide Web der Daten spricht, könnte man auch vom World Wide Ledger der Werte sprechen – von einem dezentralen Hauptbuch, das jedermann herunterladen und auf seinem PC laufen lassen kann.

Manche Wissenschaftler behaupten, die Einführung der doppelten Buchführung habe den Aufstieg des Kapitalismus und die Bildung der Nationalstaaten erst möglich gemacht. Das neue digitale Hauptbuch für wirtschaftliche Transaktionen lässt sich so programmieren, dass es quasi alles aufzeichnet, was für die Menschheit von Wert und Bedeutung ist: Geburts- und Sterbeurkunden, Heiratserlaubnisse, Besitzurkunden, Eigentumsnachweise, Bildungsabschlüsse, Jahresabschlüsse, Patientenakten, Versicherungsfälle, Wahlen, Herkunft von Lebensmitteln und alles andere, was sich in Programmiersprachen ausdrücken lässt.

Die neue Plattform ermöglicht den Abgleich digitaler Datensätze über alles Mögliche, und das auch noch in Echtzeit. Fakt ist, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis Milliarden intelligenter Dinge in der materiellen Welt über Sensortechnik allerhand wahrnehmen, darauf reagieren, kommunizieren, sich ihren eigenen Strom kaufen, wichtige Daten austauschen, ja, einfach alles erledigen – vom Umweltschutz bis hin zur Gesundheitsvorsorge. Dieses Internet für alles braucht natürlich auch ein Hauptbuch für alles. Die Unternehmen, der Geschäftsverkehr und die Wirtschaft brauchen ein digitales Rechnungswesen.

Und was hat das alles mit Ihnen zu tun? Nun, unserer Auffassung nach kann uns die Wahrheit befreien und dezentrales Vertrauen wird jeden einzelnen Lebensbereich in erheblichem Maße beeinflussen. Vielleicht sind Sie ja ein großer Musikfan und möchten gerne, dass Interpreten von ihrer Kunst leben können. Oder Sie zählen zu den Verbrauchern, die wissen möchten, woher das Hackfleisch für ihren Hamburger wirklich stammt. Oder Sie sind ein Einwanderer, der es satt hat, jedes Mal, wenn er Geld in sein Heimatland überweist, um seine Familie zu unterstützen, hohe Gebühren zu berappen. Oder ein saudische Frau, die gerne ihre eigene Modezeitschrift herausgeben möchte. Vielleicht sind Sie aber auch Entwicklungshelfer, der Grundbesitzrechte klären muss, um nach einem Erdbeben Häuser wiederaufzubauen. Oder Sie wünschen sich als kritischer Bürger von den Politikern Ihres Landes mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht. Oder aber Sie legen als Nutzer sozialer Medien Wert auf Datenschutz und sind der Auffassung, dass sämtliche von Ihnen erzeugte Daten etwas wert sind – zumindest für Sie. Noch während wir diese Zeilen schreiben, tüfteln Entwickler an Blockchain-basierten Anwendungen, die auf solche Dinge ausgelegt sind. Und das ist erst der Anfang.

Rationaler Überschwang für die Blockchain

Eines steht fest: Die Blockchain-Technologie wird zahlreiche Institutionen von Grund auf verändern. Und genau deshalb dürften so viele kluge und einflussreiche Menschen so aufgeregt sein, wenn es um die Blockchain geht. Ben Lawsky hängte seinen Job als Leiter der Bankenaufsicht im US-Bundesstaat New York an den Nagel, um ein eigenes Beratungsunternehmen zu gründen, das sich auf die Blockchain-Technologie spezialisiert hat. Er sagte uns: „In fünf bis zehn Jahren werden wir das Finanzsystem nicht mehr wiedererkennen … und ich will diesen Wandel mitgestalten.“ 6 Blythe Masters, ehemalige Finanzchefin und Leiterin der globalen Rohstoffabteilung der Investmentbank J.P. Morgan, gründete ein Blockchain-fokussiertes Technologie-Start-up, um die Branche aufzumischen. Im Oktober 2015 war Masters auf der Titelseite von Bloomberg Markets. Die Schlagzeile lautete: „Alles dreht sich um die Blockchain.“ Auch in dem Leitartikel „Die Vertrauensmaschine“ des Economist vom Oktober 2015 hieß es, die Technologie hinter dem Bitcoin könne die Wirtschaft auf den Kopf stellen. 7 Für The Economist ist die Blockchain-Technologie eine fantastische Kette des Vertrauens. Banken in aller Welt bauen hochkarätige Teams auf, um Chancen auszuloten, und heuern dafür Spitzenkräfte an. Gerade Bankern gefällt die Vorstellung von sicheren, reibungslosen und blitzschnellen Transaktionen, doch der Gedanke von Offenheit, Dezentralisierung und neuen Währungsformen ist ihnen suspekt. Die Finanzdienstleistungsbranche hat die Blockchain-Technologie bereits umfirmiert und privatisiert – unter der Bezeichnung Technologie des dezentralen Hauptbuchs. Damit will sie die großen Vorteile des Bitcoin – nämlich Sicherheit, Geschwindigkeit und Kosten – mit einem in sich geschlossenen System vereinen, in dem eine Bank oder ein anderes Finanzinstitut die Nutzungsgenehmigung erteilen muss. In ihren Augen sind Blockchains zuverlässiger als bestehende Datenbanken. Und diese Datenbanken ermöglichen es ihren maßgeblichen Interessengruppen – Käufern, Verkäufern, Depotbanken und Aufsichtsbehörden –, über gemeinsame, unauslöschliche Datensätze zu verfügen und auf diese Weise die Kosten und Abwicklungsrisiken zu senken und zentrale Schwachpunkte zu eliminieren.

Investitionen in Blockchain-Start-up-Unternehmen sind jetzt ebenso angesagt und gefragt wie damals in den 1990er-Jahren Investitionen in Dotcoms. Wagniskapitalgeber legen eine Begeisterung an den Tag, die den damaligen Dotcom-Investoren nachgerade peinlich wäre. Allein 2014 und 2015 floss bereits über eine Milliarde US-Dollar an Risikokapital in das aufkeimende Ökosystem der Blockchain und die Höhe der Investitionen verdoppelt sich nahezu jährlich. 8

„Wir sind sehr zuversichtlich“, sagte Marc Andreessen in einem Interview mit The Washington Post, „dass wir in 20 Jahren mit der gleichen Selbstverständlichkeit [von der Blockchain-Technologie] reden wie heute vom Internet.“ 9

