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Seit mehr als zwei Jahrzehnten vermittelt der amerikanische Naturfotograf William Neill mit seinen Essays seine Erkenntnisse und Ideen zur Fotografie und zur Schönheit der Natur. Sie behandeln technische, ökonomische und philosophische Aspekte des Fotografierens und sind die Essenz aus einem langen Leben als Natur- und Landschaftsfotograf. Tauchen Sie ein in die Welt seiner Fotografien ein, erfahren Sie die Entstehungsgeschichten hinter den Bildern und blicken Sie einem erfahrenen und vielfach ausgezeichneten Profi über die Schulter.
Diese Essays, die hier zum ersten Mal gesammelt vorliegen, bieten den Lesern einen intimen Einblick in den kreativen Prozess des Autors und lassen sie an Diskussionen über die übergreifenden Themen teilhaben, die den Schlüssel zu Neills Philosophie und Arbeitsansatz bilden.
"Die Essenz der Landschaftsfotografie" befasst sich ausführlich mit den wichtigsten fotografischen Grundlagen wie Licht, Komposition, Perspektive und Belichtung, widmet sich aber auch Themen wie der Entwicklung eines Portfolios, Marketing, Fine-Art-Printing, Verantwortung für die Natur, Inspiration und vieles mehr.
Mit 128 wunderschönen und inspirierenden Fotografien vermitteln die Essays die Erkenntnisse eines zutiefst kontemplativen Fotografen, der sein Leben lang die Natur durch das Auge seiner Kamera betrachtet und festgehalten hat. Profitieren Sie von seinen Erkenntnissen und schaffen Sie nicht nur technisch brillante Fotos, sondern auch Bilder, die Ihre persönliche Sichtweise und kreative Stimme offenbaren.
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WILLIAM NEILL
ERKENNTNISSE UND EINSICHTEN AUS EINEM LEBEN FÜR NATUR UND FOTOGRAFIE
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Sandra Petrowitz
William Neill
www.williamneill.com
Lektorat: Rudolf Krahm
Lektoratsassistenz: Anja Weimer
Übersetzung: Sandra Petrowitz, www.sandra-petrowitz.de
Copy-Editing: Alexander Reischert, www.aluan.de
Satz & Layout: Birgit Bäuerlein
Herstellung: Stefanie Weidner
Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de
Druck und Bindung: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe (Saale)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
978-3-86490-811-8
978-3-96910-302-9
ePub
978-3-96910-303-6
mobi
978-3-96910-304-3
1. Auflage 2021
Translation Copyright für die deutschsprachige Ausgabe © 2021
dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17
69123 Heidelberg
Authorized translation of the English 1st edition of »Light on the Landscape« © 2020 by William Neill (ISBN 9781681985749). This translation is published and sold by permission of Rocky Nook, Inc., the owner of all rights to publish and sell the same.
Wenn nicht anders angegeben, wurden auch die Zitate im Text von Sandra Petrowitz übersetzt.
Die Tatsache, dass wir im gesamten Text vorwiegend männliche Formen und Pronomen verwenden, dient der leichteren Lesbarkeit und spiegelt in keiner Weise eine geschlechtsspezifische Einstellung wider.
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Der Umwelt zuliebe verzichten wir auf die Einschweißfolie.
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Ich widme dieses Buch meiner Familie:Sadhna, Caitlin und Ravi.
Den Lesern des Outdoor Photographerund allen Familienmitgliedern und Freunden,die meine Fotografie über viele Jahre unterstützt haben.
Der Schönheit der Natur, die uns jeden Tag umgibt,und dem Trost und Zuspruch, den sie für uns bereithält.
Es ergibt sich von selbst, dass ich im Laufe einer langen, vierzig Jahre umfassenden Karriere vielen Menschen zu danken habe. Zunächst und vor allem muss ich jenen Mitgliedern meiner Familie danken, die nicht mehr unter uns weilen. Meine Mutter war eine begeisterte Befürworterin meiner fotografischen Ambitionen. Mein Vater ermutigte mich unentwegt. Mein Bruder war mir in seinem kurzen, nur zwanzig Jahre währenden Leben Vorbild in Güte, Bescheidenheit und Mitgefühl.
Ich danke dem Team der Zeitschrift Outdoor Photographer, mit dem ich seit 1986 gearbeitet habe. Dazu gehören Steve und Debra Werner, Rob Sheppard, Ibarionex Perello, Chris Robinson und Wes Pitts. Viele Jahre lang habe ich Beiträge geschrieben, bis wir 1997 meine Kolumne »On Landscape« (»Über Landschaft«) ins Leben riefen. Seither sind 136 Essays entstanden – und noch immer entstehen neue.
