Die dunklen Stunden der Nacht - Jim Kelly - E-Book

Die dunklen Stunden der Nacht E-Book

Jim Kelly

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  • Herausgeber: Lübbe
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Cambridge, 1939. Wieder einmal zieht Detective Inspector Eden Brooke ruhelos durch die nächtliche Stadt. Seitdem er in Gefangenschaft gefoltert wurde, findet er keinen Schlaf mehr und leidet unter extremer Lichtempfindlichkeit. Nur in den verdunkelten Straßen fühlt er sich noch wohl - bis sich mehrere Sperrballons losreißen und eine Explosion im Stellwerk auslösen. Am nächsten Morgen wird eine Leiche am Fluss gefunden - auseinandergerissen von einer unglaublichen Kraft. Ist einer der Sperrballons daran schuld oder steckt mehr dahinter?

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Seitenzahl: 471

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Inhalt

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Über dieses Buch

Eden Brooke ermittelt

Kriminalroman

Übersetzt von Frauke Meier

Cambridge, 1939. Wieder einmal zieht Detective Inspector Eden Brooke ruhelos durch die nächtliche Stadt. Seitdem er in Gefangenschaft gefoltert wurde, findet er keinen Schlaf mehr und leidet unter extremer Lichtempfindlichkeit. Nur in den verdunkelten Straßen fühlt er sich noch wohl – bis sich mehrere Sperrballons losreißen und eine Explosion im Stellwerk auslösen. Am nächsten Morgen wird eine Leiche am Fluss gefunden – auseinandergerissen von einer unglaublichen Kraft. Ist einer der Sperrballons daran schuld oder steckt mehr dahinter?

Über den Autor

Jim Kelly ist Journalist und hat bereits für die Bedfordshire Times, die Yorkshire Evening Press and die Financial Times gearbeitet. Von seinem Vater – ein Detective Chief Inspector bei der Londoner Metropolitan Police – hat er die Faszination für Verbrechen geerbt. Für seine Romane hat er bereits den CWA Dagger in the Library und den New Angle Prize for Literature erhalten, zudem stand er auf der Shortlist des John Creasey Awards.

KRIMINALROMAN

Aus dem Englischen vonFrauke Meier

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2018 by Jim Kelly

Titel der englischen Originalausgabe: »The Great Darkness«

Originalverlag: Allison & Busby Limited

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Frank Weinreich, Bochum

Umschlaggestaltung: Johannes Wiebel | punchdesign, Münchenunter Verwendung von Illustrationen von © shutterstock.com: atiger | Husjak; © alamy.de: De Luan; © trevillion.com: Tim Robinson

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-0989-7

luebbe.de

lesejury.de

Für Rowan Haysom,für seine intime Kenntnis der Stadt Cambridge und dafür, dass er sein enormes Gespür für diesen Ort mit mir geteilt hat.

ANMERKUNG DES AUTORS

Die Stadt Cambridge spielt eine der Hauptrollen in Die dunklen Stunden der Nacht. Wie alle fiktiven Charaktere ist auch sie eine Mischung aus Realität und Fantasie, sowohl in geografischer als auch in historischer Hinsicht. Die Stadt Sheffield spielt zwar eine Nebenrolle, dennoch gilt das Gleiche auch für sie.

KAPITEL EINS

Oktober 1939

Cambridge, England

Der geheime Ort lag am Ende einer der vielen Sackgassen, die sich in Cambridge finden, jenseits einer kleinen Eichentür. Brooke hatte den Schlüssel, der sich in dem gut geölten antiken Schloss mühelos drehen ließ. Über schlüpfrige Stufen gelangte er zum Fluss. Dort saß er in der Dunkelheit auf einem steinernen Sims und legte seine Brille mit den ockerbraun gefärbten Gläsern auf einen Absatz im Ziegelwerk. Verborgen in einer Holzkiste mit Schieferdeckel lag ein Leinenbeutel, der Badehose und Handtuch enthielt.

Für einen Moment saß er nur da und lauschte der alten Stadt, die unsichtbar hinter den hohen Mauern lag. In einer Schulküche klapperten Pfannen, Wasser rieselte in Abflüsse, und ganz in der Nähe holperte ein Fahrrad über Pflastersteine. Und da war noch etwas Neues, die Laute des Krieges: Soldaten marschierten, synchrone Stiefelschritte entfernten sich in Richtung Bahnhof. Aber dann war da auch noch die Stille des Krieges, die leeren Straßen, die Busse und Trams, die in ihren Depots blieben, die Kinos und Theater mit den zugenagelten Türen.

Im Süden bohrten sich wie Stricknadeln die Lichtstrahlen zweier Suchscheinwerfer in den Himmel, überkreuzten sich und entfernten sich dann wieder voneinander, auf ihrer Suche nach den Fallschirmen feindlicher Spione.

Tief atmete Brooke die Nachtluft ein, die erfüllt war vom Geruch des Flusses, diesem unverwechselbaren Mischmasch aus Grünalgen, nassem Wurzelwerk und diversen Ausdünstungen am Ufer. Kohlefeuer überzogen die Nacht mit rauchiger Milde. Die großen abgeernteten Rüben-, Kartoffel- und Kohlfelder in den nördlich gelegenen Fens fügten dem eine erdige Note bei, die charakteristisch war für die darunterliegende dicke schwarze Torfschicht. Und in dieser Nacht gesellte sich noch ein Hauch Flugbenzin von der Jagdfliegerbasis am Stadtrand hinzu.

Brooke hängte seinen Hut an einen Nagel im Türrahmen und nahm sich eine Minute Zeit zum Umziehen, faltete seine Kleidung säuberlich zusammen und legte sie in die Kiste. Dann setzte er sich wieder auf den Sims am Ufer des River Cam, die Füße im Wasser, zögerte aber noch einen Moment: Nach Einbruch der Dunkelheit zu schwimmen war nicht mehr erlaubt, und die Army führte regelmäßig Patrouillen mit einem Motorboot durch, das mit einem Suchscheinwerfer ausgerüstet war. Andererseits waren derartige Vorschriften für Brooke schon immer einer Herausforderung gleichgekommen.

Er stemmte sich auf den Handflächen die zweieinhalb Zentimeter in die Höhe, die notwendig waren, um direkt von der Kante nach vorn in das kühle, versöhnliche Nass zu gleiten.

In Rückenlage ließ er sich treiben und blickte hinauf in die gnadenvolle Nacht. Er schloss die versehrten Augen und ließ sich von der Strömung tragen, die durch diese uralte steinerne Schlucht glitt; dunkel floss sie dahin heute Nacht, unbeaufsichtigt vom juwelenhaften Schimmer der Collegefenster. Es war besonders finster in dieser Nacht, denn ganz Cambridge lag in tiefem Schatten, alle Fenster waren dunkel, und durch die Straßen patrouillierten Luftschutzhelfer. Die Große Verdunkelung hatte sich auf Erlass der Regierung in Whitehall über halb England gesenkt, ein Blackout zur Vorbereitung auf die Bomben, die bald fallen würden.

Derzeit galt der Krieg, inzwischen einen Monat alt, als »Sitzkrieg« – der Westfeldzug der Deutschen, der dem Überfall auf Polen folgen sollte, wurde nicht vor dem nächsten Jahr erwartet. Die Polen kämpften weiter, waren aber klar unterlegen. Die Russen waren von Osten her eingedrungen. Die Franzosen hatten eine Offensive an der Saar geführt, während die British Expeditionary Force an der belgischen Grenze lagerte.

Aber es gab Verluste, sogar jetzt, da die Welt wartete. Im Atlantik hatte ein U-Boot die HMSCourageous mit mehr als fünfhundert Mann versenkt. Einer der Toten war ein ehemaliger Schüler von Brookes altem College gewesen. Sie hatten seinen Namen auf eine Tafel neben der Pförtnerloge geschrieben, eine kleine Zeremonie, die den Verlust spürbarer machte. Für Brooke, der gerade Anfang vierzig war, aber auch ein Veteran des Großen Krieges, fühlte es sich an wie ein Omen.

Er schwamm nach Norden zu einer offenen Wiese am Westufer, Marschland, das in einem der von Brooke geliebten Stadtpläne als St. John’s Wilderness ausgewiesen wurde. Weiter voraus zeigte sich der Fluss wie der Geist seiner eigenen Reflexionen: ein gewundenes Band schwacher Lumineszenz, weichgezeichnet von aufsteigendem Nebel. Von irgendwoher hörte er wiederholt den dumpfen Knall der Waffe eines Wilderers, begleitet von den zugehörigen Echos. Er tauchte sein Gesicht ins Wasser, erst die Augen, dann die Ohren, und hörte zu, wie der Fluss kleine Steine in seinem Kiesbett herumrollte; es klang wie ein Sopran vor dem Bass des Wassers, dem tiefen Rumpeln der Hauptströmung zwischen den Ufern.