Auch die Aufsichtsbehörden stehen in den Startlöchern und haben schon Arbeitsgruppen gebildet, um herauszufinden, welche Gesetze sinnvoll wären – wenn überhaupt. Autoritäre Regierungen, etwa in Russland, haben der Verwendung des Bitcoin einen Riegel vorgeschoben oder die Nutzung stark eingeschränkt. Das Gleiche gilt für einige demokratische Staaten wie zum Beispiel Argentinien, die es aufgrund ihrer Währungskrisen eigentlich besser wissen müssten. Vernünftiger agierende westliche Regierungen geben derzeit viel Geld aus, um zu analysieren, wie die neue Technologie nicht nur das Zentralbankwesen und den Charakter des Geldes transformieren könnte, sondern auch den Staatsbetrieb und das Wesen der Demokratie. Carolyn Wilkins, die stellvertretende Direktorin der Bank of Canada, ist überzeugt, dass die Zeit für die Zentralbanken in aller Welt reif ist, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, was passiert, wenn das gesamte nationale Währungssystem auf digitales Geld umgestellt würde. Der Chefvolkswirt der Bank of England, Andrew Haldane, macht sich für eine nationale digitale Währung für das Vereinigte Königreich stark. 10

Es ist eine aufregende Zeit und so viel steht fest: Mit der steigenden Zahl der Befürworter digitaler Währungen nimmt auch der Anteil an Opportunisten, Spekulanten und Kriminellen zu, die Bitcoin und Co für sich entdecken. Als Erstes hören die meisten Menschen vom Konkurs der Bitcoin-Börse Mt.Gox oder der Verurteilung von Ross William Ulbricht, dem Gründer der virtuellen Handelsplattform Silk Road, der von FBI-Beamten wegen des Verdachts auf den Handel mit Drogen, Kinderpornografie und Waffen festgenommen wurde. Ulbricht nutzte die Bitcoin-Blockchain als Zahlungssystem. Der Bitcoin-Kurs schwankte heftig und der Bitcoin-Besitz ist nach wie vor stark konzentriert. Eine Studie wies 2013 nach, dass 937 Personen etwa die Hälfte aller Bitcoins besitzen, doch das ändert sich allmählich. 11

Aber wie kommen wir weg von Pornografie und Schneeballsystemen und hin zu Wohlstand? Dazu Folgendes vorab: Sie sollten sich für den Bitcoin nicht als nach wie vor spekulative Anlageklasse interessieren – es sei denn, Sie sind Trader von Beruf. In diesem Buch geht es um weit mehr als um Geldanlage, nämlich um die technologische Plattform, die dem allen zugrunde liegt, und um ihre Möglichkeiten.

Das soll nicht heißen, dass der Bitcoin oder Kryptowährungen per se unwichtig seien, wie so mancher behauptet, der natürlich daran interessiert ist, dass das eigene Projekt nicht mit den Skandalen der jüngsten Vergangenheit in Verbindung gebracht wird. Diese Währungen sind für die Blockchain-Revolution entscheidend, denn sie dreht sich in erster Linie um den Peer-to-Peer-Austausch von Werten, vor allem von Geld.

Wie lässt sich im digitalen Zeitalter Vertrauen gewinnen?

Vertrauen in der Geschäftswelt bedeutet nichts anderes als die Erwartungshaltung, dass sich der Geschäftspartner an die vier Grundregeln der Integrität hält: Ehrlichkeit, Gegenleistung, Rechenschaftspflicht und Transparenz. 12

Ehrlichkeit ist nicht nur eine Frage der Ethik, sie hat auch eine wirtschaftliche Dimension. Für eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Unternehmen und ihren Mitarbeitern, Geschäftspartnern, Kunden, Aktionären und auch der breiten Öffentlichkeit muss die Kommunikation wahrheitsgetreu, korrekt und vollständig ablaufen. Tabu sind Lügen, indem Wichtiges weggelassen wird, und auch Verschleierungstaktiken durch vermeintliche Komplexität.

Unter Gegenleistung versteht man in der Geschäftswelt häufig den in gutem Glauben erfolgenden Austausch von Vor-, aber auch Nachteilen zwischen Parteien. Doch zu einer vertrauensvollen Beziehung gehört viel mehr, nämlich echter wechselseitiger Respekt für die Interessen, Wünsche und Gefühle des anderen und dass beide Parteien einander Wohlwollen entgegenbringen.

Rechenschaftspflicht bedeutet, den eigenen Anspruchsgruppen klare Zusagen zu machen und diese dann auch einzuhalten. Jeder Einzelne muss ebenso wie jede Institution unter Beweis stellen, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt und die Verantwortung für gebrochene Versprechen übernimmt. Vorzugsweise bestätigen das die eigenen Anspruchsgruppen oder aber externe Fachleute. Was gar nicht geht: anderen den schwarzen Peter zuschieben und die Schuld abstreiten.

Transparenz bedeutet, unter aller Augen zu operieren. Allein die Frage „Was verheimlichen sie uns?“ ist ein untrügliches Zeichen für mangelnde Transparenz, was in der Regel Misstrauen nach sich zieht. Zweifelsohne sind Unternehmen aus gutem Grund und völlig legal berechtigt, Betriebsgeheimnisse und andere vertrauliche Informationen zu schützen. Doch wenn es um nützliche Informationen für Kunden, Aktionäre, Mitarbeiter und andere Interessenvertreter geht, ist aktive Offenheit gefragt, denn nur damit lässt sich Vertrauen gewinnen. Der Spruch „Kleider machen Leute“ gilt für Unternehmen nicht mehr. Stattdessen sollten sie sich besser bis auf die Unterhose ausziehen.

Doch mit dem Vertrauen in Unternehmen und andere Institutionen ist es nicht weit her. Das sogenannte „Trust Barometer“ (Vertrauensbarometer) des PR-Netzwerks Edelman für das Jahr 2015 spricht eine deutliche Sprache: Das Vertrauen in Institutionen, allen voran in Unternehmen, ist wieder so gering wie zuletzt während der Finanzkrise von 2008. Edelman stellte fest, dass selbst die einst unangreifbare Technologiebranche, die unter den Wirtschaftssektoren auch heute noch das größte Vertrauen genießt, zum ersten Mal in fast allen Ländern einen Vertrauensverlust hinnehmen musste. Weltweit betrachtet zählen CEOs und Regierungsbeamte zu den Informationsquellen, denen man am stärksten misstraut – weit abgeschlagen hinter Wissenschaftlern oder Fachleuten. 13 Auch Gallup kam in einer Umfrage von 2015 zum Vertrauen der US-Bürger in Institutionen zu dem Ergebnis, dass „Unternehmen“ den vorletzten Platz von insgesamt 15 zur Auswahl stehenden Institutionen belegten. Weniger als 20 Prozent der Befragten gaben an, dass sie den Unternehmen in erheblichem oder hohem Maße vertrauten. Nur der US-amerikanische Kongress schnitt noch schlechter ab. 14

In der Welt vor der Erfindung der Blockchain entstand Vertrauen bei Transaktionen, wenn sich Einzelne, Intermediäre oder andere Organisationen integer verhielten. Doch da wir unsere Geschäftspartner oft gar nicht kennen und erst recht nicht beurteilen können, ob ihr Verhalten integer ist, müssen wir uns auf Dritte verlassen, die ihre Hand für diese Unbekannten ins Feuer legen, die aber auch Daten über Transaktionen speichern und die Geschäfts- und Transaktionslogik beherrschen, die dem elektronischen Geschäftsverkehr zugrunde liegt. Diese mächtigen Intermediäre – Banken, Behörden, PayPal, Visa, Uber, Apple, Google und andere digitale Konzerne – schneiden sich für ihre Dienste ein großes Stück vom Kuchen ab.