Meine Familie und meine Freunde haben mich in all den Jahrzehnten ermutigt, kritisch begleitet, inspiriert und beraten, mir zugehört und/oder sind mit mir gereist. Ich hatte das Glück, unglaublich begabte Fotografen als Assistenten in meinem Studio zu beschäftigen. John Weller und John O’Connor hatten es im Büroalltag sowohl mit ermüdenden Angelegenheiten als auch mit entscheidenden Aufgaben zu tun – vom Verpacken der Drucke für den Versand bis hin zur Anwendung ihrer erheblichen Photoshop-Detailkenntnisse, mit denen sie mir halfen, die x-te Nuance aus meinen Bildern herauszukitzeln. Die Ansel Adams Gallery in Yosemite war wesentlich für den Verlauf meiner Karriere – dort hatte ich zwischen 1980 und 1984 meine erste Stelle als Fotograf. Seit 1983 repräsentiert die Galerie mein fotografisches Werk, befürwortet von Ansel Adams selbst. Das Wissen und die Erfahrung, die ich als Angestellter der Familie Adams sammeln konnte, waren und sind die Grundlagen meiner Laufbahn. Während der kurzen Zeit, die ich Ansel kannte, lernte ich von seiner Leidenschaft für die Kunst und für das Handwerk der Fotografie – und erfuhr, welch großes Potenzial für Selbstentfaltung darin steckt. Mein inniger Dank gebührt der gesamten Familie und allem Personal, mit dem ich zusammengearbeitet habe.
Meine Frau Sadhna, mit der ich seit dreißig Jahren verheiratet bin, war das A und O für die Entstehung dieses Buchs – ganz zu schweigen von meiner Karriere und meinem Leben. Sie hat sich als Lektorin für jeden einzelnen meiner Essays für den Outdoor Photographer zur Verfügung gestellt. Ihr unermessliches Vertrauen in mich hat mir die Kraft gegeben, alle Höhen und Tiefen im Überleben eines Künstlers zu ertragen. Dafür – und für so vieles mehr – bin ich auf ewig dankbar. Meine Kinder erfüllen mich mit Stolz und spornen mich an, die Welt zu einem besseren, schöneren Ort für sie zu machen. Meine Kunst ist untrennbar mit meinem Leben verbunden, und meine Familie gibt meinem Leben und meiner Seele Kraft.
Der Landschaftsfotograf William Neill ist seit 1977 in der Gegend des Yosemite National Park zu Hause. Sein Anliegen ist es, die tiefgründige spirituelle Schönheit zu vermitteln, die er in der Natur sieht und spürt. Seine Aufnahmen, die zahlreiche Preise gewonnen haben, sind in Büchern, Zeitschriften, Kalendern und als Poster veröffentlicht worden. Museen und Galerien in den USA haben seine Drucke in limitierter Auflage gesammelt und ausgestellt. Dazu zählen das Museum of Fine Art Boston, das Santa Barbara Museum of Art, The Vernon Collection und The Polaroid Collection. Neill hat einen Abschluss als Bachelor of Arts in Umweltschutz der University of Colorado. 1995 wurde er von der Naturschutz-Organisation Sierra Club mit dem Ansel Adams Award für Naturschutz-Fotografie ausgezeichnet.
Neills Auftrags- und Veröffentlichungsliste umfasst eine Reihe namhafter Magazine, darunter National Geographic, Smithsonian, Natural History, National Wildlife, Conde Nast Traveler, Gentlemen’s Quarterly, Travel and Leisure, Wilderness, Sunset, Sierra und Outside. In der Zeitschrift Outdoor Photographer hat er mit »On Landscape« eine regelmäßige eigene Kolumne. Beiträge über seine Arbeit sind in Life, Camera and Darkroom, Outdoor Photographer und Communication Artserschienen; letztere Publikation hat ihm außerdem fünfmal die Auszeichnung »Award of Excellence« verliehen. In der Liste seiner Firmenkunden finden sich unter anderem Sony Japan, Bayer Corporation, Canon USA, Nike, Nikon, The Nature Company, Hewlett Packard, 3M, Friedrich Grohe, Neutrogena, Sony Music/Classical, die University of Cincinnati und UBS Global Asset Management.
Zwei Bücher in Sondereditionen der The Nature Company wurden mit Neills Aufnahmen illustriert: Rachel Carsons The Sense of Wonder[1] und The Tree[2] von John Fowles. Seine Fotografien wurden darüber hinaus in einer dreibändigen Buchserie verwendet, die sich mit den künstlerischen und wissenschaftlichen Aspekten natürlicher Prozesse beschäftigt – eine Kooperation mit dem Museum Exploratorium in San Francisco: By Nature’s Design (1993), The Color of Nature (1996) und Traces of Time (2000). [3]
Das 1994 als Bildband veröffentlichte Portfolio Yosemite: The Promise of Wildness (Yosemite: Das Versprechen von Wildheit) mit Aufnahmen aus dem gleichnamigen Nationalpark brachte ihm die Auszeichnung The Director’s Award der staatlichen Nationalparkverwaltung ein. Eine Monografie seiner Landschaftsaufnahmen, die den Titel Landscapes of the Spirit (Seelenlandschaften) trägt, ist 1997 erschienen und beschäftigt sich mit Neills Glauben an die Heilkräfte der Natur. Das 2017 veröffentlichte Werk William Neill – Photographer: A Retrospective versammelt seine Aufnahmen aus den vergangenen vierzig Jahren in einem Bildband.