Als er wieder auftauchte, hörte oder besser identifizierte er ein Geräusch, das schon eine Weile da gewesen war und das er bis dahin für das Murmeln des Flusses selbst gehalten hatte.

Es war ein leises Grollen, ein Raunen wie von Wagenrädern.

Aber er konnte nichts sehen; die Dunkelheit schien direkt auf seinen Augen zu ruhen.

Die Wagenräder kamen näher, begleitet von stampfenden Stiefelsohlen, die sich in der gleichen Geschwindigkeit wie die rollenden Räder bewegten.

Endlich erkannte er Schatten am Ufer.

Und hörte eine Stimme: »Grausige Arbeit.«

Dann folgte ein halber Takt eines Liedes in drei Stimmen, dessen Melodie durcheinandergeraten war.

»Ruhe! Gut, wir sind unter den Bäumen, Jungs. Die, die rauchen wollen, können das jetzt tun.«

Ein Streichholz flammte auf, dann noch eines; das Licht wanderte von einem Gesicht zum anderen. Brooke sah alles in einem einzigen Moment: eine Reihe von drei leeren Wagen, die Stränge pferdelos. Ein Dutzend Soldaten, jeder mit einem Spaten, standen im Halbkreis da, als der Zigarettenrauch in die Luft emporstieg. Später, als er sich die Szene wieder ins Gedächtnis rief, um sie seiner Frau Claire zu beschreiben, fiel ihm auf, dass die Männer eingeschüchtert wirkten, wie sie sich mit hängenden Schultern und gesenkten Köpfen aufeinander stützten.

Soldaten waren auf den Straßen inzwischen so alltäglich wie Studenten. In den Wochen, seit Chamberlain in einer Radioansprache den bevorstehenden Kriegszustand angekündigt hatte, war Cambridge mehr und mehr zu einem Militärlager geworden. Zeltreihen beherrschten Parker’s Piece, einen der großen Parks in der Stadt. Es war, als wollte man den Vorabend der Schlacht bei Crécy oder der von Agincourt wieder aufleben lassen. Flugabwehrgeschütze in extra ausgeschachteten Gruben umrahmten das Stadtgebiet wie eine Halskette, gebildet aus Feldlagern. Sogar der Himmel war geschützt, getüpfelt von Sperrballons, die an Seilen über Bahnlinien und Fabriken schwebten, bereit, Stukas abzuwehren, die im Tiefflug angriffen.

Aber was hatte dieses Platoon trotz der Auflagen der Großen Verdunkelung um Mitternacht auf die Wiese hier draußen geführt?

Eine Stimme erklang am Flussufer. »Also gibt es dieses Mal nicht nur ein Taschengeld, Sarge?«

»Ihr habt gute Arbeit geleistet. Ich habe euch ja gesagt, haltet euch an mich, und ihr werdet nicht zu kurz kommen. Beim nächsten Mal zahlen sie den doppelten Preis.« Sein Akzent verriet, dass er aus dem Norden kam, ein seltsam gutturaler Klang, den Brooke nicht richtig einzuordnen vermochte. Aber der Fragesteller war ein Londoner.

Brooke erhaschte einen süßlichen Geruch in der Brise.

Als hätte der nächste Sprecher seine Gedanken gelesen, sagte jemand: »Das bist du, Spider – dieser Gestank. Du hast dich doch das ganze Jahr noch nicht gewaschen.«

Wieder London, East End, es roch geradezu nach Marktständen und Geschacher.

»Himmel, dieser Gestank klebt an den Spaten«, schimpfte ein anderer.

»Benutzt den Fluss.« Das war wieder die Stimme des Sergeants, der anscheinend die Geduld mit seinen Männern verlor.

Brooke sah die weißen Spritzer, als sie ihre Werkzeuge ins Wasser tauchten.

»Gut. Lasst uns was futtern gehen«, sagte der Sergeant. »Also legt euch mal ins Zeug.«

Zigarettenkippen erloschen zischend im Fluss, und dann waren die Soldaten fort, stapften ihrer Wege und zogen die leeren Karren gen Norden.

Der klebrig-süße Geruch ging mit ihnen.

Wasser tretend strich sich Brooke das dichte nasse Haar aus den Augen. Er dachte, dass alles, was bei Nacht unternommen wurde, mit Konnotationen befrachtet war: Scham, Heimlichkeit, Schuld. Was hatten die Soldaten vergraben? Wo war die Grube?

Detective Inspector Eden Brooke schwamm zurück zu den moosbedeckten Stufen.

KAPITEL ZWEI

Brooke war eine Nachteule, aber damit war er nicht allein. Über die Jahre, seit man ihn aufgrund einer Verwundung als dienstuntauglich aus dem letzten Krieg nach Hause geschickt hatte, war seine Schlaflosigkeit schlimmer geworden. Zudem waren seine versehrten Augen nie richtig verheilt, weshalb er angefangen hatte, bei Nacht durch die Straßen zu schlendern. Die waren, wie er festgestellt hatte, auch von anderen Wanderern bevölkert: jenen, die nicht schlafen konnten, jenen, die nicht schlafen wollten, jenen, deren Arbeit erst begann, wenn die Sonne unterging. Sie boten ihm ein warmes Feuer, eine freundliche Unterhaltung und manchmal eine Inspiration in einem Fall, der sich bis dahin als unlösbar präsentiert hatte. Und in jeder Nacht fand er irgendwann zur Ruhe: zu Hause, wenn Claire nicht im Krankenhaus in der Nachtschicht arbeitete, oder in einer Zelle des Reviers. Der Schlaf, so er sich denn einstellte, war stets kurz und überfallartig. In den dunklen, schlaflosen Stunden der Nacht fühlte sich sein Leben oft an wie eine Uhr, die allmählich ablief.

Rose King mit ihrem Teestand auf dem Market Hill war die erste andere Nachteule, mit der er in Kontakt gekommen war. Nach seiner Rückkehr aus dem Großen Krieg hatte sich Brooke dem Borough angeschlossen – der städtischen Polizeitruppe, einer der ältesten, aber auch kleinsten im ganzen Land. Nach der Ausbildung hatte er auf einer vorherbestimmten Runde Nachtdienst geschoben, die ihn jeweils um Mitternacht über den Market Hill geführt hatte, den zentralen Platz in der Stadt. Rose hatte ihn regelmäßig mit einem heißen Getränk und einer Oase goldenen Lichts unter einer breiten Markise empfangen.

Aber selbst die unverwüstliche Rose musste die Regeln und Bestimmungen der Großen Verdunkelung befolgen, und so fand er unter all den verlassenen Händlerbuden nun auch ihre Hütte in der Ecke des Platzes mit Brettern vernagelt und teilweise hinter einer Wand aus Sandsäcken verborgen vor. Auf einer schlichten Tafel stand in Kreide geschrieben: AUFBEHÖRDLICHEANWEISUNGGESCHLOSSEN.

Brooke stand auf dem stillen Platz, dachte über seinen nächsten Zug nach und zündete sich eine seiner geliebten Black-Russian-Zigaretten an. Er sah zu, wie sich die Glut durch das Papier fraß und dem goldenen Filter näherte. Der Nebel wurde immer dichter, sickerte aus Kanaldeckeln und Abflussrinnen hervor, eine milchig-weiße Flut, die die Stadt zu verschlingen drohte. Die Nacht wurde allmählich kalt, und sein nasses Haar trug seinen Teil dazu bei, dass er vor Kälte zitterte. Aus einem nahen Pub ertönten dann und wann Pianoklänge, aber es gab kein Licht, nur einen halben Liedvers.

Etwas an dem Vorfall, dessen Zeuge er unten am Flussufer geworden war, entzog sich jeglicher rationalen Erklärung. Viele Menschen waren neugierig und stellten Fragen, aber Brooke wurde von der angeborenen Überzeugung getrieben, dass er ein Recht darauf hatte, die Antworten zu kennen. Die Folge davon war ein rastloses Leben. Warum befahl man Soldaten, bei Nacht zu graben? Warum versprach man, Soldaten dafür zu bezahlen, bei Nacht zu graben? Er brauchte eine neue Perspektive, um sich von dem zu lösen, was er mit angesehen hatte, und er wusste genau, welche Nachteule er zu diesem Zwecke aufsuchen musste.

Er ließ die Schatten des alten Marktes hinter sich und ging die Petty Cury hinunter. Die schmale Straße bestand aus einer Abfolge von Schaufenstern, die kreuz und quer mit Klebestreifen überzogen waren, um sie vor Bombenexplosionen zu schützen. Dank der Blakeys an seinen Halbschuhen, metallenen Schuhschonern zum Schutz der Ledersohlen, ein Army-Trick, den er ins Zivilleben übernommen hatte, hallten seine Schritte laut durch die Nacht. Er umrundete St. Andrew the Great, ließ den Lichtschein seiner Taschenlampe über das Buntglas wandern und betrachtete das Bild, das ihn so erschreckt hatte, als er noch ein Junge gewesen war: Es zeigte den abgetrennten Kopf von Johannes dem Täufer, säuberlich auf einem Silbertablett drapiert, das von dem Blut des Heiligen überzogen war.

