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Zum 150. Geburtstag von Thomas Mann. Ein neuer Kriminalfall für die beliebten Detektive aus Rocky Beach. Warum wurde bei John Lehmann eingebrochen? Als Justus dem älteren Nachbarn zur Hilfe eilt, wird er selbst überrumpelt. Wer ist die dunkle Gestalt? Justus konnte nur eine Person in einem Umhang, mit einer Schiebermütze und einer Sonnenbrille erkennen. Und was wollte dieser Jemand bei Herrn Lehmann? Bald steht fest: Die kleine Bibliothek wurde verwüstet. Die wertvolle Ausgabe eines Romans von Thomas Mann fehlt! Die Ermittlungen führen Justus, Peter und Bob zur "Villa Aurora" nach Seven Palms. In diesem Haus lebte der deutsche Literatur-Nobelpreisträger bis 1952. Was finden die drei ??? dort heraus?
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2025
Die drei ??? Das Geheimnis der sieben Palmen
Marco Sonnleitner
KOSMOS
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Umschlagsabbildung: © Andreas Ruch, Düsseldorf
© 2025, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart
kosmos.de/servicecenter
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-50901-2
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Cover
Titel
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Hauptteil
Sturz in die Nacht
Das Schnabelmonster
Ein seltsamer Zufall
Der Kapuzenmann
Und immer wieder: Thomas Mann
Angriff im Park
Rätselhafte Briefe
Das Büchergrab
Ein Kopf rollt
Ein Werk des Teufels?
Todesangst!
Peter auf der Jagd
Das Spiel der Liebenden
Nacht der Geheimnisse
Der letzte Brief
Schatten im Schatten
Happy Birthday!
Tödliche Blicke
Ohne jede Chance
Peters Träume
Aus besonderem Anlass ein sonst nicht übliches Nachwort
»Geschafft!« Justus Jonas schob sich ächzend unter dem Schreibtisch hervor und warf einen zufriedenen Blick auf sein Werk. In den letzten zwei Stunden hatte er unter der Schreibtischplatte ein quasi unsichtbares Geheimfach angebracht, in dem sich Dokumente, Datenträger und andere kleine Gegenstände gut verstecken ließen. Zwar war es ziemlich unwahrscheinlich, dass jemand unerlaubt in die Zentrale ihres Detektivunternehmens eindrang – der betagte Campinganhänger stand verborgen unter einem großen Haufen Gerümpel auf dem Gelände des ›Gebrauchtwarencenters T. Jonas‹ und war nur über zwei geheime Zugänge zu erreichen. Aber man konnte ja nie wissen. Außerdem trug Justus den Plan für das Geheimfach schon sehr lange mit sich herum.
Der Erste Detektiv der drei ??? rappelte sich vom Boden auf und gähnte herzhaft. Seine Armbanduhr zeigte kurz vor zwölf, fast Mitternacht, und Justus war nach der unbequemen Buckelei unter dem Schreibtisch jetzt doch ziemlich müde. Außerdem taten ihm sein Nacken und der untere Rücken weh. Aufräumen würde er morgen.
Justus legte das Werkzeug auf den Schreibtisch, schaltete das Licht aus und verließ die Zentrale über die Eingangstür des Trailers. Dahinter führte ein niedriger Wellblechtunnel zum sogenannten Kalten Tor, einem der beiden Geheimgänge. Durch die verschiebbare Rückwand eines riesigen Kühlschranks und anschließend dessen vordere Tür trat der Erste Detektiv kurz darauf in die sternenklare kalifornische Nacht.
Er atmete tief durch. Die Luft war frisch und roch nach Salz, weil eine sanfte Brise vom Meer her wehte. Irgendwo draußen vor dem Schrottplatz balgten sich laut schreiend zwei Katzen, ganz weit über ihm zogen die blinkenden Positionslichter eines Flugzeugs über den nächtlichen Himmel. Justus mochte diese Stimmung sehr. Gut gelaunt und zufrieden mit sich und der Welt setzte er sich in Bewegung und lief auf das Wohnhaus der Familie Jonas zu. Dort lebte er bei seiner Tante und seinem Onkel – Mathilda und Titus Jonas –, seit seine Eltern vor vielen Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen waren.
