Die Dschihad Generation - Petra Ramsauer - E-Book

Die Dschihad Generation E-Book

Petra Ramsauer

4,5

Beschreibung

Warum zieht es Tausende Jugendliche in den „Islamischen Staat“? Wie groß ist die Gefahr für Europa? Welche Ziele verfolgt der IS? Und wie kann die Gruppe besiegt werden? Im Gespräch mit Sympathisanten, Opfern und Augenzeugen der Brutalität des „Islamischen Staates“ in Syrien, dem Irak und anderen Staaten des Nahen Ostens beantwortet Petra Ramsauer diese zentralen Fragen. Hautnah porträtiert sie die bislang gefährlichste Terrorgruppe des 21. Jahrhunderts: Sie entlarvt ihre Motive und das System der Gehirnwäsche, die Teenager aus Wien, Berlin und London zu brutalen Killern macht. Die routinierte Krisenreporterin zeigt auf, warum auch Österreich und Deutschland zu zentralen Rekrutierungsländern wurden und wie Gehirnwäsche und Propagandavideos im Hollywoodformat die barbarische Gruppe zum Magnet für Jugendliche machten. Der Illusion eines „Paradieses im Kalifat“ steht die Realität von brutalen Misshandlungen und archaischen Körperstrafen gegenüber, mit dem Ziel, den gesamten Nahen Osten zu erobern und dem Westen den Krieg zu erklären.

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Petra Ramsauer

DIEDSCHIHADGENERATION

WIE DER APOKALYPTISCHE KULT DESISLAMISCHEN STAATSEUROPA BEDROHT

Anmerkung: Bei Namen und Begriffen aus dem Arabischen wurde die in den Medien geläufigste Transkription gewählt, auch wenn diese nicht immer als „richtig“ im Sinne sprachwissenschaftlicher Vorgaben gilt. Bei den Namen von Betroffenen wird bei Minderjährigen immer nur der Vorname genannt. Bei Volljährigen wird der Familienname abgekürzt, der volle Name wird bei jenen genannt, die ob ihrer Taten als Personen des öffentlichen Interesses gelten.

ISBN 78-3-990-40384-6

Wien – Graz – Klagenfurt

© 2015 byStyria premiumin der

Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG

Alle Rechte vorbehalten.

Bücher aus der Verlagsgruppe Styria gibt es in jeder Buchhandlung und im Online-Shop

Lektorat: Elisabeth Wagner

Covergestaltung:Bruno Wegscheider

Layout: Alfred Hoffmann

Coverfoto: IMAGO/​Xinhua

1. digitale Auflage:

Zeilenwert GmbH 2015

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

VORWORT

1. DSCHIHADMANIA

Warum Tausende europäische Jugendliche von der Terrormiliz des „Islamischen Staates“ fasziniert sind

2. „MAMA, ICH BIN IN SYRIEN!“

Die Psychotricks des IS-Kults, seine Ideologie und wie die Rekrutierung der Fangemeinde läuft

3. APOKALYPSE NOW!

Wie der Krieg in Syrien den IS zu dem machte, was er ist: Dschihadisten-Großmacht mit Endzeitfantasie

4. ALLTAG IM ALBTRAUM

Realverfassung des Kalifats: Die Bürokratie des Terrors und der Krieg der Kämpfer

5. FRAUEN DER TAT

Die IS-Dschihadistinnen: Welche Rolle sie im Kalifat spielen und warum Europäerinnen so fasziniert sind

6. DIE PROPAGANDAKRIEGER

Das Internet als Terror-PR-Hochburg: Ein Österreicher und ein Deutscher erfinden den Pop-Dschihad

7. UNSICHTBARES TERRORNETZ

Wie der IS-Terror in Österreich, Deutschland und dem übrigen Europa Fuß fassen konnte und Einzeltäter zur größten Bedrohung werden

8. ORTE DER BEGEGNUNG

Gefängnisse sind Risikozonen weiterer Radikalisierung: Ein dänisches Modell zeigt Alternativen im Umgang mit Syrien-Rückkehrern auf