Ein Echo dieses grausigen Märtyrertums lauerte etwa hundert Meter weiter unten an der Straße, wo Brooke vor dem Sidney Sussex College innehielt. Sein Vater, ein Professor für Medizin, war immer recht distanziert gewesen, aber einmal war er mit der sensationellen Geschichte eines formellen Abendessens im College nach Hause gekommen. Er hatte sie seinem Sohn erzählt und sich dazu auf dessen Bettkante gesetzt – ein noch nie da gewesenes Ausmaß an Intimität, das diesen Moment viel tiefer in Brookes Gedächtnis verankert hatte als die schaurige Geschichte selbst.

»Heute Abend habe ich den Schädel eines Mannes gesehen«, hatte sein Vater gesagt, und seine Augen leuchteten im Kerzenschein.

Es war eine rechte Schauergeschichte. Der Leichnam von Oliver Cromwell, dem großen Republikaner und ehemaligen Studenten dieses Colleges, war von den Anhängern von Charles II, der nach Wiedereinsetzung der Königswürde den Thron bestiegen hatte, aus seinem stillen Grab geholt worden. Den abgehackten Kopf hatte man an die London Bridge gehängt, zusammen mit denen von gewöhnlichen Kriminellen, wo Vögel ihm das Fleisch vom Schädel gepickt hatten.

»Die Augen waren als Erstes dran«, hatte sein Vater ihm erklärt.

Ein Sturm fegte den Schädel von seiner Stange, woraufhin er mit gebrochener Kalotte heimlich von Anhängern fortgeschafft und nach Norden gebracht wurde, um ihn im College des großen Mannes zu verbergen. Von da an kannten immer nur zwei vertrauenswürdige Männer das Versteck. Doch in besonderen Nächten wurden während des Essens die Lichter gelöscht und die Kustoden ausgesandt, den Schatz zu holen, der sodann auf dem polierten Mahagonitisch platziert wurde, wo er als Kerzenhalter diente.

»Er war bis zu Portwein und Käse bei uns«, hatte sein Vater gesagt und Brooke warm zugedeckt. »Dann wurde er rasch wieder fortgebracht.«

Als Brooke die Fassade des Colleges betrachtete, sah er für einen Moment ein flackerndes Licht in einem der Spitzbogenfenster; vielleicht die Auserwählten, die Cromwells Kopf in sein Versteck zurückbrachten.

Er setzte seinen Weg fort. Über eine Abkürzung durch eine Gasse voller metallener Abfalleimer erreichte er eine Feuertreppe, die ihn sechs Stockwerke hinauftrug und schließlich auf dem Dach eines der Geschäftshäuser entließ. Eine Metallleiter brachte ihn noch ein bisschen höher hinauf zu einem Ausguck, einem von vielen, die das Observer Corps in der Stadt verteilt hatte. Sie boten einen weiten Panoramablick über die Dächer, ideal, um feindliche Flugzeuge ebenso auszumachen wie die Feuer, die ihre Bomben und Brandsätze zu entfachen drohten.

Jo Ashmore kam aus dem konischen Unterschlupf auf der Rückseite der Plattform, strich sich die Uniform glatt und konnte sich nicht zurückhalten, den Sitz ihres kurzen braunen Haars zu korrigieren, dessen Schnitt viel Geld gekostet hatte. Die Frau, groß, gertenschlank und von modisch knabenhafter Erscheinung, lächelte, als sie ihren Besucher erkannte.

Brooke zeigte mit einer ausholenden Bewegung auf die Szenerie in der Tiefe. »Die Große Verdunkelung! Zweifellos ein Erfolg. Aber was hast du gesehen, Jo? Erzähl mir alles.«

»Sie haben immer Fragen, Brooke, aber nie Antworten.«

»Ich bin Wissenschaftler. Entschuldigung, ich war Wissenschaftler oder so was Ähnliches«, sagte er, nahm seinen Hut ab und strich sich mit der Hand durch das dichte schwarze Haar.

»Wenn Sie Antworten wollen, müssen Sie Fragen stellen. Fragen Sie die richtige Person zur richtigen Zeit, und schon ergibt das Leben Sinn.«

Sie musterte Brookes schattenhaftes Gesicht und lachte, fischte eine kompakte Puderdose aus ihrer Uniform und hielt den Spiegel hoch. Der Detective nahm seine Brille ab und starrte sein Abbild an: die hohe Stirn, die blass-blauen Augen, das Haar, das ihm in die Augen fiel. Ein langes Stück Grünalge klebte an seiner Wange.

»Als Nächstes wachsen Ihnen Schwimmhäute zwischen den Zehen«, merkte sie an.

Ashmore war Brookes neueste Nachteule, und die heutige Nacht bildete den Abschluss ihres ersten ganzen Monats als Angehörige des Observer Corps. Sie war im Nachbarhaus der Brookes aufgewachsen, hatte mit ihren Kindern gespielt und war wie ihr Bruder Markus regelmäßig zu Gast gewesen. Die frei stehenden Häuser lagen an den Wiesen unten am Fluss. Die Familien standen sich auf eine völlig natürliche Weise nahe, was bedeutete, dass niemand mehr sagen konnte, was wann wozu geführt hatte.

Beim Erwachsenwerden hatte sie sich einen anzüglichen Ruf eingefangen. Da waren die Partys in London, Freunde mit schnellen Wagen, schicke Kleider. All das hatte sie bei Kriegsausbruch für diesen neuen Posten aufgegeben; ein Mysterium, das sie, wie Brooke argwöhnte, als romantisch empfand. Ihm fiel auf, dass sie ihren Lippenstift sorgfältig so aufgetragen hatte, dass er die zarten Linien ihrer Lippen betonte, und dass auf ihrem Stahlhelm in eleganter Schrift die Abkürzung OC aufgemalt worden war.

Von ihrem Posten aus hielt sie Ausschau nach feindlichen Fliegern, vor allem Bombenflugzeugen, von denen es in diesem Krieg bisher noch keine gegeben hatte. Aber das ganze Land behielt den Himmel im Auge, wenn es nicht gerade versuchte, Spione und deutsche Fallschirmspringer aufzustöbern, die sich in irgendwelchen Gartenhäuschen versteckten. Das war das Unerträgliche an diesem Sitzkrieg: die Zeit des Wachens und Wartens.

Nicht ein Licht verriet die Stadt. Die Dächer zogen sich nordwärts in Richtung der Fens, südwärts zu den Gogs, einer Reihe niedriger Kreidehügel, die sich schwach vor dem Sternenhimmel abzeichneten. Nebel lag in den Straßen, als hätte man die Betttücher aus dem College auf dem Pflaster ausgebreitet.

»Ich habe Sie vorhin beobachtet«, sagte sie, und das Lächeln unter dem Stahlhelm wurde breiter. »Nur gut, dass diese Ferngläser nicht besonders gut sind, sonst hätte ich vielleicht mehr gesehen, als ich sollte.«

Sie genoss es, Brooke mit seinem Aussehen aufzuziehen. Als Kind hatte man ihr erzählt, der große blasse Mann mit der seltsamen Brille hätte mit T. E. Lawrence in der Wildnis Ägyptens und Palästinas gekämpft. Das düster-gute Aussehen des großen Helden fand seinen Widerhall in Brooke, dem grüblerischen verwundeten Ritter, der dennoch immer weitermachte. Und dann war da noch der Orden des Königs für eine ewig unerwähnte Heldentat, der der Legende zusätzlichen Glanz verlieh. Als Zehnjährige hatte sie einmal einen ganzen Abend lang zusammen mit Brookes Tochter das Obergeschoss seines Hauses auf der Suche nach seiner nicht vorhandenen Beduinenkleidung durchstöbert.

»Sonst hast du nichts gesehen, während ich schwimmen war?«, fragte Brooke. »Auf dem anderen Ufer, gleich dort …« Er zeigte auf eine Stelle in der Finsternis jenseits der Dächer.

Sie kehrte in ihren Unterschlupf zurück, kam mit einer Ablagebox wieder heraus und reichte Brooke eine getippte Arbeitsanweisung.

CAM 005/OCWARNUNG

20-21 Oktober 1939

Dauer der planmäßigen Verdunkelung 21.30 bis 6.30. Alle Truppenbewegungen werden eingestellt. Sämtliche Fahrzeuge sind bis Mitternacht in den Depots abzustellen.

KEINEFLÜGECAMBRIDGE – DUXFORD

Luftfahrtministerium empfiehlt zwei Überflüge von der Luftaufklärung Stanmore.

Nachtmanöver St. John’s Wilderness. Alle Geräusche ignorieren. Keine Aufzeichnung erforderlich.

EASTERNCOUNTIESCOMMAND.

MADINGLEYHALL.

Büro CO Ost: COL. SWIFT-LANE.

