Die Chaosschwestern sind die Größten - Dagmar H. Mueller - E-Book

Die Chaosschwestern sind die Größten E-Book

Dagmar H. Mueller

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Beschreibung

Die Chaosschwestern sind wieder da!

Helle Aufregung bei den Chaosschwestern: Spukt es etwa im Hause Martini? Zumindest ihre Oma ist fest davon überzeugt. Doch das quirlige Quartett hat ganz andere Sorgen: Tessa muss für ihren Spanienurlaub dringend die Finanzen aufbessern – und jobbt prompt im Seniorenheim. Livi findet Gregory immer zickiger – dabei ist er doch ihre beste Freundin, oder? Kenny beschließt, ein bisschen was Gutes zu tun, und Malea spioniert ganz harmlos was aus ... Die Chaosschwestern sind wieder in ihrem Element – und einfach die Größten!

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Seitenzahl: 292

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Dagmar H. Mueller

Mit Illustrationen von

Franziska Harvey

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cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House

Mit Dank an eine bereits früher schon einmal erwähnte, sehr liebenswerte Hamburger Familie (die namentlich immer noch nicht genannt werden braucht) für wertvolle Infos bezüglich einer bombigen Sache, die in deren Garten vor ein paar Jahren tatsächlich passierte; an Asim Erol, Inhaber des wunderbaren Familienbetriebs ThePenny Farthing Inn, für feine türkische Sätze; an Aaron & Emma (alias Ben & Lottie) für kleine Haushaltsüberraschungen und lecker gekochte Mahlzeiten; und an meine Mama für allerlei Wissenswertes über giftige und ungiftige Pflanzen und vor allem über Soda.

D. H. M.

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

1. Auflage 2013© 2013 Copyright cbj,München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München Alle Rechte vorbehaltenUmschlagbild und Innenillustrationen: Franziska HarveyUmschlagkonzeption: Basic-Book-Design, Karl Müller-BussdorfLektorat: Kerstin WeberMI · Herstellung: UKSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-08751-7V003www.die-chaosschwestern.dewww.cbj-verlag.de

… Weltbürgerin (das zeigt doch wohl schon der hawaiianische Name!).

… Tiefseeforscherin (später).

… eine knallharte, gerissene, mit allen Wassern der Weltmeere gewaschene Spionin (so etwa wie James Bond, nur weiblich natürlich).

… keine Welle hoch genug. Als echte Surferin schreckt sie auch auf dem Land vor kaum einer Herausforderung zurück.

… Sternenguckerin (abends durchs Dachfenster).

… Ponybesitzerin (im Traum).

… große Schwester (eines Tages, wenn sie Mama endlich überredet hat, noch ein weiteres Kind zu bekommen. So lange ist sie leider nur »eine« Schwester. Aber ist doch völlig egal, ob die anderen älter oder jünger sind. »Klein« ist sie jedenfalls nicht.).

… gut drauf (»Lasst mich bloß in Ruhe!«).

… auf jeden Fall groß genug, um jederzeit mitzumachen, mitzureden und mit aufzubleiben.

… irgendwie fehl am Platz in dieser Familie (nach Aussage von ihr selber) und kann den Gedanken nicht ganz aufgeben, als Baby im Krankenhaus vertauscht worden zu sein, nur leider sprechen alle familiären Fakten gegen diese Hoffnung versprechende Theorie.

… langweilig (nach Aussage von Malea).

… gaaanz toll (nach Aussage von Kenny, weil Livi oft mit ihr malt, bastelt oder ihr vorliest).

… eben eine von unzählig vielen Schwestern (nach Aussage von Tessa).

… schön (das ist nun mal so, dafür kann Tessa ja nichts).

… interessiert an fast allem (besonders am anderen Geschlecht, schließlich muss sie sich aufs Leben vorbereiten, und zu Hause hat sie nur wenig Anregung in der Beziehung – zumindest, was das andere Geschlecht angeht).

… wirklich nicht dumm. (Wenn die Lehrer das endlich mal einsehen würden!)

… jeden Tag schwer beschäftigt (da gibt es ständig neue Telefonnummern zu sortieren, Make-up-Produkte zu vergleichen und Mails an Dodo, Tessas beste Freundin, zu schicken).

Schwestern sind in jeder Hinsicht unberechenbar. Man muss ständig aufpassen. Oder zumindest sein Zimmer mit sieben Vorhängeschlössern verriegeln. Oder taub und außerdem unempfindlich wie ein Felsbrocken sein. Nein, am besten alles zusammen. Warum bin ich ausgerechnet in diese Familie hineingeboren worden?

Warum kann ich statt meiner Schmink-Schwester Tessa, meiner Geheimagenten-Schwester Malea und meiner Flummiball-Schwester Kenny nicht einfach drei nette Brüder haben? Solche wie Gregory. (Gregory ist der beste Bruder, den man sich vorstellen kann. Und die allerbeste Freundin natürlich!) Und wo ich gerade dabei bin: Warum kann ich nicht auch normale Eltern haben?

Ich meine, ich will ja nicht zu viel verlangen, aber ein Vater, der den ganzen Tag im Keller auf seinem Schlagzeug herumtrommelt, und eine Mutter, die ständig am Rad dreht, weil sie ihre Kitschromane nicht rechtzeitig zum Abgabetermin gebacken kriegt (denn damit verdient sie ja immerhin unsere Brötchen), die sind ja wohl nicht normal. Mal abgesehen davon, dass wir sie nicht Mama und Papa, sondern nur Iris und Cornelius nennen dürfen, weil Cornelius das für persönlicher hält. Na schön, Gregorys berühmte Fernseh-mutter Sibylle Hahn ist auch nicht gerade eine Bilderbuchmama (obwohl sie sich allmählich bessert), aber ansonsten kenne ich keinen, der so verrückte Eltern hat.

