Die Erinnerungen - Selma Lagerlöf - E-Book

Die Erinnerungen E-Book

Selma Lagerlöf

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Beschreibung

"Mårbacka", der bekannte 1. Teil der Memoiren, behandelt das erste Lebensjahrzehnt der Autorin. Leben und Menschen auf dem väterlichen Gut stehen im Mittelpunkt, während Selma Lagerlöf sich selbst in der Darstellung völlig zurücknimmt. Der 2. Teil, "Aus meinen Kindertagen", umfasst Erinnerungen von ihrem 10. bis zum 13. Lebensjahr, knüpft also unmittelbar an Marbåcka an, jedoch ist die Erzählhaltung eine völlig neue. Hier schreibt Lagerlöf nicht mehr distanziert, in der dritten Person, sondern wechselt zur Ich-Erzählung und einer kindlichen Perspektive über. Im 3. Teil, dem "Tagebuch der Selma Ottilia Lovisa Lagerlöf", führt sie diese Schreibweise zur Perfektion, sodass viele Leser das Tagebuch bei Erscheinen für authentisch hielten. Die erfrischend neue Erzählperspektive der beiden späten Bände macht diese literarisch besonders reizvoll, und erst die Zusammenschau aller drei Bände eröffnet einen umfassenden Blick auf die Kindheit und Jugend sowie das außergewöhnliche erzählerische Können der Nobelpreisträgerin.

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Seitenzahl: 922

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Selma Lagerlöf

Die Erinnerungen

Mårbacka

Aus meinen Kindertagen

Das Tagebuch der Selma Ottilia Lovisa Lagerlöf

Deutsch von Pauline Klaiber-Gottschau

Mit einem Nachwort von Holger Wolandt

Urachhaus

Inhalt

Mårbacka

Die Reise nach Strömstady

Das Kindermädchen

Hoher Besuch

Die Reise nach Karlstad

In der Kajüte auf dem »Uddeholm«

Im Laden des Goldschmieds

Holmen Grå

Der Paradiesvogel

Das Andenken

Die Geschichten der alten Haushälterin

Großmutter

Das Gespenst am Vilarsten-Hang

Pastor Wennervik

Der Gänserich

Die Lemminge

Der Neck

Der Regimentsschreiber

Die Landwehrmänner

Alte Gebäude und alte Leute

Die aus Stein gebauten Häuser

Die Geldkassette

Die Pfahlhütte

Die Gesindestube

Das Dienstmädchen

Die Brautkrone

Wachenfeldt

Das Orchester

Das neue Mårbacka

Die siebzehn Katzen

Der neue Stall

Der Garten

Der Dachstuhl

Werktag und Fest

Mittagsschlaf

Mamsell Broström

Die Reise auf den Blocksberg

Bellmanlieder

Buben und Mädchen

Der alte Soldat

Das Land der Hoffnung

Die Slomzeit

Der siebzehnte August

Nachschrift

Aus meinen Kindertagen

Aline Laurell

Die Erbauungsstunde

Das Gelübde

Gårdsjö

Herrestad

Angst

Das Kartenspiel

Die Marseillaise

Vierzig Grad Kälte

Maja Råd

Der Kirchenbesuch

Der Kuss

Der Ball in Sunne

Elin Laurell

Pastor Unger

Die Osterhexe

Anna Lagerlöf

Onkel Schenson

Der Teich

Agrippa Prästberg

Am Landungssteg

Der Brunnen

Tante Nanas Erzählung

Jahrmarktszeiten

Erdbeben

Das Tagebuch der Selma Ottilia Lovisa Lagerlöf

Reisetag

Im Zug zwischen Kil und Laxå

Im Zug zwischen Laxå und Katrineholm

Zwischen Södertälje und Stockholm

Spätabends im Kinderzimmer bei Onkel Oriel

Erste Woche

In der Kinderstube bei Onkel Oriel, geschrieben bei Ullas kleiner Lampe

Im Salon bei Onkel Oriel

Im Kinderzimmer

Allein im Salon mit Axel Oxenstierna

Zweite Woche

Mittwoch, den 29. Januar

Dritte Woche

Montagmorgen im Salon

Im Esszimmer

Vierte Woche

Montag, den 10. Februar

Fünfte Woche

Im Schlafzimmer

Im Salon

Sechste Woche

Im Salon

Siebente und achte Woche

Ab 5. März

Neunte Woche

Montagmorgen, den 17. März

Zehnte Woche

Montag, den 24. März

Elfte und zwölfte Woche

Im Salon

In der Kinderstube bei Onkel Oriel in der Nacht zwischen dem Ostersamstag und dem Osterfest