ANMERKUNGEN

Vorwort

Kurz bevor ich begonnen habe, diesen Text zu schreiben, hörte ich im Radio, dass die Miliz des Islamischen Staates in der syrischen Stadt Palmyra den hiesigen 82-jährigen Chefarchäologen exekutiert hat. Er wollte sie davon überzeugen, dass es ein Verbrechen wäre, die Kunstschätze dieser antiken Stadt zu zerstören. Der alte Mann wurde enthauptet und sein Torso ist jetzt an einen Pfahl im Zentrum der Stadt gebunden. Oft hatte ich in den vergangenen Monaten, während ich an diesem Buch gearbeitet habe und über den unfassbaren Horror las, ein Gefühl wie jetzt: Mein Herz rast und mein Atem stockt, weil ich es nicht fassen kann, wozu diese jungen Menschen fähig sind. Ich hoffe, ich kann Ihnen trotz meiner Fassungslosigkeit kompetente Antworten darauf liefern: warum diese Terrorgruppe nicht bloß massiven Zulauf von Jugendlichen aus Europa erhält, warum sie schon über ein Jahr ein Gebiet in der Größe von Großbritannien halten kann, welche Rolle apokalyptische Visionen spielen und vor allem, wie man das neu entstandene Terrorrisiko in den Griff bekommt. Vor allem geht es um Jugendliche, die sich von der abstrusen Welt des „Pop-Dschihadismus“ angezogen fühlen und nicht abgeschreckt werden von den unfassbaren Gräueltaten.

Heute ist auch der Todestag von Jim Foley, der ebenfalls brutal ermordet wurde. Schon deshalb, weil wir Journalisten auch direkt bedroht sind, ist dies ein sehr persönliches Buch. Es ist vor allem von meiner Wahrnehmung dieser Terrorgruppen von meinen Reisen nach Syrien, in den Irak, nach Libyen und zu den Hochburgen von Europas Dschihadisten geprägt. Um zu betonen, dass ich nicht ansatzweise den Anspruch stelle, die Wahrheit beschreiben zu können, sondern eben meine Wahrheit zu Papier gebracht habe, werden Sie häufig das Wort „ich“ lesen. Ich bin in erster Linie Reporterin und der zentrale Teil meines Berufes ist es, mitunter sehr komplizierte Zusammenhänge in lesbare Geschichten zu übersetzen. Der Konflikt in und um Syrien, eigentlich im gesamten Nahen Osten, und seine Folgen für den globalen Terror sind so unübersichtlich und bedrohlich geworden, dass viele davor zurückschrecken, sich noch mit dem Thema zu befassen. Deshalb habe ich dieses Buch behutsam geschrieben und wann immer ich es für möglich hielt, vereinfachte ich die Darstellung von Entwicklungen im Sinne dieser Lesbarkeit und Verständlichkeit. Es gibt zahlreiche Quellenangaben, die die Möglichkeit bieten, vertiefende Texte zu finden. Fast alle sind online abrufbar, die Aktualität der Links wurde vor Drucklegung überprüft (Stand August 2015).

Unser Umgang mit dem Phänomen des „Islamischen Staates“ samt seiner internationalen Terrormiliz ist noch so neu, dass heute nicht einmal ein Rohentwurf einer späteren Geschichtsschreibung vorliegt. Mit jedem Tag kommt eine Flut neuer Informationen dazu, und immer wieder gilt es, den Wissensstand anzupassen. Seit 1999 arbeite ich als Reporterin im Ausland, seit 2011 fast ausschließlich im arabischen Raum. Vor fast einem Vierteljahrhundert, 1992, habe ich meine Diplomarbeit im Fach Politikwissenschaft „Osama bin Ladens Terrorkrieg“ gewidmet. Damals gab es noch keine al-Kaida, „nur“ eine erste Generation von Gotteskriegern, die in Afghanistan kämpfte.

Seither arbeite ich vor allem als Journalistin immer wieder zu dem Thema. 2001 habe ich vom Krieg aus Afghanistan gegen die al-Kaida-Stellungen und die Taliban berichtet und recherchiere immer wieder in diesem Land. 2003 war ich im Süden des Irak, als die Invasion der USA und ihrer Verbündeten begann und Saddam Hussein gestürzt wurde. In den darauffolgenden Jahren habe ich vor Ort für mehr als ein Dutzend Reportagen recherchiert.

