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Robin Hood, der legendäre Held, der die Reichen bestahl und den Armen gab, ist mehr als nur eine Figur des Volksglaubens – er ist ein Symbol für Gerechtigkeit und Widerstand. Doch wer war dieser Mann wirklich? War er ein realer Outlaw, der in den Wäldern von Nottingham hauste, oder das Produkt der Wünsche und Fantasien einer unterdrückten Bevölkerung? In ›Die Erfindung des Robin Hood‹ wird der Mythos dieses berühmten Gesetzlosen neu betrachtet. Mit einem scharfen Blick auf die historischen, kulturellen und literarischen Entwicklungen, die seine Geschichte formten, enthüllt dieses Buch die wahre Natur des Robin Hood. Es zeigt auf, wie sich aus der tiefen Unzufriedenheit einer Gesellschaft eine Legende entwickelte, die bis heute fortbesteht. Von den harten Realitäten des Lebens im Mittelalter bis hin zur Romantisierung durch spätere Generationen untersucht dieses Buch die Figur Robin Hood als Spiegelbild des menschlichen Strebens nach Freiheit und Gerechtigkeit. Ein fesselnder Einblick in die Entstehung und Evolution einer der berühmtesten Legenden der Weltgeschichte – und die bleibende Faszination, die sie bis heute ausübt.
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Seitenzahl: 138
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Eine Betrachtung
von
Lutz Spilker
DIE ERFINDUNG DES ROBIN HOOD – VOGELFREI, LEGENDÄR UND FANATISCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Softcover ISBN: 978-3-384-38678-6
Ebook ISBN: 978-3-384-38679-3
© 2024 by Lutz Spilker
https://www.webbstar.de
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
Die im Buch verwendeten Grafiken entsprechen denNutzungsbestimmungen der Creative-Commons-Lizenzen (CC).
Sämtliche Orte, Namen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind daher rein zufällig, jedoch keinesfalls beabsichtigt.
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Inhalt
Inhalt
Vorwort
Die Ursprünge des Mythos: Früheste Erwähnungen
Das historische England: Sozialer und politischer Kontext
Outlaws und Gesetzlose: Leben am Rand der Gesellschaft
Als vogelfrei erklärt: Die Rechtlosigkeit als Mythos
Die Sherwood-Wälder: Zwischen Realität und Fiktion
Robin Hood und die Reichen: Der Kampf gegen die Tyrannei
Der Mythos vom Räuber der Armen
Gefährten und Feinde: Little John, Marian und der Sheriff
Der treue Gefährte
Die Dame und die Rebellin
Der Tyrann
Die Bedeutung der Nebenfiguren für die Legende
König Richard Löwenherz: Held oder Mythos?
Der historische Richard Löwenherz
König Richard in der Legende
Die politische Funktion des Mythos
Die Fiktion hinter der historischen Realität
Zwischen Held und Mythos
Die Adaption in mittelalterlichen Balladen
Die Balladen als literarische Tradition
Eine frühe Erzählung
Der Einfluss der Balladen auf das Bild Robin Hoods
Die Balladen als Spiegel der sozialen Realität
Der literarische Erbe der Robin-Hood-Balladen
Von Volksheld zum Nationalheld: Die Entwicklung im 16. Jahrhundert
Gesellschaftliche Umbrüche und Identitätsfindung
Der Einfluss der Reformation und politischer Wandel
Die Rolle des Theaters und der populären Kultur
Von der regionalen Legende zum nationalen Symbol
Der Fortbestand des Mythos in der frühen Neuzeit
Revolution und Rebellion: Robin Hood als Symbol des Widerstands
Frühe Rebellionen und Robin Hood als Volksheld
Die Englische Revolution und die Neudefinition von Freiheit
Die Französische Revolution und der universelle Rebell
Sozialreformen und Arbeiterbewegungen
Revolutionäre und Widerstandsbewegungen
Robin Hood in modernen Bewegungen
Robin Hood und die Romantik: Die Veränderung im 19. Jahrhundert
Die Romantik und die Rückkehr zur Natur