In der aufstrebenden Welt der Blockchain entsteht Vertrauen durch das Netzwerk und sogar durch die Objekte in diesem Netzwerk. Carlos Moreira von dem kryptografischen Sicherheitsunternehmen WISeKey ist davon überzeugt, dass die neuen Technologien Vertrauen effektiv delegieren – sogar an materielle Dinge. „Ist das Vertrauen, dass ein Objekt wie der Sensor eines Sendemasts, eine Glühbirne oder ein Herzmonitor, ordnungsgemäß funktioniert oder Dienstleistungen honoriert, nicht vorhanden, werden sie von anderen Objekten automatisch abgelehnt.“ 15 Das Hauptbuch an sich ist die Grundlage für Vertrauen. 16

Um es klarzustellen: „Vertrauen“ bezieht sich auf den Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen sowie auf die Integrität und den Schutz von Daten, nicht jedoch auf das Vertrauen in allen geschäftlichen Angelegenheiten. Doch Sie werden in diesem Buch immer wieder davon lesen, wie ein globales Hauptbuch mit wahrheitsgetreuen Daten dazu beitragen kann, in all unseren Institutionen für mehr Integrität zu sorgen und die Welt somit sicherer und vertrauenswürdiger zu machen. Wir sind überzeugt, dass Unternehmen, die alle oder einen Teil ihrer Transaktionen über eine Blockchain abwickeln, einen enormen Vertrauensschub erleben, was sich im Aktienkurs niederschlagen wird. Aktionäre, aber auch Normalbürger werden erwarten, dass alle an der Börse notierten Unternehmen und mit Steuergeldern finanzierten Organisationen mindestens ihre Finanzabteilung über die Blockchain laufen lassen. Aufgrund der damit verbundenen höheren Transparenz können Investoren selbst beurteilen, ob ein CEO seinen fetten Bonus wirklich verdient hat. Mithilfe von durch Blockchains ermöglichten intelligenten Verträgen werden die Vertragsparteien faktisch gezwungen, ihre Pflichten zu erfüllen – und Wähler können aus erster Hand erfahren, ob ihre Volksvertreter ehrlich sind und sorgsam mit Steuergeldern umgehen.

Die Rückkehr des Internets

Das erste Internetzeitalter begann mit der Energie und Geisteshaltung eines jungen Luke Skywalker – in der festen Überzeugung, dass jedes Kind eines unwirtlichen Wüstenplaneten ein Imperium des Schreckens zu Fall bringen und eine neue Zivilisation gründen könnte, indem es ein Dotcom-Unternehmen startet. Keine Frage, das war ziemlich naiv. Aber viele Menschen, so auch wir, hofften, das Internet oder besser gesagt das World Wide Web würde die industrielle Welt auf den Kopf stellen, in der die Macht auf ein paar wenige verteilt und ein Aufstieg innerhalb der Machtstrukturen schwer war und diese noch schwerer zu überwinden waren. Anders als die alten zentralisierten Medien, die von mächtigen Kräften kontrolliert wurden, während die Nutzer in Trägheit verharrten, waren die neuen Medien dezentral und neutral. Einfach jeder konnte sich aktiv daran beteiligen und war nicht mehr auf die passive Rolle eines bloßen Empfängers reduziert. Niedrige Kosten und die enorme Peer-to-Peer-Kommunikation im Internet sollten dazu beitragen, traditionelle Hierarchien zu untergraben und Bürger von Entwicklungsländern in die Weltwirtschaft zu integrieren. Wert und Reputation sollten sich nach der Qualität des Beitrags richten, nicht mehr nach dem Status. Der Einsatz eines intelligenten, fleißigen Inders sollte durch einen tadellosen Ruf belohnt werden. Die Welt sollte nivellierter werden, leistungsorientierter, flexibler und fließender. Und das Tüpfelchen auf dem i wäre, wenn die Technologie dazu beitrüge, Wohlstand für alle zu schaffen – nicht nur Reichtum für ein paar wenige.

Manches davon ist eingetreten. Es gab große Gemeinschaftsprojekte wie Wikipedia, Linux und Galaxy Zoo. Outsourcing und vernetzte Geschäftsmodelle haben dazu beigetragen, dass Menschen aus Entwicklungsländern besser an der Weltwirtschaft teilhaben konnten. Mittlerweile arbeiten rund zwei Milliarden Menschen sozial gleichgestellt als „Peers“ zusammen. Wir alle haben in bislang unbekanntem Umfang Zugriff auf Informationen.

Doch das Imperium hat zurückgeschlagen. Inzwischen hat sich gezeigt, dass die konzentrierte Macht von Unternehmen und Staaten die ursprünglich demokratische Architektur des Internets nach ihrem Willen gebeugt hat.

Riesige Institutionen besitzen und kontrollieren inzwischen diese neuartigen Mittel der Produktion und der sozialen Interaktion – die zugehörige Infrastruktur, die jetzt schon gewaltige und weiter anwachsende Fundgrube an Daten sowie die Algorithmen, die das Geschäfts- und Privatleben zunehmend bestimmen, die Welt der Apps und außergewöhnliche und neuartige Fertigkeiten, maschinelles Lernen und selbstfahrende Autos. Vom Silicon Valley über die Wall Street bis nach Schanghai und Seoul nutzt diese neue Aristokratie ihr Insiderwissen, um mithilfe der außergewöhnlichsten aller je entwickelten Technologien Menschen zu Wirtschaftsakteuren zu machen, um riesige Vermögen anzuhäufen und ihre Macht und ihren Einfluss über Volkswirtschaften und Gesellschaften zu stärken.

