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Ein farbenprächtiger historischer Roman über die geheime Heilkunst des Mittelalters
Die Provence im 14. Jahrhundert: Die junge Alaïs träumt davon, den kleinen Küstenort Sainte-Marthe endlich hinter sich zu lassen. Als der bekannte Wanderchirurg Aurel Astard dort haltmacht, beschließt sie, getrieben von Abenteuerlust und Freiheitsdrang, als seine Gehilfin mit ihm zu gehen. Autard, berüchtigt für seine unkonventionellen Forschungsmethoden, hat es sich zum Ziel gesetzt, die Chirurgie zu revolutionieren und der bedeutendste Medicus Europas zu werden. Sie begegnen Kaufleuten und Entdeckern, Huren und Königen, müssen mit politischen Intrigen und Giftmischern fertig werden, mit streitsüchtigen Quacksalbern und kriegerischen Sarazenen. Autard ist so sehr von seinem Drang nach Ruhm erfüllt, dass er nicht sieht, wie bedingungslos Alaïs ihn liebt und welche Opfer sie für ihn bringt. Doch dann stellt das Schicksal sie beide vor die größte Herausforderung ihres Lebens: die Pest ...
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Seitenzahl: 955
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Erster Teil Die Toten von Saint-Marthe
Frühjahr 1321
I. Kapitel
II. Kapitel
III. Kapitel
IV. Kapitel
V. Kapitel
VI. Kapitel
VII. Kapitel
Zweiter Teil Wanderschaft
Frühjahr 1321
VIII. Kapitel
IX. Kapitel
X. Kapitel
XI. Kapitel
XII. Kapitel
Dritter Teil Avignon
Sommer und Herbst 1321
XIII. Kapitel
XIV. Kapitel
XV. Kapitel
XVI. Kapitel
XVII. Kapitel
Vierter Teil Intrigen
Sommer 1323
XVIII. Kapitel
XIX. Kapitel
XX. Kapitel
XXI. Kapitel
XXII. Kapitel
XXIII. Kapitel
Fünfter Teil Die Insel hinter dem Horizont
Frühjahr 1328
XXIV. Kapitel
XXV. Kapitel
XXVI. Kapitel
XXVII. Kapitel
XXVIII. Kapitel
XXIX. Kapitel
XXX. Kapitel
Sechster Teil Die Chirurgin
Sommer 1328
XXXI. Kapitel
XXXII. Kapitel
XXXIII. Kapitel
XXXIV. Kapitel
XXXV. Kapitel
XXXVI. Kapitel
Siebter Teil Pest
Frühjahr 1348
XXXVII. Kapitel
XXXVIII. Kapitel
XXXIX. Kapitel
XL. Kapitel
XLI. Kapitel
XLII. Kapitel
Zeittafel
Personenverzeichnis
Berühmte antike und mittelalterliche Mediziner, die im Roman Erwähnung finden
Historische Anmerkung
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Die Provence im 14. Jahrhundert: Die junge Alaïs träumt davon, den kleinen Küstenort Sainte-Marthe endlich hinter sich zu lassen. Als der bekannte Wanderchirurg Aurel Astard dort haltmacht, beschließt sie, getrieben von Abenteuerlust und Freiheitsdrang, als seine Gehilfin mit ihm zu gehen. Astard, berüchtigt für seine unkonventionellen Forschungsmethoden, hat es sich zum Ziel gesetzt, die Chirurgie zu revolutionieren und der bedeutendste Medicus Europas zu werden. Sie begegnen Kaufleuten und Entdeckern, Huren und Königen, müssen mit politischen Intrigen und Giftmischern fertig werden, mit streitsüchtigen Quacksalbern und kriegerischen Sarazenen. Autard ist so sehr von seinem Drang nach Ruhm erfüllt, dass er nicht sieht, wie bedingungslos Alaïs ihn liebt und welche Opfer sie für ihn bringt. Doch dann stellt das Schicksal sie beide vor die größte Herausforderung ihres Lebens: die Pest ...
Julia Kröhn
Die Gefährtin des Medicus
Historischer Roman
»Die Natur ist wie ein Violinspieler,
dessen Musik den Tänzer führt und ihm den Rhythmus vorgibt.
Wir Ärzte und Chirurgen sind die Tänzer;
wir müssen Schritt halten, wenn die Natur Violine spielt.«
Henri de Mondeville
Chirurg des 14. Jahrhunderts
Alaïs hoffte, dass Louise bald sterben würde.
Nicht, dass sie ihr den Tod wünschte. Wäre es nach ihr gegangen, hätte Louise gerne weiterleben können: in jener verdreckten Fischerkate, die die anderen Frauen des Dorfs nur mit gerümpfter Nase betraten, weil Louise keine Ordnung zu halten wusste. Mit jener Schar Kinder, die entweder verschorft, verrotzt oder verlaust waren, in jedem Fall aber ständig plärrten. Mit ihrem maulfaulen Gatten, der mit seinen Fischen redete, jedoch nie mit seinem Weib. Nun, Worte hatte es keiner bedurft, um ein neues Menschenkind zu zeugen – und ein solches wand sich nun im Leib der armen Louise, die vergebens versuchte, es irgendwie herauszupressen, und deren Kräfte sichtlich schwanden. Alaïs war sich sicher, dass Louise nach diesen langen Stunden der Qual ebenso dachte: Lieber ein schneller Tod als ein langsames Warten darauf.
Dass sich Louise unmenschlich quälen musste, immer schwächer wurde und schließlich halb ohnmächtig verstummte, anstatt das Balg endlich zur Welt zu bringen, tat Alaïs durchaus leid. Noch bedauerlicher fand sie freilich, dass sie selbst in der blut- und schweißerfüllten Luft ausharren musste, um ihrer Mutter Caterina zur Hand zu gehen. Diese stand der Gebärenden als Hebamme bei und war der Meinung, es sei für ein junges Mädchen hilfreich, beizeiten mehr über die Prozedur einer Geburt zu erfahren, mochte die Tochter auch – leider vergebens – entgegenhalten, dass sie am liebsten so wenig wie nur irgend möglich darüber wüsste.
So musste sie stehen, bis ihr Kopf sich wie leer anfühlte, musste Leinentücher reichen, um das Blut zwischen Louises Schenkeln damit abzuwischen – hinterher klebte es unangenehm zwischen den eigenen Fingern –, und musste dann und wann frisches Wasser holen. Damit wurde Louises verschwitzte Stirn gekühlt und ein übel riechender Kräutersud über der offenen Feuerstelle gebraut. Jedes Mal, wenn diese Pflicht sie von der Qual befreite, im engen Raum zu sein, blieb Alaïs länger draußen am Brunnen stehen als nötig. Und jedes Mal rief ihre Mutter streng, sie solle sich nicht faul stellen und Zeit vertrödeln, es gehe schließlich um Louises Leben.
Alaïs war sich freilich sicher, dass Louises Leben nicht in ihren Händen lag, genauso wie ihre Mutter schließlich nichts mehr auszurichten vermochte, um ihr zu helfen. Das sah sie an deren gerunzelter Stirn. Und die anderen Weiber des Dorfs, die sich neugierig und sensationsheischend in Louises Wochenstube zusammengerottet hatten, waren ebenso unfähig, die Qualen zu mindern.
Alaïs verstand nicht, warum sie freiwillig blieben. Während sie anfangs noch beseelt zur heiligen Margaretha gebetet hatten, die gebärenden Weibern beistand, redeten sie nun so abfällig über die leise stöhnende Louise, als wäre sie schon tot.
»Wahrscheinlich ist sie selbst schuld«, meinte Régine. »Schwangere sollen keine sauren, bitteren oder stark gewürzten Speisen zu sich nehmen, nur lang Gekochtes und Suppen. Auch Kälte schadet ihnen.«
»Was weißt du schon, was sie gegessen hat?«, fuhr Alaïs’ Mutter sie an.
»Sicher nichts Anständiges!«, kam Ursanne Régine zur Hilfe. »Louises Mann ist ein Taugenichts, und jeder weiß, dass er die Fische fängt, die die meisten Gräten und das wenigste Fleisch haben.«
»Das ist aber doch nicht ihre Schuld!«
»Ach, Caterina!«, rief Régine und wischte sich den Schweiß von der eigenen Stirn. Bis eben noch war sie bestrebt gewesen, Gleiches bei Louise zu tun, doch das schien ihr mittlerweile eine verlorene Liebesmüh. Ein Zeichen, dass es zu Ende geht, dachte Alaïs und lauschte auf Louises röchelnden Atem, um nicht zu verpassen, wann diese endlich den letzten Zug genommen hatte.
»Ach, Caterina!«, wiederholte Régine. »Wäre sie klug gewesen, hätte sie sich dieses Kind gar nicht erst machen lassen!«
»Ja, glaubst du denn, Remi hat sie vorher gefragt, ob er sich auf sie legen darf?«
Das hatte er gewiss nicht getan, wo doch jeder wusste, dass Remi nur mit seinen Fischen sprach, aber nicht mit seinem Weib.
»Das meine ich nicht«, erklärte Régine. »Aber jede Frau weiß, wie sie verhindert, dass sich ein Balg bei ihr einnistet. Sie muss sich nach dem Beischlaf sofort erheben, gähnen und durch die Nase schnauben. Wenn Louise daran gedacht hätte, dann müsste sie jetzt nicht sterben.«
»Noch ist sie nicht tot!«, gab Caterina zurück, obgleich Alaïs sah, wie sich die Sorgenfalten noch tiefer in ihre Stirn gruben.