Die Moralisierung des Robin Hood
Die Romantik und das Ideal des edlen Gesetzlosen
Die kulturelle Bedeutung der romantischen Robin-Hood-Interpretation
Ein bleibendes Vermächtnis
Die Legende in der Populärkultur: Bühnen, Theater und frühe Filme
Theater als erste Bühne für den Volkshelden
Robin Hood auf der Leinwand
Die fortschreitende Verfilmung der Legende
Robin Hood als populäres Kulturgut
Hollywoods Robin Hood: Von Douglas Fairbanks bis Errol Flynn
Der Stummfilm-Pionier
Der Goldene Standard des Tonfilms
Der Einfluss auf die moderne Wahrnehmung
Der bleibende Einfluss von Fairbanks und Flynn
Robin Hood im 20. Jahrhundert: Die soziale Gerechtigkeit im Fokus
Der Kämpfer für soziale Gerechtigkeit
Robin Hood und der Sozialismus
Robin Hood und der Kampf um Bürgerrechte
Robin Hood in der Umweltbewegung
Ein Symbol des Widerstands weltweit
Robin Hood als Sinnbild für Gerechtigkeit
Die internationale Verbreitung der Legende
Von England bis zu den Alpen
Ein Held für die Neue Welt
Eine neue Perspektive
Der soziale Held im Kampf gegen Ungerechtigkeit
Robin Hood als globales Symbol
Moderne Interpretationen: Comics, Serien und neue Filme
Der Held in der gezeichneten Welt
Neue Perspektiven auf einen alten Mythos
Vom klassischen Abenteuer zum düsteren Epos
Neue Deutungen für eine neue Zeit
Der Mythos im Spiegel der Moderne
Die Frage nach der historischen Realität
Die Ursprünge der Legende
Die Suche nach Beweisen
Historische Kontexte und gesellschaftliche Spannungen
Ein unauflösbares Rätsel?
Die fortdauernde Relevanz: Robin Hood als ewiger Held
Gerechtigkeit als ewiges Ideal
Der Held der ›kleinen Leute‹
Widerstand gegen Autorität
Robin Hoods moralischer Kompass
Robin Hood als kollektives kulturelles Erbe
Die zeitlosen Werte der Robin-Hood-Legende
Die symbolische Macht der Farbe Grün
Grün als Symbol des Guten
Grün als psychologisches Instrument
Robin Hood als ewiges ›Dauer-Template‹
Die philosophische Dimension von Robin Hood und Grün
Über den Autor
In dieser Reihe sind bisher erschienen
Ist Robin Hood eine Legende?
Die Existenz Robin Hoods als reale historische Figur ist nicht belegt. Laut den
mittelalterlichen Balladen betreibt Robin Hood, der als herausragender Bogenschütze beschrieben wird, sein Räuberhandwerk mit Merry Men, ›fröhlichen Gefährten‹, unter anderem Little John, Bruder (Friar) Tuck und Will Scarlet.
Vorwort
In den tiefen Wäldern der Grafschaft Nottingham, dort wo sich die Schatten der Bäume zu einer fast unpassierbaren Wildnis verdichten, nimmt die Legende ihren Anfang. Robin Hood – der vogelfreie Held, der mit Pfeil und Bogen gegen die Mächtigen kämpfte, um das Unrecht zu bekämpfen und den Schwachen beizustehen. Die Figur des Robin Hood hat sich über die Jahrhunderte zu einem Symbol von Gerechtigkeit und Widerstand gegen Tyrannei entwickelt. Doch, wie bei vielen Legenden, verschmelzen hier historische Fakten, Mythen und der Wille eines Volkes, seine eigene Hoffnung und Unzufriedenheit in einer Person zu verkörpern, zu einem dichten Gewebe aus Wahrheit und Fiktion.
Dieser Robin Hood, der Mann mit dem grünen Gewand und der unfehlbaren Treffsicherheit, ist jedoch nicht einfach nur eine historische Figur oder ein Märchenheld. Vielmehr stellt er den Wunsch der Menschheit dar, dass in Zeiten größter Not und tiefster Ungerechtigkeit jemand aufsteht, der sich für das Wohl der Gemeinschaft einsetzt. Aber wer war Robin Hood wirklich? Existierte er tatsächlich oder ist er nur das Produkt einer idealisierten Volksfantasie? Diese Fragen, die sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gestellt haben, sind heute von einer besonderen Relevanz, wenn man den Helden und das Ideal analysiert, das er darstellt.