Viele der pessimistischen Befürchtungen der digitalen Vorreiter sind im Großen und Ganzen eingetreten. 17 Wir haben zwar das Bruttoinlandsprodukt gesteigert, aber in den meisten Industrieländern konnte das Beschäftigungswachstum nicht Schritt halten. Die Reichen werden immer reicher, die soziale Ungerechtigkeit nimmt zu. Einflussreiche Technologieunternehmen sind wieder ein ganzes Stück abgerückt vom offenen, verteilten, egalitären und ermächtigenden Web und entscheiden sich mehr und mehr für geschlossene Bereiche im Internet (sogenannte „Walled Gardens“) oder eigentumsrechtlich geschützte Read-only-Anwendungen, die neben anderen Dingen auch die Kommunikation torpedieren. Mächtige Konzerne bedienen sich vieler dieser wunderbaren demokratischen und offenen Peer-to-Peer-Anwendungen und sichern sich damit einen ungebührlich hohen Anteil an Wert.

Und das Ergebnis? Ökonomische Macht ist noch hermetischer und konzentrierter geworden und hat sich fester etabliert. Statt dass unsere Daten breiter und demokratischer verteilt werden, werden sie von einigen wenigen Stellen gehortet und dafür eingesetzt, noch mehr Macht und Kontrolle auszuüben. Wer Daten sammelt und somit an Einfluss gewinnt, kann seine Position noch weiter stärken, indem er sie in geschützte Informationen umwandelt. Dieses Privileg sticht Verdienst aus, egal worauf es fußt.

Außerdem greifen „digitale Konzerne“ wie Amazon, Google, Apple und Facebook – allesamt einst Internet-Start-up-Unternehmen – schamlos in die Schatzkiste voller Daten, die Bürger und Institutionen häufig in privaten Datensilos, und nicht im Web, erzeugen. Auch wenn sie dadurch enormen Wert für Verbraucher schaffen, so führt dies dennoch dazu, dass Daten zu einer neuen Vermögensklasse werden, die frühere ausstechen könnte. Außerdem werden dadurch unsere traditionellen Vorstellungen von Privatsphäre und Autonomie des Individuums untergraben.

Regierungen sämtlicher Couleur nutzen das Internet, um ihre Tätigkeit und ihre Dienste zu verbessern, doch sie setzen die Technologie inzwischen auch dafür ein, Bürger zu überwachen und sogar zu manipulieren. Viele Demokratien verwenden moderne Informationsund Kommunikationstechnologien, um ihre Bürger zu bespitzeln, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, bestimmte Interessen zu bedienen, bürgerliche Rechte und Freiheiten einzuschränken und um an der Macht zu bleiben. Repressive Regierungen wie in China und im Iran kontrollieren das Internet oder missbrauchen es, um gegen Andersdenkende vorzugehen und Bürger für ihre Ziele zu mobilisieren.

Das soll aber nicht heißen, dass das Web tot wäre, wie so mancher andeutet. Das Web ist entscheidend für die Zukunft der digitalen Welt und wir alle sollten uns Initiativen anschließen, die es verteidigen – wie der World Wide Web Foundation, die darum kämpft, dass es offen und neutral bleibt und sich laufend weiterentwickelt.

Mit der Blockchain-Technologie hat sich eine ganz neue Welt mit ungeahnten Möglichkeiten aufgetan, die all diese Trends umkehren könnte. Inzwischen verfügen wir über eine richtige Peer-to-Peer-Plattform, die die vielen aufregenden Dinge ermöglicht, von denen Sie aus diesem Buch erfahren. Damit sind wir wieder Herr unserer eigenen Identität und unserer persönlichen Daten. Wir können Transaktionen abwickeln, Werte schaffen und damit handeln, ohne dass wir dafür mächtige Intermediäre bemühen müssten, die als Hüter von Geld und Daten auftreten. Milliarden ausgeschlossener Menschen werden schon bald Teil der Weltwirtschaft sein. Wir können unsere Privatsphäre schützen und unsere eigenen Daten versilbern. Wir können dafür sorgen, dass die Urheber geistigen Eigentums dafür entlohnt werden. Wir müssen uns nicht mehr mit dem Versuch begnügen, das Problem der wachsenden sozialen Ungerechtigkeit dadurch zu lösen, dass wir den Wohlstand neu verteilen, sondern wir können ganz am Anfang ansetzen – nämlich dort, wo Wohlstand geschaffen wird. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen aller Länder, vom Bauern bis zum Musiker, von Anfang an an dem von ihnen geschaffenen Wohlstand beteiligt werden. Der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt.

Dabei haben wir es allerdings eher mit Meister Yoda zu tun als mit Gott. Wenn das neue Protokoll auch nicht göttlich ist, so ermöglicht es doch eine vertrauensvolle und sichere Zusammenarbeit in einer Welt, die genau das braucht. Und das ist schon eine ganze Menge. Aufgeregt wir sind.

Ihr persönlicher Avatar und die Blackbox der Identität

In der Geschichte hat jede neue Medienform der Menschheit ermöglicht, Zeit, Raum und die Sterblichkeit ein Stück weiter zu überwinden. Diese – ein zugegebenermaßen gewagtes Attribut – göttliche Fähigkeit stellt erneut die existentielle Frage nach unserer Identität in den Raum: Wer sind wir? Was bedeutet es, Mensch zu sein? Wie definieren wir uns? Wie Marshall McLuhan feststellte, wandelt sich das Medium im Lauf der Zeit zur Botschaft. Wir Menschen formen die Medien und wir werden von ihnen geformt. Unser Gehirn, unsere Institutionen, die Gesellschaft – alles passt sich an.

„Heutzutage brauchen wir eine Organisation, die das Recht besitzt, Sie mit einer Identität auszustatten, nicht anders als bekämen Sie eine Bank- oder Kredit- oder Vielfliegerkarte“ 18, sagt Carlos Moreira von WISeKey. Ihre Eltern gaben Ihnen Ihren Namen, eine staatlich geprüfte Geburtshelferin oder Hebamme, die bei Ihrer Geburt dabei war, erfasste Ihre Werte, stellte Ihr Gewicht und Ihre Größe fest, und beide Parteien bestätigten Zeit, Datum und Ort Ihrer Geburt mit ihrer Unterschrift auf Ihrer Geburtsurkunde.

Inzwischen lässt sich diese Urkunde in der Blockchain speichern und gleich mit einer Geburtsanzeige und einem Sparplan fürs Studium verbinden. Freunde und Familienangehörige können mit Bitcoins zur Finanzierung Ihrer Ausbildung beitragen. Genau an dieser Stelle entspringt Ihr Datenfluss.