»Das ist doch komisch, nicht wahr?«, meinte Brooke. »Warum hält man ein Nachtmanöver ab, wo wir uns doch alle hinter unseren verdunkelten Fensterläden im Bett verstecken sollen? Ich bezweifle, dass unsere Jungs allzu viel Übung brauchen, um Löcher in den Boden zu buddeln. Hast du die Anordnung befolgt und alle Geräusche von St. John’s Wilderness ignoriert?«

»Das wäre eine Herausforderung gewesen«, sagte Ashmore. »Die haben einen ganz schönen Lärm veranstaltet. Erst die Zivilisten, die die Schaufeln vor Einbruch der Dämmerung hingeschleppt haben. Die sind dann später in der Stadt verschwunden und wurden prompt von Soldaten und Karren ersetzt … Wie es aussieht, haben die Zivilisten ein Loch gegraben, und die Soldaten schütteten es wieder zu.«

Brooke studierte die Dienstanweisung. »Ich habe Soldaten gesehen. Einen Sergeant und seinen Trupp. Und sie haben gearbeitet. Andere Befehle außer diesem hat es nicht gegeben?«

Sie gab ihm fünf weitere Zettel, alle bezogen sich zu ähnlichen Zeiten auf denselben Ort und reichten zurück bis in den vergangenen Monat.

»Den Papierkram können Sie behalten«, sagte sie. »Wenn wir nur Spitfires und Munition so schnell produzieren würden wie diesen bürokratischen Mist, dann würden wir den Krieg mit links gewinnen.«

In kameradschaftlichem Schweigen standen sie beisammen, dabei kontrollierte Ashmore mindestens dreimal ihre Uhr.

»Ich warte auf den Mondaufgang«, erklärte sie. »Es müsste – meiner Tabelle zufolge – jeden Moment so weit sein. Madingley Hall hat telefonisch durchgegeben, dass sie drei Sperrballons verloren haben.«

Madingley Hall, eine Tudor-Villa am Stadtrand, war das militärische Hauptquartier für den größten Teil von Ostengland.

»Sie haben sich vor einer Stunde eine Meile südlich vom Bahnhof aus der Vertäuung gelöst, also fliegen sie in diese Richtung. Drei ausgerissene Luftschiffe außer Kontrolle – was für ein Spaß, was? Niemand hat irgendeine Ahnung, wo sie sind, solange wir nicht ein bisschen Mondlicht bekommen. Sobald ich sie sehe, muss ich die Position telefonisch melden.«

Brooke starrte in die Dunkelheit. Er fand es beunruhigend, dass drei sechzig Fuß lange zigarrenförmige Ballons unsichtbar direkt vor ihrer Nase hängen könnten.

»Jemand wird Ärger bekommen, weil er sie hat entwischen lassen«, bemerkte Ashmore. »Vor einer Woche haben sie den Gerüchten zufolge schon sechs Stück in einem Sturm an der Ostküste verloren. Sind über die Nordsee getrieben und haben Stromleitungen in Norwegen runtergerissen. Hat offenbar Chaos gegeben – die Seile, die von den Ballons runterhängen, richten den Schaden an. Sie verfangen sich an allem Möglichen. Je früher wir die Mistdinger finden, desto besser. Sobald ich ihre Position durchgefunkt habe, darf sich jemand anderes den Kopf darüber zerbrechen. Was tut man nicht alles für ein ruhiges Leben.«

Brooke hatte Josephine Ashmore nie mit einem ruhigen Leben in Verbindung gebracht, und er fragte sich, was der wirkliche Grund für ihre Entscheidung sein mochte, sich freiwillig für so eine einsame Arbeit bei Nacht auf einem kalten Dach zu melden.

»Da ist der Mond endlich …« sagte sie.

Ein helles Licht war über einem der College-Dächer erschienen und hing nun zwischen den sich verjüngenden mittelalterlichen Schornsteinen. Binnen Sekunden zeigte sich ein Bogen des Runds, das sich rasch über die Silhouette des Gebäudes erhob. Silbernes Licht flutete die Dächer von Cambridge, offenbarte die vier Turmspitzen der King’s College Chapel, den fernen, klobigen Turm der University Library, die Colleges, die den mäandernden Fluss säumten sowie auf dessen anderer Seite, auf einem Abschnitt, der jedem Studenten unter dem Namen The Backs bekannt war, offenes Wiesengelände.

Brooke sah zu, wie der Mond höher stieg, stellte sich das leise Summen der Himmelsmechanik vor, bis er schließlich frei über den Himmel glitt und sein Licht den Fluss zu entflammen schien, der in der Tiefe schimmerte wie Stahl, der sich aus einem Schmelzofen ergoss.

»Da!«, rief Ashmore.

Ein Ballon, so groß wie einer der städtischen Busse, hing ein paar Hundert Meter windabwärts nahe dem kubischen Turm der St. John’s College Chapel in der Luft. Ein Netzwerk aus Tauen hatte sich um das Bauwerk gewickelt. Während sie hinschauten, kräuselte sich die Oberfläche wellenförmig, als der Ballon an seiner Vertäuung zerrte.

»Und da«, sagte Brooke und zeigte fort vom Fluss und zu dem offenen Marschland im Norden.

Dieser Ballon, der mehrere Fuß hoch in der Luft schwebte, war erheblich weiter gekommen und bewegte sich dem Augenschein nach rasch auf die ferne Küste zu, momentan aber noch gehindert von einem Baum, der sich in dem Netz unter seinem Bauch verfangen hatte.

Von dem dritten Ballon war nirgends eine Spur zu sehen.

Ashmore verzeichnete die Position der zwei Ballons in Sichtweite und gab telefonisch die Daten durch, ehe sie sich setzte, um im Licht der Taschenlampe einen schriftlichen Bericht zusammenzufummeln.

»Papierkram«, klagte sie. »Verdammter Papierkram.«

Als sie fertig war, zündete sie sich eine Zigarette an.

Dann sahen sie den dritten vagabundierenden Ballon.

Plötzlich blitzte eine gelb-blaue Flamme auf und erhellte den Himmel über dem Bahnhof. Ein paar Sekunden später ertönte der sonderbar in die Länge gezogene Schallimpuls wie ein heißes, schroffes Zischen. Ein brennender Ballon, verfangen in elektrischen Leitungen, fiel über der großen Getreidemühle neben dem Bahnhof in sich zusammen. Als die Haut verbrannt war, trat das Gerüst im Inneren zutage und krachte gleich darauf zu Boden. Das markante Donnern beim Aufprall erschütterte die Dächer.

Ein Feuerball freigesetzten Gases erhellte die Nacht; eine pulsierende Vision in Gelb, von der Flammen tropften.

Der Schmerz in Brookes Augen war trotz der gelb eingefärbten Brillengläser scharf wie ein Rasiermesser, und er musste sich auf dem Kartentisch abstützen.

Eine Luftschutzsirene begann zu heulen.

Brooke zog sich die Hutkrempe tiefer über die Augen. »So viel zur Großen Verdunkelung.«

KAPITEL DREI

Als Brooke die Leiter von Jo Ashmores Beobachtungsposten wieder hinunterkletterte, wurde ihm kurzzeitig schwindelig – vermutlich eine verzögerte Auswirkung vieler Stunden ohne eine Mahlzeit in Kombination mit dem nächtlichen Schwimmen. Bei seinem Aufbruch war Ashmore gerade dabei, mit der Feuerbrigade und dem Zivilschutz zu telefonieren, um sie zu den qualmenden Überresten des Sperrballons zu dirigieren, der nach dem explosiv aufflackernden Feuer unterhalb der Dächer verschwunden war. Ein schwacher orangefarbener Lichtschimmer am südlichen Himmel zeigte nur die ungefähre Richtung des Orts der Havarie an.

Als er wieder auf festem Boden stand, läuteten schon die Glocken der Feuerwehrautos im Wetteifer mit der weiterhin heulenden Sirene. Was er nun dringend brauchte, war etwas zu essen. Er ging durch die Trinity Street, vorbei an der Old Divinity School, an deren roter Ziegelsteinfassade fahle Statuen der Helden der Theologie in ihren Nischen standen. Als einsamer Schuljunge hatte er ein Interesse an dem Teil der Stadt kultiviert, der sich oberhalb seiner Augenhöhe befand. Er war nur ein Kind, dessen Mutter gestorben war, als es noch klein gewesen war, und dessen Vater seine Arbeit im Labor gefesselt hatte. Nach der Schule und an den Wochenenden erforschte er also die Stadt und fand in dem Labyrinth aus Sackgassen ein Puzzle, das er Stück für Stück zusammensetzen konnte. Wenn er durch die Straßen streifte, begutachtete er das Mauerwerk, die Statuen, die Gargoyles und die Heiligen. In seinem Kopf platzierte er sie auf einer mentalen Karte, auf der jeder Hof, jeder Torbogen und jede Pflasterstraße verzeichnet waren. Mit zehn Jahren hatte er die ganze Stadt im Kopf.