»Dir fällt doch auch nichts mehr zu tun ein, Caterina!«, sagte die alte Bethilie, deren Worte etwas undeutlich klangen, weil sie vor langer Zeit ihre Schneidezähne verloren hatte. »Du hast versucht, das Kind zu wenden, aber es liegt richtig und will sich nur nicht voranbewegen. Hast ihr ein Gebräu aus zerriebener Myrrhe und Nieswurz eingeflößt und ihr auch den Leib damit eingerieben. Wenn es alles nichts hilft, dann ist es eben Gottes Wille ...«
Bethilie brachte den Satz nicht zu Ende, sondern zuckte bedauernd die Schultern.
»Dennoch«, erwiderte Caterina, »wir dürfen sie nicht aufgeben, wir ...«
»Bitte«, ertönte da plötzlich eine schwache Stimme.
Alle im Raum zuckten zusammen, selbst Alaïs. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass die geschundene Louise noch sprechen konnte. Doch nun hob sie sogar die Hand, um ein Zeichen zu machen, dass Caterina näher treten möge. »Bitte«, wiederholte sie. »Du musst mir die Beichte abnehmen.«
Caterina, die sich über sie gebeugt hatte, fuhr zurück. »Ich bin kein Priester!«, erklärte sie, von diesem Anliegen sichtlich verwirrt.
Régine legte nachdenklich den Kopf schief. »In höchster Not darf auch eine Hebamme die Beichte abnehmen.«
Wenn Louise schon selbst einsieht, dass sie sterben muss, kann es in der Tat nicht mehr lange dauern, dachte Alaïs und trat unruhig von einem Bein auf das andere.
»Vielleicht sollten wir Frère Lazaire holen?«, schlug Ursanne vor.
Ratlos sahen sich die Frauen an. »Bitte ...«, stöhnte Louise wieder.
Doch noch ehe eine der Frauen den Entschluss fassen konnte, den Priester zu holen, wurde polternd die Tür aufgestoßen. Begierig streckte sich Alaïs dem frischen Luftzug entgegen. Ob dieses Labsals achtete sie nicht darauf, wer es war, der in die Kate stürmte. Wahrscheinlich eines von Louises Kindern. Allerdings würden jene nicht wortlos eintreten, sondern laut plärrend.
Als obendrein Caterina ein empörtes »Hinaus!« schrie, hob Alaïs neugierig den Blick. Es war keines der Bälger.
»Ich habe gehört, hier wird meine Hilfe gebraucht«, sagte ein junger Mann, groß und hager, mit kinnlangem Haar und nussbraunen Augen. Er war ein Fremder, ein Mann, den man noch nie in Saint-Marthe gesehen hatte.
Der Protest der Frauen verstärkte sich, kaum hatte der Mann die Türschwelle überschritten. Am empörtesten fiel Caterinas Aufschrei aus. »Ihr wagt es?«, fuhr sie den Fremden an.
Unwillkürlich musste Alaïs grinsen. Dass eine Geburt Frauensache war, hatte sie stets bedauert. Zum einen, weil man von ihr erwartete, sie möge daran Interesse zeigen, zum anderen, weil nach ihrer Erfahrung das Leben noch eintöniger und stiller verlief, wenn die Geschlechter strikt getrennt waren.
Doch der Fremde setzte sich schamlos über altbewährte Grenzen hinweg und trat zielstrebig an Louises Wochenbett, ohne sich an dem Gestank zu stören, der wie eine Glocke darüber hing, oder sich vor dem Blut zu ekeln, das sich dunkel um ihre Leibesmitte ausgebreitet hatte.
»Ist es ein Priester?«, stöhnte Louise.
Doch der Fremde schüttelte den Kopf, hob die Hand und winkte ungeduldig. Erst jetzt stellte sich heraus, dass es einen zweiten ungebetenen Gast gab, der eben im Türrahmen erschien. Der Mann war so groß und schmächtig wie der Fremde, nur nicht ganz so entschieden in seinen Bewegungen.
»Hinaus!«, tobte Caterina wieder, und die zahnlose Bethilie schloss sich ihr mit einem unverständlichen Grummeln an.
Während der Fremde wortlos Louises Gestalt betrachtete, war sein Begleiter, der noch in der Tür stand, eher bereit, eine Erklärung abzugeben.
»Ihr Mann hat uns zu euch geschickt.«
Fassungslos blickten die Frauen einander an, denn noch unvorstellbarer, als dass ein Mann freiwillig einer Frau beim Gebären zusah, war die Vorstellung, dass Remi mit Fremden redete, wo doch für gewöhnlich nicht einmal die eigene Familie seine Stimme zu hören bekam.
»Dann muss er getrunken haben!«, versuchte sich Régine das Unvorstellbare zu erklären.
»Welcher Schwachkopf hat ihn wohl dazu verführt?«, murrte Caterina, offenbar überzeugt, dass Remi eine solche Entscheidung niemals allein hätte treffen können. Im nächsten Augenblick rief sie jedoch ein empörtes »He!« aus, das nicht Louises maulfaulem Ehemann galt, sondern dem Fremden, der seine Hände forschend in den Leib der Gebärenden steckte und ungeachtet des Bluts und des Schleims, die ihm entgegenquollen, darin grub.
Louise indes schien sich nicht daran zu stören. Von Schmerzen und Anstrengung verwirrt, dachte sie wohl, der Fremde wäre tatsächlich ein Priester, und begann stockend ihre Sünden aufzuzählen.
Alaïs prustete los. Bethilie und Régine hingegen spitzten neugierig die Ohren. Die Worte waren zu wirr, um daran Anstoß zu nehmen, doch Alaïs war sich sicher, dass Bethilie sich hinterher mancherlei Untaten zusammenreimen würde, um sie raunend im Dorf zu erzählen.
»Halt den Mund!«, rief Caterina. »Er ist kein Priester, er ist ...«
»Ich bin Cyrurgicus«, sagte der Fremde. Seine Stimme klang rau und bestimmt. Da er sich immer tiefer über Louise beugte, fielen ihm seine braunen Haare ins Gesicht, schweißverklebt und so schief geschnitten, als wären sie ohne jede Sorgfalt mit einem Messer abgesäbelt worden. Alaïs’ Blick glitt über seine restliche Gestalt. Sonderlich wohlhabend sah er nicht aus. Die Tunika aus Leinen war von Flecken übersät, was kein Wunder war, wenn sein Trachten, sich rein zu halten, immer so gering ausfiel wie jetzt. Über der Tunika trug er ein aus kratzender Wolle gefertigtes, knielanges Obergewand, doch während ein solches bei den meisten Männern lange Ärmel besaß, war es bei ihm auf Schulterhöhe abgerissen – offenbar um ihn in Augenblicken wie diesem nicht zu stören. Die hüfthohen Beinlinge waren von Löchern und Rissen übersät.
»Fasst sie nicht an!«, zischte Caterina, die sich nun unwirsch zwischen ihn und die Gebärende drängte. »Ich bin die Hebamme!«
Der Fremde warf nur einen kurzen Blick auf sie, ehe er sich wieder Louise zuneigte. »Offensichtlich keine gute.«
Alaïs hörte, wie die Mutter scharf den Atem einzog, und musste sich auf die Lippen beißen, um nicht ein zweites Mal loszuprusten. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass dieser öde Tag noch derart vergnüglich werden konnte.
»Ich hab alles getan, was man tun kann«, erklärte Caterina. »Ich habe ...«
Der Fremde hob seine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. »Mag sein«, erklärte er. Alaïs sah, wie seine braunen Augen glänzten. Er drehte sich um, winkte erneut dem anderen Mann zu und griff tief in den Lederbeutel, den jener ihm reichte.
»Mag sein«, wiederholte er. »Aber eine Hebamme kann ihr Leben nicht retten. Das kann nur ich. Ich muss das Kind aus ihr herausschneiden.«
Louise hatte die Worte des Fremden nicht mehr gehört. Ihr Kopf war etwas nach hinten gekippt. Die Hände, die sich eben noch auf der Brust ineinander verkrampft hatten, lösten sich und fielen lasch zur Seite. Kurz dachte Alaïs, der Schrecken über diese Worte hätte sie umgebracht, doch ihre Brust hob und senkte sich weiterhin. Wahrscheinlich war die Ohnmacht eine Gnade – vorausgesetzt, der Fremde setzte um, was er da wahnwitzig plante.
Alaïs’ Mutter wollte es ihm keinesfalls gestatten. Beherzt drängte sie ihn wieder von der Gebärenden zurück. »Wie könnt Ihr es wagen! Wie könnt Ihr es wagen, das auch nur in Erwägung zu ziehen!«
Die übrigen Frauen steckten tuschelnd ihre Köpfe zusammen.