Robin Hood, so wie wir ihn heute kennen, ist das Ergebnis einer langen kulturellen und literarischen Entwicklung. Historische Quellen sind rar, und die Faktenlage ist dürftig. Doch gerade das erlaubt es uns, ihn als eine Art universelles Symbol für Gerechtigkeit und Widerstand zu sehen – als ein Produkt der menschlichen Fantasie, die oft in Zeiten von Unrecht und Unterdrückung Helden erschafft, um dem eigenen Streben nach Freiheit Ausdruck zu verleihen. Die Legende von Robin Hood repräsentiert nicht nur die Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit, sondern auch das unausgesprochene Bedürfnis nach einer moralischen Ordnung, die jenseits der gesetzlichen Schranken steht. Seine ›Verbrechen‹ werden von der Gemeinschaft als notwendig und legitimiert betrachtet, da sie sich gegen eine höhere Form der Ungerechtigkeit richten: die Tyrannei und die Ausbeutung durch die Reichen und Mächtigen.
Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Robin Hood ein ›vogelfreier‹ Mann war – geächtet, ausgestoßen und verfolgt. Diese Vogelfreiheit, die ihn zwang, fernab der Zivilisation in den Wäldern zu leben, stellt eine bedeutende Facette seiner Figur dar. Es ist eine romantische Vorstellung, die Natur als Zufluchtsort eines Helden zu idealisieren. Doch in Wahrheit war das Leben im Wald hart und gefährlich. Für Robin Hood und seine Gefährten war die Wildnis kein romantisches Abenteuer, sondern eine ständige Herausforderung, ein Kampf ums Überleben inmitten von Entbehrungen. In einer Zeit, in der es keine moderne Infrastruktur oder Annehmlichkeiten gab, bedeutete das Leben im Wald Isolation, Unsicherheit und oft auch Verzweiflung. Doch genau diese Bedingungen zwangen Robin Hood, sich mit seiner Mission umso stärker zu identifizieren und seine Anarchie zu einer Art sozialem Widerstand zu formen.
Seine Vogelfreiheit ist dabei nicht nur eine Strafe, sondern auch eine Art von Befreiung. Denn jenseits der Gesetze und Vorschriften der Gesellschaft konnte Robin Hood seine eigene moralische Ordnung erschaffen. Das Leben in den Wäldern gab ihm die Freiheit, nach seinen eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit zu handeln – eine Freiheit, die von den Menschen seiner Zeit als radikal und revolutionär angesehen wurde. Seine ›Bande‹ von Gesetzlosen bestand nicht aus einfachen Räubern, sondern aus Gleichgesinnten, die sich ebenfalls für die Schwachen einsetzten und das Unrecht bekämpften, das ihnen durch die Reichen und die herrschenden Klassen widerfahren war. Doch der Mythos von Robin Hood, der die Reichen bestahl, um den Armen zu geben, ist mehr als nur eine Geschichte von sozialer Umverteilung. Er ist das Abbild einer tiefen gesellschaftlichen Unzufriedenheit, die sich in dieser Figur kristallisiert und Ausdruck findet.
Die Figur des Robin Hood, so wie sie über die Jahrhunderte hinweg geformt wurde, spiegelt somit eine archetypische Erzählung wider, die sich in vielen Kulturen und historischen Kontexten wiederfindet: die des Rebellen, des Außenseiters, der sich gegen die Ungerechtigkeit auflehnt und für die Schwachen kämpft. Doch was macht Robin Hood so besonders? Es ist die Fähigkeit dieser Figur, die Spannungen und Unzufriedenheiten einer Gesellschaft zu bündeln und in einer Form auszudrücken, die sowohl revolutionär als auch erlösungsorientiert ist. Diese Ambivalenz zwischen Gesetzlosigkeit und moralischer Gerechtigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch seine Geschichte.
