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Aufregung am Black Lake: Ein Mann wird beim Angeln unter Wasser gezogen. Nach seiner Rettung stammelt er immer dieselben Worte: "Im See ist ein Monster!" Die drei ??? gehen dem Rätsel auf den Grund ...
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Seitenzahl: 159
Schrecken aus der Tiefe
erzählt von Marco Sonnleitner
Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
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© 2017, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur
ISBN 978-3-440-14956-0
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
»Oh Mann, das war aber jetzt total knapp!«
»Knapp daneben ist auch vorbei.« Peter Shaw schob seinen Freund Bob Andrews ein Stückchen zur Seite. »Jetzt bin ich dran.« Er stellte sich breitbeinig auf den Kiesstreifen, dehnte seinen Nacken und lockerte noch einmal die rechte Schulter. Dann klaubte er ein Steinchen auf, ging auf die Zehenspitzen, zielte und warf den Kiesel wie bei einem Basketballwurf aus dem Handgelenk in hohem Bogen hinaus auf den See. Eine Handbreit links neben dem Ahornblatt platschte der Stein in das schwarz glänzende Gewässer.
Bob lächelte milde. »Ein Satz mit x, das war wohl nix!«
»Abwarten!« Peter nahm einen zweiten Stein, hob die Hand, ließ das Handgelenk vor und zurück wippen, ging in die Knie, streckte sich und warf erneut. »Wow! Habt ihr das gesehen? Haarscharf!«
Bobs Lächeln verspannte sich. Der Stein hatte das im Wasser treibende Blatt tatsächlich nur um wenige Zentimeter verfehlt. »Wie meintest du eben? Knapp daneben und so.«
»Aber jetzt!« Peter hob einen dritten Kiesel auf. »Magic Peter Shaw tritt an zu dem alles entscheidenden Wurf! Wird er sein Team zur Meisterschaft führen?« Er wippte diesmal in den Knien und im Handgelenk gleichzeitig. »Noch eine halbe Sekunde auf der Spieluhr! Trifft er diesen letzten Freiwurf, gewinnen die Rocky Beach Rockets die Finals. Er lässt den Ball auftippen, visiert den Korb an, geht in die Knie, wirft und …« Der Stein stieg in die Luft, beschrieb einen weiten Bogen, näherte sich dem Wasser – und landete mit einem leisen Plopp genau in der Mitte des Ahornblattes! Auf dem er sogar liegen blieb!
»Ja!« Peter riss die Arme hoch und drehte sich jubelnd im Kreis. »Ja! Magic Peter Shaw hat es geschafft! Die Rockets sind Champions! Und er ist der Größte! Ja, ja!«
»Ist ja gut!« Bob ließ sich missmutig auf seine Decke sinken. »Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.«
»Ein passabler Wurf.« Justus Jonas, der den Wettbewerb seiner beiden Freunde und Detektivkollegen beobachtet hatte, widmete sich wieder seinem Buch, während Peter ausgelassen weiterjubelte, dabei den Strand entlangtänzelte und sich von imaginären Mitspielern und tobenden Zuschauermassen feiern ließ. Draußen auf dem Wasser lag der Stein immer noch auf dem Blatt, das ganz langsam Richtung Ufer trieb.
»Komm, Just! Jetzt du!«, forderte Peter seinen Freund auf.
»Danke, nein. Mein Bewegungsapparat verdaut immer noch die Anstrengungen der letzten zwei Tage. Außerdem sollte jeder bei dem bleiben, was er kann. Ich beim Lesen, du beim Steinchenwerfen.«
»Lesen? Was ist das? Eine neue Sportart? Nie gehört.« Peter zwinkerte seinem Freund zu.