Landschaften, die meine Seele nähren
Warum ich fotografiere
Was gute Landschaftsaufnahmen ausmacht
Meine wichtigsten Erfolgsfaktoren für gelungene Fotos
Landschaftsaufnahmen und das Licht
Lernen Sie, Lichtsituationen zu erkennen und einzuschätzen
Landschaft im Licht
Begreifen Sie sich als Schüler des Lichts
Naturdetail und Landschaftsporträt
Wie ich meinen persönlichen Blickwinkel finde
Auf den Schwingen des Lichts
Licht spielt die Hauptrolle – bereiten Sie ihm die Bühne!
Vom Interpretieren und Veredeln
Der Druck auf den Auslöser ist nur der Anfang
Verschieben Sie die Grenzen
High-Key-Experimente
Fokussiert
Finden Sie Ihr Thema und entwickeln Sie ein Portfolio, das nur Ihre besten Bilder enthält
Von Training und Arbeit
Wie ein redaktioneller Auftrag ein unerwartetes Bildresultat nach sich zog
Am Horizont
Überlegungen zur Positionierung der Horizontlinie
Die Schöpfung
Porträtieren Sie unseren Planeten im Wandel
Auf Bildersuche
Sehen Sie sich jenseits der Ikonen um
Wo sich Licht und Schatten treffen
Kontraste erzeugen eindrucksvolle, plastische Aufnahmen
Das Flüstern im Nebel
Ein Plädoyer für reduzierte, aufgeräumte Bilder
Helfen Sie Ihrer Kreativität auf die Sprünge
Finden Sie Ihren ganz besonderen Blickwinkel
Zum Schutz der Umwelt
Ihre Bilder können den Unterschied ausmachen
Intensivkurs
Es lohnt sich, seine Lieblingsplätze gründlich zu erforschen
Wasser, überall Wasser
Beharrlichkeit als Schlüsselelement im kreativen Prozess
Die Elemente der Wüste
Wo die blanken Knochen der Erde sichtbar werden
Ein Feld voller Möglichkeiten
Wie man vor Ort Fokusprobleme löst
Der rote Faden für Ihr Herbst-Portfolio
Mit einem Thema wird Ihre Bildersammlung einzigartig
Am Wegesrand
Eine Landschaft ist mehr als die Summe ihrer berühmten Aussichtspunkte
Die Bildfläche nutzen
Betrachten Sie die Aufnahme als Ganzes
Espen-Variationen
Lassen Sie Ihre Bildinterpretation wachsen und sich wandeln
Mein Urlaub
Wie man Familie und schöpferische Tätigkeit unter einen Hut bringt
Größe ist relativ
Größenverhältnisse erzählen ihre eigenen Geschichten
Über Vielseitigkeit
Lassen Sie sich auf Neues ein
Von der Anmut des Winters
Die stille Einsamkeit des Fotografierens im Schnee
Lichtmalerei
Entlocken Sie Ihrer Kamera kunstvoll unscharfe Bewegungsstudien
Meditationen in Schwarzweiß
Öffnen Sie sich für neue kreative Wege
Emotion – das magische Element
Folgen Sie Ihrem Herzen
Je schlichter, desto besser
Ansätze für aufgeräumte Bilder
Raus aus dem alten Trott
Lassen Sie Ihre üblichen Motive hinter sich
Die besten Bilder des Jahres
Sehen Sie Ihre Aufnahmen durch, um neue Ziele zu definieren
Im letzten Licht
Greifen Sie die zentralen Themen Ihrer Fotografie immer wieder auf
Morgenlicht
Wenn Sie Ihre Kamera dabeihaben, lacht Ihnen das Glück
Das besondere Detail
Wie ein Bild voller Magie und Rätselhaftigkeit entsteht
Makro-Magie
Entdecken Sie die Geheimnisse der Natur, verborgen in winzigen Welten
Alles im Fluss
Perfekte Fotos sind das Ergebnis gründlicher Arbeit am Motiv
Zwischentöne
Säuberlich separierte Tonwerte kitzeln Nuancen aus Ihren Bildern heraus
Auf dem Heimweg
Motive finden sich überall
Frühling im Canyon
Versuchen Sie stets, sich weiter zu verbessern
Fotografien für die Seele
Bilder machen für Orte der Heilung
Ein kleiner Waldspaziergang in Neuengland
Nehmen Sie die Welt um sich herum wahr
Veredeln Sie Ihr Portfolio
So profitiert Ihr Gesamtwerk von vertieften, fokussierten Kernthemen
Antarktische Träume
Unterwegs außerhalb meiner Komfortzone
Was man wissen muss
Weniger Technik, bewussteres Erleben
Variationen über ein Thema
Manchmal ist der erste Impuls nur eine von vielen Möglichkeiten
Vom Zauber der Bildbearbeitung
Langfristige künstlerische Ziele
Winterliche Radierungen
Im Einklang mit der schlichten, grafischen Eleganz der Jahreszeit
Vom Zwischenraum
Schenken Sie allen Elementen in Ihrem Bild Beachtung
Eine Landschaft von Format
Geben Sie neuen Seitenverhältnissen eine Chance
Flüstern und Schreien
Was sollen Ihre Bilder sagen?
