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Kim, Franzi und Marie sind "Die drei !!!". Mutig und clever ermitteln die drei Detektivinnen und sind jedem Fall gewachsen. Spukt es tatsachlich in der Geisterbahn auf der Herbst-Kirmes? Als ein Geisterbahn-Erschrecker verschwindet und weitere Sabotage-Akte geschehen, stehen Kim, Franzi und Marie vor einem Rätsel. Irgendetwas ist hier oberfaul!
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Tatort Geisterbahn
Mira Sol
KOSMOS
Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching
Umschlaggestaltung von Sabine Reddig
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© 2020 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-440-50236-5
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Marie zog die schwere Tür zum Keller auf. Augenblicklich schwoll der Lärmpegel an und wummernde Bässe und kreischende Gitarrensounds schlugen ihr entgegen. Kopfschüttelnd rannte sie die Treppe hinunter.
Die Musik wurde immer lauter, je weiter sie nach unten lief. Im Gewölbe spürte Marie, wie der Boden unter ihren Füßen bebte.
»Seid ihr total verrückt geworden!«, rief sie verärgert.
Aber die dröhnende Musik schluckte ihre Worte. Niemand antwortete.
Sie ging an den langen Regalen mit Weinflaschen und Einmachgläsern vorbei und steuerte auf den Durchgang zum Fitnessraum zu. Als sie ihn erreicht hatte und in den Raum hineinsah, war ihre Wut jedoch im Nu verraucht. Marie musste laut lachen: Vor dem großen Spiegel stand ihr dreijähriger Bruder Finn und zappelte heftig im Takt der Musik. Er hatte ein viel zu großes schwarzes Shirt mit einem weißen Totenkopf auf der Brust an, dazu trug er Jeans und ein Basecap, das er sich tief in die Stirn gezogen hatte. Darüber war ein Paar knallroter Schallschutz-Kopfhörer gestülpt.
Neben Finn tanzte Sami, der finnische Au-pair-Junge. Beide wippten heftig mit den Köpfen auf und ab. Dazu bewegten sie Arme und Hände, als würden sie E-Gitarre spielen.
»Ihr mit eurem komischen Luftgitarren-Training!«, rief Marie und lächelte.
In dem Moment bemerkte Sami sie erst. Er drehte sich um und winkte ihr zu. Finn spielte weiterhin konzentriert auf seinem nicht vorhandenen Instrument.
Sami nickte anerkennend. »Dein Bruder ist sehr begabt!«, rief er gegen die Musik an und lief zur Anlage.
Marie verdrehte die Augen. »Kann ja sein!«, rief sie zurück. »Aber ihr seid einfach zu laut!«
»Schrei doch nicht so«, sagte Sami, der mitten in Maries Satz die Lautstärke heruntergeregelt hatte. Er grinste schief. »Sorry, hört man das etwa bis oben in der Villa?«
Marie nickte.
