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Mord im Kloster
Im Jahr 1245 machen die Nonnen des Damenstifts von Corbeil eine grausige Entdeckung: In einem kleinen Raum unterhalb des Altars ihrer Kirche finden sie eine mumifizierte Frauenleiche. Rasch stellt sich heraus, dass es sich um die vier Jahre zuvor verschwundene Schwester Sophia de Guescelin handelt. Das Entsetzen wird noch größer, als klar wird, dass Sophia ermordet wurde. Wer kann so etwas getan haben und warum? Hängt der Mord etwa mit der Chronik zusammen, an der Sophia ständig schrieb, die aber niemand je gelesen hat? Äbtissin Roesia setzt alles daran, die Sache zu klären, aber bald gibt es noch mehr tote Nonnen. Die Opfer sind allesamt eng mit Sophias Lebensweg verknüpft. Wer war die Chronistin wirklich?
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Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Prolog
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
I. Kapitel
Anno Domini 1184 bis 1188
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
II. Kapitel
Anno Domini 1188 bis 1192
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
III. Kapitel
Anno Domini 1192 bis 1193
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
IV. Kapitel
Anno Domini 1193
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
V. Kapitel
Anno Domini 1193
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
VI. Kapitel
Anno Domini 1193
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
VII. Kapitel
Anno Domini 1193 bis 1199
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
VIII. Kapitel
Anno Domini 1199 bis 1200
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
IX. Kapitel
Anno Domini 1200
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
X. Kapitel
Anno Domini 1200
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
XI. Kapitel
Anno Domini 1208
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
XII. Kapitel
Anno Domini 1210
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
XIII. Kapitel
Anno Domini 1213
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
XIV. Kapitel
Anno Domini 1213
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
XV. Kapitel
Anno Domini 1213 bis 1214
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
XVI. Kapitel
Anno Domini 1218
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
XVII. Kapitel
Anno Domini 1218
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
XVIII. Kapitel
Anno Domini 1218 bis 1235
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
XIX. Kapitel
Anno Domini 1235 bis 1237
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
XX. Kapitel
Anno Domini 1240
Epilog
Anno Domini 1245, Damenstift zu Corbeil
Zeittafel
Historische Anmerkung
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Im Jahr 1245 machen die Nonnen des Damenstifts von Corbeil eine grausige Entdeckung: In einem kleinen Raum unterhalb des Altars ihrer Kirche finden sie eine mumifizierte Frauenleiche. Rasch stellt sich heraus, dass es sich um die vier Jahre zuvor verschwundene Schwester Sophia de Guescelin handelt. Das Entsetzen wird noch größer, als klar wird, dass Sophia ermordet wurde. Wer kann so etwas getan haben und warum? Hängt der Mord etwa mit der Chronik zusammen, an der Sophia ständig schrieb, die aber niemand je gelesen hat? Äbtissin Roesia setzt alles daran, die Sache zu klären, aber bald gibt es noch mehr tote Nonnen. Die Opfer sind allesamt eng mit Sophias Lebensweg verknüpft. Wer war die Chronistin wirklich?
Julia Kröhn
Die Chronistin
Historischer Roman
»Die Frau soll den Anstand und die Weisheit besitzen, nicht zu zeigen, wie viel Verstand sie hat. Ein Mann soll in vielen Wissenschaften bewandert sein. Die Erziehung einer vornehmen Dame aber schreibt vor, dass eine Edelfrau, die anständig und von guter Abstammung ist, nicht zu viel Klugheit besitzt. Die Einfältigkeit steht den Damen gut an.«
THOMASIN VON ZIRKLAERE (13. Jahrhundert)
»Die Frau ist ein Missgriff der Natur ... körperlich und geistig minderwertiger ... eine Art verstümmelter, verfehlter, misslungener Mann. Ihr wesentlicher Wert liegt in ihrer Gebärfähigkeit und in ihrem hauswirtschaftlichen Nutzen.«
THOMAS VON AQUIN (13. Jahrhundert)
»Sorge dafür, dass der Junge mit sechs oder sieben Jahren lesen lernt, und lass ihn entweder studieren oder das Gewerbe erlernen, das ihm die meiste Freude macht. Handelt es sich um ein Mädchen, so setze es in die Küche und nicht hinter das Lesebuch.«
PAOLO DE CERTALDO (14. Jahrhundert)
Wo man die Tote berührte, löste sich die äußerste Schale ihres vertrockneten Körpers. Es war nicht gewiss, ob es verweste Haut war oder steif gewordener Stoff von Kleidern, der zu grauem Staub zerbröselte und lautlos auf den Boden fiel.
Entsetzt zuckten die neugierigen, tastenden Hände zurück und ließen die Tote so unberührt hocken, wie man sie vorgefunden hatte – in einem stickigen, fast luftleeren Raum unter Altar und Sakristei, der den Leichnam ausgetrocknet und mit Spinnweben überzogen hatte, anstatt ihn der Verwesung preiszugeben.
Ohne zerstörendes Zupacken waren die Spuren des Todes fast unkenntlich. Obgleich seit vielen Jahren vom Ewigen Schlaf gefangen gehalten, glich die hockende Frau einer seelenruhigen Madonna, der das Christuskind aus den weit ausgebreiteten Armen gerutscht war. Keiner ihrer Finger war abgefallen. Ihre Hände waren lediglich braun verschrumpelt, wie Äpfel, die man in den frostigen Tiefen eines Kellergewölbes vergessen hatte.
Ein ungestümer Luftzug jedoch hätte genügt, dass der von innen her getrocknete Leichnam jene Gewissheit bekräftigt hätte, wonach der Mensch von Staub kommt und zu Staub wird und einzig der Glaube an den Leben spendenden Herrn des grausamen Waltens des Todes spottet.
Unsicher blickten sich die Schwestern an und ließen die bebenden Hände in fuchtelnden Bewegungen die Öllampen kreisen – gewiss, dass die Tote ebenso lange kein Licht gesehen hatte wie den Atem eines lebendigen Windhauchs gerochen. Beides musste viele Jahre her sein, denn die Frau, deren Haut hier zu braunem, brüchigem Leder gegerbt war, galt seit langer Zeit als verschollen.
Gleichwohl sie nie daran hatte zweifeln lassen, den Abend eines langen Lebens in diesem Damenstift zubringen zu wollen, war sie eines Tages weder zur morgendlichen Messe gekommen noch zum stärkenden Mahl. Man wähnte sie schlafend und gönnte es ihr, sich auszuruhen. Doch als sie am Abend immer noch nicht erschienen war, setzte eine unruhige Suche ein, zuerst im Damenstift, dann in den umliegenden Wäldern. Wieder und wieder hatte man ihren Namen gerufen und sich gefragt, wie eine solch hochbetagte Frau freiwillig ihre sichere Heimstätte hatte verlassen können. Unmöglich aber war es auch, dass sie sich ohne Willen verirrt hätte – ihr Geist war rege wie der einer jungen Frau und jede ihrer Handlungen gewollt und überlegt. Selbst lange nachdem man die nutzlose Suche eingestellt hatte, war das Getuschel über ihr Verschwinden nicht verstummt, sondern hatte sich in die schaurige Mär verzweigt, wonach niemand anderer als der dunkle Engel des Teufels die alte Frau aus dem Damenstift entführt haben müsste.
Nun war jene Vermutung nichtig.
»Sie kann keine andere sein als ...«, setzte eine der Schwestern zu sprechen an, rang in der Enge des Raumes nach Luft, aber fuhr nicht fort.
Sie hatten die tote Hockende aus Zufall gefunden, waren auf den abgedichteten Raum nur gestoßen, weil die Apsis über dem Altar einen Sprung aufwies und man nach Wegen suchte, diesen durch eine ausreichende Stützung von unten her zu schließen oder zumindest am Wachsen zu hindern.
Die anderen Schwestern nickten wissend. Wiewohl er nicht ausgesprochen worden war, wähnten sich alle gewiss, welchen Namen die Sprechende auf den Lippen trug. Ohne Zweifel war die Tote Ragnhild von Eistersheim, besser bekannt unter dem Namen Sophia, die Weise, der ihr in früher Kindheit ob ihrer außergewöhnlichen Gelehrsamkeit verliehen worden war und den sie am liebsten getragen hatte. Sie war die Älteste unter den Schwestern, die im Damenstift lebten, und die Wortkargste. Nicht mehr verriet sie von sich, als dass sie an einer Chronik schrieb – von deren genauem Inhalt wusste niemand –, und selbst das geschah stets schroff und bar jeglicher Freundlichkeit.
Ja, wer sie war, galt als Gewissheit.
Um vieles unbestimmter aber gerieten die Vermutungen, warum man sie eben gefunden hatte: Wie war sie hierher geraten? Hatte man sie womöglich mit gemeinem Vorwand hergelockt und in solch verstecktem Raum zu Tode gebracht?
Sophia schrieb es auf.
Sie schrieb auf, wie die beiden Novizinnen Schweine schlachteten, die von der Eichelmast im Oktober fett geworden waren, wie das Blut der schrill quietschenden Tiere in den matschigen Schnee tropfte und wie hernach die zwei Frauen auf den dreckigen, grau-rot verschmierten Boden sanken, um einander zu umarmen.