Doch als er auf der Höhe des kleinen Parkplatzes angekommen war, auf dem Onkel Titus immer seinen Pick-up abstellte, blieb Justus abrupt stehen. Hinter dem Holzzaun, der rund um den Schrottplatz verlief, war kurz das Licht einer Taschenlampe aufgeflammt. Ihr Strahl hatte in einem wilden Zickzack die Dunkelheit durchschnitten und war dann wieder verloschen.
»Merkwürdig«, flüsterte Justus.
In dieser Richtung lag das Grundstück von Mr Lehmann. Joseph Lehmann war ein netter, ziemlich schwerhöriger Mann um die achtzig, der nicht mehr allzu gut zu Fuß war. Justus begegnete ihm ab und zu auf der Straße und Lehmann grüßte ihn immer sehr freundlich. Warum sollte der alte Herr um diese späte Stunde noch mit einer Taschenlampe unterwegs sein? Draußen, in seinem eigenen Garten?
Justus näherte sich dem Zaun. Da. Wieder ein Lichtstrahl. Kurz darauf raschelten hinter den Holzlatten Blätter und der Wipfel eines großen Baumes erzitterte.
Vielleicht hatte Mr Lehmann etwas verloren, was er jetzt suchte? Vielleicht seinen Schlüssel? Und kam deswegen nicht ins Haus? Justus linste durch ein Astloch in einem der Zaunbretter, blickte jedoch nur auf dunkles Blätterwerk. Kurz entschlossen wandte er sich um, verließ den Schrottplatz über das große Zufahrtstor und trat auf die Sunrise Road. Vielleicht brauchte Mr Lehmann Hilfe.
Wenig später stand Justus vor dem kleinen roten Gartentor, hinter dem sich ein schmaler Plattenweg zwischen Büschen und Bäumen hindurch zum Haus von Mr Lehmann schlängelte. Das Gartentor stand weit offen, das Haus lag in völliger Dunkelheit. Es brannte auch keine Außenlampe.
Der Erste Detektiv spürte ein feines Prickeln in seinem Nacken. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. War hier alles in Ordnung? Justus machte den Mund auf, um etwas zu rufen, als ein Geräusch zu ihm drang. Es kam aus dem Haus. Ein dumpfes Poltern. Einer inneren Eingebung folgend, schloss er seinen Mund wieder und betrat Mr Lehmanns Grundstück.
Vom Gartentor waren es etwa dreißig Schritte bis zur Haustür. Justus zog am Knauf. Verschlossen. Das Licht der Straßenlaternen drang wegen der vielen Büsche nur als verstreute goldfarbene Flecken bis hierher. Justus konnte nicht viel erkennen. Er wandte sich nach links und schlich so geräuschlos wie möglich am Haus entlang.
Als er an einem Fenster vorbeikam, duckte er sich und richtete sich dann langsam wieder auf, um ins Innere des Hauses zu spähen. Nichts. Dunkelheit. Justus ging weiter.
Hinter der Hausecke tat sich ein schmaler Bereich des Gartens auf, der an den Bretterzaun des Schrottplatzes grenzte. Mr Lehmann hatte auch dort Büsche gepflanzt, weswegen Justus vorhin durch das Astloch nichts hatte erkennen können. Der Erste Detektiv orientierte sich kurz. Das Licht der Taschenlampe, das er gesehen hatte, war von weiter hinten gekommen. Von der Rückseite des Gebäudes.
Als er die nächste Hausecke erreicht hatte, lugte er erst vorsichtig darum herum. Im fahlen Mondlicht konnte er hinter dem Haus eine große Terrasse ausmachen, auf der eine Hollywood-Schaukel, ein rundes Tischchen und zwei Stühle standen. Um das Tischchen herum lagen ein paar kleine Schalen oder Dosen auf dem Boden. Unordentlich, wie hingeworfen. Dahinter verloren sich die Schatten unterschiedlichster Pflanzen in der Nacht.