Finn drehte sich irritiert um. »Was is?«, rief er mit heller Stimme. Er nahm seinen Schallschutz-Kopfhörer ab und lief zu Marie. »Hi! Machst du mit?«
»Oh, nein.« Marie lächelte ihren Bruder an. »Ein Luftgitarren-Verrückter in der Familie Grevenbroich reicht mir völlig.« Sie seufzte. »Jetzt mal im Ernst: Es klingt, als würde in meinem Zimmer eine zehnköpfige Heavy-Metal-Band proben. Wahrscheinlich wird der Schall durch irgendeinen Schacht nach oben geleitet.«
Sami machte ein schuldbewusstes Gesicht. »Das wusste ich nicht, tut mir leid!«
»Macht die Musik doch einfach etwas leiser«, bat Marie. Sie strich ihrem kleinen Bruder über den Kopf. »Dann braucht er den Ohrenschutz auch nicht.«
»Aber ich habe deinem Vater versprochen, dass Finn sie immer trägt, wenn wir üben«, antwortete Sami. »Und deshalb müssen wir die Lautstärke voll aufdrehen. Er hört ja sonst gar nichts!«
»Das klingt natürlich total logisch«, antwortete Marie mit ironischem Unterton. Sie sah kopfschüttelnd von Sami zu Finn. »Na ja, egal. Was haltet ihr davon, wenn ich euch ein paar Muffins vorbeibringe und ihr eine Pause macht? Dann können Franzi, Kim und ich uns in Ruhe weiter unterhalten. Na, was meint ihr?«
Sie beugte sich zu Finn hinunter und schob die Mütze ein Stück hoch, um ihm in die Augen sehen zu können. Sofort erstarrte Marie vor Schreck: Finn hatte eine klaffende Wunde auf der Stirn! Sie zog sich von der Augenbraue bis in den Haaransatz hinein und ihre Ränder waren blutverkrustet. Marie blieb beinahe das Herz stehen. »Was ist passiert, bist du hingefallen?«, rief sie und kniete sich hin, um die Verletzung genauer zu betrachten. Sie sah Sami vorwurfsvoll an. »Hast du das denn nicht gesehen?«
»Doch, natürlich …«, begann Sami.
»Wir müssen sofort zum Arzt«, unterbrach ihn Marie.
Finn kicherte. »Das muss so sein!«
Marie traute ihren Ohren nicht.
»Ich glaube, wir müssen dir was erklären!« Sami lachte und zwinkerte Finn zu.
Marie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ach ja?«
»Die Narbe ist nur geschminkt«, sagte Sami. »Wir waren vorhin nämlich bei einer Veranstaltung für Kinder auf der Herbstkirmes.« Er zog den Ärmel seines Pullis hoch und zeigte eine gruselige Schnittwunde, die sich über den gesamten Unterarm zog. Auch sie war blutverkrustet, war aber, im Gegensatz zu Finns Wunde, scheinbar genäht worden. Eine Reihe von schwarzen, stacheligen Fäden säumte die Ränder.
Marie spürte, wie ihr eine Gänsehaut den Nacken hinaufkroch. Sie schüttelte sich.
»Irre, oder?«, fragte Sami begeistert. »Ich finde es toll, was man alles mit ein bisschen Latex und Schminkfarbe machen kann.« Vorsichtig krempelte er den Ärmel wieder herunter und strich ihn glatt.
»Ähm, jaaa«, sagte Marie gedehnt und versuchte, nicht auf Finns Kunstwunde zu sehen.
Der Kleine strahlte Marie glücklich an. »Clarissa kann toll gruselig malen!«
»Das stimmt.« Marie stand wieder auf und strubbelte Finn über den Kopf. »Und wer ist Clarissa?«
»Clarissa macht Leuten Angst«,sagte Finn. »Aber sie ist lieb!«
Als Sami Maries erstauntes Gesicht sah, erklärte er: »Das Event heute wurde von den Betreibern einer Geisterbahn veranstaltet. Sie hatten die Idee, einen Tag vor der Eröffnung der Kirmes eine Führung für Kinder zu machen, damit sie sehen können, wie ihr Fahrgeschäft funktioniert. Clarissa Schubart arbeitet dort als lebender Geist, sie läuft verkleidet herum und erschreckt die Leute ein bisschen.« Sami schnappte sich seinen Rucksack und begann, darin herumzuwühlen. »Clarissa hat den Kindern gezeigt, wie die Mechanik bei den Geisterbahnfiguren funktioniert«, erzählte er weiter. »Und dann noch, wie sie sich als Geisterbraut verkleidet und schminkt. Es war sehr spannend!« Er zog etwas aus seinem Rucksack hervor. »Wir haben auch Gutscheine bekommen. Hier.«Er reichte Marie drei bunt bedruckte Kärtchen und grinste breit. »Für dich und deine Freundinnen. Als kleine Wiedergutmachung für die Ruhestörung eben!«
»Danke!« Marie nahm die Kärtchen und betrachtete das Bild auf der obersten. Ein gelbäugiges Zottelmonster riss seinen gewaltigen Rachen auf und zeigte zwei Reihen messerscharfer Zähne. Hellrotes Blut tropfte an ihnen herab. Hinter dem Monster war eine gruselige alte Burg zu sehen, deren Türme mit Spinnweben verhangen waren. »Das Gespensterschloss«, las Marie den Text neben dem Bild vor. »GepflegterGrusel vom Feinsten – das klingt doch gut! Franzi und Kim wollen das bestimmt auch sehen!«
»Was denn?«, rief plötzlich eine Stimme hinter Marie. Sie drehte sich um. Kim und Franzi winkten vom Durchgang aus in den Raum. »Hast du uns etwa vergessen?«, fragte Franzi. Mit einer energischen Handbewegung zog sie den Haargummi an einem ihrer kurzen roten Zöpfe fest.