In den Anfangstagen des Internets schrieb Tom Peters: „Du bist deine Projekte.“ 19 Damit wollte er sagen, dass es nicht mehr unsere Betriebszugehörigkeit und unsere Berufsbezeichnung sind, die uns definieren. Inzwischen gilt auch: „Du bist deine Daten.“ Das Problem ist laut Moreira: „Ihre Identität gehört zwar Ihnen allein, aber die Daten, die durch ihre Interaktion mit dem Rest der Welt entstehen, gehören anderen.“ 20 So sehen das zumindest die meisten Unternehmen und Institutionen: Sie sind nichts anderes als ein Datenkondensstreifen im Internet. Sie vereinen Ihre Daten zu einem virtuellen Abbild von Ihnen und lassen dieses „virtuelle Ich“ in den Genuss von außergewöhnlichen Vorteilen kommen, wie sie sich Ihre Eltern in ihren kühnsten Träumen nicht für Sie erhofft hatten. 21 Doch diese Bequemlichkeit hat ihren Preis: Ihre Privatsphäre. Wer behauptet „Die Privatsphäre ist tot – damit müssen wir uns abfinden“, der irrt. 22 Die Privatsphäre, also der Datenschutz, ist das Fundament freier Gesellschaften.

„Wir Menschen definieren Identität stark vereinfacht“ 23, sagte der Blockchain-Theoretiker Andreas Antonopoulos. Wir verwenden das Wort Identität, um unser Ich zu beschreiben, und die Projizierung dieses Ichs gegenüber der Welt. Dazu kommen dann noch alle Eigenschaften, die wir mit der Vorstellung von unserem Ich oder seinen Projektionen in Verbindung bringen und die entweder angeboren sind oder uns vom Staat oder privaten Organisationen verliehen wurden. Wir können eine oder mehrere Rollen ausfüllen, mit denen eine ganze Reihe von Kenngrößen verbunden ist. Obendrein können sich diese Rollen jederzeit ändern. Denken Sie nur einmal an Ihren letzten Job. Hat sich Ihre Rolle dort organisch verändert, weil sich Ihre Aufgaben gewandelt haben? Oder lag es vielmehr daran, dass Ihre Stellenbeschreibung umgeschrieben wurde?

Was, wenn Ihr „virtuelles Ich“ wirklich Ihnen gehörte? Wenn es Ihr persönlicher Avatar wäre und in einer Blackbox Ihrer eigenen Identität „lebte“? Dann könnten Sie Ihren Datenstrom zu Geld machen und nur das Notwendigste preisgeben, zum Beispiel, wenn Sie ein bestimmtes Recht in Anspruch nehmen.

Weshalb beinhaltet Ihre Fahrerlaubnis mehr Informationen über Sie als die Tatsache, dass Sie die Fahrprüfung bestanden und somit nachgewiesen haben, dass Sie ein Fahrzeug führen können? Stellen Sie sich vor, eine neue Ära des Internets beginnt, in der Ihr persönlicher Avatar den Inhalt Ihrer Blackbox verwaltet und schützt. Dieser vertrauenswürdige Software-Diener könnte in jeder Situation aufs Neue lediglich die unbedingt nötigen Daten und Details preisgeben und zugleich die Datenkrümel auflesen, die Sie hinterlassen, wenn Sie durch die digitale Welt navigieren.

In Ihren Ohren mag das wie der Stoff für Science-Fiction-Filme wie Matrix oder Avatar klingen. Doch mit der heutigen Blockchain- Technologie wäre das durchaus machbar. Joe Lubin, CEO von Consensus Systems, bezeichnet dieses Konzept als „dauerhafte digitale Identität und Persönlichkeit“ auf einer Blockchain. „Meinen Freunden vom College zeige ich einen anderen Aspekt meiner Persönlichkeit als den Zuhörern meines Vortrags vor der Chicago Fed“, sagte er. „In der digitalen Online-Wirtschaft zeige ich unterschiedliche Aspekte von mir und interagiere über eine Plattform mit meinen verschiedenen Persönlichkeiten.“ Lubin geht davon aus, dass er früher oder später eine „autorisierte Persönlichkeit“ besitzt, sprich, die Version seiner selbst, die Steuern zahlt, Kredite aufnimmt und Versicherungen abschließt. „Vielleicht werde ich eine Geschäftspersönlichkeit und eine Privatpersönlichkeit haben, damit ich unterscheiden kann, welche Angelegenheiten ich mit meiner ‚autorisierten Persönlichkeit‘ verbinden kann. Vielleicht gibt es dann ja auch eine Spielerpersönlichkeit, die völlig losgelöst von meiner Geschäftspersönlichkeit existieren soll. Oder sogar eine Persönlichkeit aus dem Dark Web, die mit meinen anderen Persönlichkeiten nicht in Verbindung gebracht werden kann.“ 24

Ihre Blackbox enthält womöglich Informationen wie einen von einer Behörde ausgestellten Ausweis, Ihre Sozialversicherungsnummer, medizinische Daten, Nutzerkonten, Finanzkonten, Diplome, Zulassungen, Geburtsurkunde und andere Nachweise und Daten, die so persönlich sind, dass Sie sie zwar nicht preisgeben, aber ihren Wert dennoch realisieren möchten. Zum Beispiel könnten Sie im Rahmen einer Umfrage oder Studie Ihre sexuellen Vorlieben oder Ihre Krankengeschichte offenlegen. Sie könnten diese Daten zweckgebunden an bestimmte Einrichtungen für eine festgelegte Dauer lizenzieren. Denkbar wäre, dass Sie einen bestimmen Datensatz an Ihren Augenarzt senden und einen anderen an den Hedgefonds, in den Sie gerne investieren wollen. Ihr Avatar könnte einfache Fragen wie „Sind Sie 21 oder älter? Haben Sie in den letzten drei Jahren mehr als 100.000 US-Dollar jährlich verdient? Sind Sie laut Body-Mass-Index normalgewichtig?“ mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. 25

In der physischen Welt ist Ihre Reputation lokaler Natur. Der Ladenbesitzer in Ihrem Wohnort, Ihr Arbeitgeber, Ihre Freunde auf der Party haben eine bestimme Meinung über Sie. In der digitalen Wirtschaft lässt sich die Reputation der unterschiedlichen Persönlichkeiten Ihres Avatars übertragen. Dadurch können Menschen quasi überall in der digitalen Wirtschaft sein. So ist vorstellbar, dass man sich mit einer digitalen Brieftasche und einem Avatar in Afrika den Ruf aufbauen könnte, der nötig wäre um zum Beispiel einen Kredit für die Gründung eines Unternehmens aufzunehmen. „Schauen Sie mal, all diese Menschen kennen mich und bürgen für mich. Ich bin in finanzieller Hinsicht vertrauenswürdig. Ich bin ein freier Bürger der globalen digitalen Volkswirtschaft.“

Identität ist nur ein winziger Teil davon. Der Rest ist eine Cloud – eine Identitäts-Cloud – mit bestimmten Eigenschaften, die lose oder eng mit Ihrer Identität verknüpft sind. Versuchen wir, all das in der Blockchain zu speichern, also in einem unabänderlichen Hauptbuch, geht damit aber nicht nur die Nuance einer sozialen Interaktion verloren, sondern auch das Geschenk des Vergessens. Wir sollten niemals anhand unseres miesesten Tages definiert werden.