Von Natur aus abstrakt
Die Konzentration auf Details führt zu künstlerischer Inspiration
Tiefenwirkung
Wie man zu Aufnahmen mit erweiterter Schärfe und Schärfentiefe gelangt
Geduld und Beharrlichkeit
Ein wirklich gutes Foto braucht seine Zeit
Ein Tänzchen am Strand
Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche
Eine Ode an den Wildnisfotografen Philip Hyde
In Würdigung unserer Wurzeln
Geschichten
Schreiben Sie über Ihre Fotografie. Es wird die Kraft Ihrer Erzählungen stärken
Anmerkungen zur Technik
Informationen zu den Fotos
Literatur und Anmerkungen der Übersetzerin
Willkommen in meiner Sammlung von Aufnahmen und Essays zum Thema Landschaftsfotografie! Ich freue mich darauf, Sie an meinen Gedanken zu allen Aspekten dieses Genres teilhaben zu lassen. Seit sechsunddreißig Jahren ist es mein »Job«, Fotograf zu sein, freiberuflich und in Vollzeit. In dieser Zeit habe ich das eine oder andere gelernt und möchte es gern an Sie weitergeben.
Die beste Einleitung für dieses Buch, die ich mir vorstellen kann, ist ein Blick darauf, woraus ich Motivation und Inspiration für meine Fotografie ziehe. Denn auf dieser Grundlage basieren alle folgenden Erörterungen in Sachen Licht, Bildgestaltung, Ausrüstung oder Methode. Ich selbst eigne mir eine neue fotografische Herangehensweise nur dann an, wenn sie mir einen direkten Zugang zum Motiv eröffnet und mir hilft, die Reaktion auszudrücken, die das Motiv in mir erzeugt. Anders formuliert: Ich halte meinen Ansatz gern sehr einfach und pragmatisch.
Im Mittelpunkt aller Ausführungen steht die Schönheit der Natur. Von ihr soll hier die Rede sein, denn sie motiviert mich und beflügelt meine Fotografie. Im Angesicht einer Landschaft aus stillem Fels, spiegelndem Wasser und sich öffnenden Wolken fühle ich die stärkste Verbindung zu mir selbst und zum Leben an sich. Diese Schönheit zu sehen und zu spüren, ist mir wesentlich wichtiger als jedes daraus resultierende Bild. Dennoch fühle ich mich verpflichtet, wenigstens den Versuch zu unternehmen, dieser Magie des Staunens eine visuelle Form zu geben, und ich nehme an, dieses Gefühl ist Ihnen wohlbekannt.
Wir Fotografen tendieren dazu, uns von der Technik und der Technologie des Fotografierens ablenken zu lassen. Ansel Adams hat oft das Überangebot an scharfen Fotos mit schwammigem Konzept beklagt. Anders als Ansel bin ich nicht besonders technikorientiert, aber es liegt mir viel daran, technisch exzellente Aufnahmen zu machen. Als Anfänger habe ich mir meine Grundkenntnisse in College-Fotokursen angeeignet – sowie durch Versuch und Irrtum, wobei der Schwerpunkt auf Letzterem lag. In dem Maße, wie sich die Technologie weiterentwickelt hat, habe auch ich neue Verfahren erlernt, um Probleme in meinem fotografischen Alltag zu lösen. Mein Weg als Fotograf nahm seinen Anfang in den 1970er Jahren. Ich nutzte Kleinbild- und 4 × 5-Großformatkameras, ehe ich 2005 komplett auf digitale Fotografie umstieg. In einigen meiner Essays werden Sie Angaben zur Ausrüstung finden; für weitere Details darf ich Sie auf die Bildnotizen am Ende des Buchs verweisen.
Das Buch enthält mein Gedankengut und meine Verfahrensweisen: zum Einfangen des Lichts, zur Gestaltung eines Bildes und dazu, wie man auf persönliche und kreative Weise seinen eigenen Blick auf die Welt vermittelt. Ich habe diese Essays im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte geschrieben; sie fassen meine vierzigjährige Erfahrung im Bildermachen zusammen. Es geht darin um Licht und Wetter, um Bildgestaltung und Umwelt, um Vermarktung und ein bisschen auch um Philosophie; darum, wie man ein Portfolio entwickelt und wo man Inspirationsquellen findet. Und ja, auch Yosemite und Ansel Adams spielen eine Rolle. Ich erwähne sogar Blendenwerte.