Vor einigen Tagen hatte Justus’ Onkel Titus seinen Neffen und dessen beide Freunde gefragt, ob sie ihm am Wochenende bei Renovierungsarbeiten zur Hand gehen wollten. Viel würde dabei nicht rausspringen, aber umsonst müssten sie auch nicht schuften. Das Haus eines alten Schulfreundes, Mac Anderson, benötige dringend eine Generalüberholung und er habe Mac angeboten, ihn dabei zu unterstützen. Die drei Jungen mussten nicht lange überlegen. In ihren Portemonnaies herrschte gerade eine Ebbe von historischen Ausmaßen, wie Peter meinte, und für das Wochenende hatte sich keiner von ihnen etwas Bestimmtes vorgenommen.
Mac Andersons Haus stand am Westufer des Black Lake, eines Sees in den Santa Monica Mountains in der Nähe von Castaic. Wie ein schwarz glänzender Diamant lag das große Gewässer inmitten schroffer, spärlich bewachsener Berghänge, an deren Ausläufern nur hier und da vereinzelte Häuser und im Norden eine kleine Stadt, Crystal Bay, Platz fanden. Die meisten Anwohner lebten vom Fischfang oder vom Tourismus, aber viele Menschen waren im Laufe der Zeit der Arbeit wegen an die Küste gezogen. Und auch Mac Anderson hatte es nicht immer leicht, seine kleine Familie, die außer ihm seine Frau Leah und seinen achtjährigen Sohn Ben umfasste, mit allem Nötigen zu versorgen. Daher war er dankbar gewesen, als ihm Titus Jonas Unterstützung angeboten und sogar noch versprochen hatte, ein paar bezahlbare Hilfskräfte mitzubringen.
Die drei bezahlbaren Hilfskräfte hatten dann auch ordentlich mit angepackt, sodass die Arbeiten am Haus schon am frühen Sonntagnachmittag beendet werden konnten. Während Onkel Titus mit Mac nach Crystal Bay fuhr, um ein wenig über alte Zeiten zu plaudern, suchten die Jungen eine der raren Uferstellen auf, die einen einigermaßen problemlosen Zugang zum Wasser ermöglichten. Mac hatte ihnen den Weg dahin beschrieben, weil nur Ortskundige die Stelle kannten. Und dort, auf einem Kiesstreifen am Rande eines kleinen Uferwäldchens, genossen die drei Jungen die warme Augustsonne und die milde Brise, die über den Black Lake strich, und erholten sich von den Strapazen.
»Das ist aber jetzt nicht wahr, oder?« Bob richtete sich auf und blickte nach links.
»Was ist denn?« Peter hatte sich hingelegt und war gerade dabei, einzudösen.
»Das da ist!« Bob zeigte das Ufer hinab. In den Zweigen eines weit ins Wasser hinausreichenden Kreosotbusches hatte sich allerhand Müll verfangen. Ein weißer Kanister, Plastiktüten und -flaschen, Verpackungsmaterial, ein alter Ball, Bierdosen.
»Unfassbar!« Justus schüttelte den Kopf. »Der Intelligenzquotient jener Leute, die so etwas zu verantworten haben, dürfte den ihres Mülls kaum übersteigen.«
»Man sollte diesen Umweltverschmutzern eine Schwimmweste umbinden und sie so lange im Wasser treiben lassen wie ihren eigenen Müll«, ereiferte sich Bob. »Bis ihnen Schwimmhäute wachsen!«
Peter zog die Augenbrauen nach oben. »Meinetwegen kannst du die Schwimmweste auch weglassen.«
Im Hintergrund kam ein kleines Holzboot mit Außenbordmotor zum Vorschein, das auf den See hinausfuhr. Ein Mann saß darin. Grüner Schlapphut, grüne Weste, Sonnenbrille. Offenbar ein Angler.
»Wir nehmen nachher so viel von dem Zeug mit, wie wir tragen können, okay?«, schlug Bob vor.
Justus und Peter nickten.
Während sich Justus wieder in sein Buch vertiefte und Peter ins Land der Träume versank, erhob sich der dritte Detektiv schon einmal und schlenderte am Wassersaum entlang zu der kleinen Müllkippe. Dabei spähte er aufmerksam ins spiegelnde Nass und in die Ufervegetation. Tatsächlich entdeckte er noch mehr Unrat: Glasflaschen, Kronkorken, Plastikgeschirr, Alu-Schälchen, weitere Verpackungsreste. Offenbar wurde diese Uferstelle immer wieder für müllreiche Grillpartys missbraucht.