Die beiden waren Schwester Mechthild und Schwester Griseldis – und man wusste von Mechthild, dass sie den Hunger fürchtete, und von Griseldis, dass ihr vor nichts so sehr graute wie vor der Finsternis. Sie lechzte nach Berührungen, um den grausamen Träumen, die in den Winkeln der Nacht auf sie warteten, warme Erinnerungen entgegenhalten zu können, und sie erkaufte sich das Streicheln ihres bleichen, aufgedunsenen Leibs, indem sie saftiges Brot verschenkte und manches Mal dunkelgelben Käse. Mechthild, die hager und knochig war und nach jedem zusätzlichen Bissen gierte, ließ lieber zu, dass die andere sich unkeusch auf ihr wälzte, anstatt auf solche Gaben zu verzichten.
Sophia schrieb jede Einzelheit nieder – mit dem Griffel auf eine Wachstafel und in spitzen, feinen Buchstaben, welche Minuskeln hießen. Sie schrieb, wie Schwester Griseldis ob der Wärme stöhnte und auch, weil ihr Mechthilds spitze Knochen in den weichen Leib stachen, wie sie das Gesicht der anderen mit feuchten Küssen bedeckte und Mechthild jene schnell mit dem rauen Ärmel ihrer grauen Kutte wegwischte. Sie schrieb, dass diese Ärmel noch vom geschlachteten Schwein trieften und sich Mechthilds Wangen deshalb rot färbten, dass das Blut trocknete und Mechthilds Hand versehentlich unter den Kadaver des Schweins rutschte, der noch wärmer und glitschiger war als Griseldis’ warmer Leib. Unsanft stieß Mechthild jenen schließlich zurück. »Das muss reichen!«, murrte sie, und die warme Luft ihres Atems stob wie grauer Nebel in den kalten Novembertag. Hastig strich sie über ihr Gewand, das ihr zu groß und zu weit war, nicht nur weil sie zu mager war, sondern auch weil sie das Frauenalter noch nicht erreicht hatte.
Griseldis seufzte enttäuscht, schnaufte die Tröpfchen fort, die sich unter der knolligen Nase gebildet hatten, und hob suchend die Hände. Mechthild schlug sie grob beiseite, um dann im Gewand der anderen nach Nahrung zu stöbern.
»’s ist nur Brot für das wenige, was du mir heute gabst«, knurrte Griseldis, nicht nur enttäuscht über die Kürze der Umarmung, sondern schadenfroh, weil sie den Lohn dafür gering halten konnte. »Willst du morgen früh warme Milch, so komm in der Nacht in meine Zelle.«
»Das ist verboten, und du weißt es!«, zischte Mechthild ungehalten.
»Genauso ist verboten, was wir eben getan haben.«
Hernach schwiegen sie, weil die eine ihr Essen hinunterwürgte und die andere sich schnaufend erhob. Dies war der Schluss von jenem Ereignis, das Sophia aufschrieb, und als ihre Augen hurtig über das Geschriebene wanderten, es aufaßen wie Mechthild das trockene Brot und der Tiefe der Erinnerung einverleibte, wusste Sophia, dass sie es niemals wieder vergessen würde.
Als wankelmütig erwies sich das Gesprochene und Gesehene und Gehörte; stets war es bereit, mit dem rauen Ostseewind in die farblose Weite zu fahren. Was jedoch geschrieben stand, war festgehalten auf immer. Die Schrift war Sophias größter Besitz. Sie merkte sich jedes geschriebene Wort – was gleichsam hieß, dass sie sich alles merkte, was sich niederschreiben ließ.
Oft hatte sich Dorothea, Sophias gleichaltrige Gefährtin im Kloster, darüber erregt, dass auf die Beobachtung ihrer Augen kein Verlass wäre.
»Siehst du«, sagte Dorothea und stupste sie an, wenn Griseldis sich an Mechthild verging oder eine andere der Nonnen zu lange die Kerzen brennen ließ oder wieder eine andere nicht zu reden aufhören wollte, obwohl doch alle wussten, dass sich Gott mit der Stille mehr preisen lässt als mit nutzlosem Geschwätz.
Sophia folgte dem aufgeregten Blick, dem erhobenen Zeigefinger und selbst dem Getuschel – nicht aus Neugierde, sondern um der anderen zu gefallen. Doch kaum war entschwunden, was sich eben noch spöttisch bestaunen ließ, schien es auch aus ihren Gedanken gefegt.
Ungeduldig verdrehte Dorothea dann die Augen. »Es ist doch nicht möglich, dass du’s nicht mehr weißt!«, rief sie enttäuscht darüber, dass sich das Tuscheln nicht vertiefen ließ, sondern an Sophias Gleichgültigkeit den Geschmack verlor.
Um die andere nicht fortwährend zu verstören (es gab von diesem Alter nur sie beide im Kloster, und es war in den langen Nächten gut, eine Vertraute in der Nähe zu ahnen), griff Sophia zum Mittel, die Erinnerung nicht nur für kurze, gedankenlose Augenblicke zu bewahren, sondern für alle Zeiten. Sie erprobte im Skriptorium die Schönschrift wie stets, aber sie schrieb nicht ab, was man ihr vorlegte, sondern auf, was sie erlebt hatte: Das war an diesem Tag, dass Mechthild und Griseldis sich nach dem Schweineschlachten im grau-roten Schnee umarmt hatten. Die Buchstaben frästen sich in ihren Kopf, gewannen dort an Macht und trieben Sophia schließlich dazu, das Geheimnis nicht nur mit Dorothea zu teilen.
Am Sonnabend fand das Kapitel statt, die regelmäßige Versammlung der Nonnen, bei dem die Mutter Äbtissin aus dem Märtyrerbuch die Geschichte des Tagesheiligen vortrug, die Messnerin festlegte, wann die Gebete stattfinden würden, die sie nach den Gezeiten berechnet hatte, und die Schwestern die Möglichkeit hatten, ihre Sünden zu bekennen. Eine Nonne beichtete zitternd und bebend und schamrot im Gesicht, dass ein hitziger Traum ihre Scham verführt habe, zu nässen und ihr Bett zu beschmutzen. Die anderen lauschten mit stiller Häme oder aufgesetzter Gleichgültigkeit.
»Morgen wirst du fasten, dreißig Psalmen singen und nicht an den Altar treten«, verkündete die Äbtissin die Strafe. »Ansonsten rate ich dir, jeden Tag vor dem Schlaf in kaltes Wasser zu steigen.«
Nun, da die erste ihre Sünden gebeichtet hatte, fiel es den anderen leichter, ebenso vorzutreten und ihre Schwächen zu bekennen – die eine hatte in der Vorratskammer genascht, die andere zu viele Kerzen verbraucht, die dritte schließlich während des Gebets laut gelacht.
Als alle wieder zu ihren Plätzen zurückgekehrt waren, trat Sophia vor.
Sie war acht Jahre alt, und eigentlich gehörte sich nicht, dass die Jüngsten das Wort erhoben. Die Mutter Äbtissin blickte verärgert, aber weil sie einen steifen Nacken hatte und stets sehr lange brauchte, um sich mühselig in eine Richtung zu drehen, vermochte sie nicht zu überprüfen, wem die vorlaute Stimme gehörte. Ehe sie darum zur Schelte für das dreiste Benehmen ansetzen konnte, hatte Sophia bereits ein Vergehen benannt.
»Ich habe gelesen«, bekundete sie laut, »ich habe gelesen, dass Schwester Mechthild und Schwester Griseldis sich nach dem Schweineschlachten im Schnee gewälzt haben, weil die eine nach Berührung gierte und die andere nach einem Stück Brot. «Die Nonnen staunten mit aufgerissenen Mündern.
Es war nicht auszumachen, wem ihre Neugierde galt – der Geschichte, die Sophia erzählte, oder den seltsamen Wörtern, mit denen sie sie eingeleitet hatte. Dorothea, die im Schlafsaal so gerne zum Raunen bereit war, presste verlegen über die Dreistigkeit der anderen den Mund zusammen und errötete. Schwester Irmingard, die den Mädchen die Schrift beigebracht hatte und die alle alterslos deuchte ob ihres gelblich weißen, glatten Gesichts wie aus geschmolzenem Wachs, blickte nachdenklich auf das Kind. Sophia suchte nach Anerkennung in ihren Augen, doch die dunklen, schwarzen Falten, die darunterlagen, runzelten sich missbilligend.
Von allen Nonnen stand Schwester Irmingard Sophia am nächsten. Jene hatte die Aufgabe inne, den kleinen Mädchen im Kloster das Schreiben und das Lesen beizubringen, desgleichen die antiken Sprachen, und sie war stets über alle Maßen erstaunt, wie rege Sophias Geist war, wie schnell sie alles erfasste, wie mühelos sie sämtliche Aufgaben erfüllte. Sie war kaum fünf Jahre alt, da las sie flüssig. Sie war kaum sechs, da übersetzte sie lateinische Texte noch beim Lesen ins Deutsche. Sie war kaum sieben, da konnte sie die zwölf Bücher von Vergils Aeneis mit ihren 952 Versen auswendig und alle Psalmen. Irmingard hatte sie dafür stets gelobt und ihr schließlich ob ihrer Wissbegierde und ihrer Klugheit eines Tages den Namen »kleine Sophia« gegeben, indessen alle anderen – vor allem die Mutter Äbtissin – an »Ragnhild« festhielten, wie man sie nach der Geburt getauft hatte. Von da an wollte sie nie anders heißen, und ebenso wenig wollte sie Schwester Irmingard enttäuschen.