Zu Beginn meiner fotografischen Reise verspürte ich überhaupt kein Interesse, mich über das Motiv auszulassen, über Methoden zu schreiben oder meine Gründe dafür darzulegen, dass ich mich für diese Kunstform entschieden hatte. Mein Vater war Journalist, meine Mutter hatte Englisch als Hauptfach studiert, und obwohl mir die beiden als Kind beim Schreibenlernen halfen, wollte ich meine Zeit nicht mit Schreiben verschwenden, wenn ich doch draußen in der Natur sein und fotografieren konnte. Ich war zwanzig und ungeduldig. Nach dem College-Abschluss ging es darum, herauszufinden, womit ich meinen Lebensunterhalt verdienen wollte. Als ich anfing zu lehren, kurz nachdem ich im Yosemite angekommen war, musste ich mich in Worten ausdrücken, vor allem was die Methoden und Herangehensweisen betraf. In dieser Zeit war es mir möglich, Workshops und Vorträge zu besuchen – von Ansel Adams, Joel Meyerowitz, Jerry Uelsmann, Ernst Haas, Paul Caponigro, Philip Hyde, John Sexton, Alan Ross, Robert Glenn Ketchum, Chris Rainier und vielen anderen. Diesen Meistern zuzuhören, hat mir sehr dabei geholfen, meine eigene künstlerische Sichtweise zu finden und zu artikulieren.
In diesen frühen Jahren meiner praktischen Lehrtätigkeit stellte ich fest, dass ich offensichtlich wirklich etwas zu sagen hatte. 1985 begann ich Artikel für die Zeitschrift Outdoor Photographer zu schreiben. Das Jahr 1997 markiert den Beginn meiner Kolumne »On Landscape« für dieses Magazin. Bis jetzt sind in diesem Rahmen 136 Essays entstanden. Diese Essays sollen vor allem die kreative Seite der Landschaftsfotografie beleuchten. In jeder Folge beschreibe ich meinen Ansatz auf der Suche nach Inspiration, beim Entdecken von Motiven – und meinen Weg zum Endresultat. Das vorliegende Buch ist ein Sammelband ausgewählter Kolumnen.
Diese Sammlung spannt den Bogen über viele Jahre. Deshalb weicht die Reihenfolge der Themen von der typischen Abfolge wie in einem Lehrbuch ab. Sie können die Essays der Reihe nach lesen, aber auch an einer beliebigen Stelle mit der Lektüre beginnen. Sie können sich einzelne Themen heraussuchen oder dort einsteigen, wo bestimmte Fotos Ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und sich dann durch die Kapitel arbeiten. Das Inhaltsverzeichnis soll Sie an mögliche spannende Themen heranführen. Was hier beschrieben wird, ist für jeden Fotografen anwendbar, unabhängig davon, ob Sie mit Film oder digital arbeiten.
Ich bin immer auf der Suche nach Inspiration – in der Wildnis, in der Natur nah und fern. Die Schönheit der Natur fotografiere ich seit vier Jahrzehnten, und ich habe dabei festgestellt, dass meine Suche nach den »Landschaften, die meine Seele nähren« ein unendlich wertvolles Gegengewicht zu den Stürmen des Alltags darstellt. Ob nun in der Wildnis oder in meinem eigenen kleinen Stückchen Natur in der Sierra Nevada: Ich schöpfe permanent Trost aus der Schönheit, die uns jeden Tag umgibt, und dieser Trost beruhigt meine Gedanken und hebt meine Stimmung.
Obwohl es in diesem Buch nicht um fotografische Regeln und Vorschriften geht, erwähne ich dennoch viele praktische Möglichkeiten, mit denen Sie Ihre Fotografie verbessern können. Ich hoffe, dass Ihnen die Lektüre – basierend auf meinen Ideen und meiner Leidenschaft für Natur und Fotografie – dabei hilft, Ihre eigene Stimme zu finden und Ihre eigene künstlerische Sichtweise zu entdecken.
Dawn (Morgendämmerung) | Lake Louise, Banff National Park, Kanada | 1995
WARUM ICH FOTOGRAFIERE
Meine Entwicklung als Fotograf ist eng verbunden mit meinem Glauben an den hohen Wert von Wildnis und Naturschönheit sowie das Bedürfnis danach. Diese Überzeugung entstammt persönlicher Erfahrung – als mein Bruder im Sommer 1972 starb, war ich achtzehn. In jenem Sommer arbeitete ich im Glacier National Park. Dass ich mich in meiner persönlichen Notlage dieser Landschaft anvertrauen und in sie eintauchen konnte, hat mir die Augen geöffnet für die heilenden Kräfte der Natur, und es hat mich zu einem Leben in Fotografie geführt. Die Schönheit meiner Umgebung sickerte tief in mein Unterbewusstsein ein – die vor Farbe strotzende Wiese voller Wildblumen, die Wucht eines Gewittersturms, die Klarheit eines Bergsees. Im Versuch, diese lebensbejahenden Entdeckungen festzuhalten und auszudrücken, begann ich zu fotografieren, während ich den Park auf Rucksacktouren erkundete. Innerhalb weniger Jahre war Fotografieren alles, was ich wollte.