Bob watete ins Wasser und wollte sich gerade bücken, um eine Bierflasche vom steinigen Grund zu bergen, als er aus dem Augenwinkel eine hektische Bewegung wahrnahm. Ein gutes Stück weit draußen stand der Angler aufrecht im Boot. Mit beiden Händen hielt er seine Angelrute fest, die sich mächtig bog und mit ihrer Spitze fast zum Wasser zeigte. Der Angler hatte alle Mühe, die Rute zu kontrollieren, lehnte sich weit nach hinten und stemmte sich mit einem Fuß gegen die Bordwand. Aber immer wieder ruckelte und zog etwas an der Leine, riss den Mann nach vorne und brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. Das Boot schaukelte dabei bedenklich hin und her.
»Kollegen!«, rief Bob laut. »Seht mal! Da draußen!«
Justus hob den Kopf und auch Peter schlug die Augen auf und sah blinzelnd auf den See.
»Da muss ein kapitaler Brocken angebissen haben!«
»Aber hallo!« Peter stützte sich auf die Unterarme. »Hat der einen Wal an der Angel?«
Justus verdrehte die Augen. »Peter, Wale sind …«
»Ja, Erster, ich weiß. Salzwasser und so. War ein Witz. Aber sieh doch mal! Das Ding muss riesig sein!« Der Zweite Detektiv kam auf die Beine.
Der Kampf des Anglers wurde immer wilder. Jetzt schwamm seine Beute offenbar um das Heck herum und drehte dabei das ganze Boot mit. Der Mann schwankte hin und her und zog und zerrte an seiner Angel – oder vielmehr die Angel an ihm.
Bob lief zu seinen Freunden zurück, den Blick immer auf den See gerichtet. »Mein Gott, was ist das nur?«
Auch Justus war jetzt aufgestanden und sah besorgt nach draußen. »In Seen wie diesen gibt es an größer werdenden Arten verschiedene Forellen, Barsche, Hechte, Karpfen, Saiblinge … Aber selbst der Namaycush wird heutzutage wohl nicht mehr so groß, um einen Angler in derartige Schwierigkeiten bringen zu können.«
»Namaycush?«, fragte Bob.
»Genau. Aber das da draußen –« Justus brach abrupt ab. »Um Gottes willen!«
»Nein!«, entfuhr es Peter.
Ein gewaltiger Ruck hatte den Mann über Bord gezogen. Mit einem lauten Platschen versank er kopfüber im See, tauchte allerdings sofort wieder auf. Seine Angel hatte er losgelassen und ruderte mit beiden Händen auf der Stelle. Wie ein Korken tanzte er auf der Wasseroberfläche.
»Warum schwimmt er nicht zum Boot?«, rief Bob. »Die Kleidung saugt sich doch voll und zieht ihn runter! Hallo!« Der dritte Detektiv machte einen Schritt nach vorne. »Hören Sie mich? Hallo?«
»Der ist zu weit draußen«, sagte Justus. »Und der Wind kommt vom See. Aber jetzt schwimmt er zum Boot, seht nur.«
»Nein, tut er nicht!« Peter merkte, wie es ihm kalt den Rücken hinablief. »Er dreht sich im Kreis! Und sieht nach unten! Was ist da? Was sieht er da? Oh Gott! Er wird total panisch. Hört ihr ihn schreien? Hört ihr ihn?«
»Da ist etwas unter ihm!« Bob riss die Augen auf. »Er schlägt um sich! Da will ihn etwas – nein! Nein!«
Ein letzter lauter, verzweifelter Schrei hallte über den See. Dann versank der Mann in den schwarzen Fluten.
Für drei, vier, fünf unendlich lang erscheinende Sekunden blieb der Mann verschwunden. Dann schoss sein Kopf wieder aus dem Wasser. Wie ein Besessener strampelte, ruderte, kraulte er in Richtung seines Bootes, von dem er sich ein gutes Stück entfernt hatte. Dort angelangt, schaffte er es aber nicht, sich an Bord zu ziehen. Entweder war er zu erschöpft – oder irgendetwas hinderte ihn daran!