Einer seiner Favoriten stand gleich hier an der Old Divinity School: die dritte Statue an der Fassade, die von Bischof Joseph Lightfoot. Wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte Brooke gerade noch seinen Schuh berühren; ein Kunststück, das ihm als Kind verwehrt geblieben war. Stets hatte er bewundert, wie der Bildhauer dem alten Mann ein Buch in die linke Hand gelegt hatte, das ihn niederzudrücken schien. Neugierig hatte er den kurzen biografischen Text über das Leben Bischof Lightfoots in einem der Nachschlagewerke seines Vaters gelesen und sich einen der prägnanten Aussprüche des Klerikers eingeprägt, den er besonders bewundert hatte: Misserfolg wird mir den Schneid nicht nehmen, Erfolg wird mich nicht mit Stolz erfüllen.

Die Sirene verklang in der Ferne und ließ eine klirrende Stille zurück.

Gegenüber dem Torhaus des Trinity Colleges sah Brooke einen Wagen herannahen, dessen Scheinwerfer bis auf zwei schmale Streifen mit Klebeband abgedeckt waren. Das verlieh ihm den Anschein einer jagenden Katze, die tief geduckt vorankroch, bereit, sich auf ihre Beute zu stürzen. Als das Fahrzeug ihn passierte, flammte ein Streichholz auf, dessen Licht auf den Fahrer und seine Passagiere fiel, und Brooke erhaschte einen Blick auf einen Seidenschal, eine Fliege und ein silbernes Zigarettenetui. Trotz des Krieges und der Verdunkelung waren die Freuden des Nachtlebens für einige lebendig geblieben.

Brooke bog in die All Saints Passage ab, den Zugang zu dem Teil der Stadt, der einst das Jüdische Ghetto beherbergt hatte. Es war ein Wirrwarr schmaler Pfade, eingerahmt von hohen Mauern, die nirgends mehr als zwanzig Meter weit einer geraden Linie folgten. Auch dieses Labyrinth war Bestandteil von Brookes internem Stadtplan, aber es hatte mehrere Jahre geduldiger Erforschung erfordert, um es in seiner Gänze zu erfassen. Eine seiner Karten offenbarte den Blick von oben, gleichsam wie ein Querschnitt durch das menschliche Hirn; ein organisches, verschachteltes Puzzle.

In der Dunkelheit musste er sich tastend seinen Weg suchen, denn die engen Gassen blockten den Mondschein ab. Die hiesige Finsternis hatte eine ganz neue Qualität, was ihn veranlasste, kurz innezuhalten und seine eigene Hand zu studieren, die er wenige Zentimeter von seiner Nase entfernt gerade noch erkennen konnte. Mit den Fingern an der Wand bahnte er sich seinen Weg bis zur ersten Ecke, bog dort rechts und an der nächsten links ab. Die Mauern waren noch etwas feucht von dem Nebel, der sich sogar in dieses widerhallende Labyrinth geschlichen hatte. Und die Steine waren eisig, überzogen mit einem dünnen Belag, dem Vorboten einer frostigen Morgendämmerung. An einer Ecke, in der ein Brunnen an einer Mauer stand, blieb er stehen; er hob die Hand und konnte eine eiserne Rinnenklemme von der Form eines Hundekopfes ertasten. Er tätschelte sie kurz, wie er es schon viele Male getan hatte, und ging weiter, bis er zu einer kleinen Klapptür gelangte, die in eine größere Tür aus eisenbeschlagener Eiche eingelassen war.

Sein Klopfen, das sich über viele Jahre herausgebildet hatte, bestand aus einem scharfen Pochen mit seinem Siegelring auf dem Metallscharnier.

Ein Schloss klickte, dann noch eines, und dann wurde die Tür geöffnet.

Über die hölzerne Schwelle betrat er die Pförtnerloge von Michaelhouse. Das Licht im Inneren veranlasste ihn, stehen zu bleiben und mit zwei Fingern die Nasenwurzel zusammenzupressen, während der Schmerz in seinen Augen in sein Hirn stach. Rasch tauschte er die Brille mit den ockergelben gegen eine mit grüngefärbten und somit dunkleren Gläsern aus. Er hatte vier Stück bei sich: Ocker, Grün, Blau und Schwarz; jede lieferte ihm einen stärkeren Schutz vor Licht als die vorhergehende.

»Feuer am Himmel, Mister Brooke. Was ist geschehen?«, fragte Doric, der Pförtner.

»Ein Sperrballon ist in Flammen aufgegangen. Was gibt es hier Neues?«

Doric war Brookes verlässlichste Nachteule. Mit Ausnahme einer erzwungenen zweiwöchigen Pause im Januar, wenn er zu seiner Schwester nach Margate reiste, war Doric ebenso sehr ein Teil der Nacht wie der Polarstern. Einem Detective wie Brooke hatte er zudem den unermesslichen Reichtum des College-Geschwätzes zu bieten, das in der Bruderschaft der College-Pförtner von Cambridge weitergetragen wurde.

»Alles ruhig«, sagte Doric und löschte die Lampen, sodass nur noch das Licht der schwachen Koksglut und das einer kleinen Schreibtischleuchte über dem Diarium auf dem Schaltertisch den Raum erhellte. Als Student vor dem Großen Krieg hatte Brooke oft die verwitterte Behaglichkeit der Holzvertäfelung dieses Raums bewundert, auf Hochglanz poliert wie in einer Kajüte.

Doric stand neben dem Kessel auf dem ringförmigen Gasbrenner und wartete darauf, dass das Wasser zu kochen begann.

»Sind alle in ihren Betten?«, erkundigte sich Brooke und strich sich das schwarze Haar aus den Augen.

Der Pförtner, ein stämmiger, kräftiger Kerl, trat steif zum Schaltertisch und studierte tonlos vor sich hin pfeifend das aufgeschlagene Diarium.

»Phipps, Torrington und Jordan – unsere drei Naturwissenschaftler – sind um acht mit Lux, einem Yankee, der hier zu Besuch ist, gegangen«, sagte er schließlich. »Ich habe gefragt, ob sie auswärts essen, und sie sagten, sie könnten es mir nicht verraten, weil es ›geheim‹ sei. Leichtsinniges Geschwätz. Aufgeblasene kleine Scheißer. Wie auch immer, ich wusste, wo sie hinwollten, und das hat ihnen das Grinsen aus den eingebildeten Gesichtern gewischt. Der Pförtner vom Emmanuel hat die Neuigkeit verbreitet, dass es da ein streng geheimes Treffen in diesem neuen Anatomiegebäude geben soll. Das Galen?«

»Richtig«, sagte Brooke. »Einer der Helden meines Vaters, Doric: Galen von Pergamon, Begründer der medizinischen Wissenschaft.«

Bei der Erwähnung von Brookes Vater, Professor Sir John Brooke, wurde der Pförtner stets ganz schweigsam. Sein Blick wanderte zu einer Tafel neben dem Schreibtisch, die mit den Namen der College Master in goldener Schrift beschriftet war. Sir Johns Leitung hatte von 1910 bis 1921 gedauert und den Großen Krieg umfasst, der beinahe seinen Sohn getötet hätte.

»Da bekommt mich niemand hin, nicht für Geld und gute Worte. Nicht, solange ich noch am Leben bin«, verkündete Doric mit einem theatralischen Schaudern. »Die schneiden da alles auf. Phipps, Torrington und Jordan ist das auch nicht bekommen. Als sie wieder zurückgekommen sind – ohne Lux –, wollten sie nicht einmal das kalte Hammelfleisch essen, das der Koch für sie zur Seite gestellt hat. Aber Jordan hat drei Flaschen Saint-Émilion geordert. Sahen aus, als würden sie den brauchen.«

Brookes Hunger meldete sich zurück. »Sind noch irgendwelche Überbleibsel da, Doric?«

Der Pförtner zog ein Stück Stoff von einem Tablett, und zum Vorschein kamen kaltes Hammelfleisch, Kartoffeln und ein Hühnerbein. Der Tee war stark und schwarz, aber der Pförtner zauberte eine Dose Kondensmilch mit zwei sauber gestanzten Löchern im Deckel hervor, die er nun neben dem Becher abstellte. Brooke ließ sich den Dampf ins Gesicht steigen, ehe er die ölige Kaffeesahne hinzufügte. Die Farbe, die dabei herauskam, ein beinahe fluoreszierendes Orange, fand man nach Brookes Erfahrung sonst nur in der Britischen Armee.

Er legte seine Brille auf das Fensterbrett und rieb sich die Augen.

»Ich habe ein Platoon Soldaten am Flussufer gesehen. East-End-Akzent, bis auf den Sergeant. Wer kann das gewesen sein, Doric?«

Der Blick des Pförtners huschte zu der schattigen Wand der Poststelle, an der eine Militärflagge hing, glatt gestrichen, die Regimentsfarben verblasst und von Feuer und Ruß geschwärzt.