Mann, das Leben könnte so schön sein! Gregory und ich könnten alle Käfighühner auf der Welt befreien und eine richtig gute Tierschutzorganisation mit nur Schülern als Mitglieder aufbauen. Aber stattdessen muss ich mich mit Fröschen rumschlagen! (Natürlich liebe ich ALLE Tiere. Auch die krabbelnden und hüpfenden. Das heißt aber nicht, dass ich sie zwischen meiner Unterwäsche finden will. Und küssen will ich sie schon gar nicht!)

Livi?« Malea neben mir zerrt und zupft an ihrer langen, dunklen Mähne herum. (Ist das Weiße da drin etwa Kaugummi?) Vorwurfsvoll sieht sie dabei zu mir rüber.

»Ja?« Ich gucke etwas verhalten. Hab ich irgendwas falsch gemacht/vergessen/kaputt gemacht?

Gregory, Malea, Tessa, Tessas Busenfreundin Dodo und ich sind auf dem Weg von der Schule nach Hause. Es ist Freitag. Aber nicht einfach irgendein Freitag vor einem freien Wochenende, nein, es ist der Freitag vor den Osterferien. Zwei wunderschöne, unendliche Aprilwochen lang können Gregory und ich tun, was wir wollen! Jaaaa!

Malea beschließt, den Kaugummi in ihren Haaren zu lassen, und gibt auf. »Hast du in den Ferien jetzt endlich Zeit, mir die Beschattungstipps aus dem Internet rauszusuchen?«

Ich atme seufzend aus. Vielleicht etwas zu laut. Aber Malea sprudelt ungerührt weiter: »Du hast doch gesagt …«

Okay. Das war’s dann also damit, dass Gregory und ich endlos Zeit haben. Das Internet zu durchforsten, dauert bestimmt Stunden, wenn nicht Tage!

Und dann noch Beschattungstipps! Wenn sie mich wenigstens gebeten hätte, etwas über die momentane Größe des Ozonlochs oder die Lebensverhältnisse der armen Bauern in China herauszufinden. Das wäre auch für mich interessant gewesen. Aber neue Ideen fürs weltbeste Rumschleichen? Malea und ihr James-Bond-Tick!

Vielleicht sollte ich sie einfach freundlich darauf hinweisen, dass sie mit elf durchaus alt genug ist, um selbst im Internet zu stöbern? Allerdings müsste ich sie dafür an meinen Computer lassen. Hm …

»… und Versprechen muss man halten!«, schließt Malea ihre Rede.

Ich schaue aus dem Augenwinkel gequält zu ihr rüber.

Gregory grinst. »Mann, Malea! Du willst NOCH mehr spionieren? Ich dachte, du bist schon Vollprofi!«

»Klar!«, nickt meine zweitjüngste Schwester. »Bin ich auch. Aber als Profi muss man immer und jeden Tag dazulernen. Weißt du das nicht?«

Gregory grinst noch breiter. »Na, logo! Da hast du total recht!«

Und dann klopft der Verräter mir doch tatsächlich auf den Rücken: »Livi wird das schon machen!«

Habe ich gesagt, dass Gregory die beste Freundin ist, die man haben kann? Also echt, manchmal ist er genauso blöd wie die meisten anderen Jungen!

Malea sieht sofort hocherfreut aus. »Heute Abend?«

»Ähm …« Diesmal atme ich zischend ein. Vermutlich wieder etwas zu laut. Denn Malea kriegt sofort vorwurfsvolle Kulleraugen. »Du hast versprochen …!«

»Ja, ja! Ich mach’s ja!«

Als ich Maleas glückliches Gesicht sehe, lächele ich sogar.

Ich hab meine Schwestern wirklich lieb. Sogar sehr lieb. Ich verstehe nur nicht, warum immer ich diejenige bin, die Kenny morgens Kakao kocht (na gut, der von Iris schmeckt vermutlich etwas zu angebrannt), für Tessa den Haushaltsdienst übernimmt (letzten Samstag, weil die eitle Henne UNBEDINGT noch mehr Schminkzeit brauchte, um sich für irgend so ’ne blöde Party aufzubrezeln – ungefähr sieben Stunden lang!) und für Malea irgendwelche Infos aus dem Internet fischt (und das anscheinend heute).

»Danke, Livi! Du bist toll!«, schmeichelt mir meine gerissene Spioninnenschwester.

Da kommt mir plötzlich eine Idee. Ich drehe mich zu meiner älteren Schwester um, die mit Dodo ein paar Schritte hinter uns geht. »Ach … duuu, Tessa? Übernimmst du dann heute meinen Staubsaugdienst?«

»Iiiiiich?«, quietscht Tessa auf. »Wieso sollte ICH denn …«

»Weil ich letzte Woche für dich die Wäsche aufgehängt habe, damit du auf diese beknackte …«, grunze ich ihr entgegen.

»Aber doch nicht STAUBSAUGEN!«, unterbricht mich Tessa entsetzt. »Der Staubsauger staubt doch! Danach brauch ich ja Stunden, um wieder halbwegs normal auszusehen!«

Normal?

Ich denke darüber nach, was eigentlich normal ist. Meine Eltern ganz sicher nicht, aber Tessa bestimmt noch weniger. Ich meine, wer möchte schon neunzig Prozent seiner Lebenszeit mit dem Ausquetschen irgendwelcher Pickel oder Tuben verbringen (um deren Inhalt auf ebendiese Pickel zu kleistern)? Und ist es wirklich normal, an einem normalen Freitag in einer normalen Schule in knalllila Netzstrumpfhosen rumzuwackeln, mit rosa Wildlederröckchen und Stöckelschuhen, deren Absätze die Höhe einer ganzen Treppenstufe (mindestens!) haben?