»Wir müssen Hilfe holen«, rief Bob und zog sein Handy hervor. »Mist, kein Empfang. Dann mit dem Auto!«
»Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!«
Die drei Jungen ließen alles stehen und liegen und rannten los. Bobs Käfer stand jenseits des kleinen Uferwäldchens am Rande eines Feldwegs. Nach wenigen Minuten hatten die Jungen das Auto erreicht. Der dritte Detektiv startete den Motor, setzte den Wagen zurück und bog auf die Landstraße ein, die hier ein Stück am See entlangführte. Nach Crystal Bay waren es keine zwei Kilometer.
»Wo wollten dein Onkel und Mac noch mal hin?« Peter klemmte sich ungeduldig zwischen die Vordersitze.
»Mac sagte was von Captain Hook«, antwortete Justus. »Vermutlich ein Restaurant oder eine Kneipe.«
Das Captain Hook entpuppte sich als eine Kneipe an dem kleinen Hafen von Crystal Bay. Ein rot angestrichenes Holzhaus, vor dem einige Tische und Stühle auf dem angrenzenden Kai standen. Über der Tür hing ein Schild, auf dem ein fies grinsender Pirat seine blitzende Hakenhand präsentierte.
Onkel Titus und Mac Anderson saßen am Tresen. Vor ihnen standen zwei Gläser Bier und sie lachten gerade lauthals, als die drei Jungen in die Kneipe stürmten.
»Mac! Wir brauchen deine Hilfe! Schnell!«, stieß Justus atemlos hervor.
»Da draußen! Ein Riesenfisch, der einen Angler frisst!« Peter deutete hektisch auf den See hinaus.
Bob nickte. »Wir müssen rausfahren! Der Mann kommt nicht mehr ins Boot!«
Die junge Bedienung hinter dem Tresen machte große Augen.
»Wowowow, jetzt mal ganz langsam, die Herren!« Mac schob sich seine Kappe aus der Stirn und machte eine beruhigende Geste. »Ein Riesenfisch, der einen Angler frisst?« Er lächelte Onkel Titus verschmitzt zu.
»Wart ihr womöglich zu lange in der Sonne?«, fragte Onkel Titus.
»Wir meinen es absolut ernst. Auf dem See schwebt ein Mann in Lebensgefahr. Wir müssen ihm sofort helfen, sonst ist es womöglich zu spät!«
Macs stahlblaue Augen verengten sich. Er und Onkel Titus hörten auf zu lachen. Justus’ starrer Blick und sein Tonfall ließen keinen Zweifel: Das Ganze war kein Scherz.
Mac sprang auf. »Wo?«
»In Sichtweite der Uferstelle, die du uns genannt hast«, erwiderte Bob. »Etwa hundert Meter weit draußen.«
»Kommt mit!«
Mac eilte aus der Kneipe, lief über den Kai und auf einen der beiden steinernen Piers, an dem einige kleinere Kutter und Boote vertäut lagen. Er hielt auf ein weißes Motorboot zu, an dem sich ein groß gewachsener, bärtiger Mann in Gummistiefeln zu schaffen machte.
»Chris, ich brauch dein Boot! Draußen beim Pebble Beach säuft einer ab! Mit meiner Amy dauert es zu lang.« Er zeigte auf einen Fischkutter älteren Datums, der am anderen Pier lag.
Der Bärtige richtete sich auf. »Jemand säuft ab? Wirklich? Woher …«
»Die Jungs hier haben es beobachtet.« Mac deutete hinter sich, wo ihm die drei Detektive und Onkel Titus auf dem Fuß folgten.
»Okay, springt rein!« Der Mann namens Chris löste das Tau, und noch während sich alle einen Platz im Boot suchten, warf er das Dieselaggregat an. Mac stieß das Boot von der Piermauer ab, dann ging es in zunehmendem Tempo hinaus auf den Black Lake.