Ansel Adams griff gern auf Worte seines Mentors Alfred Stieglitz zurück, um seine Schüler daran zu erinnern, dass eine herausragende Fotografie das emotionale Pendant zur Reaktion des Fotografen auf sein Motiv darstellt. Nur selten erreicht man dieses hohe Ziel. Wir alle können uns glücklich schätzen, wenn wir zwei-, drei- oder viermal im Jahr eine Aufnahme machen, in der Technik und Emotion so ineinanderfließen, dass ein ganz besonderes Bild entsteht. Damit meine ich nicht einfach ein technisch exzellentes, schönes Foto. Ich meine ein Foto, das dank seiner hochgradig persönlichen und kreativen Perspektive Ihre besten Aufnahmen weit übertrifft. Übrigens: Ich bin mir nicht sicher, dass Profis in dieser Hinsicht eine höhere »Erfolgsquote« aufweisen als Amateurfotografen; die jeweiligen Erwartungen an die eigene Arbeit sind einfach zu verschieden. Wie dem auch sei: Es ist immer von Vorteil, wenn man eine gesunde Erwartungshaltung an die eigene Entwicklung hat.
Über die Jahre war ich auf der Suche nach Bildern, die – um es mit den Worten des großen Schwarzweiß-Fotografen Paul Caponigro zu sagen – in der Lage sind, »die Obertöne jener Dimension [der Natur] sichtbar zu machen, nach denen ich suchte. Traumgleich bewahren diese einzelnen Aufnahmen ihre ganz eigene Landschaft, entstanden durch das Zutun einer dort vorhandenen gestaltenden Kraft, und zwar nicht meiner. Auf geheimnisvolle Weise – und meist dann, wenn ich etwas gar nicht bewusst steuern wollte – schlich sich diese mächtige, zarte Magie ins Bild und spiegelte mir genau das, was ich empfunden und gesehen hatte.«
Ich glaube, dass es sich bei der Aufnahme Dawn, Lake Louise um ein solches Bild handelt, wie es Caponigro beschreibt. Ich war an diesem Sommermorgen sehr früh aufgestanden in der Hoffnung auf einen dramatischen, strahlenden Sonnenaufgang über dem Lake Louise und den gletscherbedeckten Bergen. Mag sein, dass meine Hoffnungen ein bisschen übertrieben waren nach den vorangegangenen zwei Wochen Fotografieren im Regen. Geduldig wartete ich auf den Sonnenaufgang, aber die Stimmung, die ich mir vorgestellt hatte, wollte sich nicht einstellen – hartnäckig verhüllten die Wolken die Berge. Es war eine stille, geheimnisvolle Dämmerung. Ich saß einfach da und nahm die Eindrücke in mich auf. Schließlich machte ich mit geringen Erwartungen zwei Belichtungen. Ich setzte meine Reise fort und hatte diesen Morgen bald komplett vergessen. Als ich nach meiner Rückkehr den Film sah, war ich verblüfft und begeistert. Ich musste wirklich darüber nachdenken, wann und wo ich dieses Bild gemacht hatte. Unbewusst, getragen von meiner Erfahrung und meinem Instinkt, hatten sich in diesem Moment die Kraft und die Magie der Landschaft auf dem Film verewigt.
Die Aufnahme vom Lake Louise habe ich mit meiner 4 × 5-Fachkamera und einem 150-mm-Objektiv gemacht (das entspricht 45 mm im Kleinbildformat). Weil ich einen niedrigempfindlichen Film verwendet und die Blende weit geschlossen hatte und es ziemlich dunkel war, lag die Belichtungszeit bei etwa zwei Minuten. Von den erwähnten zwei Aufnahmen war eine ein Querformat, die andere ein Hochformat. Die querformatige Variante sieht fast genauso aus wie die hochformatige, aber die Steine im Vordergrund fehlen. Meist finde ich Gefallen daran, Andeutungen und Hinweise auf die Tiefe einer Szene oder auf Größenverhältnisse aus meinen Aufnahmen zu entfernen, und die Querformat-Variante spiegelt meine normale Herangehensweise wider. Aber das Hochformat bringt die Tiefe besser zur Geltung, und irgendwie ist diese Aufnahme dank des dezenten Hinweises auf die Größenverhältnisse um eine wichtige Dimension reicher. Weil die Steine im Vordergrund von Wasser bedeckt sind und durch die lange Verschlusszeit ein bisschen verwaschen erscheinen, bilden sie ein geheimnisvolles kleines Gegengewicht im Bild.