Heute aber schien eben das zu geschehen. Es fehlte das Lob in Schwester Irmingards Blick; ihr schmales Lächeln geriet nicht aufmunternd, sondern leidend; ihre Kehle stieß das gequälte, schmerzhafte Hüsteln aus, das ihr seit frühester Jugend zu eigen war, und Sophia war erleichtert, als sie sich von ihr ab- und den beiden Übeltäterinnen zuwandte, die eben von Mutter Äbtissin zu ihrer Sünde befragt wurden.
Mechthild leugnete mit knappen Worten die verkündete Untat, als müsste sie mit der Rede so sparen wie mit der Nahrung. Griseldis hingegen, die die Dunkelheit fürchtete, weil dort die Dämonen lauerten und diese Dämonen die kleinste Untat straften und gewiss auch, dass sie sich Streicheln und Küssen und Liebkosen ersehnte, begann zu heulen und zu gestehen. Missmutig verzog Mechthild die Stirn, die andere nicht nur für den schwammigen Körper verachtend, sondern für ihre Feigheit – gleichwohl es eben diese war, die das Geschäft erst besiegelte, von dem ihr hungriger Leib Nutzen trug. Ihre Stirnfalte grub sich noch tiefer, als Mutter Äbtissin die Strafe verkündete – und das war für die eine, nachts in der lichtlosen Kirche zu beten, und für die andere, drei Tage zu fasten. Noch ehe die Schuldigen erklären konnten, ob sie dieses als gnädig oder streng befanden, ward das Kapitel aufgehoben und die starre Sitzordnung in kleine Grüppchen aufgelöst. Dort warf man sich Blicke zu, um das eben Erlebte zu bewerten, versagte sich jedoch Worte, weil diese nur zu auserwählter Stunde gestattet waren.
Zwei nur wagten zu murmeln.
»Wie kommt es, kleine Sophia«, fragte Schwester Irmingard leise, »dass du die Untat gelesen hast, anstatt sie bloß gesehen?«
Immer noch fehlte jede Anerkennung in ihren dunkel umrahmten Augen. Verlegen zuckte Sophia die Schultern, plötzlich nicht mehr sicher, ob sie mit der öffentlichen Anklage den Beweis für ihre Merkfähigkeit nicht übertrieben hätte. Ohne zu antworten, duckte sie sich vor dem fragenden Blick, floh – und lief der erbitterten Mechthild in die Arme, deren Wangenknochen spitzer zu stehen schienen als sonst, wiewohl das auferlegte Fasten noch nicht begonnen hatte.
»Habe ich dir etwas getan, dass du mich derart bloßstellst?«, zischte sie böse.
Diesmal flüchtete sich Sophia nicht ins Schweigen. »Ich habe nichts als die Wahrheit gesagt.«
Sie meinte, was sie sagte. Die Schrift, mit der alles festzuhalten war, betrog niemals.
»Ha!«, murrte Mechthild verächtlich. »Magst dir vielleicht schlau erscheinen, wenn du meine Geheimnisse ausplauderst. Solltest aber lieber dem nachforschen, was dein eigenes ist. Ich meine deine Herkunft, von der du nichts weißt, vom Namen deines Vaters, den man dir hier verschweigt, und von seinen Schandtaten, die dein Geschick auf ewig zu einem schäbigen machen.«
Sophia schrieb es auf.
Ich weiß nicht, woher ich komme; ich kenne meinen Vater nicht; keiner erzählt mir meine Geschichte.
Schon lange bevor Mechthild auf diese Wunde eingehackt hatte, war jene Frage rastlos durch ihr Gemüt gewandert, hatte es nach Erinnerungen durchstöbert, nach Hinweisen, wer die kleine Ragnhild von Eistersheim, die manche nun Sophia nannten, dem Kloster anvertraut hatte.
Sie musste damals ein Säugling gewesen sein, denn sie kannte keine Welt als diese. Sie hatte nie andere Kleidung gesehen als den weißen Ärmelrock aus grober, ungefärbter Schafwolle, das Skapulier, welches über den Schultern getragen wurde, und den schwarzen Schleier. Sie kannte keine anderen Tage als solche, die um drei Uhr in der Nacht mit dem Gottesdienst begannen und bis zum Abend noch sieben Mal zu weiteren Messen oder zum Gebet riefen. Sie vermochte sich nur in jenen Räumen zu orientieren, welche zum Kloster gehörten – dem Refektorium, der Wärmestube, der Kleiderkammer, dem Keller oder dem Schlafsaal.
Sie sehnte sich in Wahrheit auch gar nicht nach draußen, wo eine gefahrenvolle Welt wartete und Tücken, die den rechtgläubigen Menschen zu Fall bringen wollten. Sie wünschte sich lediglich, ähnliche Geschichten über ihr eigenes Leben aufschreiben zu können, wie die anderen von ihrer Vergangenheit erzählten.
Mechthild, die hier im Kloster kein anderes Trachten kannte, als ihren immerwährenden Hunger zu stillen, war einst – so erzählte man sich – zur Braut eines hochwohlgeborenen Mannes bestimmt gewesen. Lange Jahre wartete sie auf die Eheschließung. Der Bräutigam aber wollte sie nicht freien, sondern stattdessen im Meer segeln – von der rauen Ostsee angezogen und noch mehr von Abenteuern, die in deren farblos schäumenden Wellen zu suchen waren. Als Walfänger schuftete er weit unter seinem Stand, gab sich als Freund des niedrigen Gesindes, welches zu nichts da ist, als auf hoher See zu ersaufen oder das Gedärm der großen Fische auszuweiden, und blieb irgendwann – sei’s, weil einer der Wale das Schiff gerammt hatte oder weil die nördlichen Krieger ihn überfallen und zerstückelt hatten – hinter dem grauen, nasskalten Horizont verschollen. Bis man sich damit abfand, dass er niemals wiederkehren und seiner Herkunft entsprechen würde, war Mechthild zu alt, um einen anderen Bräutigam zu finden. So dichtete die Familie ihr Frömmigkeit an und schickte sie ins Kloster.
Selbst die Konversinnen, welche niemals dem Rang einer Nonne ebenbürtig waren, weil sie keine Mitgift einbrachten und die niedrigen Dienste zu versehen hatten, konnten von einem Leben außerhalb des Klosters berichten. Sophia hörte Friedegunde von einer schrecklichen Hungersnot sprechen (und schrieb Gleiches später auf), die jene hatte durchleiden müssen. In einem Jahr hatte es so viel geregnet, dass der Boden aufgeweicht worden war, man ihn nicht pflügen und noch weniger das übliche Getreide – Roggen, Sandkorn oder Hafer – anbauen konnte. Ein Bauer wagte es trotz eindringlichen Ratschlags der Standesgenossen, es doch zu versuchen, und musste erleben, wie sein Pflug samt Zugochsen versank. Fünf starke Männer brauchte es, beides aus dem braunen Schlamm zu ziehen, und als das geschehen war, war der Ochse bereits verendet. Ohne Ernte gab es nichts zu essen, und man litt Hunger und Not. Zuerst schlachtete man das ganze Vieh, dann wurde das Brotmehl mit gemahlenen Farnkrautwurzeln, Traubenkernen und Haselnussblüten gestreckt. Später aß man schwarze Wurzeln aus dem Wald, dann welkes Gras und schließlich das Fleisch der verhungerten Nachbarn. Manche Nachbarn, so hieß es, lockten Menschen an heimliche Stellen, um sie dort zu erschlagen und anschließend die Leichen zu braten.
Letzteres war das Schauerlichste an der Geschichte, aber Sophia hatte ihr nichts entgegenzusetzen.
Warum sagt Mechthild, der Name meines Vaters sei schäbig?, schrieb sie nieder. Wer sind meine Eltern? Waren sie es, die mich dem Kloster anvertraut und bestimmt haben, dass ich mein Leben Gott weihe?
Gemurmelt bedeuteten ihr die Fragen so wenig wie nichtssagende Gerüchte. Geschrieben aber stachen sie ihr ins Auge, wanderten schmerzhaft durch die zugeschnürte Kehle und rumorten dort, wo das Herz pochte. All ihre Achtsamkeit zogen sie auf sich, sodass sie nicht bemerkte, wie Schwester Irmingard, die die Mädchen im Skriptorium zu Kopistinnen erzog, hinter sie trat. Deren Augen weiteten sich diesmal nicht leidend, sondern in Verwirrung.
»Aber kleine Sophia!«, stieß sie aus. »Was verführt dich, solcherlei Sätze aufzuschreiben?« Sophia antwortete mit leiser Stimme. Trotz des Drucks in ihrer Kehle weinte sie nicht, weil man keine Tränen vergießt für eine Welt, die zwar ein Jammertal ist und eine vermaledeite, aber am Jüngsten Tag von Gott dem Allmächtigen unter Posaunenklängen erneuert wird. Dennoch brannte es in ihren Augen, weil sie sie nicht von der Schrift löste.