»Ihr seid echt besser als jede Sitcom, höhöhö!«, kichert Gregory jetzt.

Blöder Hammel! Wieso ist der in letzter Zeit eigentlich so selten auf meiner Seite?

»Heute nach dem Abendessen?« Malea lässt nicht locker.

Ich auch nicht. »Du übernimmst also meinen Dienst?«, löchere ich Tessa.

Immerhin – wenn ich das blöde Saugen von Wohnzimmer, Küche, Flur und der gesamten unteren Etage loswerde, dann kann ich mich auch gerne für Malea an den Computer setzen.

»Nicht STAUBsaugen!«, quiekt Tessa.

Ha! Da kommt mir noch eine Idee! Warum sollte ich selbst auf geschminkten Granit beißen, wenn andere das viel besser können?

Der Tag heute war schon anstrengend genug. Es ist nämlich nicht nur der letzte Freitag vor den Ferien, sondern auch der erste April. Und klar, dass alle meine dämlichen Mitschüler sämtliche dämlichen und uralten Aprilscherze ausgepackt haben. Manche Scherze sind ja wirklich witzig, aber manche sind einfach nur … na ja, eben dämlich. Da muss ich mich jetzt echt nicht noch mit Tessa rumstreiten.

»Malea …«, wende ich mich deshalb wieder an meine zweitjüngste Schwester, »ich kann das heute für dich nur machen, wenn Tessa für mich saugt. Sonst hab ich nicht genug Zeit. Gregory und ich müssen noch für unsere Auroras-Freunde-Webseite zwei lange Artikel schreiben.«

Es klappt! Malea fängt sofort mit ihrer gewohnten Hartnäckigkeit an, Tessa zu bearbeiten.

Ich lächele zufrieden. Den blöden Haushaltsdienst wäre ich dann wohl für heute los. Gregory hat mein kleines Manöver durchschaut und schüttelt lachend den Kopf: »Ihr seid echt zu komisch!«

Komisch? Es ist bitterernst, in dieser Familie zu überleben. Aber langsam kriege ich den Bogen raus, glaube ich. Nur das mit den Fröschen, das geht irgendwie gar nicht!

Kenny, meine kleinste Schwester, hatte schon immer die verrückte Idee, dass jedes Mädchen einen Prinzen haben sollte. Bei der süßen Maus hat das ja auch prima geklappt: Sinan, der in ihre Klasse geht, sieht wirklich wie ein wunderhübscher Prinz aus dem Märchenbuch aus, mit seinen dunklen, samtig glänzenden Haaren und Augen. Außerdem ist er total nett. Vor allem zu Kenny. So wie Prinzen eben sein sollten.

Was natürlich nicht heißt, dass jedes Mädchen nur glücklich werden kann, wenn ein dunkelhaariger Bilderbuchprinz an seiner Seite ist. Genauso wenig heißt es aber, dass es für jedes Mädchen dieser Welt überhaupt irgendwo einen Prinzen gibt. (Auch wenn Rema – unsere Renate-Oma – und Iris mir genau das seit dieser Daniel-Geschichte dauernd einreden wollen. Von wegen Jedes Töpfchen findet ein Deckelchen oder irgendwas ähnlich Bescheuertes. (Echt! Bin ich ein alter Topf?) Am allerallerwenigsten aber heißt es, dass ICH einen Prinzen will oder suche oder noch irgendwann mal in meine Nähe lassen werde! Und nein, das hat nichts mit der Daniel-Geschichte zu tun!

Obwohl, das war schon eine wirklich fiese Sache mit Daniel …

Okay, ich gebe zu, ich war ziemlich lange in diesen Idioten verknallt. Und muss mich jetzt fragen, wie ich so dermaßen blind sein konnte! Denn Daniel ist nicht nur blöd, sondern auch richtig bösartig. Oder na ja, zumindest war er das. In letzter Zeit gibt er sich doch Mühe, sich zu ändern, glaube ich. Daniel hat nämlich über viele Wochen hinweg so einem hilflosen kleinen Jungen aus Maleas Klasse Angst gemacht und ihn erpresst. Aber dann flog alles auf und nun muss er zur Strafe »soziale Dienste« für unsere Stadt ableisten, hihihi.

Aber wie kam ich denn jetzt auf Daniel?

Ach ja, Prinzen! Will sagen, Frösche!

Dass Kenny mich dauernd mit ihren Prinzen nervt und tatsächlich glaubt, ich wäre traurig, weil ich keinen habe, ist schon schwierig genug. (Wie kommt die bloß auf die Idee? Sehe ich etwa traurig aus?) Aber sie ist ja leider erst sieben, deswegen sind in Kennys Welt Prinzen wohl zwangsläufig mit Fröschen verknüpft. Zumindest die fehlenden Prinzen. Seufz. (Das Märchen vom Froschkönig muss sie mächtig beeindruckt haben …)

Tja, und heute Morgen mache ich also ahnungslos meine Schublade mit der Unterwäsche auf und heraus springen – echt, mir direkt ins Gesicht! – unzählige Frösche! Gefühlte HUNDERT!

Ich bin fast ohnmächtig geworden. Ich konnte nicht mal schreien. (Hätte ja auch nicht besonders viel geholfen.)

Die Viecher fühlen sich vielleicht eklig an! Kalt und glitschig.Besonders wenn man gerade aufgewacht und nicht unbedingt in optimalster Froschlaune ist! Puh! Also, ich bin ja nun wirklich keine aufgeföhnte Nudel wie Tessa oder Dodo, aber Frösche im Gesicht möchte selbst ich nicht haben!