Ein Wohlstandsplan

In diesem Buch werden Sie von zahlreichen Initiativen lesen, die dieses Protokoll des Vertrauens ermöglicht hat und die neue Chancen für eine wohlhabendere Welt eröffnen. Doch was ist Wohlstand eigentlich? Nun, zunächst geht es dabei um den Lebensstandard, für den bestimmte Mittel, Werkzeuge und Chancen nötig sind. Nur damit lässt sich materieller Wohlstand und wirtschaftlicher Erfolg schaffen. Doch für uns gehört noch mehr dazu: die persönliche Unversehrtheit, Sicherheit, Gesundheit, Bildung, ökologische Nachhaltigkeit, die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben und die Teilhabe an einer Wirtschaft und an einer Gesellschaft. Wohlstand bedeutet auch, dass jemand zumindest Zugang zu bestimmten, grundlegenden Finanzdienstleistungen hat, damit er Wert zuverlässig speichern und transferieren kann, damit er kommunizieren kann und über Transaktionswerkzeuge verfügt, um Anschluss an die Weltwirtschaft zu erhalten, und Sicherheit und Schutz zu genießen und um Rechte an Grundbesitz und anderen Vermögenswerten durchzusetzen, die ihm rechtmäßig zustehen. 26

Das und noch viel mehr verspricht die Blockchain. Die in diesem Buch erzählten Geschichten vermitteln Ihnen einen ersten Eindruck davon, wie eine Zukunft aussehen könnte, in der Wohlstand für alle möglich ist – nicht nur noch mehr Wohlstand und Macht für die ohnehin Wohlhabenden und Mächtigen. Vielleicht leben wir einmal in einer Welt, in der wir Herr über unsere eigenen Daten sind, unsere Privatsphäre, unsere Daten, schützen können und persönliche Sicherheit genießen. Vielleicht kann in einer solchen offenen Welt jedermann seinen Beitrag zur technologischen Infrastruktur leisten. Vielleicht hat die Welt der „Walled Gardens“ dann ausgedient, in der Großkonzerne eigentumsrechtlich geschützte Apps anbieten. Vielleicht leben wir dann in einer Welt, in der Milliarden bisher ausgeschlossener Menschen Teil der Weltwirtschaft werden und von der neuen Großzügigkeit profitieren. Einen Ausblick darauf erhalten Sie hier.

Die Entwicklung einer echten Peer-to-Peer-Sharing-Economy

Experten bezeichnen Airbnb, Uber, Lyft, TaskRabbit und andere als Plattformen für die sogenannte „Sharing Economy“. Das ist eine nette Idee – dass Gleichberechtigte Wert schaffen und miteinander teilen. Doch die genannten Unternehmen haben mit Teilen nicht viel am Hut. Ihr Erfolg beruht größtenteils darauf, dass sie eben nicht teilen, sondern aggregieren. Es ist also eine Aggregationswirtschaft. Uber ist ein 65 Milliarden US-Dollar schweres Unternehmen, das Fahrdienste aggregiert. Airbnb, der 25 Milliarden US-Dollar schwere Liebling des Silicon Valley, aggregiert freie Zimmer.

Andere Unternehmen aggregieren Werkzeuge und Handwerker über ihre zentralisierten, eigentumsrechtlich geschützten Plattformen und verkaufen sie dann weiter. Dabei sammeln sie Daten, die sie für kommerzielle Zwecke nutzen. Noch vor einem Jahrzehnt gab es keines dieser Unternehmen, da die technischen Voraussetzungen noch nicht vorhanden waren: Es gab weder allgegenwärtige Smartphones noch flächendeckendes GPS oder hoch entwickelte Zahlungssysteme. Doch jetzt, mit den Blockchains, existiert eine Technologie, die diese Branchen wieder einmal neu erfindet. Wer den Markt heute noch aufmischt, gehört morgen vielleicht selbst schon zu den Aufgemischten.

Stellen Sie sich statt eines zentralisierten Unternehmens namens Airbnb eine dezentrale Anwendung vor, die wir Blockchain Airbnb oder bAirbnb nennen wollen und die im Grunde nichts anderes als eine Genossenschaft ist, die ihren Mitgliedern gehört. Sucht ein Interessent ein Zimmer, durchforstet die bAirbnb-Software die Blockchain nach allen Einträgen, filtert heraus, welche den Suchkriterien entsprechen, und zeigt diese an. Da das Netzwerk einen Datensatz über die Transaktion auf der Blockchain erstellt, verbessert eine positive Bewertung eines Nutzers die Gesamtreputation des Anbieters und begründet dessen Identität – nun jedoch ohne Intermediär. Dazu Vitalik Buterin, Gründer der Ethereum-Blockchain: „Während die meisten Technologien dazu eingesetzt werden, Arbeiter, die untergeordnete Arbeiten an der Peripherie verrichten, wegzurationalisieren, rationalisieren Blockchains zentrale Arbeiten weg. Die Blockchain nimmt nicht den Taxifahrern ihren Job weg, sondern Uber. Sie sorgt dafür, dass der Taxifahrer direkt mit dem Kunden interagieren kann.“ 27

Die Umstellung des Finanzsystems auf Tempo und Inklusion

Dank der Finanzdienstleistungsbranche brummt die Weltwirtschaft, obwohl das System aktuell mit Problemen überfrachtet ist. Zum einen handelt es sich dabei wohl um die zentralisierte Branche schlechthin, zum anderen dürfte es vermutlich die letzte Branche sein, die den transformationellen Effekt der technologischen Revolution zu spüren bekommt. Bastionen der alten Finanzordnung wie Banken bemühen sich nach Kräften, ihre Monopolstellung zu verteidigen und störende Innovationen zu behindern. Das Finanzsystem arbeitet mit veralteter Technik und unterliegt Vorschriften, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Es steckt voller Widersprüche und uneinheitlicher Entwicklungen, ist manchmal sehr träge, oft unsicher und in den Augen vieler Interessengruppen äußerst undurchsichtig.

Die Technologie des dezentralen Hauptbuchs kann viele Finanzdienste von den Einschränkungen der althergebrachten Institute befreien, den Wettbewerb stärken und zu Innovationen führen. Das ist sehr gut für den Endverbraucher. Selbst mit Zugang zum alten Internet können Milliarden von Menschen aus dem einfachen Grund nicht am Wirtschaftsleben teilhaben, weil ihnen Finanzinstitute keine Dienste wie Bankdienstleistungen anbieten, da sie in ihren Augen unrentable und riskante Kunden sind. Mit der Blockchain erhalten diese Menschen nicht nur Anschluss, sondern können sich an finanziellen Aktivitäten beteiligen. Sie können kaufen, leihen und verkaufen und bekommen damit eine Chance auf ein Leben in Wohlstand.