Der Fremde hingegen richtete sich zur vollen Größe auf und starrte verächtlich auf Caterina herab. »Ihr wollt also, dass sie stirbt?«
»Ihr könnt das Kind nicht aus ihr herausschneiden! Nicht so lange sie noch lebt! Das ist verboten! Man darf es erst versuchen, wenn sie tot ist!«
Der Fremde schüttelte den Kopf. Sein unregelmäßig geschnittenes Haar fiel ihm erneut ins Gesicht, bedeckte es fast vollends. »Wenn Ihr also die Wahl habt zwischen zwei Leben oder einem, dann entscheidet ihr Euch für Letzteres?«
An der Art und Weise, wie sie ihre Lippen zusammenkniff, gewahrte Alaïs, dass ihre Mutter ins Zweifeln geriet. Hilflos zuckte Caterina die Schultern. »Wer behauptet, Ihr vermögt sie beide zu retten? Wer seid Ihr überhaupt?«
»Mein Name ist Javier Autard. Man nennt mich Aurel, nach dem Dorf, aus dem ich stamme.« Eine Weile beließ er es bei diesem Satz, als genügte die Nennung seines Namens, um seine Anwesenheit zu erklären. Schließlich fügte er jedoch hinzu: »Ich habe in Montpellier studiert. Medizin mit Schwerpunkt Chirurgie. Ich weiß, wovon ich rede.«
Caterina kniff die Lippen noch fester aufeinander. Alaïs konnte ahnen, was ihrer Mutter durch den Kopf ging. Nicht selten hatte ihr Vater, Caterinas Mann, die Universität von Montpellier gerühmt und voller Bewunderung verkündet, es gebe im Süden Frankreichs keinen besseren Ort, um die Medizin zu erlernen. Wehmut hatte stets durch diese Worte hindurchgeschimmert, weil ein dortiges Studium sein unerfüllter Lebenstraum geblieben war.
Aurel Autard deutete auf den anderen Mann, der nun von der Tür an Louises Bett trat. »Das ist mein Bruder Emeric«, erklärte er. »Er wird mir helfen.«
Noch gab Caterina ihren Platz nicht auf. Noch schüttelte sie den Kopf. »Wer sagt mir, dass ich Euch trauen kann?«
Ehe der Fremde antworten konnte, trat Alaïs vor und zog die Mutter sacht am Arm. »Mutter, so sieh doch nur auf Louise ... Es bleibt keine Zeit mehr ...«
Der Atem der Gebärenden war flacher geworden.
Caterina stieß einen knurrenden Laut aus, dann trat sie schließlich zurück. Sie ging zum Kopfende des Betts und strich über Louises schweißbedeckte Stirn.
»Aber ich werde hierbleiben«, erklärte sie trotzig. »Ich werde zusehen.«
Aurel nickte. »Ein Stück Holz.« Es war das erste Mal, dass er sich an Alaïs wandte, und als der Blick dieser glänzenden, braunen Augen sie traf, erzitterte sie leicht. »Bring mir ein Stück Holz!«
Rasch lief Alaïs nach draußen. Sie hörte ihre Mutter streng nach dem Zweck fragen, doch Aurel erklärte ihn ihr nicht. »Und ich brauche Wein, viel Wein!«, rief er ihr nach. »Wenn möglich eine ganze Cupa voll!«
Alaïs eilte hinter das Haus, wo Holzscheite gestapelt waren. Sie nahm eines, stellte fest, dass es zu groß war, und schlug mit der Hacke ein Stück ab.
Erst nun gewahrte sie die vielen Blicke, die auf sie gerichtet waren. Die Bewohner von Saint-Marthe hatten sich um das Haus versammelt – wohl nicht von Louises Leiden und ihrem möglichen Tod angelockt, sondern von der Tatsache, dass sich bei ihnen ein Fremder aufhielt, was nur selten geschah.
Viel zu selten, befand Alaïs.
»Ist es wahr?«, raunte der alte Ricard ihr zu. »Ein Medicus ist hier?«
»Ein Cyrurgicus!«, erklärte Alaïs stolz, weil sie mehr wusste als der Rest. »Er hat in Montpellier studiert.«
Dann huschte sie wieder ins Haus. Die schlechte Luft traf sie wie ein Schlag. »Hier«, sagte sie und reichte Aurel Autard das Stück Holz.
Sie hoffte, die braunen Augen würden sie erneut anblicken, würden Zustimmung und Dank ausdrücken. Doch der Fremde beachtete sie nicht, sondern nahm nur schweigend das Holz und steckte es zwischen Louises Zähne. »Ihr Mund muss geöffnet bleiben«, sagte er, »damit das Kind ausreichend Luft bekommt.«
Erklärte er ihnen, was er tat, oder sagte er es sich lediglich selbst vor?
Indessen hatte sein Bruder Emeric von einer hilfreichen Hand den geforderten Wein gereicht bekommen. Aus dem Lederbeutel zog er kleine Bauschen Baumwolle, tränkte sie darin und begann, damit Louises aufgequollenen Bauch einzureiben. Da der Wein rot war, schien sich die Blutlache, die sich um ihren Leib gebildet hatte, noch zu vergrößern. Nachdem sein Werk vollendet war, tauchte Emeric ein scharfes Messer in den Wein.
Alaïs’ Magen grummelte. Wie die meisten anderen Frauen vermochte sie nicht hinzusehen, als er seinem Bruder das Messer reichte und dieser es ansetzte. Nur Caterinas Blick – das erkannte sie flüchtig aus dem Augenwinkel – war starr auf Aurels Hände gerichtet.
Jene schienen nicht zu zittern, und auch seine Stimme klang ruhig, als er sich Satz für Satz vorsagte, was zu tun war.
»Der Schnitt«, so tönte es aus seinem Mund, »soll am unteren Teil des Schambeines beginnen und genau eine Handbreit lang sein. Sobald er durchgeführt ist, muss man mit geölten Händen in den Einschnitt greifen und die Eingeweide beiseite schieben. Der Kopf der Gebärenden sollte tief liegen. Erst nachdem die Gebärmutter geöffnet worden ist, darf man die Frau in die Seitenlage bringen.«
Alaïs duckte den Kopf tiefer. Tat er bereits, was er da ankündigte?
Alaïs erzitterte, doch Louises Ohnmacht war so tief, dass sie den Schrei nicht ausstieß, gegen den sich Alaïs insgeheim wappnete.
Als sie endlich wagte, wieder hinzusehen, zog Aurel bereits einen roten Klumpen aus dem Leib, so über und über mit Blut bedeckt, dass Alaïs meinte, er würde Louise ausweiden. Erst eine Weile später ging ihr auf, dass der Klumpen das Kind war, dem er auf die Welt half – noch regungslos, noch stumm.
Er wollte es seinem Bruder reichen, doch dessen Hände hielten die Wunde geöffnet, weshalb Caterina vortrat, den Klumpen an den Beinen packte und ihn mit dem Kopf voran nach unten hielt. Sie schüttelte den Fleischberg, der langsam menschliche Konturen annahm, und schlug sanft auf seinen Po. Ein Ruck ging durch die Glieder, dann war ein Fiepsen zu hören, kaum lauter als das einer Maus.
»Befreit es von den Eihäuten!«, befahl Aurel. »Ich durchschneide indes die Nabelschnur!«
Wieder senkte Alaïs angewidert den Blick. Sie konnte nicht zuschauen, wie er dieses bläuliche Gewürm ergriff und abklemmte, auch nicht, wie er sich dann dem offenen, blutenden Leib zuwandte.
»Schnell! Wir müssen sie wieder auf den Rücken legen!«, befahl er schroff.
Caterina konnte ihm nicht helfen, da sie das Kind in den Händen hielt, die anderen Frauen wagten nicht, näher zu kommen, und Emeric zog die Ränder der Wunde nun nicht länger auseinander, sondern presste sie zusammen.
»Nun mach schon!«, schrie Aurel Alaïs an. Trotz ihres Ekels trat sie zu ihm, ergriff Louise an der Schulter und wälzte sie in Rückenlage. Sie lag kaum ruhig, als Aurel schon begann, die Wunde zu vernähen. Alaïs sah eine Nadel zwischen seinen länglichen Fingern aufblitzen. Den Faden dahinter – bei den tieferliegenden Hautschichten wurde, so hatte der Mann gemurmelt, ein dünner aus Seide verwendet, später, beim Schließen der Bauchdecke, der aus einer Sehne gemachte – sah sie hingegen nicht.
Indessen bereitete der Bruder des Cyrurgicus einen Verband aus Hanfstoff vor, den er in drei aufgeschlagenen Eiern tränkte.
»Müssen es drei sein?«, hörte sie Ursanne raunzen, von der er diese offenbar erbeten hatte und die für ihre Sparsamkeit bekannt war. »Hätten es zwei nicht auch getan?«
Der Cyrurgicus gab keine Antwort. Sein Haar fiel ihm noch tiefer ins Gesicht, als er den Verband anlegte, doch er hatte keine Hand frei, um es zurückzustreichen.
»Hoffentlich überlebt sie«, nörgelte Ursanne in die Stille hinein, die nur vom Quäken des Kindes unterbrochen wurde. »Dann hat sich diese Verschwendung von Eiern wenigstens gelohnt.«
Alaïs folgte Aurel Autard ins Freie. Nichts hielt ihn an Louises Seite, nachdem er die Behandlung beendet hatte: weder Sorge noch Mitgefühl noch sonderliches Interesse an ihrem weiteren Wohlergehen. Sein Bruder bekundete es an seiner statt. Der schmale Emeric war drinnen geblieben, legte den Verband an und erklärte den Frauen, man solle Louise, so sie denn wieder erwache, einen Sud aus Wein mit Schwarzwurz reichen.
Alaïs hörte nicht mehr, was die Frauen darauf antworteten und ob Ursanne der Kranken nach den Eiern nun auch die Schwarzwurz neidete. So schnell war sie dem Cyrurgicus nach draußen gefolgt, dass sie beinahe über die Schwelle stürzte. Aurel war nicht minder hastigen Schrittes gradewegs zum Trog geeilt, der hinter dem Haus stand, und steckte, als Alaïs ihn erreichte, bis zu den Ellbogen im Wasser. Vom vielen Blut hatte es sich augenblicklich rot gefärbt.