»Das London-Regiment kann’s nicht sein. Die sind weg, aufgelöst wie meine Truppe. Ein Skandal, das. Also, ich würde sagen, es waren die Buffs. Das East-Kent-Regiment. Aber das ist merkwürdig, denn ich habe nichts davon gehört, dass die jetzt ebenfalls bei uns sind. Allerdings sind alle anderen ja auch hier. Auf Parker’s Piece müssen um die zweitausend Mann lagern. Haben Sie die gesehen? Und dann sind noch welche auf den Backs. Aber Sie haben gesagt, dieser Haufen war heute Abend unten beim Fluss?«

Brooke nickte. »Schauen Sie, ob Sie mehr herausfinden können, ja?«

Doric setzte sich an seinen Schreibtisch. Seine fetten Finger trommelten auf der Armlehne des Stuhls. Der Ruhestand würde für diesen Pförtner, wenn es einst so weit war, eine Art Tod bedeuten. Es gab Gerüchte, denen zufolge das Nachtpersonal des Colleges »auf Kriegsdauer«, wie man das inzwischen zu nennen pflegte, freigestellt werden sollte. Doric musste damit rechnen, vorzeitig in den Ruhestand versetzt zu werden. Oder, schlimmer, bei Tag zu arbeiten.

Stillhalten war eine Tugend, die der Pförtner nie erlernt hatte, nicht einmal für eine flüchtige Sekunde. Unter großer Willensanstrengung legte er die Hände flach auf das Holz, doch da kehrte prompt das klanglose Pfeifen zurück.

»Da war auch ein Geruch, da unten am Flussufer. Vielleicht Chemikalien?«, bemerkte Brooke.

Doric scharrte unter dem Tisch mit den Füßen. »’s gibt Gerüchte.«

»Tatsächlich? Erzählen Sie mir davon«, bat Brooke und lehnte sich mit dem Hühnerknochen in der Hand zurück.

»Man sagt, es hätte einen Luftangriff gegeben. Einen schlimmen, aber die Zeitungen können es nicht drucken.«

»Schottland?«

»Genau. Dann haben Sie es also auch gehört. Firth of Forth, am Hafen. Mir kam zu Ohren, Glasgow hätte es auch erwischt, vielleicht Liverpool. Die Straßen voller Schutt, Hunderte verschollen, wahrscheinlich tot, aber man hat sie noch nicht gefunden. London, ebenfalls am Hafen. Leichen, die offen herumliegen, können sie schnell wegschaffen. Aber es bleibt keine Zeit, um die Ruinen einer Stadt zu durchsuchen. Und sie wollen es totschweigen. Da geht’s um die Moral; man will vermeiden, dass Leute auf die Straßen gehen, um zu protestieren. Darum schicken sie Lastwagen hin und laden einfach alles auf, Ziegelsteine, Fensterrahmen, Treppen, Möbel – mitsamt den Toten. Überall im Land gibt es Gruben. Sie decken sie mit Kalziumoxid ab; so heißt die Chemikalie. Vielleicht haben Ihre Cockneys auch was von dem Zeug verbuddelt.«

Brooke riss einen Fetzen Fleisch von dem Hühnerknochen. Die Erklärung war gut, verriet ihm aber immer noch nicht, warum sie für die Arbeit bezahlt wurden.

»Klingt nach einer Lügengeschichte. Was hatten wir denn bisher? Einen Angriff an der Westküste, drei Flieger, keine Verletzten. Das ist nicht gerade der gefürchtete Blitzkrieg, oder?«

Doric riss die Hände in die Luft. »Sie haben’s genauso gehört wie ich«, sagte er. »Ich bin nur ein College-Pförtner. Sie sind der Detective Inspector.«

KAPITEL VIER

Die eisige Nachtluft hatte Brooke nach seinem nächtlichen Bad bis auf die Knochen ausgekühlt. Als er nun die King Street hinunterging, die berüchtigt für ihre vielen schäbigen Pubs war, blieb er vor dem Champion of the Cam stehen. Er legte ein Ohr an die Tür und vernahm das leise Gemurmel von Thekengesprächen. Ein scharfes Klopfen lockte den Wirt herbei, der Brooke erkannte und ihm Zutritt gewährte. Diese verschwiegene Geselligkeit nach der Sperrstunde war ein Aspekt des alltäglichen Lebens, den auch der Krieg nicht hatte abstellen können, nicht einmal während der Großen Verdunkelung. Er setzte sich mit einem Whisky in eine Ecke und beobachtete eine Gruppe Studenten, die über die Unwägbarkeiten von Hitlers Angebot einer Friedenskonferenz mit den Alliierten diskutierten.

Als er eine halbe Stunde später wieder vor der Tür stand, fühlte er sich immer noch durchgefroren. Ihm war, als bildete sich allmählich eine Eiskugel in seinen Eingeweiden, als ballte sich die Kälte in ihm zusammen, trotz der Kohlenglut in der Feuerstelle des Champion und des Bluts, das in seine Magengrube rauschte. Er brauchte Gesellschaft und Wärme. Er brauchte Claire.

Er passierte die abgedeckte Ampel an der Fitzwilliam Street gegenüber Little St. Mary’s und gelangte zu den offen stehenden Eisentoren des Krankenhauses. Trotz der Verdunkelung konnte er den Dampf sehen, der von den Rohren und Leitungsschächten des großen Gebäudes aufstieg, als würde es innerlich überkochen. Eine einzelne, nach unten gerichtete Lampe kennzeichnete den Haupteingang, vor dem ein verlassener Krankenwagen mit offenen Türen stand.

Claire war die Oberschwester der Rosewood-Station im dritten Obergeschoss. Zwei Stufen auf einmal nehmend lief er mit neuem Schwung hinauf und drückte sacht die Doppeltür auf, hinter der die Station in voller Länge auf ihn wartete. Seine eigene Silhouette zog sich in Form eines langen Schattens über den Boden.

Bettfedern knarrten, und irgendwo erging sich eine dünne Stimme in traumhaftem Geplauder. In den Schatten auf der linken Seite konnte er eine fahle Hand nach einem Glas Wasser auf dem Nachttisch tasten sehen.

Ganz am hinteren Ende saß Claire an einem Schreibtisch. Eine Lampe mit grünem Schirm warf Licht auf ihre Papiere. Auf seinen nächtlichen Gängen, wenn er sich fragte, wie es ihr wohl gerade erging, kam ihm stets dieser Anblick in den Sinn.

Er gab sich Mühe, so leise wie nur möglich über den Fliesenboden zu gehen, aber die Blakeys unter den Sohlen verriet jeden seiner Schritte. Sie sah ihm entgegen, als er näher kam, und kontrollierte die Zeit mithilfe der Uhr, die sie an einer Kette um den Hals trug.

»Was ist los?«, fragte sie und erhob sich. Sie war schlank und adrett und trug das weißblonde Haar zu einem Pagenkopf frisiert, der immer perfekt zu sitzen schien. »Du zitterst«, stellte sie fest. »Und du bist so blass wie ein Gespenst.«

»Mir ist kalt. Der Fluss war kälter, als ich erwartet hatte. Ich bin völlig durchgefroren. Was verordnen Sie, Schwester?«

»Warte einen Moment«, sagte sie und ging zu einem Bett, in dem im Licht einer Nachttischlampe ein bewusstloser Mann lag. Der größte Teil seines Körpers war unter einem weißen Laken verborgen, auf dem seine bandagierten Hände lagen. Beide waren blutig. Claire maß seinen Puls und legte ihm eine Hand an die Stirn.

»Was ist passiert?«, fragte Brooke und studierte das blasse Gesicht des Soldaten.

»Laut dem Kameraden, der ihn hergebracht hat, ist er ›Windenmann‹. Ich habe mir die Details nicht alle gemerkt, aber er arbeitet an einer Maschine, die dazu dient, die Sperrballons steigen zu lassen oder einzuholen. Das Tau ist gerissen, und er hat versucht, den Ballon zurückzuziehen. Seine Hände sehen furchtbar aus, Eden, bis auf die Knochen zerfetzt. Jedes dieser Taue besteht aus Tausenden von Drähten, und wenn es reißt, dann fransen die aus wie zerzauste Haare, jedes rasiermesserscharf. Man sollte ihm einen Orden verleihen, aber das wird wohl nicht passieren, was? Er ist nur ein Private, aber ich denke, er ist ein Held.«

Sie steckte die Decke fest, damit der Mann es warm hatte. »Das Komische ist, dass hier ein Sergeant aufgetaucht ist, der sich ganz schön wichtiggemacht hat. Er hat behauptet, die Arbeit dieses Jungen unterliege der Geheimhaltung und sein Kamerad solle in die Kaserne zurückgehen. Der hatte sogar den Nerv, mir zu sagen, ich dürfe nichts von dem preisgeben, was ich gehört habe oder während der Nacht vielleicht noch hören könnte. Ich habe ihm erklärt, er könne ganz beruhigt sein, weil ich dem Patienten eine ordentliche Dosis Morphin verpasst habe und er mindestens bis zur Morgendämmerung schlafen werde. Ich glaube, das ist das Mindeste, was er verdient hat.«

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass ihr Patient gut versorgt war, holte Claire eine Jungschwester herbei, die in der Stationsküche Bettpfannen gespült hatte, und wies sie an, den Schwesternstützpunkt zu übernehmen, da sie nun beabsichtige, ihre halbstündige Pause zu nehmen.