Wenn wir die letzten 2500 Jahre der Menschheitsgeschichte betrachten, so entdecken wir immer wieder ähnliche Figuren und Helden, die aus Zeiten der Unzufriedenheit und des Widerstandes hervorgegangen sind. Diese Helden – ob real oder fiktiv – verkörpern das kollektive Bedürfnis nach Veränderung und Reform. Ob es der erwartete Erlöser ist, wie er in vielen Religionen vorkommt, der Revolutionär, der gegen die Ungerechtigkeit aufbegehrt, oder der fiktive Held wie Robin Hood – sie alle entspringen aus einer tiefen menschlichen Sehnsucht nach einer besseren Welt, nach einer Ordnung, die über die bestehende Macht hinausgeht. Robin Hood ist somit Teil einer langen Reihe von Heldenfiguren, die aus der Unzufriedenheit und dem Wunsch nach Gerechtigkeit geboren wurden.
Doch seine Geschichte ist auch eine Warnung: Sie zeigt, dass wahre Gerechtigkeit oft außerhalb der gesetzlichen Strukturen gesucht werden muss, wenn diese Strukturen von den Mächtigen missbraucht werden. Robin Hood wusste, dass die Rückkehr von König Richard Löwenherz nicht die erhoffte Errettung bringen würde, wie es die spätere Romantisierung seiner Geschichte suggerierte. Diese patriotische Mär, die Robin Hoods Anarchie mit der Rückkehr eines gerechten Königs versöhnt, ist ein Wunschtraum, der mehr über die Sehnsüchte des Volkes aussagt als über die historische Realität. Richard Löwenherz war ein Mann, dessen politische und militärische Ziele wenig mit dem Wohl des englischen Volkes zu tun hatten. Ein kluger und wachsamer Mann wie Robin Hood, so können wir annehmen, würde niemals seine Hoffnung in einen solchen Herrscher setzen.
Somit steht Robin Hood am Ende nicht nur als Rächer der Enterbten und Symbol des Widerstands, sondern auch als Verkörperung einer tieferliegenden Wahrheit: Die Unzufriedenheit, die in uns allen wohnt, kann manchmal Helden gebären, die in die Annalen der Geschichte eingehen – Helden, die das System herausfordern und den Kampf für das Wohl der Schwachen aufnehmen. ›Die Erfindung des Robin Hood‹ ist somit nicht nur eine Erzählung über einen Einzelnen, sondern ein Spiegelbild des ewigen Kampfes zwischen Macht und Ohnmacht, zwischen Reichtum und Armut, zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit.
Diesem Thema wollen wir uns in den kommenden Kapiteln widmen und herausarbeiten, wie die Legende von Robin Hood entstanden ist, welche historischen, literarischen und kulturellen Entwicklungen sie beeinflusst haben und warum sie bis heute eine so starke Anziehungskraft auf uns ausübt.
Die Ursprünge des Mythos: Früheste Erwähnungen
Die ersten bekannten literarischen und mündlichen Überlieferungen von Robin Hood
Die Geschichte von Robin Hood, dem legendären Gesetzlosen aus den Wäldern von Sherwood, beginnt in einer Welt, in der Realität und Mythos oft untrennbar miteinander verwoben sind. Wie bei vielen Legenden ist es auch bei Robin Hood schwierig, den genauen Ursprung festzumachen, da die Figur zunächst in mündlichen Erzählungen überliefert wurde. Doch was wir über die frühen Jahre des Mythos wissen, stammt aus den spärlichen literarischen Aufzeichnungen und Volksballaden, die im Laufe der Jahrhunderte gesammelt wurden. Sie bieten uns einen faszinierenden Einblick in die Anfänge einer Legende, die sich kontinuierlich weiterentwickelte und an den gesellschaftlichen Wandel anpasste.
Die ältesten bekannten literarischen Erwähnungen von Robin Hood stammen aus dem 14. Jahrhundert. In diesen frühen Texten wird Robin nicht als der noble Held dargestellt, wie wir ihn heute kennen, sondern vielmehr als eine zwielichtige Figur – ein Gesetzloser, der außerhalb des gesellschaftlichen Rahmens steht und oft als ›Vogelfreier‹ beschrieben wird. Zu den ersten schriftlichen Belegen zählt ein Eintrag aus dem Gedicht ›Piers Plowman‹ des Autors William Langland, das um 1377 verfasst wurde. In einem kurzen, fast beiläufigen Verweis beschreibt eine Figur, dass sie ›Rhymes of Robin Hood‹ kennt. Dies deutet darauf hin, dass bereits zu dieser Zeit Balladen über Robin in Umlauf waren und die Legende bereits im kollektiven Bewusstsein verankert war. Obwohl diese Erwähnung kurz ist, zeigt sie, dass die Erzählungen von Robin Hood zu diesem Zeitpunkt in der englischen Folklore weit verbreitet waren.