Auf Zehenspitzen schlich Justus zur Terrasse. Schon aus einiger Entfernung konnte er erkennen, dass die Terrassentür offen stand. Und sie stand nicht nur offen, wie er wenige Augenblicke später feststellte. Auch die Scheibe war zerbrochen, eingeschlagen.
Ein Einbrecher? Oder hatte Mr Lehmann in seiner Not seine eigene Tür zertrümmert? Vielleicht war ihm das lieber gewesen, als die Nacht auf seiner Hollywood-Schaukel zu verbringen? Justus bewegte sich auf die Tür zu.
»Mr Lehmann?«, flüsterte er leise.
Keine Antwort. Irgendetwas knirschte unter seinen Sohlen. Justus sah nach unten. Größere, annähernd viereckige Steinchen, die auf der ganzen Terrasse verstreut herumlagen. Auch auf dem kleinen Tischchen fanden sich welche.
»Mr Lehmann?«, zischte Justus etwas lauter. »Justus Jonas hier. Vom Gebrauchtwarenhandel nebenan. Ist alles in Ordnung bei Ihnen?«
Erneut bekam er keine Antwort. Also trat er über die Scherben der zersplitterten Terrassentür hinweg ins Haus.
Sie führte in ein größeres Zimmer. So ungefähr konnte der Erste Detektiv die Umrisse von zwei Sesseln, einem Sofa, einem niedrigen Tisch und Bücherregalen an der Wand ausmachen. Und irgendetwas lag vor diesen Bücherregalen auf dem Boden. Viele dunkle Klötze, die noch schwärzer waren als die Dunkelheit im Raum. Justus schlich hinüber.
Es waren Bücher. Auf dem Boden lagen mindestens dreißig oder vierzig Bücher herum. Wahllos verstreut, über- und untereinander. Als wären sie achtlos aus den Regalen gerissen worden. Bis auf fünf oder sechs Exemplare, die ordentlich übereinandergestapelt worden waren.
Ein Geräusch! Und Stimmen, unverständliche Stimmen. Einen Herzschlag später ein dumpfes Stöhnen, dann erneut ein lautes Poltern.
Was war hier los? Justus eilte auf ein dunkles Rechteck links von sich zu. Eine Tür, die ebenfalls offen stand. Gleichzeitig hörte er hastige Schritte, die eine Treppe hinauf- oder hinunterrannten – viel zu schnell für einen alten Mann.
Justus tastete die Wand ab. Licht, er brauchte Licht! Doch er fand keinen Schalter. Die Schritte näherten sich, jemand keuchte.
Dann endlich ertastete er einen altertümlichen Drehknopf. Gerade als er ihn betätigen wollte, sah er einen großen Schatten auf sich zufliegen, größer als er selbst. Justus brachte instinktiv noch die Hände vors Gesicht und zog den Kopf ein. Aber den Zusammenprall konnte er nicht mehr verhindern.
Die Gestalt stieß ihn nach hinten, zurück in das Bücherzimmer, und rannte an Justus vorbei auf die Terrassentür zu. Der Erste Detektiv stolperte, ruderte mit den Armen, fiel über einen der Sessel und schlug dann mit dem Kopf hart auf der Tischplatte auf.
Das Letzte, was Justus wahrnahm, war die bizarre Form des Schädels jener Gestalt. Wie ein Schnabel, dachte er noch. Dann versank er in tiefster Nacht.
»Hallo? Hörst du mich?«
Das Schnabelmonster blies ihm seinen fauligen Atem ins Gesicht. Es musste genau über ihm stehen. Wobei – eigentlich roch der Atem ganz gut. Nach Pfefferminz.
»Junge? Kannst du mich hören?«
Und jetzt schlug es ihn. Ganz sanft, auf die Wange. Eher ein Tätscheln. Justus drehte seinen Kopf dennoch weg.