Ich hatte eine Vorstellung davon, was ich an jenem Morgen am Lake Louise fotografieren wollte, aber als es sich nicht ergab, hatte ich nicht das Gefühl, dennoch unbedingt Aufnahmen machen zu müssen. Stattdessen legte mir die Landschaft einen anderen Vorschlag zu Füßen. Will man ein Bildkonzept mit Gewalt auf den Film bannen, kann es passieren, dass die Kreativität verloren geht. Ich musste kein Bild machen und habe deshalb eines gefunden. Diese Lektion hat der Fotograf Minor White in meinem Lieblingszitat von ihm schön zusammengefasst: »Sei still bei Dir selbst, bis das Objekt Deiner Aufmerksamkeit Deine Anwesenheit bestätigt.«
Also: Warten Sie, beobachten Sie, entspannen Sie sich. Es sind die magischen Aufeinandertreffen von Licht und Land und Kamera, zu denen wir wieder und wieder zurückkehren.
Sunrise on the Hana Coast (Sonnenaufgang an der Küste von Hana) | Koki Beach, Insel Maui, Hawaii | 1994
MEINE WICHTIGSTEN ERFOLGSFAKTOREN FÜR GELUNGENE FOTOS
Welche essenziellen Bestandteile hat eine gelungene Landschaftsaufnahme? Diese Frage habe ich mir gestellt, als ich einen Online-Kurs für Landschaftsfotografie entwarf, der Fotografen dabei helfen sollte, ihre Aufnahmen zu verbessern. Einige wesentliche Elemente spielen in jedem ausdrucksstarken Foto eine Rolle:
•Außergewöhnliches Licht
•Begeisternde, dynamische Bildgestaltung
•Emotionaler Inhalt, der den Betrachter anspricht
All diese Faktoren dienen dem Zweck, das Motiv zu beleuchten und die Absicht des Fotografen zu verdeutlichen. Im vorliegenden Buch möchte ich mithilfe von Texten und Bildern diese Grundlagen erläutern und zugleich ihre fundamentale Bedeutung betonen.
Licht ist die wichtigste Zutat der meisten herausragenden Bilder. Dramatische Lichtstimmungen wie Regenbögen oder durch Wolkenlücken fallende Sonnenstrahlen verleihen einem Bild zusätzliche Spannung. Das weiche Licht eines verregneten Tages kann kleinste Details betonen und die gesättigten Farben einer Szene verstärken. Oft legen mir meine Schüler Bilder von den schönsten Orten vor, die bei gewöhnlichem Licht fotografiert wurden. Wenn man einmal einen Bildaufbau gefunden hat, der funktioniert, liegt es am Licht, ihn zum Klingen zu bringen. In diesem Moment ist nicht mehr nur die Fähigkeit gefragt, ein Bild korrekt belichten zu können; genauso muss man warten können, immer wieder zurückkehren, vorausberechnen und planen.
Mit seiner Bildgestaltung legt der Fotograf die Grundlage dafür, was der Betrachter wahrnimmt. Ob es nun ein dezidiert grafisches Design ist, schlicht oder komplex: Letztendlich sollte es dem Betrachter dabei helfen, das Bild zu verstehen, als Inspiration dienen oder sogar Fragen aufwerfen. Für eine gute Bildgestaltung muss der Fotograf die Relation von Linien, Umrissen und Formen beachten, die Proportionen und Größenverhältnisse einzelner Objekte berücksichtigen und vor allem festlegen, was Bestandteil des Bildausschnitts sein soll und was nicht. Es ist entscheidend, ein Gespür dafür zu entwickeln, gerade genug Information in ein Bild zu packen, ohne Verwirrung zu stiften oder abzulenken.
Gefühl und Leidenschaft sind die abschließenden, essenziellen Bestandteile eines ausdrucksstarken Fotos und in der Umsetzung am schwierigsten. Selbst wenn großartiges Licht und eine exzellente Bildgestaltung aufeinandertreffen, wird dies nur selten ein Foto nach sich ziehen, das alle fundamentalen Bedingungen gleichermaßen erfüllt. Aber wenn wir uns kontinuierlich mit unseren Lieblingsmotiven auseinandersetzen und unser Verständnis davon weiterentwickeln und wenn wir uns in jene Orte vertiefen, die uns inspirieren, dann werden daraus unsere besten Aufnahmen entstehen.
Ein Beispiel: Eines meiner übergeordneten Themen habe ich »Landscapes of the Spirit« genannt. So heißt auch der Bildband mit meinen Lieblingsaufnahmen, und ich erweitere diese Sammlung nach wie vor um neue Fotos. Auch das Bild von Hawaii, das dieses Kapitel einleitet, hat dort seinen Platz. Das Licht war bemerkenswert – es war der röteste Sonnenaufgang, den ich je gesehen habe. Ich musste die Farbsättigung sogar etwas zurücknehmen, weil sie alles andere überlagerte. Für mein Gefühl ist die Bildkomposition gut ausbalanciert und auf schlichte Weise elegant.
Was die Gefühlsebene angeht, kann ich nur für mich selbst sprechen. Das Bild trägt mich wieder in diesen Moment zurück, in dem ich in der Brandung stand und zusah, wie das Licht der frühen Morgendämmerung zu strahlen begann und die Wolken anleuchtete, deren Farbe sich wiederum im Wasser spiegelte. Die Langzeitbelichtung – mehrere Minuten, wenn ich mich recht entsinne – glättete die bewegte Brandung und schuf eine Wasserfarbenpalette aus Rottönen.