Kim blickte sich aufmerksam im Raum um. »Was sollen wir uns denn ansehen? Gibt es etwa einen neuen Fall?«
Marie musste lächeln. Kim war einfach mit Haut und Haaren Detektivin. Ständig war sie auf der Suche nach einem neuen Verbrechen, das sie zusammen mit ihr und Franzi aufklären konnte. Seitdem sie den Detektivclub Die drei !!! gegründet hatten, waren ihnen bereits massenweise Diebe, Erpresser, Betrüger und andere Kriminelle in die Falle getappt. Sogar im Ausland hatten sie schon erfolgreich ermittelt! Marie war sehr stolz darauf. Ihre Freundinnen und sie waren wirklich ein Superteam.
Ein Schrei unterbrach Maries Gedanken. Er stammte von Kim, die Finns Wunde entdeckt hatte.
»Was hast du da?« Kim sah fassungslos auf Finns Stirn. »Das sieht ja schlimm aus!«
»Nein!«, rief Finn. »Das ist schön.« Trotzig schlang er sich die Arme um den Oberkörper und reckte das Kinn. Das künstliche Blut seiner Latexwunde funkelte im Licht der Lampen.
Kim blieb der Mund offen stehen. Sie sah Marie entsetzt an.
Marie strich sich eine Strähne ihrer langen blonden Haare hinter das Ohr. »Entwarnung, Kim! Die Wunde ist nicht echt.«
»Wie bitte?« Kim kniff die Augen zusammen und betrachtete Finn genau.
Franzi kam ebenfalls neugierig näher. Stolz präsentierte Finn den Mädchen seine Stirn.
Sami sah belustigt zu. »Kleiner Mann, du verstehst es, die Frauen für dich zu interessieren!«
»Hä?« Finn sah den Au-pair-Jungen verständnislos an. Dann zuckte er mit den Schultern und begann, in seiner Hosentasche zu kramen.
Marie erzählte ihren Freundinnen von Clarissa Schubart und der Geisterbahn-Führung.
»Das klingt echt spannend!«, sagte Kim schließlich. »So etwas würde ich auch gerne mal machen.«
»Schaut mal!«, rief Finn plötzlich und streckte seinen Arm aus. Er hatte einen kleinen Gegenstand auf der flachen Hand.
Marie beugte sich herunter, um zu sehen, was es war, doch im nächsten Moment zuckte sie zurück. »Ein Finger!«
»Ein schlimmer Finger«, verbesserte Finn sie. »Der ist nämlich ab.«
Marie betrachtete das kleine Kunstwerk aus Latex und Farbe. Es sah aus wie ein echter menschlicher Daumen, der abgetrennt worden war. Viel Kunstblut verstärkte den Gruseleffekt.
»Für dich!«, sagte Finn mit einem strahlenden Lächeln und drückte Marie den Finger in die Hand.