Brooke folgte ihr zu einer Nebentür, die hinaus zur Feuertreppe führte. Über eine eiserne Wendeltreppe ging es hinab zum Boden, von dem aus zwei Fluchten weiter hinunter in den Keller führten.

Auf einer Stahltür prangte der Schriftzug: BETRETENSTRENGVERBOTEN.

Claire schloss die Tür auf.

Trockene, pulsierende Hitze erfüllte den Heizkeller. Claire hatte ein frisches Handtuch mitgenommen. Brooke presste sich mit dem Rücken an den Metallkessel, spürte das sengend heiße Metall, das sanfte Rumpeln der heißen Rohrleitungen, das subtile Wogen von Wasser nahe dem Siedepunkt.

»Es ist vielleicht an der Zeit, den Fluss bis zum nächsten Jahr sich selbst zu überlassen«, sagte Claire und schob seine Hände beiseite, um ihm das Haar zu trocknen und sein Hemd aufzuknöpfen.

Es war nicht das erste Mal, dass sie ihn hierherbrachte.

»Hast du die Tür verriegelt?«, fragte er und küsste sie. »Wir wollen ja den Nachtwächter nicht traumatisieren.«

»Ich habe die Tür abgeschlossen, Eden. Ich bin eine erfahrene und sorgfältige Krankenschwester. So jedenfalls steht es auf meinem jüngsten Personalbogen, und das ist die Meinung eines Doktors, also muss es stimmen.«

Später, als sie einander im Halbdunkel in den Armen hielten, brach Brooke nach einer Weile das lange Schweigen. »Heute habe ich vom Fluss aus ein Platoon Soldaten auf St. John’s Wilderness gesehen. Sie haben Gruben ausgehoben. Doric, der, wie du weißt, omnipotent ist, sagt, es gäbe Gerüchte, dass die Army den Schutt von Bombeneinschlägen vergräbt.«

»Bombeneinschläge?«, wiederholte Claire, stand auf und ließ sich ihre Uniform mit hoch erhobenen Armen über die Schultern fallen. »Es hat doch gar keine Angriffe gegeben. Sirenengeheul, Alarm und eine Menge Hysterie, aber keine Flugzeuge.«

»Doric sagt, die Regierung würde es vertuschen. Dass es Todesfälle gegeben habe und dass die verstümmelten Leichen in dem Schutt lägen und sie keine Zeit hätten, sie zu suchen. Überhaupt solle die Sache geheim gehalten werden, um die Moral aufrechtzuerhalten. Für mich klingt das nach Unsinn, aber vielleicht kannst du dich mal umhören? Doric meinte zu wissen, der Angriff sei in Schottland erfolgt, möglicherweise in Glasgow, aber er hat auch gehört, es könnte im East End passiert sein. Wenn das stimmt, werden die Ärzte davon wissen. Die Überlebenden müssen ja irgendwo behandelt worden sein.«

»Ich erkundige mich«, versprach sie. »Aber du weißt so gut wie ich, dass Neugier aus der Mode kommt.«

KAPITEL FÜNF

Romsey Town, ein Arbeiterviertel mit schmalen, leiterförmig angeordneten Straßen, lag gleich jenseits der Bahngleise und war nur über eine rostige viktorianische Eisenbrücke erreichbar. Überquerte man sie, ließ man die mittelalterliche Innenstadt hinter sich und gelangte in eine Industrievorstadt, deren Wohnbereiche von schmuddeligen Reihenhäusern geprägt waren, Wand an Wand in trostlosen Zeilen erbaut. Rauch kräuselte sich über den Schornsteinaufsätzen. Eine Methodistenkirche wachte über die Brücke. Gleich gegenüber lag ein Pub namens Earl of Beaconsfield, in dessen Fenster trinkbare Verlockungen geätzt worden waren: Windsor Ales schmückte sich mit dem Bild eines großen Schlosses, Lamb’s Navy Rum zierte eine Grafik des Union Jack. Eine Ritze zwischen den beiden Verdunkelungsabdeckungen offenbarte gastlichen Lichtschein im Inneren.

Das »Dörfchen«, wie man das Viertel, einst erbaut für Eisenbahnarbeiter, nannte, war überzogen mit dem Kohlenstaub seiner eigenen ärmlichen Feuer und der Dampfloks, die auf der Hauptstrecke nach London vorbeidonnerten oder Güterwagen zum Verschiebebahnhof rangierten. Jeder Stein und jeder Ziegel war geschwärzt, rußbeschmutzt und fühlte sich ein wenig klebrig an. Der dahintreibende Geruch von billigem Koks vermengte sich mit den Ausdünstungen, die die Zuckerrübenfabrik in die Welt rülpste, und überzog die ganze Gegend mit einem derben Brandgestank.

Um halb elf kennzeichnete ein Chor verschiedenster Glocken in einer Reihe von Eckkneipen die Sperrstunde der Pubs. Licht ergoss sich auf das Pflaster vor dem Earl, als drei Männer hinaus auf die Straße strömten, ihre Mäntel schlossen und die Kragen hochschlugen, während die Tür hinter ihnen hastig von innen geschlossen wurde.

»Also, tun wir’s«, sagte Henderson, der Größte der drei und zugleich der Federführende. Zusammen mit Lauder, dem Schotten, und Popper, dem Doktor, repräsentierte Henderson das Komitee des East Cambridge & District Branch der kommunistischen Partei. Im Earl hatten sie über Fußball gesprochen und sorgsam vermieden, von Politik zu reden oder ihre Pläne für den weiteren Abend zu erwähnen. Durch den Einmarsch in Polen, bei dem die Sowjets gemeinsame Sache mit Hitler gemacht hatten, war die Partei in eine prekäre Lage geraten. Auf wessen Seite, so fragten die Zeitungen, steht die Partei? In London war es zu Festnahmen gekommen, nationale Führungspersonen waren verhört worden, und im Parlament wurde schon darüber geredet, die Partei komplett zu verbieten. Sollte das passieren, würden sie untertauchen müssen, also war es nicht in ihrem Interesse, Aufmerksamkeit zu erregen.

Zu dritt standen sie beisammen und warteten darauf, dass ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, ehe Henderson sie eine Nebenstraße hinunter zu einer Sackgasse geleitete, in der ein schmaler Durchgang auf der Rückseite der Häuser zu einer Schule und weiter zu einem Bahndamm führte, von dem aus man Höfe und Gärten sehen konnte.

Ein Mann wartete auf der Balkenbrücke für Fußgänger, die über die Hauptbahnstrecke führte.

»Chris?«, rief Henderson.

»Ich bin hier«, sagte der junge Mann. »Könnt ihr es sehen? Es brennt am Bahnhof. Glaubt ihr, das ist ein Bombenangriff?«

»Das bezweifle ich«, sagte Henderson, aber sie alle blieben auf der Brücke stehen und musterten prüfend den Himmel, an dem ein schwacher gelber Lichtschimmer pulsierte.

»Wir müssen weiter …«, sagte Henderson und ging voran, die Stufen auf der anderen Seite hinunter und über eine Reihe von Gleisen, vorbei an einem hoch aufragenden Wasserturm und weiter zu einem großen Wellblechschuppen. Eine Minute lang kämpfte er mit dem Schloss, ehe er die anderen hineinscheuchte. Im Inneren riss seine Taschenlampe eine Tenderlok auf Schienen inmitten des Betonbodens aus dem Dunkel. Er nahm einige Kerzen aus der Tasche und bat Popper, sie zu verteilen, während Lauder angewiesen wurde, Stühle zu beschaffen.

Henderson selbst holte eine hölzerne Kiste aus einem Lagerbereich, stellte sie auf dem Boden ab, kletterte auf die Tenderlok, setzte sich auf das Trittbrett über den Rädern und ließ die Beine baumeln.

»Also, Jungs, lasst uns unsere Fantasie benutzen«, sagte er. »Wir befinden uns inmitten der ganzen Pracht des Schwurgerichtssaals Nummer eins auf dem Market Hill in Cambridge. Ich sitze auf der Richterbank. Richter Henderson führt den Vorsitz. Christopher Childe, dein Fall wird verhandelt, daher sitzt du auf der Anklagebank, also stell dich auf die Kiste. Morgen wird das alles real sein.«

Childe nickte. Popper und Lauder setzten sich in die erste Reihe.