»Aber ich muss es aufschreiben! Wie sollte ich darauf Antwort finden, wenn ich es vergäße?«
Schwester Irmingards Bewegungen waren leise, aber nicht weich. Sie war dem Mädchen zugetan, weil es von allen anderen am schnellsten lernte und am schönsten schrieb und weil sie als die gebildetste Frau des Klosters beides zu schätzen wusste. Schwester Irmingard schrieb die Annalen, gab als Bibliothekarin die Bücher aus und wählte unter den begabtesten Mädchen solche, die künftig als Kopistinnen in der Schreibstube Dienst tun sollten. Sie konnte anhand des Mondlaufs berechnen, wann die Gottesdienste anzusetzen waren, und wurde manches Mal von der Krankenschwester zurate gezogen, weil sie als Einzige die uralten Rezepte auswendig kannte. Manchmal legte sie, obwohl dies Aufgabe der Äbtissin war, auch die Abgaben der Bauern fest, die die umliegenden Felder bewirtschafteten, und an die von ihr genannten Mengen – es waren dies jährlich ein Ferkel, fünf Hühner und zehn Eier – hielt man sich getreulich.
Trotz ihres hohen Ansehens im Kloster gerieten ihre Gefühle stets überdrüssig, waren widerwillig einem Geist abgerungen, der sich auf zu rechtfertigendes Lob beschränkt und sich eine Zumutung wie die Tröstung verbittet.
»Kleine Sophia«, sagte sie nicht streng, aber müde, und ehe sie fortfahren konnte, hustete sie mehrmals trocken auf, »in Bälde schreibst du gut genug, um nicht nur auf Wachstafeln zu üben, sondern auf echtem Pergament. Dieses aber ist zu kostbar, um es zu verschwenden! Noch weniger darfst du meine Zeit vergeuden, und wenn ich jene nütze, dich anzuleiten, so einzig, auf dass du künftig die Werke großer, kluger Männer kopieren kannst.«
»Aber ist’s nicht so«, begehrte Sophia auf, weil sie wusste, dass Irmingard sich Betteln und Zetern verschloss, nicht aber dem Argumentieren, »dass Ihr selbst nicht nur der anderen Schriften vervielfältigt, sondern eigene verfasst – dann nämlich, wenn Ihr Monat um Monat berichtet, was sich im Kloster zuträgt und was man aus der Welt hinter den Toren erfährt?«
»Kleine Sophia«, wiederholte Schwester Irmingard hüstelnd, und die Augen schienen sich in den dunklen Höhlen verstecken zu wollen, »in den Annalen des Klosters steht nur, was Bedeutung hat für diese Welt. Wenn ein neuer Kaiser gewählt oder ein Thronfolger geboren wird, wenn Krieg herrscht zwischen den Landen oder eine Hungersnot über uns hereinbricht. Nur weil ich dies alles aufschreibe und andere Gleiches vor mir taten, kann man dereinst erfahren, wie dieses Kloster in seinen Anfangsjahren den bösen Heiden trotzte und später den Kriegen und wieder später der Flut, die manchmal aus dem Meer kommt und alles Land vernichtet. Was dich allein bewegt, ist jedoch nichtig für die Welt und für die große Ordnung, die Gott vorgesehen hat. Du musst lernen, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.«
»Aber ist es nicht wichtig«, begehrte Sophia auf und musste zwischen den Worten heftig schlucken, »wer mein Vater ist, von dem Schwester Mechthild sagt, sein Name sei schäbig? Wie ist sein Name? Was hat er getan?«
Schwester Irmingard senkte den Blick und zögerte.
»Ihr wisst auch, wer er war!«, rief Sophia atemlos. »Ihr wisst es und wollt es mir nicht sagen! Gütiger Himmel! Welches schlimme Verbrechen muss er auf sich geladen haben, dass man es mir verschweigt?«
Irmingard räusperte sich, und alsbald wurde der übliche hartnäckige Husten daraus. Als sie endlich wieder ruhig zu atmen vermochte, war ihr Gesicht zwar leichenblass, aber ihr Blick wieder ausdruckslos.
»Ich weiß nicht, wer dein Vater ist, Sophia«, kam es, »und wenn ich es wüsste, so würde ich es dir doch nicht sagen, weil es keine Rolle spielt. Hör nicht auf Mechthilds Spott. Sie versuchte dich zu kränken, weil du ihr schändliches Treiben offenbartest und weil sie ein zänkisches Mädchen ist. Nie wird sie verwinden, dass ihre Familie zwar reich ist, sie aber ohne Gatten bleiben muss. Was aber nun deine Herkunft betrifft – so vergiss sie. Vor allem aber schreib sie nicht auf. Warum tust du das überhaupt?«
Sophia drehte sich fort von der Schrift und bekannte sich zu ihrem Talent so deutlich wie noch nie. »Schwester Irmingard«, erklärte sie und schwankte zwischen notgedrungener Rechtfertigung und eitlem Stolz, »ich vergesse oft das, was nicht geschrieben steht – alles, was ich nur höre oder sage, alles, was ich erlebe oder man mir erzählt. Was ich jedoch geschrieben oder gelesen habe, bleibt immerdar in meinem Kopfe. Es gibt dann kein Vergessen mehr. Bis zu meinem Tod werde ich’s wissen.«
Die Stille, die folgte, war nicht nur bleiern wie Irmingards üblicher Überdruss und ihre Müdigkeit. Unmerklich verspannten sich ihre Hände, wenngleich sie selbige zur Ruhe zwang. Langsam griff sie zu einem Buch, schlug es auf und hielt es Sophia vor die Augen – jedoch nachlässig, um dem Kind ihre Erregung nicht zu zeigen.
»Beweis es mir!«, forderte sie mit trockener Stimme.
Sophia blickte auf die Seite, welche in Latein geschrieben war und mit gleichen spitzen Buchstaben, wie sie es erlernt hatte. Ihr Inhalt stach nicht so wie die vorhin selbst formulierten Fragen. Gemächlich glitt Satz für Satz, Phrase für Phrase in ihren Kopf und blieb haften, ohne sich erst mühsam Raum in der weiten Gedankenwelt ertrotzen zu müssen.
Schließlich löste sie ihren Blick davon und sah wieder hoch.
Deiner, Herr, bedürfen alle Deine Erwählten wie die Zweige der Reben, wie Luft und Auge des Lichts. Ohne die Rebe welken die Schossen, die Luft ist finster ohne Licht. Du bleibst, Herr, der Du bist, und bei Dir gibt es keine Veränderung. So finde ich es in Deinen Büchern gesagt – nämlich in Büchern, die von Deiner Gnade wahrhaftig verfasst wurden, wiederholte sie, ohne dass sie ein einziges Mal nach einem Wort ringen oder prüfend den Blick auf den Text senken musste, das Gelesene, welches der Mönch Gottschalk vor drei Jahrhunderten geschrieben hatte.
Kaum hörbar seufzte Irmingard auf, um jenen Laut sogleich zu verbergen, indem sie wieder hustete. Dann trat sie zurück, erneut bemüht, den Überdruss, der stets gemächlich trottete, nicht gegen laute Überraschung zu tauschen.
»Das ist Teufelswerk«, raunte sie dennoch heiser und sprach ein Wort aus, das Sophia noch niemals von ihren Lippen hatte kommen hören, denn es war satt an Aberglauben, und Schwester Irmingard lehrte stets, dass solcher Gottes Heilswillen nicht förderlich sei. »Das kann Teufelswerk sein«, verbesserte sie sich rasch und hob die Hand zum Mund und schluckte den bitteren Schleim, der ihr durch das Husten die Kehle hochgestiegen war. »Vielleicht nicht in meinen Augen – aber in denen der anderen. Du darfst mit niemandem darüber reden. Du musst es allen verschweigen, hörst du? Es mag sein, dass man dir vorwirft, eine Zauberin zu sein, und dies ist zu gefährlich ob deiner ...«
Das Plappern, das aus ihrem Mund ob seiner Fülle fast leichtfertig anmutete, riss ab.
»Ob meiner ... was?«, fragte Sophia aufgeregt. »Meiner Herkunft? Meint Ihr dieses?«
Schwester Irmingard verzog die Mundwinkel zum üblichen freudlosen Lächeln.
»Ich habe dich behandelt wie die anderen Mädchen deines Alters«, sprach sie nüchtern fort, »mag sein, dass man deinen Geist sorgsamer zu führen hat und zudem ausreichend zu füttern, auf dass er nicht auf dumme Gedanken kommt. Und dumm, das sage ich dir, wäre es, darüber zu sprechen: über deine Herkunft, die aus gutem Grund hier verschwiegen wird, und über diese ... Gabe.«
Mühsam war es, Material zum Schreiben herzustellen.
Wer im Skriptorium auf seine zukünftige Aufgabe vorbereitet wurde, musste auch das lernen – nämlich Häute von Kalb, Ziege und Schaf zu ziehen, hernach drei Tage in Kalkwasser zu legen und schließlich die Haut aufzuspannen. Mit einem Bimsstein wurde diese abgeschabt und getrocknet. Sophia hatte wenig handwerkliches Geschick – sie schimpfte, wenn das Ziegenpergament zu rau geriet, wenn auf der Schweinehaut störende Borsten verblieben und schließlich ihr Kalbspergament sich als zu glatt erwies, sodass die Tinte nicht haften blieb. Desgleichen verzweifelte sie, wenn ihr die Gänsefeder knickte, sobald sie die Spitze zuschneiden wollte, sie ekelte sich vor der Ochsengalle, die mit Ruß und Eiweiß und Wasser vermischt wurde, auf dass daraus Tinte werde.