Alaïs, die sich eben noch nach dem kühlenden Nass gesehnt hatte – der Schweiß troff ihr fortwährend über den Rücken –, zuckte voll Ekel zurück. Dennoch blieb sie stehen und musterte den Cyrurgicus ehrfürchtig.
Er bemerkte ihren Blick nicht. Noch tiefer ließ er seine Arme in den Trog sinken, tauchte schließlich selbst das Gesicht hinein und durchpflügte dann mit den Händen die schief geschnittenen Haare. Die Tropfen, die von ihm perlten, waren nicht tiefrot wie das Wasser im Trog, sondern von einem hellen Rosa. Es schien ihn nicht weiter zu stören. Er hob seine Tunika, um sich daran abzuwischen.
Alaïs’ Blick fiel auf seinen bloßen Bauch. Deutlich stachen Rippen und Sehnen durch die Haut, die blass und unbehaart war.
Ihre Mutter, dessen war sie sich gewiss, hätte ihr geboten, augenblicklich wegzuschauen, doch die war nicht hier. Alaïs musste daran denken, wie der Fremde sich mit Caterina angelegt und zuletzt einfach den eigenen Willen durchgesetzt hatte – ungeachtet dessen, dass verboten war, was er geplant und womit er am Ende auch Erfolg gehabt hatte. Sie lächelte, als sie sich das zunächst empörte, dann verkniffene Gesicht der Mutter vergegenwärtigte.
Die nunmehr nasse Tunika fiel wieder über den nackten Leib. Jetzt erst schien Aurel Autard ihre Anwesenheit zu bemerken. Er musterte sie flüchtig.
»Und wer bist du?«, fragte er beiläufig, als wüsste er nicht mehr, dass sie eben bei der von Fliegen umsurrten Gebärenden gestanden und seine Behandlung unterstützt hatte.
Unruhig trat sie von einem Fuß auf den anderen, von seiner Gleichgültigkeit ebenso beschämt wie verärgert. »Ich bin Azalaïs Montpoix«, erklärte sie rasch. »Man nennt mich Alaïs.«
Sie hatte die Worte kaum beendet, da unterbrach er sie rüde. »Ich brauche etwas zu trinken!«
Keine Bitte. Kein Lächeln, um sie sich geneigt zu stimmen.
Ehe sie etwas darauf sagen konnte, gewahrte Alaïs, wie ihre Mutter Louises Kate verließ. Gleich danach folgte Aurels Bruder Emeric.
»Denkt Ihr, sie wird es schaffen?«, fragte Caterina nachdenklich. Emeric zuckte nur die Schultern, ehe auch er an den Trog trat, um sich mit dem Wasser zu waschen, das sein Bruder mit Blut verunreinigt hatte.
»Mutter!«, rief Alaïs. »Mutter! Wir sollten dem Cyrurgicus etwas zu trinken und zu essen anbieten. Und eine Schlafstatt, es wird bald Abend.«
»Warum wir?«, gab Caterina barsch zurück. »Er hat Louises Kind gerettet ... also soll ihn dessen Vater bewirten.«
Alaïs drehte sich um, suchte im Kreise der Umstehenden nach Remi und sah ihn schließlich in der Ferne umherwanken. Régine war mit einem Bündel zu ihm getreten. Erst nach einer Weile kam Alaïs zu dem Schluss, dass das Bündel das neugeborene Kind sein musste. Remi glotzte Régine nur verständnislos an und stapfte in Richtung des Meeres davon.
Caterina sprach es nicht aus, aber Alaïs ahnte, was sie dachte: Wenn er Pech hatte, würde Remi heute nicht mit den Fischen reden, sondern, von diesen beglotzt, jämmerlich ersaufen. Zumindest stand das zu erwarten, wenn er in diesem Zustand vornüber kippte und im Wasser liegen blieb.
»Man muss jemanden suchen, der das Kind nährt«, sagte Caterina düster. »Louise ist dazu kaum in der Lage.«
»Mutter ...«, wiederholte Alaïs und nickte unauffällig in Aurels Richtung. »Mutter, wir müssen ...«
»Es ist unserer Zunft untersagt, eine Einladung derer anzunehmen, die wir behandeln«, schaltete sich Aurel ein. »Nie sollen wir mit einem Patienten Mahl halten.«
Caterina kniff die Augen zusammen. Alaïs fürchtete, die Mutter würde ihm unbeeindruckt die Meinung sagen – so wie sie es oft tat und nicht selten Menschen damit vor den Kopf stieß – und ihm bekunden, dass ihr dies alles herzlich gleichgültig sei, vor allem, nachdem er sie doch als Hebamme beschämt hatte. Stattdessen wandte sie sich an Alaïs. »Wenn er Hunger und Durst hat, wird er sich gedulden müssen, es ist noch nicht Essenszeit. Aber du kannst den beiden Herren einstweilen unseren Schuppen zeigen.«
Der Schuppen diente der Aufbewahrung von Netzen, Rudern und Reusen und war gewiss kein Ort, an dem man gerne die Nacht verbrachte. Wahrscheinlich hoffte Caterina, die Fremden wären hellhörig genug, solch ein wenig fürsorgliches Angebot als das zu werten, was es war: die Aufforderung zu verschwinden.
Doch weder der eine Bruder noch der andere machte Anstalten zu gehen. So gleichmütig wie sie die dreckige Kleidung ertrugen, ließen sie sich auch mit einer schäbigen Schlafstatt zufriedenstellen.
»Kommt mit!«, rief Alaïs ihnen zu, und ihre Worte klangen weit weniger spröde als die ihrer Mutter. Sie hatte es nicht zeigen wollen, aber die Aussicht, dass der Fremde zumindest eine Nacht in Saint-Marthe zubringen würde, hatte den Takt ihres Herzschlags beschleunigt.
Der Schuppen war niedrig, stickig und heiß – und doch vollführte Alaïs mit den Händen eine einladende Bewegung, als wiese sie den beiden Männern die prächtige Kemenate einer steinernen Burg zu. Emeric, der Bruder des Cyrurgicus, blieb beim Eingang stehen und blickte sich um, als müsste er erst in Ruhe den fremden Raum erkunden, ehe er ihn betreten könnte. Aurel Autard indes kannte dergleichen Scheu nicht. Er folgte Alaïs, als wäre er schon oft hier gewesen, und hörte gar nicht zu, als sie erklärte, sie könnte noch Decken für die Nacht bringen. Stattdessen zog er aus einem seiner Lederbeutel ein Buch. Der Einband war aus Leder, die Seiten aus Pergament, und als Alaïs einen flüchtigen Blick darauf warf, war sie sicher, dass ihre Mutter ehrfürchtig erstarrt wäre und laut bekundet hätte, wie überaus kostbar ein solcher Besitz war.
Ihr selbst freilich fiel vor allem auf, wie abgegriffen das Leder war und wie brüchig. Wäre das Buch eine Speise gewesen, sie hätte ranzig und schimmlig geschmeckt. Emeric war endlich eingetreten, und anders als Aurel war ihm Alaïs’ neugieriger Blick auf das Buch nicht entgangen.
»Das sind Texte von Hunayn ibn Ishāq«, erklärte er. »Auf der Universität muss jeder Student deren Inhalt kennen.«
Sie war weniger erstaunt über das, was er sagte, als vielmehr darüber, dass dieser bislang weitgehend stumme Schatten überhaupt Worte formte. Unsicher, was sie davon zu halten hatte, zuckte sie die Schultern. Aurel hingegen begann ungeduldig, in dem Buch zu blättern, und musste zu diesem Zweck einige der zusammengeklebten Seiten förmlich auseinanderreißen.
»Und weiter hinten«, ergriff er das Wort, »weiter hinten stehen Auszüge aus der Cyrurgia von Roger von Salerno. Will sehen, was darin über den Kaiserschnitt geschrieben steht. Die Wenigsten besitzen solch eine Abschrift!«
Er strahlte über das ganze Gesicht, erklärte jedoch nicht, warum gerade er eine derartige Kostbarkeit mit sich trug. Alaïs trat zu ihm und spürte die Hitze, die sein hagerer Körper ausströmte.
»Alles auf Latein«, murmelte er knapp.
Wäre es auch anders gewesen, sie hätte nicht mehr mit diesen Schriften anfangen können. Ihre Mutter hatte stets großen Wert darauf gelegt, dass die Kinder lesen lernten. Doch während sie das bei den älteren Brüdern Raimon und Félipe entweder durch gutes Zureden oder regelmäßige Prügel erreicht hatte, war sie bei Alaïs auf Widerstand gestoßen. Lesen war etwas, was man vornehmlich in engen Räumen tat – und eingeschlossen zu sein und obendrein möglichst regungslos zu hocken, war ihr eine Qual. Sie kannte zwar die einzelnen Buchstaben, vermochte es jedoch nicht, sie schnell zu einem Wort zu verknüpfen. Das dauerte jedes Mal eine halbe Ewigkeit.
»Es gibt kaum chirurgische Texte auf Französisch«, fuhr Aurel fort. »Auch Mondeville schrieb auf Latein. Seine Schriften wurden aber sofort ins Französische übertragen.«
»Mondeville?«
In ihrem provençalischen Dialekt klang der französische Name aus ihrem Mund anders als aus seinem.