»Ihr sagtet was von Riesenfisch«, rief Mac den Jungen über den Lärm des Motors hinweg zu.
Bob krallte sich an einer der Relingstangen fest, weil die Sprünge des Bootes über die Wellen immer heftiger wurden. »Der Mann … hat geangelt … und dann … hat ihn was ins Wasser gezogen … und unter Wasser … Er kam nicht mehr … in sein Boot.«
»Unter Wasser, sagst du?«
»Ja, wie in diesen …« Peter bekam einen Schwall Gischt ins Gesicht und schnappte nach Luft. »… in diesen Haifilmen. Auf einmal war er weg. Und dann wieder da.«
Mac und Chris sahen sich an. Für einen Moment glaubte Justus so etwas wie Unsicherheit in ihren Blicken lesen zu können. Oder war es mehr? Angst?
»Ein Namaycush vielleicht«, meinte Chris. »Oder ein Catfish.«
Mac zuckte nur die breiten Schultern.
»Was ist ein Namaycush?«, rief Peter.
»Eine Seeforelle«, erwiderte Mac. »Die größten Exemplare, die je gefangen wurden, waren über anderthalb Meter lang und wogen mehr als 50 Kilo. Aber das war im 19.Jahrhundert. Heute werden die nicht mehr so groß. Fischerei, Umwelteinflüsse – da schafft es keiner mehr über 20, 30 Kilo. Der größte, den ich je im Netz hatte, wog 23 Kilo. Mordsbrocken, aber keiner, der einen Mann vom Boot zieht.«
»Und wie groß wird ein Catfish?«, fragte Bob, dem es von dem andauernden Gehüpfe allmählich flau im Magen wurde.
»Die schwarzen Bullheads wurden auch mal über anderthalb Meter lang und sogar noch schwerer als ein Namaycush. Aber auch die haben die besten Zeiten hinter sich.«
»Da ist er!« Onkel Titus zeigte auf den See. »Da vorne!«
»Seh ihn!« Chris legte sein Boot in die Kurve und hielt auf den Angler zu.
Der Mann lebte noch! Oder zumindest befand er sich noch über Wasser. Als sie nah genug waren, erkannte Peter, dass sich der Mann mit einer Hand am Bordrand seines Holzbootes festklammerte. Doch er drehte sich nicht zu ihnen um, sondern sah nach unten, ins Wasser.
Chris drosselte das Tempo und lenkte sein Boot vorsichtig neben das andere.
Mac beugte sich über die Reling. »Hallo? Sind Sie verletzt?«, rief er dem Mann zu. Er krempelte die Ärmel seines Holzfällerhemds hoch und streckte den Arm aus. »Geben Sie mir Ihre Hand, ich helfe Ihnen ins Boot.«
Der Mann reagierte nicht, sondern blickte weiter in die schwarze Tiefe.
»Mister?« Mac berührte die Schulter des Anglers.
Wie vom Blitz getroffen, zuckte der Mann zusammen, schrie auf und wirbelte im Wasser herum. Aus schreckgeweiteten Augen starrte er seinen Rettern entgegen.
»Hilfe!« Ein heiserer, kaum hörbarer Laut. »Hilfe!« Der Mann ließ von seinem Boot ab und tastete hektisch nach Macs Hand. »Helfen Sie mir! Schnell! Da unten … ein … Monster! Ein … Monster!« Ein irres Flackern ließ den Blick des Mannes erzittern, dann schwanden ihm die Sinne.
Mac packte den bewusstlosen Angler am Oberarm und zog ihn zu sich heran. Aber nur mit Peters und Bobs Hilfe gelang es, den tropfnassen Körper an Bord zu hieven. Sie betteten den Mann auf die Heckbank und Chris legte ihm eine Decke über. Dann fuhren sie langsam zurück zum Hafen.
Während Mac über sein Handy den Notarzt verständigte, warfen sich die drei Jungen irritierte Blicke zu. Ein Monster? Was hatte der Mann gesehen? Was hatte ihn in derartige Panik versetzt? Als Mac auflegte, kam jedoch Onkel Titus ihren Fragen zuvor.