Doch ähnlich, wie andere Brot zu backen lernen, weil es ihre tägliche Nahrung ist, setzte Sophia alle Kräfte daran, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um ihrer Leidenschaft zu frönen. Als sie erstmals nicht nur auf eine Wachstafel, sondern auf Pergament einen Text des Kirchenvaters Isidor von Sevilla schrieb, war sie so stolz, dass sie ihr einstiges Trachten vergaß, die großen Fragen ihres kleinen Lebens festzuhalten. Seltener als früher verspürte sie das Verlangen, sich Schwester Irmingards Gebot zu widersetzen und anderes aufzuschreiben, als es einer künftigen Kopistin oblag. Und jene wiederum wurde nicht müde, den kindlichen Geist mit allem aufzufüllen, was es in der Bibliothek abzuschreiben gab.
Darunter waren lateinische und griechische Texte von heidnischen Philosophen, auf dass beide Sprachen perfekt beherrscht wurden und sich in künftige Abschriften nicht lächerliche grammatikalische Fehler schlichen. Erst nachdem diese Übung abgeschlossen war, durfte sie sich an das reiche Material der großen Lehrer des Christentums machen, des Augustinus, Hippolytus oder Boëthius. Als sie deren Schriften schließlich kannte, folgte eine Fülle liturgischer Texte, die über Jahrhunderte bezeugten, dass es nur eine richtige Form gab, die Messe zu feiern, alles andere aber Häresie sein konnte oder Aberglaube.
Wenn Schwester Irmingard Sophia auftrug, jene Texte abzuschreiben (nie jedoch, sie mit eigenen Kommentaren zu versehen), so trachtete sie danach, das Mädchen mit den Wissenschaften zu sättigen, auf dass sich in ihrem Geiste nicht das eigene Leben drehe und wende – was gleichsam hieß, dass das Mädchen das Wichtige vom Unwichtigen zu scheiden lernte und vom Hochmut abließ, den die eigene Gabe bewirken könnte.
Ein einziges Mal geschah’s nur, dass sie sich fast verriet: Es war dies während des Mittagsmahles, als eine der Schwestern, die – indessen die anderen aßen – aus der Vita des Heiligen Eligius vortrug, sich verblätterte und plötzlich das Lesen nicht mehr fortzusetzen wusste. In die Stille hinein sprach Sophia so selbstverständlich die Sätze, die nun hätten folgen müssen, als läge vor ihr das Buch und nicht vor der aufgeregt blätternden Schwester. Doch ehe die erstaunten Blicke auf sie glitten und Fragen laut wurden, welche Bewandtnis es mit diesem Handeln hätte, hatte Irmingard das Mädchen schon mit einer flüchtigen Handbewegung zum Schweigen gebracht. Bald hatte die vortragende Schwester wieder die richtige Stelle gefunden, fuhr zu lesen fort und sorgte dafür, dass alle sich wieder ins Leben des Heiligen Eligius vertieften und sich niemand mehr um Sophia scherte.
Erst nach drei Jahren (Sophia ging damals ins zwölfte Lebensjahr) geschah es erneut, dass sie ihre Hoffart nicht zu zügeln wusste, ihre besondere Gabe vor allen anderen unter Beweis stellte, und aus diesem unnützen, sündigen Gebaren erwuchs eine nicht enden wollende Enttäuschung, die ihr das Leben auf Jahre vergällen sollte.
Es verhielt sich so, dass regelmäßig ein Priester im Kloster zu Gast war. Er kam aus dem Männerkloster in der Nachbarschaft und wurde Pater Immediatus genannt. Bei seinem Besuch stand saftiger Wildschweinbraten auf dem Tisch; hernach zog er sich mit der Mutter Äbtissin zurück, um über alle Belange des Klosters zu sprechen; und es war zur Sitte geworden, dass er noch später ins Skriptorium schritt, um mit wohlwollenden Blicken zu überprüfen, was denn die Kopistinnen – die bereits fertig ausgebildeten und die noch lernenden – trieben.
Manches Mal hatte er auch Sophia prüfend auf die Finger geschaut und ihre schönen Buchstaben gelobt, und als sie sich dieses Mal auf seinen Besuch vorbereitete, so brachte sie es nicht über sich, sich in die dunkle Ecke neben Dorothea zu hocken, sondern rückte unwillkürlich nach vorne auf, um ihre Fortschritte sichtbar zu bekunden.
Niemals hätte Schwester Irmingard solch Verhalten ungetadelt geduldet – doch jene, so wusste Sophia, war während des Besuchs stets an der Seite des Pater Immediatus und würde sich später bei dessen Gang durchs Skriptorium jedes Geschimpfe verkneifen.
Dorothea blickte verwirrt, war aber zu scheu, um sie zurück auf ihren angestammten Platz zu beordern. Sophia scherte sich um sie so wenig wie um die fragenden Blicke der anderen, reckte den Hals und griff zur Feder, auf dass – wie das Gebot der Äbtissin lautete – der Pater Immediatus sie mitten im regen Tageswerk vorfinden möge.
Noch ehe sie den ersten Buchstaben vollenden konnte, fiel jedoch ein Schatten auf ihr Pult, lang gezogen und eckig.
»Was treibst du an diesem Platz?«, zischte eine Stimme ungehalten. »Du gehörst zum Kreis der Schülerinnen! Scher dich von hier fort!« Die Stimme gehörte Schwester Mechthild, und jene hatte sich bislang durch ihren stetigen Hunger im Kloster bemerkbar gemacht, damit, dass sie die schwerfällige Griseldis bestach, gewiss jedoch nicht, indem sie sich im Skriptorium hervortat. Bis vor Kurzem hatte sie auch nicht zu den Auserwählten gezählt, die lesen und schreiben lernten. Allein nachdem ihr Vater dem Kloster eine reiche Schenkung übergeben hatte, wurde im Kapitel ausgemacht, dass Schwester Mechthild nicht länger die niedrigen Dienste im Stall versehen sollte, sondern auf eine höhere Aufgabe vorbereitet würde.
»Wüsst’ nicht, was dich das anginge, Schwester Mechthild«, trotzte Sophia jener, deren Buchstaben viel hässlicher waren als ihre und die beim Auswendiglernen oft kläglich scheiterte.
Mechthild ließ sich nicht einschüchtern. »Du solltest vermeiden, dich vorlaut zu gebärden«, gab sie barsch zurück. »Ich habe nicht vergessen, dass du mich seinerzeit beim Kapitel verraten hast. Nur allzu gerne würde ich der Mutter Äbtissin und Schwester Irmingard zutragen, dass du hier in einer der vorderen Bänke hockst, wiewohl dir das nicht gestattet ist. Du zählst zu den Novizinnen, nicht zu den Nonnen!«
»Dann klage mich eben vor allen anderen an! Traust du dich etwa? Oder witterst du nicht insgeheim, dass dieser Ort meiner würdig ist, deiner aber nicht? Ha! Geh lieber in den Schnee, Schweine schlachten!«
Das kantige Gesicht wurde tiefrot, als klebte das Blut von einst daran. Neugierig stießen sich die gleichaltrigen Novizinnen an, den Streit zu begaffen. An Zänkereien gab es viele im Kloster, meist aber heimlich ausgefochten, in den verschwiegenen, grauen Ecken der Säle, niemals an Stätten, wo das gesprochene Wort nicht geduldet war.
Dass sie vor anderen beschämt wurde, machte Mechthild noch wütender. Der Zorn übermannte sie wie sonst nur ihr Hunger.
»Du magst von Büchern mehr wissen als ich. Doch verstehe ich nicht, was dich so stolz darauf macht! Ich weiß nur allzu gut, dass hier nicht nur von den Kirchenvätern abgeschrieben wird, sondern auch von heidnischen Philosophen. Erst gestern ward mir selbst ein Text vorgelegt, welcher vom ungetauften Porphyrius stammt. Und so will ich’s klar bekunden: Fast wär’s mir lieber, aus den Gedärmen von Tierkadavern Wurst zu machen, als mich in Gottlosigkeit zu vergehen.«
Ihre Stimme störte nun auch die Kopistinnen in der ersten Reihe, die dem Nachwuchs selten Beachtung zollten. Manch eine gab ein Zischen von sich, das den Mädchen anzeigen sollte zu schweigen.
Das tat Sophia nicht.
»Was verstehst du schon, wovon in den Büchern geschrieben steht, wenn dein einziges Trachten doch gilt, dir den Magen vollzustopfen?«, höhnte sie.