»Ein großer Cyrurgicus, einer der größten überhaupt!«, rief Aurel, bückte sich hektisch und zog weitere Bücher aus dem Beutel. »Hier! Die Anatomie von Mondeville! Im Übrigen halte ich es für einen Fehler, medizinische Schriften auf Latein zu verfassen. Wie soll der einfache Cyrurgicus von der Straße sie verstehen? In Italien haben sie viel früher begriffen, dass die Landessprache zum Zwecke der besseren Verbreitung unumgänglich ist. Die Bücher von Guillelmo da Saliceto, Ugo da Lucca und Theodoric wurden vielfach übersetzt, und natürlich die Cyrurgia parva von Lanfranco da Milano.«
Die Fülle an Namen langweilte sie. Doch Aurel legte nun ohnehin das Buch zur Seite, griff wieder in den Lederbeutel, und was er als Nächstes hervorzog, war um vieles interessanter.
»Was ist das?«, entfuhr es ihr.
Er antwortete nicht. »Habt ihr noch etwas Wein?«, fragte er. »Ich bräuchte welchen, um meine Instrumente zu waschen.«
Alaïs zauderte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie die Mutter überreden sollte, Wein an den Cyrurgicus zu verschenken, und das nicht einmal zu dem Zwecke, dessen Kehle zu nässen.
»Was ist das?«, fragte sie erneut.
Als sie das dünne, von dunklem Blut befleckte Messer eingehender betrachtete, kam es ihr bekannt vor. Es war dasselbe, mit dem er zuvor Louises Leib aufgeschnitten hatte.
»Die Similaria, gewiss das wichtigste Werkzeug eines Cyrurgicus. In unserer Sprache das Skalpell. Hier«, er griff nun nach einem hakenförmigen Instrument, »der Angistrum! Außerdem besitze ich eine Serra zum Durchsägen von Knochen, wenn man ein Glied amputiert, das Phlebotomum zum Aderlassen, die Terebra, um den Schädel anzubohren, und die Spicula, um den Star zu stechen.«
Unmöglich konnte sie sich diese vielen Begriffe merken. »Und das hier?«, fragte sie und deutete auf ein Instrument, das einer Zange glich.
»Der Pelikan«, erklärte Aurel, »auch Geißfuß genannt. Damit werden Zähne gezogen. Aber ich mache das nur selten, es ist die Aufgabe der Bader.«
Er schüttelte heftig den Kopf, als wollte er von vornherein jeden Verdacht zerstreuen, er hätte mit diesem Berufsstand auch nur das Geringste gemein.
»Und hier die Emplastra –Bruchbänder.«
Alaïs hatte keine Ahnung, was man mit jenem straffen Ledergürtel anstellen konnte, an dem eine Platte aus Holz angebracht war. Aurel fand es jedoch müßig, es zu erklären, und fuhr rasch fort: »Das alles haben wir dem großen Abulcasis zu verdanken. Ohne ihn wüssten wir nur wenig über die Chirurgie und noch weniger über die Instrumente, mit denen einst die großen Medici gearbeitet haben. Er hat detaillierte Beschreibungen hinterlassen.«
Wieder ein Name, der nicht länger als für die Dauer eines Wimpernschlags in Alaïs’ Gedächtnis blieb. Dann entfuhr ihr plötzlich ein erstaunter Aufschrei.
Was Aurel zuletzt aus dem Beutel gezogen hatte, war kein Instrument, sondern ein kugelförmiges, helles Gebilde. Es sah aus wie ein menschlicher Kopf – und doch nicht. Die Haare fehlten ihm, anstelle der Augen starrten sie dunkle Löcher an. Die Nase war verkrümmt, die Zähne lagen ohne schützende Lippen bloß.
Unwillkürlich trat Alaïs zurück und musste sich beherrschen, nicht rasch ein Kreuzzeichen zu schlagen.
Aurel starrte sie verwundert an, blickte dann zurück auf das Gebilde und wieder auf sie, als müsste er erst mühsam innewerden, dass ihr Entsetzen davon ausgelöst worden war.
»Das ist doch nur ein Demonstrationsschädel!«, stieß er leichtfertig aus. »Um den menschlichen Kopf zu verstehen, braucht es ein Modell von diesem. An der Universität verwenden die Professoren dergleichen oft. Manch einer ist aus echten Menschenknochen gemacht, dieser hier wurde aus den Knochen eines Tieres nachgeformt – und zwar so, dass man ihn öffnen kann.« Prompt tat er das. Ein knackendes Geräusch ertönte. »Der Cranium –der Schädel, bedeckt von Haut und häutchenartigen Muskeln. Darunter die Dura mater, die das Gehirn schützt. Zum Beispiel, wenn unter dem Cranium Eiter entsteht.«
Alaïs trat wieder näher, als er an dem sonderbaren Gebilde hantierte, doch die Scheu davor vermochte sie nicht abzulegen. Allein der Gedanke, dergleichen selbst anzufassen, ließ sie erschaudern. Noch ehe Aurel es wieder zurücklegte und weitere Schätze zutage förderte, wurden sie unterbrochen.
»Alaïs, wo bleibst du?«, hörte sie ihre Mutter rufen, noch nörgelnder und ungeduldiger als gewöhnlich. »Eben kommt dein Vater zurück! Hilf ihm mit den Fischen!«
Alaïs lief dem Boot so stürmisch entgegen, dass ihr das Wasser bis ins Gesicht spritzte. Sie genoss die Abkühlung, und am liebsten hätte sie sich in die kühlen, dunklen Fluten fallen lassen. Der Vater hatte sie einst in der Bucht von Saint-Marthe zu schwimmen gelehrt. Damals hatte sie nichts anderes getragen als einen Lendenschurz, konnte sich im Wasser frei bewegen und war oft bis zum zerklüfteten Grund getaucht, um später prustend und spuckend wieder hochzukommen. Doch als sie älter geworden war, hatte die Mutter ihr verboten, sich derart leicht bekleidet zu zeigen.
Den älteren Brüdern war weiterhin vergönnt geblieben, halbnackt zu schwimmen, und manchmal war es schwer gewesen, den Neid zu bezwingen, wenn jene balgend und lachend das Wasser durchpflügten, während sie vom Ufer aus schwitzend zusehen musste.
»Vater!«, rief sie, »Vater! Du kannst dir nicht vorstellen, was heute ...«
Er war aus dem Boot gesprungen und versuchte, es ans Land zu zerren. »Gleich, gleich!«, ermahnte er sie gutmütig zur Geduld. »Nun hilf mir erst ...«
Sie packte das Boot an der anderen Seite und war froh, ihm beweisen zu können, dass sie fast so stark war wie die Brüder. Bis vor einigen Jahren hatten diese den Vater beim Fischfang begleitet. Doch dann hatten sie beide Saint-Marthe verlassen. Der eine – nach dem Vater Raimon genannt – arbeitete als Salzhändler. Als Salerius brachte er das Salz von den Minen in Camargue, Berre und Hyères auf dem Rücken von störrischen Mauleseln ins Landesinnere oder an ferne Orte wie Fréjus, Cannes und Antibes. Er verkaufte nicht nur das grobe Salz für die Küche, sondern auch sehr feines für besonders weiche und saftige Brote. Einmal – das hatte er während seiner seltenen Besuche erzählt – war er mit seinem Handelsgut auch über das Meer bis nach Genua und Pisa gefahren. Diese Reise hatte Alaïs ihm nicht minder geneidet als einst ihren Brüdern das Schwimmen. Noch Tage später hatte sie sich ausgemalt, wie es in den fremden Städten aussehen musste, ob das Meer so grünlich schimmerte wie hier und die Buchten so zerklüftet waren und so tief ins Land hineinreichten, dass an manchen Stellen das Wasser nicht breiter stand als das von Flüssen.
Der andere Bruder – Félipe – war Fischhändler und transportierte den Fisch, den der Vater fing, in eigens dafür gefertigten Körben zu den großen Märkten. Auch er wusste von fremden Dörfern zu erzählen und, was Alaïs nicht minder interessierte, von seinen Kniffen, den Fisch möglichst lange frisch zu halten oder ihm zumindest den Anschein zu geben. Man müsse ihn nur zur rechten Zeit mit frischem Wasser übergießen, dann lasse sich nicht erkennen, ob er gerade erst gefangen worden war oder schon seit Tagen unter der heißen Sonne faulte. Griesgrämig murmelte die Mutter dann, sie habe ihn nicht zum Betrüger erzogen – was Félipe geflissentlich überhörte.
»Und, was hast du gefangen?«, fragte Alaïs ihren Vater, als sie das Boot auf den Strand geschoben hatten.
»Vor allem Seebarsch«, rief er ihr zu. »Ein paar Sardinen und Meeräschen.«
»Keinen Thunfisch?«
»Du weißt doch, das ist hier so gut wie unmöglich.«
Der Vater klagte oft, das Meer rund um Saint-Marthe sei kein rechter Ort zum Fischen. Viel ertragreicher sei es, bei Cannes und Antibes, in der Nähe der Inseln Saint-Honorat und Saint-Marguerite auszufahren. Doch dort – auch das war ein Ärgernis – ließ sich die Seigneurie das Fischrecht teuer bezahlen. Einzig die Piscatores paludum, jene Männer, die in den Flüssen fischten, kamen billiger davon.
Das war nicht das Einzige, was ihm zusetzte. Jedes Mal, wenn er aufbrach, stimmte er eine übertriebene Klagerede an und fragte den Herrn im Himmel lautstark, warum er ausgerechnet ihm das Element des Wassers zugedacht hatte, wo er das Meer doch eigentlich nie hatte leiden können.