Allerdings schienen die armen Dinger auch nicht gerade in Mädchenlaune zu sein, denn bei meinem Anblick reagierten die noch entsetzter als ich. Hüpften hektisch durch meine Klamotten, über meine Bettdecke und quer durchs Zimmer! Ich wusste nicht, ob ich einen Tobsuchtsanfall kriegen oder weinen oder lachen sollte.

Eine wild durch die Gegend hopsende Froschmeute ist einfach zu viel für ein kleines Zimmer! Und die einzufangen, war komplett unmöglich. Ich hab nicht mal einen einzigen zu fassen gekriegt. Jeder glibschte mir sofort wieder aus den Händen, bevor ich ihn richtig packen konnte. Außerdem wollte ich den Fröschen ja nicht wehtun.

Gerade als ich drauf und dran war, völlig entnervt loszuheulen, steckten Kenny und ihre Bonbon-Freundin Bentje, die bei uns übernachten durfte, ihre Nasen zur Tür rein. Die beiden strahlten wie Prinzessinnen im Süßkramparadies.

Voller Stolz und freudiger Erwartung blickten sie mich an. So als würden sie gleich Geburtstagsgeschenke auspacken dürfen. »War der richtige Prinz dabei, Livi?«

So was Unschuldiges! Ich meine, die wollten mich ja nicht wirklich ärgern. Da kann man echt nur schwer böse sein! (Wie die beiden Kichererbsen die Frösche allerdings so leise in mein Zimmer geschafft haben, dass ich nicht mal aufgewacht bin, ist echt eine Leistung!)

Also hab ich mich auf mein Bett gesetzt, die hüpfende Froschmasse angeguckt und bloß leise geseufzt.

Das müssen die beiden aber auch wieder falsch verstanden haben.

»Du musst sie küssen, Livi! Das weißt du doch, oder?«, hat Bonbon-Bentje mich ernsthaft belehrt. »Sonst kann es nicht klappen!«

Ich nickte ergeben. »Ich weiß.«

»Sollen wir dir helfen?«, fragte Kenny.

Ich nickte noch mal. Diesmal heftiger. Und dankbarer. Hilfe beim Einfangen konnte ich dringend gebrauchen.

Leider war das aber gar nicht das, was Kenny gemeint hatte. Sie stürzte sich zwar sehr geschickt auf einen der kleinen schleimigen Hopser und kriegte ihn auch zu fassen. Doch dann küsste sie ihn mit sehr feierlich gespitzten Lippen, und als nichts passierte – außer dass der Frosch blöd guckte –, da ließ sie ihn wieder los.

»Ich glaube, der war’s nicht«, meinte Kenny etwas enttäuscht und rannte schon dem nächsten hinterher.

Inzwischen hatte ich beschlossen, weder zu weinen noch zu lachen noch einen Tobsuchtsanfall zu kriegen, sondern stattdessen mein Zimmer den küssenden Prinzessinnen zu überlassen und erst mal duschen zu gehen. Und das tat ich dann auch.

So ist meine Familie nun mal. Das nennt man wohl Schicksal. Aber muss es ausgerechnet ich sein, die mit diesem Schicksal geschlagen ist?

Aprilscherze, die nicht lustig sind:

• Pupskissen, auf die man sich setzt, während die ganze Klasse grölt.

• Leckere Pralinen, die einem von der Schnepfe Cäcilie großzügig angeboten werden (da hätte ich gleich misstrauisch werden müssen!) und dann, gerade als man zugreifen will, mit einem kichernden »April, April!« im Magen von ebendieser Schnepfe verschwinden.

• Von Lehrern angekündigte Freistunden, die sich nach dem unvermeidlichen April-April-Ruf stattdessen als Deutschgrammatiktest entpuppen. (Findet Frau Tönning so was eigentlich wirklich witzig?)

• Radiosendungen, die morgens verkünden, dass das deutsche Wahlrecht bald auch schon für Jugendliche ab 13 gilt. Mein Magen hat richtig HUPS gemacht vor Freude – oh Mann, was ich da alles nicht wählen würde! –, bis der Radiomoderator fröhlich »April, April!« ins Mikro schmetterte. Die Enttäuschung, die da in meinen Bauch knallte, hat mir mein ganzes Frühstück verdorben.

• Gregory, der einen plötzlich wild an den Haaren zieht, weil sich da angeblich eine riesige, gefährliche Hornisse verheddert hat. Ha-ha, sehr witzig, Herr Hahn! Pass bloß auf, dass sich heute keine Faust unter deinem Kinn verheddert!

Als wir ins Haus kommen, weht uns schon Iris’ Kochduft entgegen. Aber – Moment mal! Das riecht ja richtig nach Küche! Ich meine, nach normaler Küche. So wie in anderen Häusern mittags auch. Wie normales Essen!

Heiliger Sonntagsbraten, bekommen wir heute etwa eine richtig normale Mahlzeit vorgesetzt? Hab ich irgendwas verpasst? Ist heute Weihnachten? Geburtstag? Ostern ist auf jeden Fall erst nächstes Wochenende! Ich wage ja kaum, mich zu freuen!

Iris’ Essenskreationen reichen für gewöhnlich von Spargel mit Erdbeerbutter (übrigens gar nicht sooo schlecht) bis hin zu Apfelstrudel mit Hackfüllung. (Das allerdings kann schon etwas enttäuschend sein. Besonders wenn man tatsächlich Äpfel im Strudel erwartet.)

Das Würzen aber ist die eigentliche Spezialität unserer Mutter. Und der Frühling deswegen die härteste Zeit für uns. Iris würzt nämlich mit allem, was sie in die Finger kriegt. Und im Frühling, wo es überall grünt und blüht und sprießt, hat sie da ja reichlich Auswahl. (Warum sagt ihr bloß keiner, dass Brennnesseln, Rosenblüten oder Veilchen im Garten zwar nicht besonders stören, in der Spaghettisoße aber schon?)