Ebenso können sich etablierte Institute unter der richtigen Führung im Zusammenhang mit der Blockchain-Technologie wandeln. Diese Technologie stellt eine radikale Wende der Branche zum Besseren in Aussicht – von Banken über Börsen, Versicherungsgesellschaften, Wirtschaftsprüfern, Maklerhäusern, Mikrokreditinstituten bis hin zu Kreditkartennetzen und Immobilienmaklern. Arbeiten alle mit demselben dezentralen Hauptbuch, werden Transaktionen nicht mehr erst nach Tagen abgewickelt, sondern sofort und für alle einsehbar. Davon profitieren Milliarden – und diese Veränderung könnte Entrepreneuren in aller Welt mehr Freiheit und mehr Möglichkeiten verleihen.

Wirtschaftsrechte weltweit schützen

Eigentumsrechte sind so unauflöslich mit unserem System der kapitalistischen Demokratie verflochten, dass Jeffersons erster Entwurf der Unabhängigkeitserklärung die unveräußerlichen Menschenrechte als Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Eigentum – nicht nach Glück – angab. 28 Diese ehrgeizigen Grundsätze bereiteten den Boden für die moderne Wirtschaft und Gesellschaft, deren wir uns in vielen Industrieländern erfreuen, von der ein Großteil der Weltbevölkerung aber bis heute nicht profitieren kann. Es wurden zwar in den Bereichen Leben und Freiheit gewisse Fortschritte erzielt, doch die Mehrheit der Immobilienbesitzer in aller Welt läuft nach wie vor Gefahr, dass ihre Eigenheime oder Grundstücke von jetzt auf dann willkürlich von korrupten Staatsfunktionären beschlagnahmt werden – durch eine kleine Veränderung der Software in der zentralisierten Grundbuchdatenbank der Regierung. Ohne Eigentumsnachweis können Grundbesitzer aber weder einen Kredit erhalten noch eine Baugenehmigung. Sie können ihre Immobilie auch nicht verkaufen. Dafür können sie jederzeit enteignet werden. Das alles sind enorme Hürden auf dem Weg zum Wohlstand.

Der peruanische Ökonom und Präsident des Institute for Liberty and Democracy, Hernando de Soto, einer der führenden Wirtschaftsdenker der Welt, geht davon aus, dass ganze fünf Milliarden Menschen weltweit von vollständiger Teilhabe an der Wertschöpfung durch die Globalisierung ausgeschlossen sind, weil ihre Grundbesitzrechte auf schwachen Füßen stehen. Die Blockchain, so de Soto, könnte das alles ändern. „Die Grundidee der Blockchain ist, dass die Rechte an allen Gütern, ob Finanz- oder Sachwerten oder Ideen, ausübbar sind. Ziel ist nicht allein, einen Grundbesitz einzutragen, sondern die damit verbundenen Rechte so festzuschreiben, dass nicht dagegen verstoßen werden kann.“ 29 Universelle Eigentumsrechte könnten das Fundament bilden für eine neue globale Agenda der Rechtsprechung, des Wirtschaftswachstums, des Wohlstands und des Friedens. In diesem neuen Paradigma werden Rechte nicht durch Waffen, Milizen oder Bürgerwehren geschützt, sondern durch Technologie. „Die Blockchain ist für eine Welt gedacht, die nicht von der Fiktion, sondern von der Realität geleitet ist. Und ich finde das gut“, 30 stellte de Soto klar. Außerdem ist sie dezentral. Sie wird von keiner zentralen Autorität kontrolliert. Jeder weiß, was vorgeht, und sie merkt sich alles. Für immer.

Schluss mit der Abzocke bei Überweisungen

So gut wie jeder Bericht oder Artikel und jedes Buch über die Vorteile von Kryptowährungen befasst sich mit dem Thema Überweisungen, und das aus gutem Grund. Das meiste Geld fließt nicht in Form von Entwicklungshilfe in Entwicklungsländer oder in Form von Direktinvestitionen aus dem Ausland, sondern vielmehr in Form von Überweisungen – Geld, das von Bürgern armer Länder, die in der Diaspora im Ausland leben, nach Hause überwiesen wird. Das erfordert Zeit, Geduld und mitunter auch Mut, wenn jede Woche wieder das in zwielichtiger Gegend gelegene Büro des Geldtransferunternehmens aufgesucht, die gleichen Formulare ausgefüllt und die gleichen sieben Prozent an Gebühren gezahlt werden müssen. Das geht auch besser. Abra und andere Unternehmen bauen Zahlungsnetze unter Einsatz der Blockchain auf. Abras Ziel ist, dass jeder Nutzer gleichzeitig auch als Zahlstelle fungiert. Der gesamte Prozess – ab dem Punkt, an dem das Geld das eine Land verlässt, bis zu seiner Ankunft im anderen Land – dauert nur eine Stunde, nicht mehr eine Woche, und kostet zwei Prozent statt sieben oder mehr. Abra möchte mit seinem Zahlungsnetz alle physischen Geldautomaten weltweit zahlenmäßig in den Schatten stellen. Western Union brauchte 150 Jahre, bis es 500.000 Vertretungen in aller Welt hatte. Abra wird bereits im ersten Jahr so viele Zahlstellen haben.

Entwicklungshilfe ohne Bürokratie und Korruption

Könnte die Blockchain die Probleme der Entwicklungshilfe lösen? Das Erdbeben von 2010 in Haiti gehörte zu den Naturkatastrophen der Geschichte, die die meisten Todesopfer forderten. Zwischen 100.000 und 300.000 Menschen starben. Die haitianische Regierung erwies sich im Nachgang als Belastung. Die globale Gemeinschaft spendete dem vertrauenswürdigen Roten Kreuz mehr als 500 Millionen Dollar. Eine Untersuchung stellte im Anschluss fest, dass diese Mittel fehlgeleitet wurden oder ganz versickerten.

Die Blockchain kann die Leistung von Entwicklungshilfe optimieren, indem sie die Mittelsmänner ausklammert, die sich gütlich tun, bevor das Geld sein Ziel erreicht. Zweitens steigert die Blockchain als unveränderliches Hauptbuch für Mittelflüsse die Rechenschaftspflicht von Institutionen für ihre Handlungen. Stellen Sie sich vor, Sie könnten jeden Dollar, den Sie ans Rote Kreuz zahlen, vom Ausgangspunkt, also Ihrer Überweisung per Smartphone, bis zu dem Menschen verfolgen, dem er zugutekommt. Sie könnten Ihr Geld aber auch auf einem Treuhandkonto parken und Beträge erst freigeben, wenn das Rote Kreuz einen bestimmten Meilenstein erreicht hat.