Desgleichen fragte sich Alaïs auch des Öfteren. Warum hatte ihr Vater nicht das Dasein des Viehhirten, des Bauern, des Händlers erwählt, wenn ihm das Wasser so zuwider war? Schließlich – das hatte sie aus rätselhaften Andeutungen ihrer Mutter herausgehört – waren ihre Eltern nicht als Fischerskinder geboren worden und stammten auch nicht aus Saint-Marthe. Vielmehr waren sie als Kinder verarmter okzitanischer Grafen zur Welt gekommen, die weitläufig miteinander verwandt gewesen waren, und hatten sich auf provençalischem Boden niedergelassen, nachdem sie in der Heimat nicht hatten bleiben können. Alaïs vermutete, dass das etwas mit dem ketzerischen Glauben zu tun hatte, den die Kirche dort ausrotten wollte. Doch Bestätigung hatte sie dafür nie gefunden, desgleichen wie sie von der abenteuerlichen Reise, die zwischen dem Leben im Languedoc und dem in der Provence stand, mehr ahnte als wusste. Selten sprachen die Eltern darüber, und wenn sie es doch taten, so gaben sie kaum mehr preis als ein paar Andeutungen.
Schon der Klang von Caterinas und Rays Stimmen, wenn sie davon erzählten, verhieß mehr Furcht und Grauen als aufregende Abenteuer, und doch beneidete Alaïs sie ebenso wie die Brüder dafür, dass sie offenbar ferne Länder gesehen und viele Gefahren ausgestanden hatten, sie selbst aber nichts anderes kannte als Saint-Marthe.
Ray – so nannte der Vater sich, denn sein eigentlicher Name Raimon deuchte ihn zu lang – reichte ihr das Netz. »Muss wieder mal geflickt werden.«
Als sie die Stirn missmutig in Falten zog, lachte er.
»Ich weiß, du magst das nicht. Musst schließlich viel zu lange dabei still sitzen. Aber was ist dir lieber: mir später beim Flicken zu helfen oder deiner Mutter, wenn sie die Fische ausnimmt und einlegt?«
Alaïs zog ihre Stirn noch krauser. Letzteres war ohne Zweifel jene Arbeit, die sie am meisten hasste – verhieß sie doch, dass die Hände alsbald bis hoch zu den Ellbogen vom Salz brannten und der üble Fischgestank über Tage an ihr haften blieb.
»Du kannst dir nicht vorstellen, was geschehen ist«, rief sie schnell, um den Vater abzulenken.
»Was?«, fragte er grinsend. »Hat die alte Bethilie wieder einen Zahn verloren? Ich dachte sie hätte keinen mehr!«
Alaïs musste lachen, wurde aber rasch wieder ernst. »Louise hat ihr Kind geboren!«, berichtete sie aufgeregt. »Und sie wäre fast daran gestorben. Doch dann sind fremde Männer gekommen ...«
Ray hob verwundert die Augenbrauen.
»Einer von ihnen, stell dir vor, ist ein Cyrurgicus. Und er hat Louises Bauch aufgeschnitten!«
Noch höher zog er die Brauen, diesmal misstrauisch.
»Doch!«, rief Alaïs. »Er trägt auch Bücher bei sich und viele Instrumente und ein merkwürdiges Gebilde, das wie ein Kopf ...«
Sie brach ab. Caterina kam eben an den Strand gestapft, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Kann irgendwer noch langsamer sein Boot ausladen als du?«, fuhr sie den Gatten an. Alaïs hatte ihre Mutter selten anders als in diesem leicht nörgelnden Tonfall mit ihrem Vater reden hören. Dennoch war sie sich gewiss, dass Caterina seit einigen Stunden nach ihm Ausschau gehalten und glücklich gelächelt hatte, als das Boot wohlbehalten in der Bucht eingetroffen war.
»Frischer Fisch gefällig, liebste Frau?«
Der Vater griff ins Boot und zog einen Fisch hervor. An der Schwanzflosse hielt er das zappelnde Getier fest und schwenkte es vor Caterinas und Alaïs’ Gesichtern.
»Was tust du denn?«, rief Alaïs kreischend.
Ray grinste, Caterina schüttelte den Kopf. Doch als sie sich abwandte und zurück in Richtung ihrer Kate stapfte, sah Alaïs, wie auch die Mundwinkel der Mutter amüsiert zuckten.
Zwar hatte Caterina erst dazu überredet werden müssen, die Fremden einzuladen, doch dass sie eine schlechte Gastgeberin sei, wollte sie sich nicht nachsagen lassen. Das Abendmahl fiel üppiger aus als sonst. Neben gebratenem Fisch gab es Eintopf aus Saubohnen, Lauch, Mangold und Zwiebeln, der mit etwas Speck und frischen Kräutern verfeinert war. Obendrein wurden Eier, Käse und Weizenbrot aufgetischt, anschließend getrocknete Feigen und Granatäpfel, die im letzten Sommer geerntet worden waren, und eine Handvoll Nüsse.
Sie saßen am großen Tisch, der aus dem schweren Holz des Kastanienbaums gezimmert war. Rechts und links, am Boden festgenagelt, waren zwei Bänke, gleich daneben befand sich ein Schrank, der in die Mauer eingefügt worden war. Die großen Tonkrüge für das Olivenöl standen dort, desgleichen eine Schale Wasser, worin sich alle vor dem Essen die Hände zu waschen hatten. Später würde sie neu aufgefüllt werden, um darin die kostbaren Gläser zu reinigen.
Caterina Montpoix legte großen Wert auf Tischsitten. Mochten sie auch ärmlich hausen und nicht jenes weiße Mobiliar besitzen, wie es in reicheren Haushalten üblich war, Geschirr stand ihnen reichlich zur Verfügung. Während alle anderen Bewohner von Saint-Marthe aus einem schlichten Napf aus Zinn aßen, wurden an der Tafel der Montpoix’ sämtliche Gerichte auf Kupferplatten angerichtet. Für das Brot gab es einen eigenen Korb und für den Wein einen tönernen Krug, auf dessen Oberfläche Ornamente eingeritzt waren. Ein großes Messer lag zum Schneiden der Speise bereit, ebenso die überaus seltene Forcata ferri, eine Gabel. Dass der Tisch mit einem Tuch bedeckt war und jeder eine Serviette gereicht bekam – auch das eine Seltenheit –, hatte Aurel nicht interessiert. Die Gabel betrachtete er jedoch eingehend.
»Dergleichen könnte man gut zum Operieren verwenden«, sinnierte er, anstatt zu essen.
Sein Bruder Emeric – bis auf jene knappe Erklärung im Schuppen hatte Alaïs ihn kein weiteres Wort mehr sagen hören – schlang hingegen große Bissen gierig in sich hinein.
Alaïs hätte es ihm gerne gleichgetan. Die erste Mahlzeit des Tages, am Vormittag eingenommen, war lange her. Doch trotz des Appetits fiel es ihr schwer, die Bissen zu schlucken, so eng war ihr die Kehle.
Spannung lag in der Luft, und als Aurel die Gabel nicht wieder hinlegen wollte, traf ihn Caterinas strenger Blick. War sie erbost, weil sein Verhalten den Tischsitten im Hause Montpoix widersprach oder weil sie Aurel sein dreistes Auftreten in Louises Wochenstube nicht verzeihen konnte?
In jedem Fall war sie nicht bereit, mit ihm zu reden, fragte nicht einmal, wie es Louise und ihrem Kind ergangen war, obwohl Aurel kurz vor dem Abendessen noch einmal nach ihnen gesehen hatte.
Weitaus weniger schwer als Caterina fiel es Alaïs’ Vater, den fremden Wanderchirurgen anzusprechen.
»Aus Montpellier bist du?«, fragte er forsch. »Ein guter Ort, um Medizin zu studieren, nicht wahr? Ach, was gäbe ich drum, wenn ich in meiner Jugend diesen Weg hätte beschreiten und Medicus werden können. Ich habe ...«
»Das will keiner wissen!«, fuhr Caterina schroff dazwischen. Erstmals blickte Emeric von seinem Eintopf hoch. Obwohl die strengen Worte nicht ihm oder seinem Bruder galten, gab er Aurel ein Zeichen, endlich die Gabel sinken zu lassen und zu essen. Doch der bemerkte ihn nicht.
»Warum nicht?«, rief Ray leichtfertig. »Einst bin ich auch durchs Land gezogen, um Arzneien anzubieten und Krankheiten zu heilen. Natürlich habe ich es in dieser Kunst nicht so weit gebracht wie ...«
Caterina hatte wieder den Mund geöffnet, doch es war nicht sie, die dem Vater diesmal ins Wort fiel.
Mit einem leisen Klirren legte Aurel die Gabel nieder. »Ich weiß. Es gibt viele Quacksalber, die unseren Ruf ruinieren und nicht einmal ordentlich Zähne ziehen können. Ich kenne einen Sanguinator, der mit einer Feinfühligkeit zur Ader lässt, als schlachtete er ein Schwein. Viel zu viele preisen sich dreist als Medicus, ohne einer zu sein.«
Ray ließ sich die offensichtliche Beleidigung nicht anmerken, sondern lachte auf. »Gewiss!«, gab er leichtfertig zu. »Im Betrügen war ich besser als im Heilen.«
»Das will keiner wissen!«, schimpfte Caterina erneut.
Warum ist sie stets so streng mit ihm?, dachte Alaïs verwirrt.