»Das Buch des Herrn soll mir genügen«, gab Mechthild zurück. »Und darin heißt’s: Zu viele Gedanken trennen von Gott.«
»Falsch zitiert. Verkehrte Gedanken trennen von Gott steht dort geschrieben. Und in gleichem Kapitel: Gott hält die Weisen auf dem rechten Weg.«
»Ha!«, lachte Mechthild mit einer Stimme, so dürr und kantig wie der Körper. »Wir streben die Gottesschau an, nicht die Weisheit, wie sie in Büchern steht. Auch ein gelehrter Kirchenvater wie Augustinus sagte, dass es ... dass es genüge ... von Gott zu wissen ...«
»Suchst du etwa nach dem richtigen Zitat?«, übertönte Sophia das lauter werdende Zischen der gestörten Nonnen. »Ich kann dir gerne helfen. Augustinus schreibt: Wer Dich, o Herr, kennt, ist glücklich, wenn er auch von allem anderen nichts weiß. Und wer beides kennt, Dich und das andere, wird von diesem nicht glücklicher als von Dir allein.«
Mechthild stampfte auf, was die lauschende und gaffende Dorothea noch mehr erschreckte als die lauten Stimmen der Streitenden. Jede Regung, die Lärm bewirkte, war strikt verboten. »Genau das meine ich! Die Weisheit der Welt ist Torheit vor Gott! Und Gleicher schrieb: Neque ... enim ... quaera ... quaeri ...«
»Neque enim quaero intellegere, ut credam, sed credo, ut intellegam«, fiel Sophia ihr spöttisch ins Wort. »Hast du schon Mühe, den Satz auszusprechen, wirst du ihn noch viel weniger übersetzen können. Nun gut, ich helfe dir gerne: Ich will nicht erkennen, um zu glauben, sondern glauben, um zu erkennen.«
Mechthild ignorierte den Spott und sprach eifrig weiter, um alsbald wieder zu stocken: »Und es gibt auch einen anderen Kirchenvater – Herrn ... Herrn ...«
»Du meinst Hermias«, spottete Sophia. »Welcher schreibt – lass mich deinem müden Gedächtnis helfen: Pythagoras misst die Welt in Zahlen! Ich aber lasse Haus und Vaterland, Weib und Kind im Stich – berührt vom göttlichen Hauche – und kümmere mich nicht mehr um diese Welt.«
»Eben recht!«, rief Mechthild, und ihr roter Zorn färbte sich noch dunkler.
»Vergiss nicht Tertullian«, fuhr Sophia fort und gewahrte befriedigt, dass nun die andere nichts mehr sagte, sondern verbockt schwieg.
»Ich sehe, du hast ihn vergessen. Ich zitiere gerne auch aus seiner Schrift: Der Herr ist in der Einfalt des Herzens zu suchen. Wir haben nach Jesus Christus die Neugierde nicht mehr nötig. Credo quia absurdum est – der Glaube kommt vor der Wissenschaft.«
Alle schreibenden Nonnen hatten sich mittlerweile umgedreht, um zu beobachten, wie Mechthild weiterhin schwieg, Sophia sich aber stolz und selbstbewusst aufrichtete.
»Davon hast du noch nichts gehört? Nichts gelesen? Also weiter – Tatian: Gegen die Griechen schreibt er, dass Christus uns gebot zu glauben, nicht zu wissen. Also bedürfen wir nicht der Wissenschaft!«
Belehrend gestikulierte sie mit den Händen. Als sie obendrein den Zeigefinger erhob, fand Mechthild die Sprache wieder. »Du wagst es, die großen Gelehrten zu zitieren, einzig um mich zu beschämen?«
»Ha!«, lachte Sophia und sprach hitzig in einem fort. »Du hast diesen Disput begonnen. Ich helfe dir nur, deine Meinung zu belegen. Gar freilich, so muss ich hinzufügen, kann ich nicht nur jeden einzelnen Satz wiedergeben, den die Genannten geschrieben haben, sondern auch Titus Flavius Clemens, welcher meint, dass die Philosophie dabei hilft, vom Glauben zur wahren Erkenntnis zu kommen. Minucius Felix erklärt in seinem Dialog Octavian, dass der christliche Glaube und die Philosophie nicht weit auseinanderlägen. Und wenn Justinus sagt, die Philosophen hätten einen Teil des Logos erkannt, nur die Christen aber besäßen den ganzen, so frage ich mich: Wenn Christus der Logos ist – ist dieser denn teilbar? Wenn die heidnischen Philosophen von ihm einen Teil besitzen – gehört ihnen dann die Hand, mit der er aufs Kreuz genagelt wurde, die Dornenkrone oder das Herz?«
Ihre Augen waren starr in das Skriptorium gerichtet, indessen sie sprach, aber sie sahen längst nichts mehr – weder die aufgeregten Nonnen noch die wütende Mechthild. Nach innen war ihr Blick gerichtet, um dort ohne Mühe in den vielen Büchern und Abschriften zu kramen und daraus die Sätze zu ziehen, mit denen sie ihre Rede spann. Sie las aus dem Gedächtnis vor. Sie stützte jedes Wort auf Buchstaben. Erst als sie innehielt, gewahrte sie, dass die Welt aus mehr bestand als dem geschriebenen Wort.
Noch während sie zitierte, hatten Pater Immediatus, die Mutter Äbtissin und Schwester Irmingard das Skriptorium betreten. Der Hals der Äbtissin war steif wie immer, und der Blick, der Sophia folgte, darum langsam. Umso entsetzter geriet Irmingards Miene. Schon wollte sie vortreten, das vorlaute Mädchen zu schelten.
Ehe sie es vermochte, setzte der Pater Immediatus nachdenklich zu reden an.
»Du bist klug und belesen, Mädchen.«
Sophia wähnte sich größer und größer wachsen. Zu eng und klein schien ihr der Raum, wo sie stand. Die Grenzen ihrer Welt, die aus der Schrift bestanden, waren viel weiter gesteckt.
»Wie kommt es, dass sie all das weiß?«, lotste Mechthilds Stimme sie freilich schon zurück auf einen schmalen Pfad. »Sie mag ihr Leben im Kloster verbracht haben, doch dieses Leben währt bislang nur zwölf Jahre – wie kann sie in dieser kurzen Zeit alles erlernt haben, was sie eben nannte?«
Unmerklich schüttelte Schwester Irmingard den Kopf. Sophia sah sie nicht.
»Du dumme Gans!«, höhnte sie. »Ich begreife und lerne viel schneller, als jemals einer von euch es könnte! Ich muss nicht mühsam wiederholen! Ich spreche nicht nur die Psalmen auswendig und die Evangelien, die wir stets aufs Neue hören – nein, alles, was ich jemals gelesen habe, bleibt in meinem Kopf auf immer. Gebt mir eine Zeile zu sehen, und ich kann sie in alle Ewigkeiten wiederholen! Reicht mir ein Buch, und ich muss es nur einmal lesen, um für immer seinen Inhalt zu kennen! Ich habe ein Talent wie keine von euch – und es wird mich nicht nur zur dummen Kopistin machen, sondern zu einer großen Gelehrten, vielleicht der größten Gelehrten, die es jemals gab.«
Die Zornesröte floh aus Mechthilds Gesicht. Ein triumphierendes Lächeln erschien auf ihren bleichen Wangen.
»Das ist Teufelswerk«, urteilte sie zufrieden. »Das ist Teufelswerk. Und ob deiner Herkunft mag man auch nichts anderes erwarten, als dass du mit Satan im Bunde stehst. So eine wie dich sollte man schnellstens aus dem Kloster jagen, auf dass der Widersacher nicht auch noch nach unseren Seelen zu gieren beginnt und sie vergiftet.«
Der Schlaf von Roesia war gesegnet.
Selbst wenn sie Schreckliches erlebt (und das war in ihrem fünf Jahrzehnte währenden Leben oft geschehen), jagten sie nächtens keine dunklen Träume oder bedrohlichen Gestalten. Vielmehr konnte sie sich in eine Finsternis flüchten, die ihr gnädig war, still und ereignislos.
Nein, sie fürchtete die Nacht nicht.
Unangenehmes wie ihre drei Hochzeiten und die vielen Todesfälle, die ihren Lebensweg säumten, hatte sich zudem stets am helllichten Tag ereignet. In der ersten Hochzeitsnacht hatte die sommerliche Sonne noch durch die Balken geschienen, als sich der scheue Gatte, der mit seinen vierzehn Jahren nur wenig älter war als sie, über Stunden abmühte, in sie einzudringen. Er schwitzte entsetzlich und legte mehrmals Pausen ein, um seinen schnaufenden Atem und aufgeregten Herzschlag zu beruhigen. Sie selbst strafte ihn mit geschlossenen Augen und einem steifen Körper, und während von ihm der Schweiß perlte, blieben ihre Glieder trocken wie die Scham.
In späteren Ehejahren (derer es nicht viele gab, denn der Gatte wurde ermordet, noch ehe er zwanzig war) fiel es ihm leichter, seinen Samen in sie zu vergießen – sie aber bewahrte sich die Gabe, den Leib sich selbst zu überlassen und sich in ihre Gedanken fortzustehlen: in eine unberührte und einsame Welt, die der nutzlosen Weite von unfruchtbaren Feldern glich.
Die zwei Ehemänner, die dem ersten folgten (dem einen gab man sie, um die Feindschaft der Normandie mit Frankreich zu bekräftigen, dem zweiten, um die brüchige Unterwerfung zu besiegeln), waren niemals dorthin vorgedrungen – desgleichen nicht ihr Sterben noch die Geburt ihrer sechs Kinder (zwei von jedem Mann), noch deren Tod, der jeweils rasch auf die Geburt erfolgte.