»Wir rufen besser einen Arzt. Ich –«
Justus riss die Augen auf. »Was? Wer?« Abrupt setzte er sich auf. »Das Schnabelmonster!«
»Bitte?«
Ein Gesicht blickte ihn aus nächster Nähe an. Ein sehr verblüfftes Gesicht. Mit blauer Polizeimütze und einem Schnurrbart. Ein deutlicher Pfefferminzgeruch ging von ihm aus.
»Das Schnabelmonster?«
Langsam kam Justus wieder zu Sinnen. Ein Polizist hockte vor ihm. Ein Kaugummi kauender Polizist.
»Ich bin … Da war …« Der Erste Detektiv sah um sich. Ein hell beleuchteter, fremder Raum, Sessel, Sofa, viele Bücher, zwei, nein, drei Polizisten, eine kaputte … »Mr Lehmann!« Jetzt fiel ihm alles wieder ein. »Ein Einbrecher. Wo ist Mr Lehmann? Geht es ihm gut?« Justus versuchte aufzustehen, doch ihm knickten die Knie weg.
»Bleib sitzen, Junge. Wir rufen einen Arzt, der soll sich dich erst mal ansehen.« Der Polizist holte sein Funkgerät hervor.
»Nein, nein, nicht nötig.« Justus fasste sich an den Kopf. Ein hämmernder Schmerz strahlte von dort in seinen ganzen Körper aus. »Ich war … Da war eine Taschenlampe. Deswegen bin ich … Wie geht es Mr Lehmann?« So ganz war der Erste Detektiv noch nicht wieder auf dem Damm.
»Besser als dir, wie es scheint. Er war es, der uns gerufen hat. Und du willst wirklich keinen Arzt?«
»Nein, danke. Es geht schon.«
Der Polizist richtete sich auf. »Wie du meinst. Möchtest du dich vielleicht auf das Sofa legen? Ist sicher bequemer als da unten auf dem Boden.«
»Setzen. Ich würde mich gerne hinsetzen. Bitte.«
Der Mann griff ihm unter die Achseln. »Dann mal hoch mit dir.« Der Polizist ächzte ein wenig.
Als Justus auf dem Sofa saß, musste er einen Moment warten, bis die Welt aufhörte, sich zu drehen. Das Hämmern im Kopf hielt dagegen an, es schien durch die Bewegung eher noch schlimmer geworden zu sein. »Ich vermute, hier war ein Einbrecher zugange.«
»Da vermutest du richtig«, erwiderte der Mann, während sich einer seiner Kollegen aufmerksam im Raum umsah. Ein anderer bepinselte die Terrassentür mit Fingerabdruckpulver.
»Justus! Gott sei Dank, du bist wieder bei Bewusstsein!« Mr Lehmann kam in das Wohnzimmer, in der Hand eine große Tasse, aus der es dampfte. »Wie geht es dir, mein Junge? Dieser Verbrecher hat dir ja wirklich übel mitgespielt. Das tut mir leid.« Er zeigte auf Justus’ rechte Schläfe. »Das wird eine mächtige Beule geben. Tut es sehr weh?«
Justus nickte. »Ist nicht wirklich angenehm.«
»Wie bitte?« Lehmann streckte das rechte Ohr vor.
»Ich sagte, es ist nicht wirklich angenehm.«
»Ah ja. Kann ich mir vorstellen. Und das alles nur, weil du mir helfen wolltest, nicht wahr?« Er drückte ihm die Tasse in die Hand. »Hier, trink das. Süßholzwurzeltee. Der bringt dich wieder auf die Beine.«
Der Polizist blickte von einem zum anderen. »Helfen wolltest ist mein Stichwort«, sagte er etwas lauter als nötig. Er nahm auf einem der beiden Sessel Platz und zog einen kleinen Notizblock hervor. »Was ist denn nun eigentlich passiert? Können Sie sich, Mr Lehmann, oder du … ähm … Justus, richtig? Kann sich irgendjemand an etwas erinnern?«
Joseph Lehmann setzte sich auf den anderen Sessel und strich sich seine spärlichen Haare zurecht. Sein Blick ging ins Nirgendwo. Justus registrierte nebenbei, dass die Tischplatte, auf die er geknallt war, aus einem großen Mosaikbild bestand.