»Zumindest habe ich einmal eine verletzte Schulter wieder eingerenkt und einem Mann somit das Leben gerettet – mag mir zu diesem Zwecke auch ein Studium gefehlt haben«, erklärte Ray stolz. »Es dauert lange, nicht wahr? Erst gilt es drei Jahre, sich in den sieben freien Künsten auszubilden, und erst danach beginnt das eigentliche Medizinstudium. Wieder drei Jahre lang, oder? Und am Ende muss man eine große Prüfung ablegen.«
Caterina verdrehte die Augen. »Nun gib nicht so an! Als ob du davon Ahnung hättest!«
Aurel hingegen betrachtete ihn erstmals aufmerksamer.
»Lasst ihn nur weiterreden, ma Dame«, meinte er, um dann an Ray gewandt hinzuzufügen: »Eure Stimme, als Ihr von der Chirurgie spracht, klang zumindest nicht verächtlich.«
»Warum sollte es so sein?«
Aurels Mundwinkel zuckten missmutig: »Die Frage ehrt Euch. Doch es gibt genügend Mediziner, die sich ihrerseits Physicus nennen und unsere Arbeit gering schätzen – denken sie doch, wir wären nichts Besseres als Steinmetze oder Tischler, mit dem Unterschied, dass wir eben in Fleisch, Blut und Gedärmen wühlen. Auf eine Stufe mit dem Bader und dem Steinschneider stellen sie uns, behaupten gar, dass nur sie die inneren Leiden heilen, wir hingegen lediglich die äußeren. Dass die Chirurgie zwingend zum Lernstoff eines guten Medicus gehören sollte, leugnen sie beharrlich. Pah!«
Redend hatte er die Gabel wieder hochgehoben und damit herumgefuchtelt. Nun legte er sie erneut mit einem Klirren ab. Alaïs beugte sich vor und sah, dass seine Schüssel immer noch randvoll war. Trotzdem schob er sie von sich, als hätte er sein Mahl bereits beendet – und seine hagere Gestalt bekundete, dass er sich nicht zum ersten Mal derart genügsam gebarte.
»Ein guter Cyrurgicus ist so viel mehr wert als ein guter Physicus. Wir müssen in vielen Dingen bewandert sein: in der Anatomie, die wir vor allem von Avicenna lernen, in der Wundbehandlung, für die Theodoric der große Lehrer ist, in der Heilung von Geschwüren, wie sie uns Lanfranco lehrt ...«
Alaïs runzelte die Stirn ob jener neuerlichen ermüdenden Fülle an Namen. Doch Ray nickte interessiert, als hätte er es tatsächlich verstanden.
»Einer meiner Vorbilder ist Roger Frugardi. Eigentlich war er nichts weiter als ein gewöhnlicher Wundarzt, doch er hat es bis zum Professor gebracht an der Hochschule von Parma. Wie man Bauchwunden flickt, das weiß ich von ihm, ebenso wie man einen Kropf behandelt.« Er griff sich hastig an den Hals, als wollte er es am eigenen Leib vorführen. »Und wie man Blut stillt, das hat er uns auch ausführlich erläutert! Freilich: Manches aus seinem Werk stammt nicht aus seiner Feder, sondern wurde von Roland von Parma, seinem kundigen Schüler, ergänzt.«
Wieder nickte Ray, wenngleich Alaïs sein Blick nun etwas dümmlich deuchte. Wahrscheinlich begriff er ebenso wenig, wovon Aurel derart aufgeregt sprach, wie sie.
Dennoch fasste sie nun endlich den Mut, selbst den Mund aufzutun.
»Du hättest ihn sehen sollen, Vater«, ihre Stimme geriet piepsig, »wie er Louises Leib aufgeschnitten hat!«
»Verbluten hätte sie dabei können!«, warf Caterina kopfschüttelnd ein.
»Noch lebt sie«, meinte Aurel. »Und es leben viele noch, die von mir behandelt wurden.«
Jetzt fiel ihm endlich ein, zu welchem Zweck er an der Tafel saß. Er zog die Schüssel wieder zu sich heran und nahm einen Bissen von dem Eintopf, doch kaum hatte er ihn geschluckt, schob er die Schüssel wieder zur Seite. Als wäre das ein geheimes Zeichen zwischen ihnen, griff Emeric, der mittlerweile die eigene leergegessen hatte, nach seiner, ohne darum zu bitten. Wahrscheinlich aß er nicht zum ersten Mal die Ration seines Bruders, wenngleich er ebenso dürr war wie dieser.
»Dann hast du in Montpellier deinen Doktor gemacht?«, warf Ray begütigend ein.
Kurz senkte Aurel seinen Blick. Als er wieder hochsah, strahlten seine braunen Augen erstmals etwas Warmes aus.
»Ich will der Größte meiner Zunft werden«, erklärte er mit heiserer Stimme. »Ich werde den üblen Ruf, der auf uns lastet, widerlegen. Ich werde allen zeigen, wozu wir imstande sind.«
»Ach herrje«, seufzte Ray. »Wie lange ist’s her, dass ich davon geträumt habe, irgendwo der Größte und Beste zu sein.«
»Kann mir schon denken«, meinte Caterina, »in welcher Disziplin du’s gern gewesen wärst. Gewiss keine, für die man studiert haben muss.«
»Ihr müsst wissen«, meinte Ray, »ehe wir hier an der Küste lebten, sind mein Weib und ich ...«
»Das will keiner wissen!«, rief Caterina nun schon zum dritten Mal.
Sie erhob sich hastig, obwohl noch nicht alle ihr Mahl beendet hatten, und wusch sich hektisch die Hände. Alaïs hatte oft erlebt, dass sie auf diese Weise reagierte, wenn Ray auf ihre Vergangenheit zu sprechen kam. Für gewöhnlich erweckte dies ihre Neugierde; sie wollte das Geheimnis ergründen, das sie dahinter witterte. Doch heute galt es, mehr über den Cyrurgicus herauszufinden.
Ihr Vater kam jedoch nicht dazu, weitere Fragen zu stellen, denn als Emeric die zweite Schüssel geleert hatte und sich für das ausnehmend gute Mahl bedankte, drangen von draußen plötzlich die süßlichen Klänge von Flöten- und Lautenspiel herein.
Der kleine Platz zwischen den Fischerkaten – die ärmlichen aus Holz gebaut, die besseren aus gelblichem Stein, der im Abendlicht rötlich schimmerte – war um diese Tageszeit für gewöhnlich menschenleer. Nun freilich strömten immer mehr Dorfbewohner aus den Häusern, nicht nur von der Musik angelockt, sondern vor allem vom Wein, den Remi ausschenkte. Remi war nicht im Meer ersoffen, wie Alaïs befürchtet hatte. Er hatte es sogar geschafft, noch weitere Weinschläuche aufzutreiben, und sein Rausch machte ihn großzügig.
»Greift nur zu! Greift nur zu!«, rief er lallend. »Mein Weib lebt, mein Kind auch, ich habe etwas zu feiern.«
Caterina schüttelte den Kopf, nachdem sie nach draußen geeilt waren, entweder ob seiner Dummheit, den Wein einfach zu verschenken, oder weil es noch viel zu früh war, Louises Leben zu feiern. Vielleicht aber war sie auch nur verwirrt, weil Remi nicht nur Worte formte, sondern diese lauthals aus sich herausplärrte.
Die beiden Musikanten waren seine Kinder, und obwohl einige der Töne mehr als schief klangen, konnte Alaïs bald nicht mehr still stehen, sondern begann ihre Hüften zu wiegen. Sie war nicht die Einzige. Manch einer, vom Wein dazu ermutigt, fing an, sich ungelenk zu drehen. Nur wenige bremste das Misstrauen.
»Woher hat Remis Sohn die Flöte?«, raunte Régine Caterina zu. »Doch gewiss gestohlen!«
Alaïs hörte die Antwort nicht mehr. Es war ihr gleich, woher die Flöte stammte und dass Remi ein Hohlkopf war, der nicht bis morgen denken konnte. Viel zu befreiend war es zu erleben, wie jene Stille, die ansonsten über Saint-Marthe lastete und aus dem Dorf eine langweilige Einöde machte, durchbrochen wurde und den Menschen eine Ahnung geschenkt ward, dass es noch mehr im Leben gab, als Fische zu fangen, auszuweiden und zu braten. Fremd war nicht nur die Musik, die die laue Luft zum Vibrieren brachte, fremd war auch das Lachen, das sich aus mancher Kehle löste, rau und unsicher, aber zunehmend dreister.
Die Tanzenden wurden immer mutiger. Alaïs drehte sich noch schneller als die anderen und versäumte es dabei nicht, hin und wieder einen Blick auf Aurel zu werfen.
Er war auch aus der Kate getreten, doch während sein Bruder sich unwillkürlich im Takt der Musik wiegte, blieb er steif stehen. Alaïs sah, wie ihr Vater ihn etwas fragte, woraufhin Aurel zu einer längeren Antwort ansetzte. Ray nickte verständnisvoll – oder gab zumindest vor, das Gesagte zu begreifen. Davon ermutigt löste Aurel seine Hände, die er über der Brust zusammengehalten hatte, und artikulierte immer leidenschaftlicher, je länger er redete.
Warum kann Vater ihn nicht einfach in Ruhe lassen?, dachte Alaïs verärgert und hieb ihre Füße regelrecht in den Boden. Ihr Rock wirbelte hoch, gestattete den Umstehenden den Anblick ihrer nackten Beine. Einige grölten – nur Aurel Autard gewahrte nichts davon.