Ich überlege, ob ich meine Schulsachen schnell nach oben in mein Zimmer bringen soll, hab aber keine Lust, dass mir wieder Frösche ins Gesicht springen. (Obwohl Kenny und Bentje brav versprochen haben, die ganze Meute hinten im Garten auszusetzen.) Also stecke ich lieber erst mal meine Nase in die Küche und schnuppere vorsichtig noch etwas genauer.

Ja, riecht wirklich harmlos. Beinahe … gut!

Ich lächele Iris von der Türöffnung aus freundlich an. »Mhmm! Was gibt’s denn heute Gutes?«

»Hallo, mein Schatz!« Iris dreht sich geschmeichelt um. (Nette Worte in Zusammenhang mit ihrem Essen ist sie nicht unbedingt gewohnt.) Ein kleines Lächeln huscht über ihr Gesicht. »Heute gibt’s mal was ganz Langweiliges. Rindersteaks mit Kartoffeln und Möhren.«

»Richtige Steaks? Mit richtigen Kartoffeln und richtigen Möhren?« Malea drängt sich an mir vorbei und rennt rüber zur Pfanne. »Oh, leeeeecker!«

Iris nickt und strahlt. »Ja, richtige deutsche Hausmannskost!«

»Großartig!«, freut sich auch Cornelius, der mit ölverschmierten Händen in die Küche kommt.

Vielleicht freut er sich etwas zu doll, denn als er Iris’ leicht beleidigtes Gesicht sieht, korrigiert er sich sofort: »Ich meine, mal ist ja auch stinknormal ganz in Ordnung.«

Iris sieht besänftigt aus.

Ich stehe zwar nicht besonders auf Steak, aber alles ist besser als Spinat in Gewürzgurkensuppe oder ähnlich verrückte Mischungen. Vielleicht wird der Tag ab jetzt ja doch noch richtig gut.

»Gibt’s Kartoffelplatsch aus der Tüte?« Kenny und Bentje, die vermutlich schon lange aus der Schule zurück sind, stürzen aus dem Garten in die Küche. »Darf Aurora mitessen?«

Erst da bemerke ich, dass die beiden Kennys alten Puppenwagen mit unserem weißen Huhn darin die drei Stufen hinter sich hochzerren.

»Toooock!«, gackert Aurora mit weit gespreizten Flügeln zur Begrüßung.

Kenny fährt gern mit Aurora spazieren. Viel lieber als mit ihren Puppen. Und Aurora gehört zu der seltenen Sorte Huhn, die sich gern spazieren fahren lässt. Wahrscheinlich weil die Arme in ihrer schrecklichen Legebatterie-Vergangenheit so wenig von der sonnigen Welt gesehen hat, dass sie jetzt gar nicht genug davon kriegen kann.

»Nein!«, bellt Cornelius. »Hühner beim Mittagessen! So weit kommt’s noch! Die gibt’s allerhöchstens gut durchgebraten auf dem Teller, aber nicht wild herumflatternd.«

»Natürlich darf sie, warum denn nicht?«, sagt Iris sanft vom Herd aus und lächelt Kenny und Bentje an. »Solange Aurora brav in ihrem Wagen sitzen bleibt und nicht auf den Tisch hüpft?«

»Mmmpfff«, macht Cornelius. »Was ich sage, zählt wohl nicht, wie?«

»Das nächste Mal darfst dann du bestimmen, Papa«, verspricht Kenny großzügig.

»Cornelius!«, brummt Cornelius muffelig. »Ich heiße Cornelius!«

»Das weiß ich doch, Papa«, antwortet Kenny geduldig und schiebt Aurora in die Ecke zwischen Kühlschrank und Geschirrvitrine.

»Mmmpfff«, macht Cornelius.

»Wie läuft es denn mit dem Motor vom Bandbus?«, versucht Iris diplomatisch ein anderes Thema anzuschneiden. »Habt ihr schon herausgefunden, woran es liegt?«

»Mmmpfff«, grunzt Cornelius zum dritten Mal und marschiert wieder aus der Küche raus. Woraus ich schließe, dass auch das kein gutes Thema war.

»Essen ist in einer Minute fertig!«, ruft Iris hinter ihm her. »Sag doch Matte, er ist herzlich eingeladen. Es ist genug da.«

Ich schmeiße meine Schulsachen unter die Garderobe und setze mich schon mal an den Tisch. Bei einem so wunderbar stinknormalen Gericht muss man sichergehen, dass man auch genug abbekommt.

»Hallo, meine Lieben!« Rema weht in ihrem regenbogenbunten Morgenmantel in die Küche.

»Hast du ausgeschlafen, Mutter?« Iris wendet die duftenden Steaks ein letztes Mal in der Pfanne und häuft danach die wunderbar gewöhnlich aussehenden Möhrenscheiben in eine Schüssel.

Ausgeschlafen? Um diese Uhrzeit??

Ich sehe Rema fragend an. »Geht’s dir nicht gut, Remi?«

»Ach doch, mein Liebes! Mach dir keine Sorgen!« Rema winkt ab. »Ich schlafe nur so schlecht in den letzten Tagen, deswegen musste ich mich heute noch mal hinlegen. In meinem Zimmer sind nämlich nachts …« Sie bricht ab. »Ach, egal.« Dann klatscht sie in die Hände, wie um sich in die richtige Stimmung zu bringen, und rückt ihren Stuhl zurecht. »Jetzt wollen wir erst mal schön gemütlich essen, nicht?«

»WAS ist nachts in deinem Zimmer, Remalein?«, hakt Kenny sofort neugierig nach und setzt sich auf den freien Platz neben ihr.