Dreizehnte Woche

Freitag, 18. April 1873

Auf dem Sofa im Kinderzimmer

Elisif. Versschauspiel in fünf Akten und acht Bildern

Reise nach Uppsala

Im Zug zwischen Stockholm und Uppsala

Im Salon der Frau Doktor Hedberg

Auf Frau Hedbergs Salonsofa, gerade wie gestern

Im Zug zwischen Uppsala und Stockholm

Nachricht von Mårbacka

Im Salon bei Onkel Oriel

Anhang

Nachwort

Grundriss des Gutshauses Mårbacka

Fußnote

Impressum

Mårbacka

Die Reise nach Strömstad

Das Kindermädchen

Auf Mårbacka gab es einmal ein Kindermädchen, das Back-Kajsa hieß. Back-Kajsa war sicherlich drei Ellen lang und sie hatte ein großes, grob geschnittenes Gesicht mit strengen, finsteren Zügen; ihre Hände waren hart und voller Risse, in denen beim Kämmen die Haare der Kinder hängen blieben, und sie war düster und trübsinnig.

Ein solches Menschenkind schien nicht gerade zum Kindermädchen geschaffen zu sein, und Frau Lagerlöf hatte sich auch sehr lange besonnen, ehe sie sie dingte. Back-Kajsa hatte noch nie zuvor gedient, ihre Herkunft machte sie auch nicht anziehender und von guten Manieren hatte sie keine Ahnung, denn sie war in der armseligen Kate Backarna weit droben auf der Waldhöhe oberhalb Mårbacka aufgewachsen, wo kein Mensch ringsum wohnte.

Aber es war offenbar kein anderes Mädchen zu finden gewesen, und so hatte man Back-Kajsa schließlich doch genommen. Dass sie kein Bett machen konnte, kein Feuer im Ofen zustande brachte und kein Bad zuzurichten verstand, darauf war Frau Lagerlöf ja vorbereitet, und es war auch nicht schwer, dem Mädchen dies beizubringen. Back-Kajsa war auch durchaus willig, das Kinderzimmer zu scheuern, Staub zu wischen und die Kleider der Kinder zu waschen. Aber was Frau Lagerlöf ihr nicht beizubringen vermochte, das war mit Kindern umzugehen. Sie wollte nicht mit ihnen spielen, sagte ihnen niemals ein freundliches Wort und kannte kein Märchen und kein Lied. Sicherlich wollte sie nicht hässlich gegen die Kinder sein, aber Lärm und Ausgelassenheit waren ihr nun einmal zuwider. Es wäre ihr am allerliebsten gewesen, wenn jedes der Kinder ruhig und still auf seinem Stühlchen gesessen hätte, ohne etwas zu sprechen und ohne sich zu rühren. Immerhin war Frau Lagerlöf so weit ganz zufrieden mit Back-Kajsa. Wenn sie auch keine Geschichten erzählen konnte, so hatten die Kinder auf Mårbacka dafür ja noch ihre Großmutter. Jeden Vormittag, gleich nach dem Ankleiden, kam diese und setzte sich auf das Ecksofa im Schlafzimmer; sofort war dann auch schon die ganze Kinderschar um sie versammelt, und sie sang mit ihnen und erzählte ihnen Geschichten bis zum Mittagessen. Außerdem hatten die Kinder auch noch einen herrlichen Spielkameraden an ihrem Vater, dem Leutnant Lagerlöf, der in jeder freien Stunde mit ihnen herumtollte.

Back-Kajsa war kräftig und geduldig und pflichtgetreu, und man konnte sich unbedingt auf sie verlassen. Wenn die Herrschaft nach auswärts eingeladen war, so konnte man ganz sicher sein, dass das Mädchen nicht wegging und die Kinder allein im Kinderzimmer ließ. Back-Kajsa wäre wirklich ganz vortrefflich gewesen, hätte sie nur eine etwas leichtere Hand gehabt. Aber es war kein zarter Griff, mit dem sie die kleinen Ärmchen in die Kleiderärmel hineinschob; wenn sie die Kinder wusch, kam ihnen beständig der Seifenschaum in die Augen, und beim Kämmen hatten sie stets das Gefühl, als würden ihnen die Haare ausgerissen.