Alaïs wirbelte in die eine, dann in die andere Richtung. Ein dünner Schweißfilm breitete sich über ihren Körper. Sie fühlte, wie ihre Haare sich lösten, ob des eigenen Schwungs oder ob der kühlen Brise, die vom Meer her salzig wehte. Meist trug sie die Haare streng geflochten und – wenn es nach Caterina ging – unter einem Tuch verborgen, das so mausgrau und rau war wie ihr Kleid.
Irgendwie gelang es ihr immer, dieses Tuch im Laufe des Tages zu verlieren, doch die Flechten hielten ihrer Regsamkeit meist stand. Nur heute nicht. Heute wollte sie, dass der Cyrurgicus mit den großen, braunen Augen sie sah. Sie tanzte immer schwungvoller, schüttelte wild ihren Kopf, sah, wie einzelne Strähnen durch die Luft flogen. Auf den ersten Blick waren sie tiefschwarz wie die Haare ihrer Mutter – zumindest ehe das Grau des Alters ihnen den Glanz geraubt hatte. Doch nun, da die Abendsonne darauf fiel, schimmerten sie rötlich, so wie des Vaters Haupt, wenn der im grellen Tageslicht stand. Über den ganzen Rücken fielen nun Alaïs’ Locken, nahmen den Schweiß von den Oberarmen auf und wurden klebrig.
Und wieder ging ihr Blick zurück zu Aurel. Sein Bruder Emeric, das nahm sie flüchtig wahr, beglotzte sie – vielleicht aber auch nicht sie, sondern das Treiben auf dem Platze. Sie sah, dass er kaute; vielleicht war es ihm gelungen, beim Hinausgehen ein Stückchen Brot zu entwenden und es nun im Freien aufzuessen.
Der Vater stand nicht mehr an Aurels Seite, wahrscheinlich hatte Caterina ihn von ihm weggelotst. Doch anstatt nun endlich den Blick zu heben, blieben Aurels braune Augen auf den Boden gerichtet, wo er unruhig mit den Füßen scharrte, als fiele ihm das Stillstehen so schwer wie ihr. Seine Finger, nicht länger lebhafte Gesten formend, verknoteten sich unruhig ineinander. Sie dachte nicht mehr daran, wie jene wohlgeformten Finger heute tief im Blut der armen Louise gewühlt hatten, nur, dass sie nicht von der rohen, freudlosen Arbeit kündeten, die den Rücken der Menschen hier beugte.
Warum sieht er mich nicht?, dachte Alaïs, und die Töne der Laute kamen ihr verzerrt vor, weil ihr vom schnellen Drehen schwindelte.
Dann geriet ihr Tanz ins Stocken. Jemand stellte sich vor sie, hielt sie am Arm fest. Ihr Haar fiel auf den Rücken, manche Strähnen klatschten ihr direkt ins Gesicht wie Peitschenschläge.
Eine Hand strich sie ihr fort, dann plötzlich bewegten sich fremde Lippen auf die ihren zu.
Ehe die Lippen des anderen sie streifen konnten, fuhr Alaïs zurück.
»Untersteh dich, Josse!«, schrie sie und schlug mit der Hand auf den Mund des gedrungenen Mannes, der sich vor ihr aufgebaut hatte.
»Jeder konnte es sehen, wie du für mich getanzt hast!«, rief er gekränkt.
»Ich wusste nicht einmal, dass du hier bist!«
»Warum so spröde? Deine Eltern und die meinen – die sähen es gern, wenn du und ich endlich Hochzeit feierten.«
Alaïs blieb der Mund offen stehen, so ungeheuerlich dünkte sie dieser Antrag. Ihr Blick huschte abfällig über Josses Gestalt, ein Fischer wie ihr Vater, doch gebückter als jener und ohne den leisen Spott, den Ray zwischen sich und sein stinkendes Tagwerk schob. Josse war Fischer mit Haut und Haar. Irgendwie, und das ging Alaïs zum ersten Mal auf, sah er selbst ein wenig aus wie ein Fisch mit diesen Glupschaugen und dem nach Luft schnappenden Mund.
»Untersteh dich!«, knurrte Alaïs ein zweites Mal. »Wie kannst du auch nur daran denken!«
»Bist doch im rechten Alter«, seine Zunge stieß schwerfällig an seine Zähne. Er musste viel getrunken haben, wahrscheinlich war er nur deswegen mutig, dergleichen offen auszusprechen. »Oder, genau genommen, schon weit darüber.«
Alaïs wusste, dass er recht hatte. Sie war vergangenen April siebzehn Jahre alt geworden, und in dem Alter hatte Régine, Josses Schwester, schon zwei Kinder geboren.
Alaïs schüttelte es, wenn sie daran dachte. Louises Bild stieg von ihr auf, wie sie stöhnend, blutend und fliegenumsurrt dagelegen hatte und fast an ihrem Kind krepiert war.
Sie blieb ihm eine schnippische Bemerkung schuldig, denn eben trat Régine grinsend zu ihnen. »Und wie, kleiner Bruder, willst du dieses Weib bändigen? Wenn es sich in der Liebe so stürmisch und sittenlos verhält wie beim Tanz, hat sie dir fünfmal ihre Fersen in den Leib getreten, ehe dieser auf ihr zu liegen kommt.«
Sie verhöhnte den Bruder, doch der Blick, der auf ihm ruhte, war gutmütig. Er wurde erst stechend, als sie Alaïs ansah. Jeder in Saint-Marthe wusste, dass Régine den Bruder fürsorglicher behütete als die eigenen Kinder. Eines davon war letztes Jahr ins Meer gefallen und ersoffen. Ihrem Bruder Josse hingegen hatte sie einst voller Geduld das Schwimmen beigebracht.
Alaïs schnaubte. »Solltest auf deine Schwester hören!«, stieß sie aus.
»Pah!«, rief Josse mit glasigem Blick. »Und ich kriege dich doch!«
Er schwankte, als er sich umwandte, und Régine packte ihn schnell am Arm, auf dass er nicht fiel. Mühsam verkniff sich Alaïs ein Grinsen. Viel länger wollte sie jedoch nicht an ihn denken, wollte lieber zurückfinden in den Takt der Musik.
Da erst gewahrte sie, dass diese verstummt war, die tanzenden Menschen innegehalten hatten und Remi rasch den frischen Krug Wein hinter seinem Rücken barg.
Verwirrt blickte sie sich um – und erkannte den Grund, warum das ausgelassene Fest jäh beendet worden war.
»Haltet ihr das für den rechten Weg, den Abend eines Samstags zu verbringen? Der Tag, an dem der Erlöser einst im Grab ruhte?«
Als der Mann mit der dunklen Kutte näher trat, verbarg Remi nicht nur den Weinkrug, sondern riss seinem Ältesten auch die Laute aus der Hand, leichtgläubig wie ein Kind, das meint, man übersähe sämtliche Untaten, wären deren Werkzeuge erst versteckt. Doch der Franziskaner, der auf dem Dorfplatz erschienen war, ließ sich davon nicht milde stimmen. Das dunkle, armselige Gewand, wie es sein Orden vorschrieb, flatterte im Wind, der merklich kühler wurde – sei’s, weil die Sonne untergegangen war, sei’s, weil sein bloßes Auftreten die Menschen erschaudern ließ. Nicht immer hatte Frère Lazaire solche Macht über seine Gemeinde. Trotz des Armutsgebots galt sein Blick als gierig, wenn er fette Kühe oder mit Fischen reich gefüllte Körbe sah.
Oft wurde hinter seinem Rücken gelästert. Nicht nur Alaïs’ Eltern taten das – Ray gerne in Anwesenheit der Tochter, Caterina erst dann, wenn sie meinte, jene lausche nicht –, sondern auch Régine, die mehrfach laut bekundet hatte, einen Priester nicht ernstnehmen zu können, der wie ein Bettler aussehe. Gerne erzählte sie von einer Reise nach Marseille und wie dort am Jahrestag der Heiligsprechung von Louis – jener ein Bruder des Königs von Neapel und der Provence – eine große Prozession begangen worden war. Höchst angetan hatte sie sich davon gezeigt, was der Bischof damals getragen hatte: einen mit Perlen verbrämten Mantel und eine mit Gold durchwirkte Mitra. Dergleichen gebe eine Ahnung von Glanz und Gloria des Allmächtigen, nicht das verdreckte Krähengewand des Franziskaners!
Doch ihr Widerwille gegen Frère Lazaire zeigte sich nur in dessen Abwesenheit. Nun war Régine die Erste, die den Kopf senkte, buckelnd zu ihm gekrochen kam und kleinlaut bekannte: »Wir feiern doch nur, weil Louise die Geburt überstanden hat.«
»Indem ihr tanzt?«, keuchte Frère Lazaire, und sein empörter Blick wanderte zu Alaïs. Sie hatte innegehalten wie der Rest, aber in ihrem Gesicht standen noch deutlich die Spuren von Hitze.
»Ihr solltet euch ein Beispiel an der frommen Guillelma nehmen!«, mahnte er.
Nicht nur Régine, auch die Übrigen starrten nun verlegen zu Boden und falteten die Hände, als könnte man, wenn auch nicht mit gemurmeltem Gebet, so doch mit entsprechender Haltung die letzten Stunden wettmachen.
Die fromme Guillelma, ausgerechnet!, ging es Alaïs durch den Kopf.