Rema seufzt tief auf, als hätte Kenny sie an einen Albtraum erinnert.

Du meine Güte, das klingt ja schrecklich! Was ist denn los? Hoffentlich ist nicht schon wieder irgendwas eingestürzt? (Solche Sachen passieren bei uns gerne mal. Na ja, ich schätze, das liegt zum Teil daran, dass unser Haus ziemlich alt ist. Und daran, dass wir nicht genug Geld haben, um alles, was nötig wäre, reparieren zu lassen.)

»Kann Dodo mitessen?« Tessa steht im Türrahmen. Hinter ihr grinst Dodo in die Küche. Die hatte sich doch vor zehn Minuten unten an der Kreuzung von uns verabschiedet?

»Dodos Eltern sind gerade weggefahren, weil irgendein Großonkel von ihr ins Krankenhaus gekommen ist und nun keiner auf seinen Hund aufpasst«, erklärt Tessa. »Und da haben ihre Eltern ihren eigenen Boxer ins Auto gepackt und sind …«

»Kein Problem«, lächelt Iris und nickt Dodo zu, »setz dich!«

Ob Gregory nebenan bei sich zu Hause schon mit unserem Artikel zum Thema Mastfutter in der Schweinezucht angefangen hat?

Echt unfassbar, was die den Tieren da zu fressen geben! Antibiotika zum Frühstück! Egal, ob die krank sind oder nicht. Nur so aus Vorsorge. Weil die Tiere nämlich so schlecht gehalten werden, dass sie oft ansteckende Krankheiten bekommen. Klar, dass die Medikamente später dann auch in unseren Körpern landen. Jedenfalls, wenn wir das Fleisch von diesen Schweinen essen. Und das ist natürlich ganz und gar nicht gut, weder für uns noch für die Tiere! Das wollen Gregory und ich den Leuten endlich mal klarmachen. Ich kapiere einfach nicht, wieso die Menschen über so wichtige Dinge so wenig nachdenken!

Als ich aufschaue, fällt mir auf, wie blass und müde Rema aussieht. So gar nicht wie unsere unbekümmerte, fröhliche Oma!

Bevor ich allerdings weiter darüber nachdenken kann, werde ich von Cornelius und Matte abgelenkt, die mit inzwischen immerhin gewaschenen Händen in die Küche stapfen, dafür aber in von oben bis unten autoreparaturverschmierten Overalls stecken.

»Ich glaube, das war’s dann mit unserem schönen Bandbus«, verkündet Matte. »Der Bulli braucht ’nen neuen Motor. Aber das lohnt nicht mehr bei dem alten Ding. Da müssen wir wohl einen neuen Bus kaufen.«

»Ach du je!«, entfährt es Iris. »Wie viel kostet denn der?«

»Na, das riecht ja köstlich!«, wirft Cornelius hastig ein. Betont überlaut und überdeutlich. »Es duftet wie im Paradies!«

Cornelius tut so, als hätte er Iris’ Frage und Mattes Bemerkung gar nicht gehört. Über Geld streiten sich meine Eltern nämlich ziemlich gerne. Aber bei so vielen Mithörern will Cornelius das jetzt wohl lieber vermeiden.

»Und wie!« Matte stimmt Cornelius sofort zu. Ihm ist vermutlich gerade klar geworden, dass er das Thema »neuer Bus« lieber etwas dezenter auf den Tisch hätte bringen sollen. »Wie im Fünfsterne-Restaurant!«

Iris strahlt übers ganze Gesicht. Da hat Cornelius gerade noch die Kurve gekriegt. Ich muss ein bisschen grinsen. Echt, Eltern! Als wären wir im Kindergarten!

»Stopp sagen, wenn ihr genug habt!«, ruft Iris fröhlich und fängt an, uns perfekt gebratenes Fleisch mit Kartoffeln und wunderbar appetitlichen Möhren auf die Teller zu schaufeln.

Und dann sind wir alle glücklich mit Mampfen beschäftigt. Obwohl ich wenig später schon den zweiten Teller verdrücke, kann ich es immer noch nicht fassen: keine Spur von Tulpen, Nugat, Lebkuchen oder Iris’ sonstigen Lieblingszutaten. Nichts. Nirgends. Einfach nur köstlich!

»Wie kommst du nur darauf, so etwas wunderbar Altmodisches zu kochen?«, fragt Rema, während sie sich die Lippen leckt. »Ob ich wohl noch ein drittes Häppchen Rindersteak haben könnte? Aber nur ein ganz kleines! Oder esse ich den anderen zu viel weg?« Rema guckt sich schuldbewusst um.

Doch Iris hat anscheinend Berge gebraten und im Ofen warm gehalten. Wir essen alle so viel, dass wir gleich platzen.

»Zur Feier des Tages wollte ich euch etwas ganz Besonderes vorsetzen«, lächelt Iris zufrieden über ihren Erfolg.

»Das ist dir gelungen«, schmatzt Matte begeistert. (Ich glaube, er kaut an seinem vierten Stück Steak.) »Was für ein Glück, dass wir ausgerechnet heute versucht haben, den Bus zu reparieren! Ich wünschte, Katrin wäre auch hier.«

Meine Lehrerin Katrin Dornkater und Matte, der Bassist von Cornelius’ Band Rainbow, haben sich vor ein paar Monaten zufällig bei einem Konzert kennengelernt und nun ist es tatsächlich die große Liebe. Iris behauptet sogar, sie könne die Hochzeitsglocken schon läuten hören. Na ja, mir egal. Privat ist Frau Dornkater, die wir jetzt Katrin nennen dürfen, jedenfalls erstaunlich viel netter als in der Schule.