Ein weiteres bedeutendes Werk, das Robin Hood namentlich erwähnt, ist der ›Gest of Robyn Hode‹, ein volkstümliches Gedicht, das um 1450 niedergeschrieben wurde. Dieses Werk liefert uns ein detaillierteres Bild der Figur und markiert einen Wendepunkt in der Legendenbildung. In dieser Ballade wird Robin als Anführer einer Gruppe von Gesetzlosen dargestellt, die sich gegen die Willkür des Sheriffs von Nottingham zur Wehr setzen und den Armen helfen, indem sie die Reichen berauben. Es ist auch die erste Erzählung, die Sherwood Forest als Schauplatz nennt und Robins besondere Beziehung zur Natur herausarbeitet – ein Element, das später zu einem festen Bestandteil der Legende werden sollte.
Doch noch immer bleibt Robin Hood in diesen frühen Überlieferungen eine ambivalente Figur. In den ältesten Balladen, wie beispielsweise ›Robin Hood and the Monk‹ aus dem 15. Jahrhundert, wird deutlich, dass Robin und seine Gefährten nicht ausschließlich heroische Züge tragen. In ›Robin Hood and the Monk‹ erleben wir eine Geschichte, in der Robin von einem Mönch verraten und gefangen genommen wird. Seine Gefährten, allen voran Little John, befreien ihn, aber das Geschehen zeigt deutlich, dass es keine einfache schwarz-weiß-Zeichnung von Gut und Böse gibt. Die Gesetzlosen handeln brutal und unnachgiebig, was die Vorstellung von Robin als einem noblen Rächer der Armen zu dieser Zeit noch in Frage stellt.
Eine weitere interessante Entwicklung in den frühen Überlieferungen ist das Fehlen von Maid Marian, einer Figur, die später zum festen Bestandteil der Legende werden sollte. In den frühesten Balladen und Erzählungen taucht sie schlichtweg nicht auf. Robin Hood war in den Anfängen eine Geschichte über Männlichkeit, Loyalität unter Gesetzlosen und den Kampf gegen staatliche Willkür. Erst später im 16. Jahrhundert, mit der zunehmenden Romantisierung der Figur, wurde Marian als Liebesfigur eingeführt, um der Erzählung eine sanftere, menschlichere Seite zu geben.
Interessanterweise gibt es in den frühen Überlieferungen auch keine direkte Verbindung zu König Richard Löwenherz. Dies ist eine spätere Ergänzung, die erst im 19. Jahrhundert an Popularität gewann. In den frühesten Balladen von Robin Hood gibt es keine Anspielungen auf diesen königlichen Beschützer, der aus den Kreuzzügen zurückkehrt, um die Ordnung in England wiederherzustellen. Der historische König Richard war zwar eine imposante Figur, aber die Verbindung zu Robin Hood wurde erst lange nach seiner Regierungszeit geschaffen, als die Legende bereits fest in der Populärkultur verwurzelt war.
Die Legende von Robin Hood hat sich im Laufe der Jahrhunderte ständig gewandelt und weiterentwickelt. Die frühesten literarischen Hinweise zeigen eine Figur, die weitaus weniger idealisiert war, als wir sie heute kennen. Robin war ein Gesetzloser, der sich dem System widersetzte, aber nicht unbedingt aus rein edlen Motiven. Erst im Laufe der Zeit, mit der zunehmenden Popularität und Verbreitung der Balladen, wurde er zu dem Helden stilisiert, den wir heute als Robin Hood kennen.
Diese frühen Erwähnungen und literarischen Überlieferungen lassen erahnen, dass Robin Hood ursprünglich eine Symbolfigur für das wachsende Unbehagen gegenüber staatlicher und feudaler Autorität war. Er war ein Produkt seiner Zeit – einer Epoche, in der soziale Ungerechtigkeit weit verbreitet war und die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wurde. Die Gestalt des Gesetzlosen, der den Armen half und die Reichen beraubte, war eine Form des Widerstands gegen die herrschenden Strukturen.