Das Kinderzimmer auf Mårbacka war eine helle, warme und geräumige Stube, die beste im ganzen Hause; aber sie hatte allerdings den Fehler, ein Giebelzimmer zu sein; um dahin zu gelangen, musste man erst in den unteren Flur hinunter, die Treppe wieder hinauf und dann noch über einen Bodenraum. Die Bodentreppe aber war steil und für kleine Füße recht beschwerlich; so war es stets hochwillkommen gewesen, wenn das vorige Kindermädchen eines der Kleinen auf den Arm genommen und die Treppe hinaufgetragen hatte; Back-Kajsa aber fiel es nicht im Schlafe ein, das zu tun. Überdies war dieser Bodenraum ein schrecklich unheimlicher Ort, besonders des Abends nach Einbruch der Dunkelheit; da wäre es für kleine Hände eine Hilfe gewesen, sich in eine große hineinschmiegen zu können.

Aber Back-Kajsa, die den großen, wilden Wald gewöhnt war, hielt den Bodenraum auf Mårbacka wohl für einen traulichen und sicheren Ort. Sie ging stramm geradeaus ihres Wegs und streckte keinem der Kinder eine Hand hin. Jedes konnte froh sein, wenn es ihm gelang, auch nur einen Zipfel ihres Rocks zu erhaschen.

Die Betten, in denen die drei Kinder schliefen, waren von dem prächtigen alten Schreiner in Askersby angefertigt worden, und sie waren wunderschön geschmückt mit einer Reihe gedrehter Stäbchen rings um das Kopfende. Aber es waren sogenannte Schlafkommoden; denn so groß auch die Kinderstube war, die drei Betten nahmen doch sehr viel Platz weg, und so war es recht zweckmäßig, dass man sie tagsüber ineinanderschieben konnte. Das war an und für sich kein Fehler; aber wie viel Mühe der prächtige alte Schreiner sich auch mit den Betten gegeben haben mochte, sie hatten nun einmal das Bestreben, sich mitten in der Nacht ganz auseinanderzuschieben.

Wenn einem das widerfuhr, wurde man natürlich in hellem Schrecken aus dem süßesten Schlummer gerissen, und fand man das Bett mitten auseinandergefallen ‚ dann versuchte man auf dem oberen Teil in sich zusammenzukriechen, in der Hoffnung wieder einzuschlafen. Aber das gelang nicht, und nach einer Weile streckte man die Beine aus und ließ sie hinunterhängen. So lag man und wartete auf den Schlaf, bis man so hellwach war wie am lichten Tage, und dann entschloss man sich endlich, aufzustehen und zu versuchen, das Bett wieder zusammenzuschieben. Und meinte man, damit zurande gekommen zu sein, und waren die Betttücher wieder schön zurechtgelegt, kroch man so vorsichtig wie möglich ins Bett und dehnte und streckte sich mit Wohlbehagen. Alles ging vortrefflich, der Schlaf kam herbeigeschlichen. Aber dann machte man eine unvorsichtige Bewegung und schon fuhr das ganze Bett mit Gepolter wieder auseinander, und mit allen Hoffnungen auf Schlaf war es für diese Nacht aus und vorbei.

Back-Kajsa aber verschlief das alles, und keinem der Kinder kam es in den Sinn, man könne sie wecken und um Hilfe bitten. Das vorige Kindermädchen war sofort aufgewacht, wenn eines der Betten auseinanderfiel, und hatte es flink wieder zusammengeschoben, ohne dass man sie darum zu bitten brauchte.

Gerade über dem Kinderzimmer befand sich noch ein enger kleiner Bodenraum, der mit alten zerbrochenen Webstühlen und Spinnrocken vollgestellt war, und zwischen diesem Gerümpel hauste eine Eule. Dieses Tier hatte eine ganz merkwürdige Fähigkeit, einen unglaublichen Spektakel zu vollführen. Bei Nacht klang es in den Ohren der Kinder, als ob jemand schwere, dicke Klötze über ihren Köpfen hin und her schöbe. Aber wenn ihnen bei dem Lärm bange geworden war, hatte das vorige Kindermädchen nur gelacht und gesagt, das sei nichts zum Fürchten, es sei nur die Eule. Back-Kajsa jedoch, die aus dem Walde kam, fürchtete sich vor allen Tieren. Für sie waren es böse Geister, und wenn sie nachts durch die Eule geweckt wurde, holte sie ihr Gesangbuch und fing an zu beten. Das trug indes ganz gewiss nicht dazu bei, die Angst der Kleinen zu vermindern, im Gegenteil, es vermehrte nur noch ihre Furcht, und in ihrer Fantasie wuchs sich die arme Eule zu einem großen Ungeheuer mit einem Katzenkopf und Adlerflügeln aus. Es ist nicht zu schildern, wie sehr die Kleinen bis ins innerste Herz erschraken bei dem Gedanken, dass ein so unheimliches Wesen über ihnen wohnte. Wie, wenn es mit seinen gewaltigen Klauen einmal die Decke aufrisse und zu ihnen herabkäme!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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