»Ihr müsst bald mal wieder einen Abend hierherkommen!«, lädt Iris die beiden herzlich ein.

»Au ja! Und dann machen wir Musik! Ich spiel Schlagzeug!«, ruft Kenny begeistert. »Und Mama singt. Und …«

»… du bist dann im Bett!«, ergänzt Cornelius.

»Du bist doof, Papa!«, nölt Kenny und spielt mit einer Möhre rum.

»Das Rindfleisch war wirklich ganz besonders lecker«, findet Rema. »Hast du das vom Fleischer im Ort?«

Da geht ein strahlendes Leuchten über Iris’ Gesicht. Ein Leuchten, das allerdings ein klein wenig alarmierend ist. Schließlich kenne ich unsere Mutter schon lange genug. Und ich kenne alle Alarmsignale …

Hastig schlucke ich den letzten Bissen runter und warte auf Iris’ Antwort.

»Nein, nicht beim Fleischer«, fängt Iris begeistert an zu erzählen. »Ich hab da eine tolle Firma im Internet gefunden, bei der man …« Das Leuchten geht praktisch in ein Warnblinklicht über. »… exotisches Fleisch bestellen kann.«

Iris sieht aus wie damals, als sie uns von ihrem Buchpreisgewinn erzählt hat.

Warum nur kriege ich jetzt auch noch so ein warnendes Bauchkneifen? Bis jetzt ist doch noch nichts Schlimmes passiert. Aber ich glaube, es ist das Wort exotisch. Das gefällt mir nicht. Schon gar nicht im Zusammenhang mit Iris und Kochen.

Iris strahlt unverändert weiter. »Erst wollte ich euch ja Antilopenfleisch servieren.«

»A-A-Anti-WAS…?« Tessa verschluckt sich vor Schreck.

Und Dodo neben ihr sieht aus wie eine Gazelle, die beim Anblick einer Löwin erstarrt.

Doch Iris beachtet die beiden gar nicht. »Aber dann habe ich gesehen, dass Kamelfleisch im Angebot war. Kaum zwanzig Euro das Kilo! Praktisch geschenkt, findet ihr nicht?«

KAMELfleisch? Ich habe gerade ein Stück Kamel verspeist?

Ich wünschte, ich könnte wenigstens den letzten Bissen wieder ausspucken. Rrrrgggg! Der Würgreiz kommt ganz automatisch.

»Aber du hast doch gesagt, es wäre stinknormales Rindersteak?«, haucht Rema ungläubig. Den anderen am Tisch scheint es die Sprache verschlagen zu haben.

Iris lacht übers ganze Gesicht. »April! April! Reingefallen! Lustig, nicht? Als ob ich so was Langweiliges wie normales Rindersteak kochen würde! Ach, Kinder, das macht Spaß, euch reinzulegen. Aber das Beste ist doch, dass es euch allen so gut geschmeckt hat! Bestimmt hättet ihr nicht so reingehauen, wenn ihr gewusst hättet, was ihr esst. Ihr seid so schrecklich heikel, wenn es um interessante Gerichte geht.«

Iris sieht so glücklich aus, als hätte sie nicht nur einen Buchpreis, sondern im Lotto gewonnen. Manchmal habe ich den Verdacht, dass es ihr Spaß macht, uns mit ihrer Kocherei zu triezen. Oder glaubt sie am Ende wirklich, uns etwas Gutes zu tun?

»Und nächstes Mal gibt es Krokodil«, fährt sie strahlend fort. »Dazu habe ich ein ganz tolles Rezept auf der Webseite gefunden. Leider war Krokodil ausverkauft.«

Kotzendes Känguru! Dafür sollten wir dann wohl noch dankbar sein! Rülps! Über Krokodilfleisch will ich gar nicht nachdenken!

Iris guckt zu mir rüber. »Und du brauchst auch nicht verrückt zu spielen, Livi! Das sind keine wilden Tiere, die geschlachtet werden, sondern die kommen von einer Zuchtfarm. Genauso wie die Kühe oder die Schweine, die wir sonst essen, auf Bauernhöfen gezüchtet werden.«

Wrrrrgg! Vielleicht sollte ich überhaupt keine Tiere mehr essen?

Ich muss dringend ein ernstes Wort mit Iris reden. Aber nicht jetzt. Ich glaube, ich geh mal nach oben in mein Zimmer. Ein Kamel in meinem Magen! Mir wird grad ein bisschen übel …

Sieben Stunden später liege ich mit offenen Augen im Bett und denke über mein Leben nach. Mann, was für ein Tag! Ein Glück, dass es nicht mehrere erste Aprils im Jahr gibt! Dann würde Iris wohl zu absoluter Hochform auflaufen. Mein Bauch rumort immer noch.

Nachdem ich im Internet tatsächlich Maleas Beschattungstipps gefunden hatte (während Tessa zeternd staubsaugte – mit Atem- und Haarschutzmaske!), war kaum noch Zeit, um mich an den Artikel über Schweinezucht zu setzen. Außerdem ging mir das, was ich für gewöhnliches Rindfleisch gehalten hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Ich meine, ist es wirklich gesetzlich erlaubt, dass einen die eigene Mutter mit Kamelen füttert?

Wird Zeit, dass ich volljährig und wahlberechtigt werde und endlich ein paar längst überfällige Kinderschutzgesetze einführen kann! Wer ahnungslosen Töchtern Kamelfleisch vorsetzt, wird mit Küchenverbot nicht unter zwei Jahren bestraft. Oder so ähnlich.

Hm, allerdings … wer würde dann kochen? Etwa Tessa, Malea, Kenny oder ich? Äh, Moment, die Zeit habe ich natürlich nicht!