»Ja, woran kann ich mich erinnern?« Joseph Lehmann atmete einmal tief durch. »Ich bin wach geworden, weil ich ein lautes Geräusch gehört habe. Muss ziemlich laut gewesen sein, ich höre nämlich nicht mehr gut.« Er zeigte auf sein Ohr.
Der Polizist lächelte. »Ist mir nicht entgangen.«
Justus nippte vorsichtig an seinem Tee. Er schmeckte nach Lakritz.
»Null Uhr drei. Auf meinem Wecker war es drei Minuten nach Mitternacht. Das weiß ich genau. Ich dachte, da muss irgendetwas umgefallen oder heruntergefallen sein. Vielleicht ein Bild, weil sich der Nagel in der Wand gelockert hat. Also bin ich runter, um nachzusehen. Da habe ich gesehen, dass die Terrassentür aufgebrochen worden war.« Er zeigte auf die Bücher am Boden. »Und meine Bücher lagen hier vor dem Regal.«
Der Polizist runzelte die Stirn. »Und dann haben Sie nicht gleich die Polizei gerufen? Ihnen muss doch klar gewesen sein, dass ein Einbrecher im Haus ist. Oder war.«
Lehmann nickte schuldbewusst. »Das war unvernünftig, ja, ich weiß. Leichtsinnig. Ich glaube, ich war irgendwie noch im Halbschlaf. Und meine Bücher …« Er blinzelte aufgeregt. »Wissen Sie, Officer, meine Bücher bedeuten mir sehr viel. Vielleicht habe ich auch deswegen nicht nachgedacht und wollte unbedingt wissen, was hier los ist.«
»Hm.« Die Erklärung überzeugte den Polizisten nicht wirklich. »Und dann?«
»Dann bin ich in den Keller.«
»Wieso in den Keller?«, fragte Justus.
Der Polizist blickte überrascht zur Seite. »Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich die Befragung weiterführe?«
»Entschuldigung. Natürlich. War nur so ein … Reflex.« Justus nahm einen Schluck Tee.
»Reflex, soso.« Der Polizist musterte Justus irritiert und wandte sich dann wieder an Joseph Lehmann. »Bitte, Mr Lehmann, fahren Sie fort.«
»Tja, und im Keller sah ich ihn dann. Einen großen Kerl in einem schwarzen Umhang mit einer Schiffermütze auf dem Kopf. Er stand mit dem Rücken zu mir und machte sich an einem alten Karton zu schaffen, der dort im Regal stand.«
»War es diese Mütze?«, fragte einer der anderen Polizisten, ein schlaksiger junger Mann. Er hielt eine dunkelgraue, flache Mütze mit einem breiten Schirm hoch. »Die haben wir gerade hinter dem Sofa gefunden.«
»Ja, die war es.« Lehmann deutete auf die Mütze. »Die war es, ganz sicher. Grobe Wolle und feine Karos.«
»Wir haben auch ein Haar in der Mütze gefunden«, sagte der Polizist zu seinem Kollegen. »Ein rotes Haar.«
Der Schnurrbartträger machte ein skeptisches Gesicht. »Das wird uns nicht viel bringen. Für so einen Einbruch bekommen wir keine DNA-Analyse genehmigt.«
Justus schaute immer noch auf die Mütze. »Schnabelmonster«, sagte er wie nebenbei zu sich.
»Wie bitte?«, fragten der Polizist und Lehmann gleichzeitig. Der Polizist, weil er sich erneut über Justus wunderte, Lehmann, weil er ihn nicht verstanden hatte.