»Oh, danke. Das ist …«, Marie schluckte, »… echt lieb von dir.« Sie starrte auf das Grusel-Utensil. »So etwas habe ich mir … schon immer gewünscht.«
Finn sah seine große Schwester zufrieden an.
»Clarissa versteht ihr Handwerk wirklich«, sagte Sami. »Für die Dekoration der Geisterbahn stellt sie alle möglichen Körperteile her, sogar ganze Skelette. Und sie verkauft die Sachen auch über einen Online-Handel. Für Motto-Partys und so.« Der Au-pair-Junge zwinkerte Marie zu. »Wenn du also noch mehr von den Dingern haben möchtest, sag Bescheid. Ich bin morgen mit ihr verabredet. Sie zeigt mir ihre Werkstatt und will mir ein Angebot für die Ausstattung meiner Abschiedsparty machen.«
Marie winkte dankend ab und steckte den Gummifinger in die Seitentasche ihres Minirocks. »Ich glaube, eins davon reicht mir völlig.«
Kim war hellhörig geworden. »Du machst eine Abschiedsparty?«, fragte sie Sami. »Heißt das, du fährst wieder nach Hause?«
Sami nickte. Er zog den Klettverschluss, der sich an einem von Finns Schuhen gelöst hatte, wieder fest und richtete sich auf. »Ich habe überraschend doch noch einen Studienplatz für Medizin bekommen. Die Vorkurse beginnen schon Mitte November.« Sami legte Finn eine Hand auf den Kopf. »Ich werde den Kleinen und seine Familie sehr vermissen. Aber es hilft nichts, ich muss schon nächste Woche weg.«
Finn sah zu Sami hoch. »Du musst keine Angst haben. Wir kommen alle mit!«
Sami lächelte. »Ja, ihr kommt mich alle besuchen. Das haben wir ja schon ausgemacht.« Er zog Finn zu sich hoch und hielt ihn locker im Arm.» Aber erst mal gehe ich alleine nach Helsinki. Ich muss noch eine Wohnung finden.«
Finn kuschelte sich an Samis Hals. »Du schaffst das«, sagte er mit fester Stimme.
»Aber klar!«, antwortete Sami. Er klatschte sich mit Finn ab.
Marie seufzte. Sie fand es sehr schade, dass Sami schon bald wieder zurück nach Finnland gehen würde. Ihr kleiner Bruder und er verstanden sich so gut. Und sie selbst mochte den Au-pair-Jungen auch. Sie waren in den letzten Monaten richtig gute Freunde geworden. Sie würde Sami sehr vermissen!
»Das ist ja schade«, sagte Franzi prompt. »Also, ich meine, dass du schon bald gehst. Aber das mit dem Studienplatz ist natürlich super. Herzlichen Glückwunsch!«
Auch Kim gratulierte.
Sami bedankte sich und hob Finn auf seine Schultern. »Ja, ich habe wirklich Glück gehabt, dass es so schnell ging.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Schon so spät«, stellte er fest. »Ich muss noch für das Abendessen einkaufen!« Er sah zu Finn hoch. »Was ist, Lust auf eine rasante Fahrt im Einkaufswagen?«
»Ja!« Finn reckte begeistert die Arme in die Luft. »Und Lollis!«
»Mal sehen«, antwortete Sami. Er nickte Kim und Franzi zu. »Ihr seid natürlich auch herzlich zur Abschiedsparty eingeladen. Nächsten Dienstag ab 16:00 Uhr tanzen hier die Geister!«
»Super, danke!«, riefen Kim und Franzi wie aus einem Mund.
Sami verabschiedete sich von den Mädchen und lief mit Finn auf den Schultern zum Durchgang. »Genießt die himmlische Ruhe!«, rief er noch und lachte. Dann tauchten die beiden ab.
Zwei Minuten später saßen die drei Detektivinnen in Maries Zimmer. Kim zündete die Kerzen wieder an, die sie vorhin eilig ausgepustet hatte, bevor sie und Franzi Marie in den Keller gefolgt waren.
»Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.« Marie goss Tee nach und ein fruchtig-süßes Aroma von Pfirsich und Vanille breitete sich aus. »Sami und Finn sind eben immer für eine Überraschung gut. Ich habe gar nicht gemerkt, dass die Zeit so schnell vergangen ist.«
Kim klopfte ihr Sitzkissen zurecht und ließ sich hineinsinken. Sie löffelte etwas Zucker in ihre Tasse und rührte nachdenklich um. »Jungs können wirklich auf die seltsamsten Ideen kommen.«
Franzi kicherte. »Du sagst es!« Sie schnappte sich einen Muffin von der silbernen Platte, die auf dem Boden stand, und nahm einen kleinen Bissen. »Blake ist auch nicht viel besser«, nuschelte sie. »Er hat neulich, als wir zusammen im Park waren, seinen neuen Sportrolli einem Härtetest unterzogen. So hat er es jedenfalls formuliert.« Franzi schluckte und schüttelte den Kopf. »Dabei ist er voll im See gelandet. Zum Glück hat er sich nicht verletzt, aber jetzt liegt er mit einer fiesen Erkältung flach.«
Franzi und Blake waren schon seit längerer Zeit ein Paar. Und zwar ein sehr süßes, wie Marie fand. Die beiden hatten sich im Waldschwimmbad kennengelernt und ineinander verliebt. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis sie endlich richtig zusammengekommen waren, aber jetzt waren die beiden unzertrennlich. Blake saß nach einem Reitunfall, bei dem er sich am Rücken verletzt hatte, im Rollstuhl. Das hinderte ihn nicht daran, zahlreiche Sportarten auszuüben und überhaupt ein ziemlich rasantes Leben zu führen. Er passte damit ganz hervorragend zu der sportlichen Franzi, die für ihr Leben gern Ausritte mit ihrem Pony Tinka machte, skatete, joggte oder kletterte. Die beiden waren ein richtiges Power-Duo, fand Marie.
»Manchmal nervt es mich, dass Blake immer im Mittelpunkt stehen muss«, sagte Franzi unvermittelt. Sie strich über die weiche Kaschmirdecke, die sie sich über die Beine gelegt hatte. »Aber wahrscheinlich braucht er das einfach.« Sie zuckte mit den Schultern. »Jeder hat eben so seine Besonderheiten.« Kim und Marie nickten.
Kim biss in ihren Muffin, kaute genüsslich und schluckte. »Die schmecken übrigens großartig, Franzi«,schwärmte sie. »Deine Mutter backt einfach fantastisch.«
Marie stimmte sofort zu: »Die sind wirklich supergut. Total fluffig!«
Franzi grinste. »Ich werde es Mama sagen. Sie hat ein neues Rezept ausprobiert und wollte, dass wir das Ergebnis testen. Ich werde ihr dazu raten, dass sie die Kürbis-Kokos-Muffins in ihr Programm aufnehmen soll, oder?«
»Auf alle Fälle!«, rief Kim und biss erneut in ihr Gebäckstück. »Und am besten, sie öffnet das Hofcafé jeden Tag.«
»Bloß nicht«, antwortete Franzi. »Mir reicht es wirklich, wenn jeden Sonntagnachmittag bei uns Hochbetrieb herrscht. Seit meine Eltern das alte Gewächshaus zum Café umgebaut haben, kommen die Leute scharenweise. Die finden nicht nur die Kuchen toll, sondern auch den Ort.«
»Kann ich verstehen«, sagte Marie. »Das Glashaus ist ja auch wunderschön geworden.« Sie beugte sich vor und griff nach der Teekanne. Ihre Halskette schwang dabei leicht hin und her. Marie berührte den winzigen silbernen Schwan, der daran hing, und lächelte. Holger hatte ihr den Anhänger geschenkt, als sie nach einer längeren Beziehungspause wieder zusammengekommen waren. Sie spürte ein sanftes Kribbeln im Bauch.