All dies fließt in dieses Buch ein, das hoffentlich trotz der vielen unfassbar schlimmen Details, die ich erwähnen muss, „verdaubar“ bleibt. Diese Details habe ich bewusst nicht ausgespart, denn die Wahrheit über das Unrecht, das diese Gruppe begeht, muss zumutbar sein. Schon aus Respekt vor den Opfern.

Wien, im August 2015

1.

DSCHIHADMANIA

WARUM TAUSENDE EUROPÄISCHE JUGENDLICHE VON DER TERRORMILIZ DES „ISLAMISCHEN STAATES“ FASZINIERT SIND

Über Syrien, vor allem über den „Islamischen Staat“ (IS), dessen Sympathisanten und Fans zu schreiben, führt mich als Journalistin und Autorin an viele Grenzen. Zuerst einmal an die Grenze des Erträglichen: Seit sechzehn Jahren recherchiere ich in Krisen- und Konfliktgebieten. So gut es geht, musste ich mich daran gewöhnen, nach Bombenanschlägen die Toten und Verwundeten zu sehen, mit Folteropfern zu reden, mit Frauen, die im Krieg vergewaltigt wurden. Mittlerweile kann ich dabei ruhig und empathisch bleiben und professionell als Reporterin agieren. In Syrien allerdings gab und gibt es Momente, in denen ich fast scheitere. Mit Ausbruch der Revolution 2011 und dem darauf folgenden Bürgerkrieg setzte sich eine Spirale fürchterlicher Gewalt in Gang, die ich bei meinen Reisen in das Kriegsgebiet mit jeder neuen, horrenden Drehung erlebe. Menschen, die ich interviewte, sprachen nicht nur mit mir, manchmal brüllten sie mich an, etwa nach ziellosen Bombenangriffen auf die Stadt Aleppo durch die Armee von Baschar al-Assad. „Wie könnt ihr das zulassen? Wieso?“ Es waren Väter, die neben ihren eben getöteten Kindern standen, deren Blut in den Staub sickerte. Und ich stand daneben und zitterte. Weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Weil ich eben noch die Kinder beim Spielen gesehen hatte, in Fußballdressen, lachend. Weil ich Angst hatte: vor der nächsten Bombe, vor den Insassen des nächsten Autos, die es vielleicht darauf angelegt hatten, mich zu entführen. Stück für Stück rückte ich selbst ins Visier. Journalisten gelten als „wertvolle Beute“ für die Terrormilizen. Lösegeld in zweistelligen Euromillionen sind sie wert. Oder sie werden brutal ermordet, dabei auf „IS“-Propagandavideos global vorgeführt.

Dieser Konflikt schien und scheint aussichtslos. Mit geradezu entfesselter Gewalt agieren in Syrien alle Konfliktparteien, besonders aber die Miliz des IS. Mit dem Elend als Nährboden wurde sie von einer von vielen Rebellenfraktionen zur globalen Terrorgroßmacht. Im Juni 2014 rief der Führer des IS das „Kalifat“ aus, das sich mit Stand Sommer 2015– dem Redaktionsschluss dieses Buches– auf die Hälfte Syriens und weite Teile des Irak erstreckt. In der Region, die etwa die Größe Großbritanniens hat, leben etwa acht Millionen Menschen. Dazu schlossen sich in über zwanzig Ländern Terrorgruppen der Organisation an, gliederten sich dem „Kalifat“ ein. In Libyen hielt im Sommer 2015 eine „Filiale“ des IS mehrere Städte und regierte hier mit derselben Grausamkeit wie ihre Verbündeten in Syrien und im Irak. Wie brutal sie agieren, kann jeder und jede via Internet täglich mitverfolgen. Mit modernstem Equipment und Medien-Know-how werden Propagandafilme und Fotos produziert, die steinzeitliche Barbarei als Errungenschaft im Namen einer Religion vermarkten, Massenexekutionen zeigen und lächelnde „Gotteskrieger“, die stolz darauf sind, zu morden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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