»Sag mal, Mac.« Onkel Titus nestelte an seinem Bart herum und lächelte verschwommen. »Dieser Mann … Also, ich meine … Habe ich das richtig verstanden? Monster? Der hat doch vermutlich zu tief ins Glas geblickt, bevor er rausgefahren ist, oder?«
»Vermutlich«, war Macs einsilbige Antwort. Wieder wechselten er und Chris Blicke.
»Hätte ja sein können. Das Ungeheuer vom Black Lake! Ha! Loch Ness bekommt Konkurrenz!« Onkel Titus lachte auf, aber es klang unecht und gewollt.
»Genau.« Macs Mund verzog sich zu einem Lächeln. Seine Augen lächelten nicht.
Justus konnte die Anspannung, die im Boot herrschte, förmlich spüren. »Mac?« Er sah ihm direkt in die Augen, doch Mac blickte zur Seite. »Denkst du wirklich, dass der Mann einfach nur betrunken war? Dass ihm seine Fantasie einen Streich gespielt hat?«
Mac sagte nichts.
»Hallo?« Peter fühlte ein unangenehmes Kribbeln im Bauch. »Worüber reden wir hier? Oder worüber reden wir vielmehr nicht? Monster? Das ist doch Unsinn, oder? Mac? Oder?«
Mac zögerte. »Nun ja.«
Peter traten schier die Augen aus den Höhlen. »Nun ja? Was bitte soll denn Nun ja bedeuten?« Der Zweite Detektiv sah ins schwarze Wasser und rückte ein Stück von der Bordwand weg.
»Nun ja bedeutet«, übernahm Chris, ohne sich umzudrehen, »dass das alles Blödsinn ist.«
Peter atmete auf. »Na, Gott sei Dank!«
»Eigentlich.«
»Eigentlich?« Auch Bob war jetzt beunruhigt.
»Nun ja.« Chris schnaubte belustigt durch die Nase. »Es gibt schon ein paar Geschichten. Doch das ist alles Anglerlatein, Geschwafel. Wirklich gesehen hat von uns hier noch keiner etwas, das … na, ihr wisst schon. Und ich fahre jetzt schon an die dreißig Jahre raus. Aber ab und zu gibt’s eben einen Witzbold, der unbedingt meint, dass er was gesehen hat.«
»Und was wollen diese Witzbolde gesehen haben?« Peter blickte zum Hafen. Wann waren sie endlich da?
Mac zuckte die Schultern. »Wir wissen es nicht. Jemand erzählte mal, dass vielleicht irgend so ein Idiot ein Krokodil im See ausgesetzt hat, weil es zu Hause nicht mehr in sein Terrarium passte. Und das wurde dann größer …«
»Könnte das denn hier im See überleben?« Auch Bob musterte jetzt aufmerksam die Wasseroberfläche.
»Ein Süßwasserkrokodil dürfte hier durchaus akzeptable Bedingungen vorfinden«, meinte Justus. »Und wenn ich mich recht erinnere, können Exemplare dieser Spezies bis zu drei Meter groß werden.« Er sah zu Mac. »Gab es auch noch andere Theorien?«
Mac verzog unschlüssig den Mund. »So ein Wissenschaftler-Heini plapperte mal was von einem Urzeit-Seeungeheuer, das im Black Lake überlebt haben könnte. Aber der Kerl war ziemlich schräg.«
Der Erste Detektiv nickte. »Eine ähnliche Theorie kursiert auch in Bezug auf das Ungeheuer von Loch Ness.« Er blickte versonnen auf den See hinaus. »Äußerst bemerkenswert. Sehr mysteriös.«
»Tu dir keinen Zwang an.« Peter deutete ins Wasser. »Crocky freut sich bestimmt über einen ordentlichen Happen Detektivfleisch. Ich für meinen Teil werde jedenfalls niemals wieder auch nur den kleinen Zeh in diesen See tauchen, so viel steht fest.«