Na schön, jedes Gesetz hat Lücken. Daran arbeite ich dann noch.

Unsere Rema ist nicht dick. Und wenn irgendjemand das behauptet, dann trete ich dem aber volle Kanone auf den Fuß! Weil das nämlich fies ist, so was zu sagen. Man soll immer höflich sein zu allen Leuten. Und ihnen außerdem helfen, so gut man kann. Das sagt Rema auch. Weil Rema nämlich nicht nur nicht dick ist, sondern auch die netteste Oma auf der Welt. Bentje findet das auch. Beides. Dass Rema die netteste Oma ist und dass man Leuten helfen sollte, wenn die Hilfe brauchen. Und Bentje findet außerdem, dass unsere Rema nie langweilig ist. Was ja total klar ist. Bei uns in der Familie ist überhaupt niemand langweilig. (Nicht mal Livi.) Bei der armen Bentje zu Hause sind leider fast alle langweilig. Sogar ihr Goldhamster, der schläft nämlich den ganzen Tag nur. (Aber das sage ich Bentje nicht. Das wäre ja nicht höflich.) Unsere Rema aber hat die tollsten Ideen und geht auch richtig gerne auf so tolle Sachen wie Demos. (Keiner aus meiner Klasse hat eine Oma, die das tut.) Demos sind so Spaziergänge, wo alle, die mitmachen, total lustige, selbst gemalte Plakate rumtragen. Und unsere sind immer die besten. Schon das Malen vorher macht Spaß. Alles macht Spaß mit Rema. Und wenn man abends kuschelig wird, dann ist es überhaupt am besten, dass Rema ist, wie sie ist. So weich und warm und bequem nämlich. Auf Remas Schoß hätten sogar Bentje und ich beide zusammen Platz.

Hihi, wir hatten gestern einen voll lustigen Tag! Und heute fängt es auch schon gut an!

Bentje und ich haben nämlich beschlossen, in den Osterferien richtig viele Leute glücklich zu machen. Indem wir ihnen helfen und all so was. Und damit haben wir gestern Morgen schon losgelegt. Obwohl da ja noch ein Tag Schule war. Aber Bentje durfte bei mir übernachten, und wir sind schon ganz früh aufgewacht und hatten außerdem nichts anderes zu tun.

Bentje fand, wir sollten damit anfangen, Livi glücklich zu machen. Die arme Livi sah die letzten Wochen wieder richtig traurig aus. Ich glaube, das liegt daran, dass sie vor lauter Löchern im Himmel, die irgendwie Osonloch oder so heißen, gar nicht dazu kommt, daran zu denken, sich rechtzeitig einen Prinzen zu suchen. Ich meine, bevor sie alt und schrumpelig ist und vielleicht keinen mehr abbekommt.

Ein paar Tage lang hat sie sogar krank im Bett gelegen, dabei hatte sie gar kein Fieber oder so. Und ich hab Mama mal mit Rema darüber flüstern hören und da haben sie das Wort Liebe ganz oft benutzt. (Den Rest konnte ich leider nicht gut verstehen, denn ich saß hinter dem Kühlschrank, und der ist so blöd laut, dass man immer nur die Hälfte versteht.) Deshalb hab ich Bentje da sofort voll zugestimmt. Dass wir mit Livi anfangen sollten nämlich.

Weil es so früh am Morgen war, dachten wir, wir probieren es erst mal auf ganz einfache Art und setzen Livi einen Frosch ins Zimmer. Denn wenn da dann der Prinz rauskommt, wäre das Problem in einem Hops gelöst.

Zur Sicherheit haben wir dann nicht nur einen Frosch hinten im Garten gesucht, sondern lieber gleich zwölf. (Als wir mal richtig dabei waren, ging das Einfangen ganz leicht.) Man weiß ja nie. Vielleicht ist das ein bisschen so wie mit den Losen auf dem Jahrmarkt. Vielleicht ist gar nicht in jedem Frosch ein Prinz versteckt, sondern vielleicht braucht es dabei ein bisschen Glück? Und weil ich Livi so lieb hab, haben wir ihr also gleich einen ganzen Haufen Prinzen-Glückslose ins Zimmer gesetzt. Da musste dann doch einfach ein Hauptgewinn dabei sein!

Aber weil wir Angst hatten, dass die aus dem offenen Fenster springen könnten und wieder weg sind, bevor Livi aufwacht, haben wir sie in Livis Unterhosenschublade verfrachtet. Die macht sie garantiert jeden Morgen auf und verloren gehen können die Prinzen da drin auch nicht.

Bentje hatte ein bisschen Sorge, dass Livi möglicherweise GAR KEINER von den zwölf Prinzen gefallen könnte. Sie sagte, Livi hätte manchmal einen komischen Geschmack. Das finde ich zwar nicht. (Livi ist die Beste! – Außer Remi natürlich.) Aber ich wusste, was Bentje meint.

»Dann müssen wir Livi eben anders helfen«, sagte ich. Bentje und mir wird dann schon noch was einfallen! Bentje fällt immer was ein! »Aber jetzt probieren wir es erst mal so.«

Bentje nickte.

Als Livi die Prinzen (die natürlich noch Frösche waren) gefunden hatte, sah sie nicht ganz so begeistert aus, wie man wohl erwarten könnte. Und dooferweise wollte sie nicht mal einen einzigen küssen. Also echt, dabei haben Bentje und ich uns so viel Mühe gegeben!

Wir mussten Livi sogar versprechen, alle zwölf Prinzen wieder raus in den Garten zu tragen, während Livi unter die Dusche ging.

»Pfffff«, machte Bentje enttäuscht. »Sie hätte ja wenigstens einen küssen können.«

Aber genau da ist mir eine echt gute Idee gekommen.