»Wie läuft es bei dir eigentlich gerade?«, wollte Franzi prompt wissen. »Bist du immer noch so glücklich?«
Marie spürte, wie ihr Herz schneller zu klopfen begann. »Ich bin so was von total-super-wahnsinnig verliebt«, schwärmte sie, während sie Tee nachschenkte. »Ich kann es kaum abwarten, Holger am Montag zu sehen. Wir wollen zum Schwänefüttern in den Jakobipark.«
»Wie romantisch«, sagte Kim sehnsüchtig. »So etwas wünsche ich mir auch.«
Franzi legte den Arm um sie. »Auch du wirst deinen Traumjungen bald finden. Ganz bestimmt!«
Kim räusperte sich. »Ja, mal sehen.«
Marie bemerkte, dass Kim rote Wangen bekam und verträumt vor sich hinblickte. »Sag mal«, begann sie vorsichtig. »Was ist eigentlich mit Sebastian?« Sie beobachtete Kim ganz genau. Sebastian Husmeier war der Leiter des Schreibworkshops, den Kim seit einiger Zeit im Jugendzentrum besuchte. Es war schon lange kein Geheimnis für Franzi und Marie mehr, dass Kim mehr als nur für ihn schwärmte. Auch wenn sie es nicht zugab: Sie war total in ihn verliebt!
»Bist du immer noch in ihn verschossen?«, platzte Franzi heraus.
Marie warf Franzi einen warnenden Blick zu.
Kim verdrehte die Augen und schnappte sich eins der Gutschein-Kärtchen, die Marie neben sich auf den Boden gelegt hatte. »Wo sind die denn her?«, fragte sie.
»Du lenkst ab«, stellte Franzi fest. »Willst du uns wirklich nicht …«
»Nein.«
Marie seufzte. Franzi hatte eine sehr direkte Art und sagte immer frei heraus, was sie dachte. Das war einerseits angenehm, weil man bei ihr genau wusste, woran man war. Andererseits konnten ihre offenen Worte einen manchmal ganz schön überrumpeln oder sogar verletzen – auch wenn Franzi es gar nicht so meinte.
Kim jedenfalls wollte nicht weiter über Sebastian reden. Sie hielt Marie das Kärtchen von der Geisterbahn vors Gesicht. »Hast du die von Sami?«
Marie nickte und sah Kim und Franzi fragend an. »Habt ihr Lust, morgen auf die Kirmes zu gehen und sie einzulösen?«
»Au ja!« Franzi war sofort Feuer und Flamme. Ihre grünen Augen blitzten unternehmungslustig. »Ich bin schon Ewigkeiten nicht mehr Geisterbahn gefahren!«
»Morgen geht bei mir auf keinen Fall«, sagte Kim. Ihre Wangen färbten sich schon wieder rot. »Da ist der Schreibworkshop.« Sie legte die Gutscheine auf den Boden zurück. »Könnt ihr auch am Samstag?«
Franzi nickte. »Klar!«
Marie schnappte sich ihr Handy vom Schreibtisch. »Ich muss nur schnell schauen, wann ich meinen Friseurtermin habe.« Sie öffnete den Kalender.
Im selben Moment brummte Kims Smartphone. Sie zog es aus der Hosentasche und las die eingegangene Nachricht. Augenblicklich machte sie ein enttäuschtes Gesicht.
»Was ist los?«, fragte Marie besorgt.
Geheimes Tagebuch von Kim Jülich Donnerstag, 21:30 Uhr
WARNUNG an alle, die das hier lesen, obwohl sie nicht Kim Jülich heißen: Ich schicke euch ein gelbäugiges Zottelmonster vorbei, das messerscharfe Vampirzähne hat, an denen euer Blut heruntertropfen wird. Keine Ahnung, wie ich da jetzt drauf gekommen bin. Aber es ist ein sehr deutliches Bild – oder?!?