Erst als sie zum dritten Mal Witwe geworden war, zeigte sich, dass sich hinter ihrem ausdruckslosen, gleichmütigen Blick etwas regte. Sie sei zu alt und ihr Leib zu verbraucht und schlaff, um noch einmal den Bund der Ehe zu schließen, erklärte sie mit großer Entschiedenheit. Sollten doch forthin die jüngeren Schwestern für die Politik des ehrgeizigen normannischen Onkels bürgen, sie aber wolle in ein Kloster eintreten oder in ein Damenstift, auf dass die Ruhe der sie umgebenden Welt ihrer inneren entspräche.
Sie war damit durchgekommen, vielleicht, weil alle heiratsfähigen Männer gegen die Ketzer im Süden kämpften, vielleicht, weil die Zugehörigkeit der Normandie zu Frankreich nicht länger strittig war, vielleicht auch, weil sie sich so unauffällig verhalten hatte, wann immer sie auf die Hürden des Lebens gestoßen war, dass dieses schlichtweg nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.
Fortan waren die Tage so unbeschwert und lautlos wie die Nächte.
Nur heute, in jener Stunde, zwischen Nachtgottesdienst und Morgenlob, da ihr hohes Amt ihr noch ein wenig Schlaf erlaubte, manch andere Schwester aber dem Tagwerk nachgehen musste, verhielt es sich anders. Zunächst schlich sich nur Raunen in ihren tiefen Schlaf, dann Klopfen, schließlich hartnäckiges Schreien. Das allein hätte sie nicht wecken können – wohl aber, was die aufgeregten Stimmen verhießen. Jene fielen sich gegenseitig ins Wort, suchten sich zu übertönen und gerieten solcherart zu einem Chor, der nur einem Ziel galt: eine schreckliche Neuigkeit zu überbringen.
Roesia richtete sich auf. Die Augen hatten sich noch nicht an das Dunkel gewöhnt, jedoch ihre Ohren aus den aufgeregten Stimmen einen Namen herausgehört.
Sophia.
Es war von Sophia die Rede.
Sophia, der alle stets mit Scheu begegnet waren, weil sie sich so unnahbar gegeben hatte. Sophia, die stets zum Tuscheln und Mutmaßen verleitet hatte, weil sie nie bereit gewesen war, über den Inhalt ihrer Chronik zu sprechen, an der sie fortwährend schrieb. Sophia schließlich, der viele trotz allem den allergrößten Respekt entgegengebracht hatten, weil sie jedwede Frage – betraf diese nun einen großen Theologen, eine Stelle aus den Annalen oder eine heilende Rezeptur – ohne Umschweife richtig beantworten konnte.
»Wie kann ein einziger Mensch den Inhalt so vieler Bücher und Schriften im Kopf behalten?«, hatte man sich oft gefragt – und nie hatte es darauf eine rechte Antwort geben wollen, nur andächtiges Schweigen und verwirrtes Schulterzucken.
Roesia fühlte ihr Herz pochen und Schweiß auf ihre Stirn treten und ahnte sogleich, was die Störung verhieß: Man hatte die Verschollene gefunden. Man hatte sie irgendwo als Tote entdeckt.
Ihre Aufregung ließ sich dem beruhigenden Atem nicht unterwerfen. Sie erhob sich, tastete sich im Dunkeln bis zur Türe vor, hoffte, dass sie den anderen würdevoll entgegentreten konnte – sowie man es von ihr gewohnt war und erwartete.
Als sie die Türe zu ihrer Zelle öffnete, wich sie jedoch zurück, nicht vor den Stimmen, aber vor dem Licht der Kerzen, das ihr grell in die Augen leuchtete.
Halb blind vernahm sie mehr, als ihr zu hören lieb war. Nicht nur von Sophias Tod war hier die Rede. Indessen die einen wild durcheinandersprachen und manche Vermutung anstellten – wer die Chronistin in jene Kammer gesperrt hätte oder ob an ihrem Tod die geheimen Schriften schuld wären, denen sie zuletzt alle Lebenszeit geweiht hatte –, tönte eine Stimme klar und deutlich hervor, um das eigentliche Schrecknis zu benennen:
»Die Krankenschwester hat Sophias Leichnam bereits untersucht«, erklärte sie an Roesia gewandt. »So gut erhalten wie ihre Kleider und Glieder ist der Strick, der ihr um den Hals gelegt und mit dem sie erdrosselt wurde.«
Von den Wänden des Skriptoriums hallte Gemurmel. Unfassbar deuchte die Kopistinnen Mechthilds Vorwurf – unfassbar und auch ein wenig furchterregend. Konnte man von dem frechen, vorlauten Mädchen tatsächlich glauben, es stünde mit dem Teufel im Bunde und hätte von jenem eine außergewöhnliche Gabe geschenkt bekommen? War es denn nicht schon früher aufgefallen, weil es alles schneller lernte: das Schreiben und Lesen, das Lateinische und Griechische, die Schriften der heidnischen Philosophen und der Kirchenlehrer?
Bis auf den Tag, da sie beim Mittagessen auswendig aus der Vita des heiligen Eligius zitieren konnte, hatte sich Sophia niemals sonderlich damit hervorgetan. Heute freilich hatte sie sich ganz unbescheiden in den Vordergrund gespielt, das Gebot missachtend, wonach vor allem die Jüngeren unter ihnen nur sprechen durften, wenn sie ausdrücklich gefragt wurden. War das bereits Teufelswerk?
Als der Pater Immediatus die Hand hob, erstarb das Gemurmel, doch die Stille war hungrig wie Mechthild. Fordernd verlangte sie nach einem Wort der Klärung oder der endgültigen Verurteilung.
Sophia dachte gar nicht daran, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, wonach sie mit dem Teufel im Bund stünde. Sie wähnte sich des Schutzes sicher, den ihr der Pater Immediatus gegen die lästernde Zunge einer Neiderin gewiss gewährte. Bekräftigen würde er, dass ihr ein besonderer Platz im Skriptorium zustünde und dass ihr weitläufiger, fruchtbringender Geist nicht nur an dessen Rändern beackert werden sollte.
Der Pater aber schwieg, desgleichen Irmingard, deren einzige Regung blieb, nach Atem zu ringen und jenen nicht lauten, aber beschwerlichen Husten auszustoßen, der sie ihr Lebtag lang quälte. Die Mutter Äbtissin war die Einzige, die schließlich sprach – nicht zu den beiden Streitenden, sondern zu den schreibenden Nonnen, die ihr Tagwerk unterbrochen hatten und mit offenen Mündern und gebannten Blicken das Geschehen bezeugten.
»Nicht Faulheit noch Müßigkeit noch Schwatzsucht sollen in diesem Kloster Einzug halten«, mahnte sie, und ohne dass sie einen Befehl hinzufügte, verstand man ihre Worte und neigte sich über die Arbeit, vielleicht auch erleichtert über die Unauffälligkeit, in die sich alle außer Mechthild und Sophia flüchten konnten.
»Du, Schwester Mechthild«, fuhr die Äbtissin fort, »wirst an diesem Ort zwar des Lesens unterrichtet, aber hast noch kein sonderliches Talent darin bewiesen. Wirst du künftig nicht willens sein, an diesem Ort der Stille den Mund zu halten, so bleibt mir nichts weiter übrig, als mich auf den Fleiß deiner Hände zu besinnen. Denk nicht, es stimmt mich dir milder, dass du in wenigen Monaten deine Ewigen Gelübde ablegst. Eine gute Nonne gebärdet sich nicht, wie du es eben tatest.«
Das knöchrige Gesicht war bleich geblieben. Scheinbar gleichmütig nahm Mechthild das Urteil auf, bereit, jede Zurechtweisung zu ertragen, wenn Sophia eine noch härtere erfahren würde – und dies war gewiss, nun, da sie die Letzte war, an die sich die Mutter Äbtissin richtete.
»Ragnhild«, begann jene eben, »ja, ich sage Ragnhild, denn das ist dein richtiger Name, ganz gleich, wie manche dich hier scherzhaft nennen und in welchen Hochmut du dich darob verstiegen hast. Ragnhild also ...«
Sie machte eine Pause, nicht bedingt durch die Langsamkeit ihres Sprechens, das den zähen Gebärden des steifen Nackens folgte, sondern weil sie jäh vom Pater Immediatus aufgehalten ward.
Sein Blick war zaudernd gesenkt, seine Stimme jedoch fest, als er die Äbtissin bat, an ihrer Stelle sprechen zu dürfen. Neugierig reckten sich die schreibenden Nonnen. Solch Anliegen war gänzlich ungewohnt.
»Ich will«, sprach er, »ich will vorschlagen, ganz allein mit dem Mädchen eine Unterredung zu halten. Ein geistlicher Führer tut hier Not, der mehr ausspricht als nur kurze Mahnung ...«
Er drehte sich fort, noch ehe Widerspruch einsetzen konnte, und forderte Sophia mit einer lockenden Handbewegung auf, es ihm gleichzutun. Gern ging sie mit ihm. Gern wollte sie sich auch belehren lassen, dass ihre Gabe nicht dem Hochmut dienen und sie sie anders nähren sollte als im wütenden Gekläff mit einer tumben Mechthild. Am wichtigsten war, dass er sie stärkte, ihre Gabe zu nutzen, und lobte, dass sie so weit darin gediehen war, das Wichtige vom Unwichtigen zu scheiden. Denn nicht mit zänkischen Worten hatte sie Mechthild bezwungen, sondern mit Gelehrsamkeit.