»Die Mütze«, erwiderte der Erste Detektiv etwas lauter und machte mit seiner freien Hand eine vage Geste um seinen Kopf. »Eine sogenannte Schiffermütze. Diese Art von Kopfbedeckung zeichnet sich durch einen kleineren oder größeren Schirm mit oder ohne Besatz aus, über dem sich ein Sturmriemen oder eine einfache Kordel befindet. Kurz bevor ich das Bewusstsein verlor, habe ich diese Mütze gesehen und aufgrund dieser Form im Schwinden meiner Sinne für einen Schnabel gehalten.«
»Schnabelmonster«, wiederholte der Polizist befremdet. »Mit oder ohne Besatz. Schwinden deiner Sinne. Du scheinst ein durchaus ungewöhnlicher junger Mann zu sein, wenn ich das mal so sagen darf.«
Justus lächelte dünn. »Höre ich nicht zum ersten Mal.«
Der Polizist zögerte noch einen Augenblick und wandte sich dann wieder Joseph Lehmann zu. »Was geschah dann, Mr Lehmann?«
»Ich habe den Kerl angesprochen. ›Entschuldigen Sie bitte‹, habe ich gesagt, ›was tun Sie da?‹«
»Das haben Sie gesagt?« Der Polizist kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Entschuldigen Sie bitte?«
»Ja. Und dann hat er sich umgedreht.«
»Und wie sah –« Justus verstummte und wies zaghaft auf den Polizisten. »Bitte sehr.«
»Danke, sehr aufmerksam.« Der Polizist stöhnte leise. »Also. Wie sah er aus?«
»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte Lehmann. »Er trug eine dunkle Sonnenbrille, so eine alte, mit einem Horngestell. Außerdem war er blitzschnell herumgewirbelt, stieß mich zur Seite und rannte die Kellertreppe hinauf.«
»Trug der Mann Handschuhe?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Verstehe.« Der Polizist nickte und sah sich im Raum um. »Können Sie denn schon sagen, ob irgendetwas fehlt?«
Lehmann zuckte mit den Schultern. »Auf den ersten Blick nicht, aber ich werde das morgen, also ich meine heute, überprüfen. Jetzt muss ich mich jedoch erst einmal ausruhen.«
»Natürlich.« Der Polizist stand auf. »Wir sind auch gleich so weit, dann lassen wir Sie in Ruhe.« Er zögerte kurz. »Ich muss Ihnen aber mitteilen, Mr Lehmann, dass die Chancen nicht sehr gut stehen, dass wir diesen Kerl schnappen. Der Gauner war maskiert, trug vielleicht auch Handschuhe und bis auf das eine Haar haben wir bisher nichts Brauchbares an Spuren. Oder, Roy?« Er drehte sich zu seinem Kollegen um, der immer noch Fingerabdrücke sicherte.
Der Polizist zuckte mit den Schultern. »Jede Menge unterschiedliche Fingerabdrücke, die wir alle erst mal durchs System jagen müssen.«
Wenige Minuten später hatten die Polizisten die kaputte Terrassentür behelfsmäßig mit Folie verklebt. Sie verabschiedeten sich mit dem Versprechen, sich bei Mr Lehmann zu melden, wenn sich etwas ergab. Und mit der Bitte an ihn, sie zu informieren, wenn er wusste, ob etwas gestohlen worden war. Oder wenn er noch sonstige sachdienliche Hinweise hatte. Aber wirklich hoffnungsvoll wirkten ihre Mienen nicht, als sie durch die Haustür traten.
»Ich werde dann auch mal gehen, Mr Lehmann«, sagte Justus. »Oder kann ich noch irgendetwas für Sie tun?«
»Nein, nein, Justus, du hast schon genug getan. Vielen, vielen Dank, dass du so aufmerksam warst und mir helfen wolltest. Und kümmere dich gut um deine Beule.« Er zeigte auf die Stelle an der Schläfe, an der sich jetzt deutlich ein großer, roter Fleck abzeichnete. »Arnika ist gut bei Prellungen.«