»Im Moment, Chris, wirst du als Kriegsdienstverweigerer geführt, ein Feigling wie der Rest von uns. Unter Vorbehalt als Wehrdienstverweigerer registriert. Jeder von uns weiß, was das bedeutet. Du musst alles tun, was sie von dir verlangen. Harte Arbeit. Morgen sitzt das Militärtribunal zu Gericht und entscheidet, ob du es verdienst, ohne Vorbehalt als Wehrdienstverweigerer anerkannt zu werden. Das würde bedeuten, du könntest ganztägig für die Partei arbeiten … Das hier einmal durchzuspielen erhöht deine Chancen auf einen Erfolg vor dem Tribunal um das Vierfache. Popper hat von der Parteiführung Zahlen erhalten, die das beweisen. Dies …« Er breitete die Arme aus. »Dies ist dein Probedurchlauf. Du hast Glück!«

»Kann ich mich setzen?«, fragte Childe. Er war Anfang zwanzig, hatte ein blasses rundes Gesicht mit einer kleinen Stupsnase, unter der ein dünner Schnurrbart wuchs. Die Lippen ragten über dem fliehenden Kinn nach vorn, sodass sich der Kerzenschein auf ihnen fing.

»Nimm dich zusammen«, sagte Henderson. »Morgen wirst du auch stehen müssen. Und hör auf zu flennen. Ich weiß, wir gelten alle als Drückeberger, aber das ist nur ein Klischee.«

Die Männer nickten und sahen zu, wie Henderson eine Ausgabe der Peace News aus der Tasche holte und auf den Boden warf, als handelte es sich um ein Beweisstück. Die Zeitung wurde landesweit mit dem Ziel gedruckt, den Pazifismus zu propagieren.

»Das mag nur ein Revolverblatt sein, Jungs, aber es wendet sich an das Proletariat«, erklärte Henderson. »Wichtiger noch, es wird gelesen, anders als die meisten dieser langweiligen Schriften, die die Partei sonst abliefert. Darum helfen wir, es zu verteilen. Wenn Chris morgen Erfolg hat, dann können wir, Kameraden, die Peace News dazu nutzen, die Massen anzusprechen. Wir können eine eigene Seite drucken, ein Nachrichtenblatt, und sie hineinlegen. Wir brauchen dich, Chris – ganztags – als Herausgeber und Drucker.«

Chris zupfte am Kragen seines Overalls. Die Blässe seines Gesichts stand im krassen Kontrast zu einem Fleck auf seiner Stirn, der ganz nach Schmutz aussah. Sein Haar, kurz und buschig, sah ebenfalls verdreckt aus, und seine Finger waren schmuddelig, die Fingernägel schwarz.

»Das Wichtigste zuerst«, fuhr Henderson fort. »Vor der echten Verhandlung – und die ist morgen – nimm verdammt noch mal ein Bad.«

»Ich hab Gräben ausgehoben«, erklärte Childe.

»Exakt. Und genau darum musst du vor das Tribunal treten.« Henderson ließ seine Knöchel knacken. »Also, zuerst werden sie dich auffordern, eine persönliche Erklärung zu verlesen. Natürlich werden sie dir gar nicht zuhören. Wirklich wichtig sind die Antworten, die du ihnen auf ihre Fragen gibst. Und dein Auftreten! Du musst sie überzeugen, dass du ernsthafte Gewissensprobleme hast.« Henderson hüstelte. »Fangen wir an. Sind Sie gegen das Töten?«

»Ja.«

»Sind Sie Vegetarier?«

Childe entspannte sich ein wenig und verlagerte sein Gewicht auf das linke Bein. »Das ist eine kindische Frage. Ich bin gegen …«

»Niemals den Fragesteller infrage stellen«, donnerte Henderson.

»Das hassen die«, sagte Popper. »Das ist kein Debattierclub. Es ist auch kein Weltuntergang, Chris. Neunzehn-vierzehn hätten sie dich noch erschossen, aber jetzt hast du eine echte Chance, dass sie dich weiterleben lassen. Also beruhig dich.«

»Haben Sie eine Schwester?«, setzte Henderson die Befragung fort, und ein feindseliger Ton schlich sich in seine Stimme. »Wenn ein deutscher Soldat sie in Ihrer Gegenwart vergewaltigen würde, würden Sie Gewalt anwenden, um ihr zu helfen?«

Childe traten die Tränen in die Augen. »Ich muss die Antworten auswendig lernen, einen Spickzettel vorbereiten …«, sagte er.

»Das ist das Letzte, was du brauchst, Bursche«, unterbrach ihn Lauder und ließ sich auf seinem Stuhl nach hinten sacken. »Das sind keine Militärs. Da werden zwei Zivilisten sein. Ein Mädchen ist bestimmt auch dabei …«

»Und hör auf zu zittern, Chris«, warf Popper ein.

»Ich kann nicht aufhören zu zittern«, klagte Childe. Er stieg von der Kiste. »Ich habe heute Abend einen echten Schrecken bekommen. Sie haben uns zu St. John’s Wilderness befohlen, wo wir am Fluss Gruben ausheben sollten. Sie haben gesagt, später kämen Soldaten, und die würden diese Gruben brauchen, aber sie haben uns nicht erzählt, wofür. Wir haben drei Stunden lang gegraben …«

»Was hast du denn erwartet?«, spottete Lauder in Anbetracht von Childes Abneigung gegen harte Arbeit. »Dachtest du, du kannst eine ruhige Kugel schieben?«

Childe schüttelte den Kopf. »Meine Antwort auf all das und für euch alle lautet, dass es verdammt noch mal nichts mehr ausmacht, was das Tribunal sagt. Weil ich nämlich heute Abend etwas gesehen habe, das beweist, dass es zu spät ist. Der Krieg, der da aufzieht, Kameraden, für den werden sie keine Soldaten brauchen. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Ich weiß, was sie in diesen Gruben verbuddeln …«

KAPITEL SECHS

Der Nebel war noch dichter geworden und strömte wie ein Fluss durch die verlassenen Straßen; Fetzen davon lugten gleichsam wie Leichentücher in gewundener Prozession um Ecken, leckten am feuchten Mauerwerk der Bogengänge, spitzten unter Türen. Brooke schlug den Kragen seines Mantels hoch und ging zurück zum Polizeihauptquartier. Claire sagte immer, sie könnte ihn auch in einer Menschenmenge schon aus hundert Metern Entfernung ausmachen: Die Hutkrempe heruntergeklappt, hatte er die Hände stets tief in den Manteltaschen vergraben, und er setzte seine Schritte unberirrbar in einer Linie, sodass sich seine Silhouette zu einem winzigen Punkt des Kontakts mit der Erde zu verjüngen schien.

Mondschein fiel auf King’s Parade, eine Reihe vornehmer Geschäfte und Cafés gegenüber einer ganzen Serie breiter Rasenflächen, hinter denen sich das stattliche College erhob. Auf Brooke wirkte diese Straße von jeher erbaulich, denn sie erinnerte ihn an eine Uferpromenade, als spähte die Parade der Geschäfte hinaus zur See – vielleicht im herrschaftlichen Eastbourne oder dem Regency Brighton –, wenngleich ihr Blick hier stattdessen auf typisch englischen Rasen und die honigfarbenen Mauern und Maßwerke der mittelalterlichen Fassaden im Hintergrund traf. Das weitläufige, offene Gelände und der Sternenhimmel über ihm bildeten einen starken Kontrast zu den schmalen Gassen und Durchgängen im Rest der alten Stadt.

An der King’s College Chapel sammelte eine große Rosskastanie Nebel um ihre Wurzeln, sodass es schien, als würde das hoch aufragende Gemäuer über der Erde schweben. Die silbergrauen Äste des großen Baumes passten wunderbar zu den Steinen, aus denen das College erbaut war, beinahe als wären auch sie von mittelalterlichen Steinmetzen gehauen worden. Mit ihren hundert Jahren war die Kastanie eine der Kostbarkeiten der Stadt. Ihre höchsten Zweige reichten hundert Fuß weit in die Luft und waren geschmückt von herbstlichem Laub. Aber selbst an der Kapelle hatte der Krieg seine Spuren hinterlassen: Grauer Filz und Klebstreifen verdeckten das hohe Ostfenster des Gotteshauses, während das wertvolle mittelalterliche Glas in den städtischen Gewölben in Sicherheit gebracht worden war.

Brooke ging zum Bull Hotel, dessen Fensterläden geschlossen waren, und bog dann in Richtung der Silver-Street-Brücke ab. Die College-Mauern links und rechts des Wegs waren so nah, er musste nur die Arme ausstrecken und konnte beide auf einmal berühren. Vor sich sah er einen Funkwagen der Polizei, der zur verabredeten Zeit am richtigen Ort auf der Brücke stand. Die halb verdeckten Heckleuchten schimmerten schwach durch den Nebel.

Ein uniformierter Fahrer saß am Steuer; einen Ellbogen auf die untere Kante des Fensterrahmens gelegt, schrieb er etwas in sein Protokollbuch und verfolgte zugleich Brookes Annäherung im Rückspiegel.

»Machen Sie Pause, Constable«, sagte der. »Ich brauche Ihr Funkgerät.«

Der junge Officer sprang aus dem Wagen.