Kaum aber waren sie draußen im Gang angelangt, so waren es keine flüsternden Worte, die sie trafen. Unwirsch hob Pater Immediatus die Hand, ließ sie hinabsausen und versetzte ihr eine laut klatschende Ohrfeige. Ihr Blick verdunkelte sich kurz. Sie hatte nicht bemerkt, ob des Schlags gefallen zu sein, aber als sie mit schmerzendem Gesicht die Augen wieder öffnete, hockte sie an die kalte, raue Wand geschleudert.
»Captivitatem redigentes omnem intellectum in obsequium Christi«, belehrte der Pater streng. »Die Vernunft befindet sich in der Gefangenschaft Christi. Um dies zu lernen, wär’s besser für dich, die Fußböden zu scheuern und frische Binsen auszulegen, anstatt bei Büchern zu hocken.«
»Mein Vater!«, nutzte Sophia mit brummendem Schädel die Anrede, die alle hier an ihn richteten. »Nichts anderes tue ich, als dem Talent zu folgen, das mir Gott selbst gegeben hat!«
»Und wenn’s der Teufel war?«, antwortete er, und jetzt erst hörte sie, dass er nicht nur ungeduldig und streng klang, sondern verzweifelt. Sie blickte nicht in das gütige Gesicht, das er bei seinen bisherigen Besuchen gezeigt hatte, da sie sich stets sicher wähnte, mehr Beachtung zu erfahren als die anderen. Aufgerieben waren vielmehr die faltigen Züge von Ängsten, die nicht allein ihr Streit mit Mechthild bewirkt haben konnte.
»Was ...«, setzte sie an, »was ...«
»Hör zu, kleine Sophia«, unterbrach er sie milder, »du hast gehört, was Schwester Mechthild sagte. Nicht deine Gabe allein ist es, die ängstigt, sondern weil sie einer geschenkt wurde, um deren Vaters Geschick man weiß.«
Die letzten Jahre hatte sie ihre Fragen niemals wieder aufgeschrieben und gelesen – Irmingards Weisung befolgend, dass ihre kindlichen Nöte nichts galten, jedoch alles die Wissenschaften, welche die Wahrheiten des Glaubens mit der Ratio belegten.
»Wer ist mein Vater?«, brach es jetzt aus ihr hervor. »Warum spricht man in rätselhaften Sätzen über ihn, ohne mir jemals die Wahrheit zu sagen? Sagt es mir, oh bitte, sagt es mir! Ihr wisst es doch!«
Er trat zögernd zu ihr her, reichte ihr die Hand, damit sie aufstehen konnte. Sie überlegte kurz, sie auszuschlagen und ihm mit Trotz ein Geständnis zu entlocken, doch dachte sie dann, dass er nur reden würde, erwies sie sich als vernünftig. Nachdem sie sich erhoben hatte, beugte er sich nieder, sodass sie auf gleicher Augenhöhe standen. Den traurigen Blick nicht von ihrem abwendend, setzte er zu sprechen an.
»Es scheint, dass du nicht wie die anderen bist, kleine Sophia, und Gleiches ließ sich von deinem Vater sagen. Es deuchte allen, er sei von Gott zu Besonderem ausgewählt. Doch vernichtend war sein Sturz nach hohem Aufstieg. Folg ihm nicht nach!«
»Wohin?«, fragte sie heiser. »Wohin?«
»Such den anderen zu gleichen. Trachte nicht danach, dich abzuheben. Wähle die niederen Dienste.«
»Werdet Ihr mir erzählen, wer mein Vater war?«
»Du bist zu jung, es zu ertragen. Einstweilen aber füge dich dem Befehl, dich zu bescheiden.«
Während seiner Worte hatte sie die schmerzende Wange nicht gefühlt, jetzt wähnte sie jeden seiner Finger einzeln darauf brennen – so schmerzhaft wie tief drinnen die Enttäuschung.
»Aber ich darf doch weiter im Skriptorium lernen, nicht wahr?«, fragte sie heiser. »Das Schreiben ist mein Leben! Ich schwör’s, ich werde meine Hoffart schon bezwingen – und künftig wie bisher das Wichtige vom Unwichtigen ...«
»Halt ein!«, unterbrach er sie harsch, und dann sprach er ein Urteil aus, von dem sie meinte, es würde sie töten. »Du darfst nicht wie dein Vater werden, Ragnhild. Du wirst das Skriptorium die nächsten Jahre nicht betreten.«
Sein Blick schweifte ab, und erst als er sie nicht mehr musterte, ließen seine Verzweiflung und sein Missmut nach.
»Aber was soll ich stattdessen tun in diesem Kloster?«, schluchzte Sophia und konnte ihre Tränen nicht verbergen.
Die Nonne war schwanger.
Dies zumindest war, was sie glaubte, was sie vor der Krankenschwester und Sophia bekundete und was schließlich selbst ihr Körper zu verraten schien: Sie erbrach morgens das Essen, die Brüste und die Beine waren geschwollen, und ihr Bauch wölbte sich mehr und mehr, als würden darin die rauen Fäden vom Flachs zu einem stetig wachsenden Wollknäuel gesponnen.
Sophia beobachtete steif, wie die Schwester Cordelis den runden Leib abtastete.
Seit drei Jahren tat sie nun schon Dienst in der Krankenstube – vom Pater Immediatus und der Mutter Äbtissin dorthin verbannt. Noch lieber hätten die beiden das Mädchen zur Gehilfin der Cellerarin gemacht, doch Schwester Irmingard hatte sie davor errettet und auf das enorme Merkvermögen des Mädchens verwiesen. Im Erlernen komplizierter Rezepturen wäre es hier gewiss nützlich und würde zugleich weit weniger unangenehm auffallen als im fortan verbotenen Skriptorium.
Sophia dankte Irmingard nicht. Zwar vermisste sie jene – aber noch mehr fehlte ihr das Schreiben. Einzig wenn sie sich in medizinische Bücher vertiefte, begegnete ihr die Schrift, doch häufiger noch, als dass sie Lehren über den menschlichen Leib in ihrem Gedächtnis sammeln durfte, musste sie jenen berühren. Das machte sie ekeln.
Nicht selten geschah’s, dass Nonnen kamen, die sich schwanger wähnten. Vielen begegnete in der Nacht der Herr Jesus Christus, den sie vor dem Altar zum Gatten genommen hatten und dieses mit den Worten Ich liebe Christus, in dessen Bett ich eingestiegen bin bekräftigt hatten. Schwester Cordelis, die Sophia anleitete, musste dann die geschilderten Symptome mit Tasten und Berühren überprüfen, und oft überließ sie beides Sophia, auf dass jene zum Urteil kam, wonach die Nonne nur im Geiste ein Kind trug, nicht in Wirklichkeit.
Andere glaubten sich von Christus in der Gestalt des kleinen Kindes besucht, das vom jungfräulichen Leib geboren worden war und das heftig und schmerzhaft und lustvoll an den Brüsten trank. Schwester Cordelis und Sophia bekamen dann wunde, gerötete Warzen zu sehen und mussten diese pflegen.
Und wiederum andere meinten, dass ihnen der Gekreuzigte die Stigmata eingedrückt hätte. Dann bluteten ihre Handflächen und wurden von den anderen so lange ehrfürchtig begafft, bis Schwester Cordelis die entzündete Stelle mit Mixturen aus Hirschtalg, Kampfer und Rindermark heilte.
Eben erzählte die Nonne, die heute zu ihnen gekommen war und glaubte, vom Heiland empfangen zu haben, dass jener – aus strahlend blauen Augen starrend, wiewohl an der Stirn von der Dornenkrone blutend – ihren ganzen Leib mit Küssen bedeckt hätte. Selbst ihre Scham hätte er mit weichen Lippen nicht ausgespart; noch am nächsten Morgen sei sie nass gewesen – und gewiss mochte jene Feuchtigkeit nichts anderes als heiliger Samen sein.
Schwester Cordelis verzog ihre Miene nicht.
»Dies mag alles sein«, murmelte sie nüchtern, »aber schwanger bist du nicht. Es verhält sich vielmehr so, dass es vier Körpersäfte gibt, Blut und Schleim und gelbe Galle und schwarze Galle – wie an Jahreszeiten und an Elementen und an Qualitäten stets derer vier vorhanden sind. In deinem Körper scheint mir das Heiße und Nasse zu überwiegen und das Kalte und Trockene verjagt zu haben. Was denkst du, Sophia – wie sollen wir sie behandeln?«
Das Mädchen flüsterte, damit die Kranke sie nicht hören konnte. Sie hatte gelernt, dass es manche Leidenden erschreckte, wurde die Art der Heilung vor ihr besprochen.
»Man könnte die Kauterisation anwenden, eine heiße Nadel in den Körper stechen und die übermäßig vorhandenen Säfte absaugen.«