Damit erst der Urheber verdient

In der ersten Internetgeneration wurden viele Urheber geistigen Eigentums dafür nicht angemessen honoriert. Da waren zunächst die Musiker und Komponisten, die Verträge mit Plattenfirmen unterzeichneten, deren Geschäftsführung sich nicht vorstellen konnte, wie sich das Internet auf ihre Branche auswirken würde. Sie reagierten nicht proaktiv auf das digitale Zeitalter und erfanden ihre Geschäftsmodelle nicht neu, sodass innovative Online-Vertreiber bald die Oberhand bekamen.

Denken Sie an die Reaktionen bekannter Labels auf die Peer-to-Peer-Filesharing-Musikplattform Napster, die 1999 an den Start ging. Etablierte Unternehmen der Musikindustrie taten sich zusammen, um das neue Unternehmen, seine Gründer und 18.000 Nutzer vor Gericht zu stellen. Im Juli 2001 wurde die Plattform zerschlagen. Alex Winter, Regisseur eines Dokumentarfilms über Napster, erzählte The Guardian: „Ich habe ein Problem mit dem Schwarz-Weiß-Denken, wenn es um große kulturelle Veränderungen geht. … Bei Napster gab es eine enorme Grauzone zwischen den Auffassungen ‚Ich kann alles teilen, wofür ich bezahlt habe‘ und ‚Du bist schon kriminell, wenn du nur eine einzige Datei teilst, die du erworben hast‘.“ 31

Dem schließen wir uns an. Die gemeinsame kreative Tätigkeit mit den Verbrauchern ist gewöhnlich ein nachhaltigeres Geschäftsmodell, als sie zu verklagen. Die ganze Sache warf ein grelles Schlaglicht auf die Musikindustrie, offenbarte ihre überholten Marketingpraktiken, ihre himmelschreiende Vertriebsineffizienz und das, was manche als künstlerfeindliche Richtlinien interpretierten.

Seither hat sich wenig verändert. Bis jetzt. Wir beobachten gespannt das neue Musik-Ökosystem, das sich in der Blockchain entwickelt, unter der Führung der britischen Künstlerin Imogen Heap, der Cellistin Zoe Keating und Blockchain-Entwicklern und -Unternehmern. Jede Kulturbranche steht vor Umwälzungen und es sieht so aus, als könnten die Urheber irgendwann voll und ganz für den von ihnen geschaffenen Wert honoriert werden.

Die Rekonfiguration des Unternehmens als Motor des Kapitalismus

Mit dem Aufstieg einer globalen Peer-to-Peer-Plattform für Identität, Vertrauen, Reputation und Transaktionen sind wir endlich in der Lage, die tief greifenden Unternehmensstrukturen so umzubauen, dass Innovation, gemeinsame Wertschöpfung und vielleicht sogar Wohlstand für viele möglich werden statt nur für ein paar wenige. Das heißt nicht, dass die Unternehmen im Hinblick auf Umsatz oder Schlagkraft kleiner werden müssen. Ganz im Gegenteil, wir sprechen hier vom Aufbau der Unternehmen des 21. Jahrhunderts – von denen manche enorme Vermögen aufbauen und auf ihren Märkten gewaltige Macht erringen werden. Wir glauben jedoch, dass solche Unternehmen eher an Netzwerke erinnern werden als an die vertikal integrierten Hierarchien des Industriezeitalters. Insofern ergibt sich die Gelegenheit zu einer demokratischeren Verteilung (nicht Umverteilung) von Wohlstand. Wir nehmen Sie auch mit auf einen Ausflug in die schwindelerregende Welt intelligenter Verträge, neuer, autonomer Wirtschaftsagenten und dem, was wir als verteilte, autonome Unternehmen bezeichnen, in denen intelligente Software die Verwaltung und Organisation vieler Ressourcen und Kapazitäten übernimmt, die herkömmliche Körperschaften womöglich verdrängen. Intelligente Verträge ermöglichen die Erschaffung von etwas, was wir als offene Netzwerkunternehmen bezeichnen. Sie basieren auf einem neuen Satz von Geschäftsmodellen – oder alten Geschäftsmodellen mit einem neuen Blockchain-Dreh.

Wie man Objekte animiert und arbeiten lässt

Technologen und Science-Fiction-Autoren malen sich schon lange eine Welt aus, in der ein nahtloses globales Netz mit dem Internet verbundener Sensoren jedes Ereignis, jede Handlung und jede Veränderung auf der Welt erfassen kann. Die Blockchain-Technologie ermöglicht die Zusammenarbeit von Dingen, den Austausch von Werteinheiten – Energie, Zeit und Geld – und die Rekonfiguration von Logistikketten und Produktionsprozessen im Einklang mit geteilten Informationen zu Nachfrage und Kapazität. Wir können intelligente Geräte mit Metadaten versehen und sie so programmieren, dass sie andere Objekte an ihren Metadaten erkennen und auf bestimmte Umstände hin ohne Fehler- oder Manipulationsrisiken agieren oder reagieren.

Wenn die materielle Welt zum Leben erweckt wird, können alle davon profitieren – vom Kleinbauern im australischen Outback, der für seine Landwirtschaft Strom braucht, bis zum Eigenheimbesitzer irgendwo auf der Welt, der Teil eines dezentralen Blockchain-Stromnetzes werden kann.

Blockchain-Unternehmer fördern

Unternehmertum ist für eine florierende Wirtschaft und eine wohlhabende Gesellschaft lebenswichtig. Das Internet sollte Unternehmern eigentlich mehr Freiheit und die Werkzeuge und Möglichkeiten großer Unternehmen geben – ohne viele der damit einhergehenden Hypotheken wie kulturelle Altlasten, verknöcherte Prozesse und Ballast. Der astronomische Erfolg der Dotcom-Milliardäre verschleiert aber eine beunruhigende Tatsache: Unternehmertum und Unternehmensgründungen sind in vielen Industrieländern seit 30 Jahren auf dem Rückzug. 32 In den Entwicklungsländern hat das Internet wenig bewirkt beim Abbau der Hürden für potenzielle Unternehmer, die einer lähmenden staatlichen Bürokratie ausgesetzt sind. Das Internet hat auch nicht dazu geführt, dass die zur Gründung eines Unternehmens notwendigen finanziellen Werkzeuge Milliarden von Menschen zur Verfügung gestellt wurden. Natürlich ist nicht jeder zum Unternehmer geboren, doch auch dem Durchschnittsbürger, der einfach nur anständig verdienen möchte, macht der Mangel an Finanzinstrumenten und die Allgegenwart staatlicher Bürokratie das Leben schwerer.