Vor einigen Jahren weilte ich am Memorial-Day-Wochenende [4] bei einer Familienfeier im kalifornischen Carmel. Natürlich hatte ich meine Kamera dabei, auch wenn ich nicht auf ausgedehnte Fototouren eingestellt war. Ein paar Ausflüge zu Sonnenauf- und Sonnenuntergang ergaben sich aber doch, bei denen ich einige meiner Lieblingsplätze im nahegelegenen Big Sur besuchte und auch eine Handvoll neuer Orte erkundete. Seit drei Jahrzehnten mache ich Aufnahmen in Big Sur, und ich bin ein leidenschaftlicher Verehrer der außergewöhnlichen Kraft und Schönheit dieser Landschaft. Die Ergebnisse, die ich mit minimalem Aufwand erzielte, stimmten mich derartig zufrieden, dass ich darüber nachzudenken begann, warum ich wohl auf dieser Reise so viel Glück hatte.
Two Rocks and Surf (Zwei Felsen in der Brandung) | Garrapata State Park, Big Sur, Kalifornien | 2008
Zusätzlich zu den genannten drei Kernelementen profitieren erfolgreiche Landschaftsbilder von weiteren Aspekten. Dabei gehe ich davon aus, dass die offensichtlichen technischen Kriterien wie Schärfe, Belichtung und Bildgestaltung bereits berücksichtigt worden sind.
Wenn Sie einen Ort oft aufsuchen, lernen Sie ihn immer besser kennen und eignen sich wertvolles Wissen über Lichtverhältnisse und Wettersituationen an. Sie bringen in Erfahrung, welche Art von Licht sich für welche Landschaften am besten eignet. Sie versuchen sich an unterschiedlichen Bildkompositionen oder kehren vielleicht zu Ihren Favoriten zurück, in der Hoffnung auf das »perfekte Unwetter«, wenn Licht und Wolken und Bildgestaltung zusammentreffen. Ein solcher Ort verleiht Ihrem Portfolio Tiefe. Für die Gegend um Monterey und Big Sur habe ich eine Art Katalog im Kopf mit vielen solchen Plätzen: welche Art von Landschaft für dichten Nebel am besten geeignet ist, wo sich bei klarem Himmel größere Möglichkeiten ergeben und so weiter.
Haben Sie schon mal einen Ort so häufig besucht, dass Sie das Gefühl hatten, wieder und wieder »das gleiche« Bild zu machen? Ich glaube, das geht uns allen so. Wenn es mich ein ums andere Mal zu einem bestimmten Platz zieht, ich mich aber nicht wiederholen möchte, bin ich eher bereit zu experimentieren. Wenn mir an dieser Stelle schon ein gutes Bild gelungen ist, dann besteht kein Risiko, dann ist kein Scheitern möglich. Sollte mir eine neue Sicht auf die Dinge gelingen: großartig. Aber es ist kein Erfolgsdruck da, und es ist auch nichts verloren, wenn kein gutes Foto dabei herauskommt.
Beschäftigt man sich mit einem Thema, ist es wichtig zu wissen, welche anderen Fotografien dazu bereits existieren. Es geht darum, eine Art Bilddatenbank im Kopf zu haben. Verbessern Sie die visuelle Kompetenz auf Ihrem Gebiet – dann laufen Sie weniger Gefahr, Klischeebilder zu produzieren.
Wenn ich weiß, dass ich zum Fotografieren unterwegs sein werde, plane ich Mahlzeiten und andere Aktivitäten so, dass sie außerhalb der Zeiten mit dem besten Licht liegen. Auf dieser Reise war ich morgens um sechs draußen auf Bildersuche. Gegen acht oder neun Uhr kam ich zurück, war bereit für ein opulentes Frühstück und hatte noch den ganzen Tag für meine Familie. Wenn ich auf Sonnenuntergangsbilder aus bin, versuche ich oft früh zu Abend zu essen, vor allem im Sommer, um danach bis in die Dunkelheit hinein unterwegs zu sein. Unsere Unterkunft lag direkt am Strand von Carmel, also konnte ich zu Fuß gehen und musste nicht fahren. Was ich sagen möchte: Mit grundlegender Planung hat man die Chance, Fotografie und andere Interessen unter einen Hut zu bringen und dabei das Optimum aus den Fotomöglichkeiten herauszuholen. Ich neige nicht dazu, mich in minutiöser Ablaufplanung zu verlieren oder einen Kompass oder das GPS zu nutzen, um an irgendeiner als »richtig« wahrgenommenen Stelle zu fotografieren. Ich muss einfach vor Ort sein, schauen, was passiert, und mich auf Erfahrung und Intuition verlassen.
Rufen Sie sich ins Gedächtnis, wie wichtig es ist, Geduld zu haben. Es passiert so oft, dass wir bei der Ankunft an einem neuen Ort dermaßen begeistert sind, dass wir zu schnell arbeiten und uns nur zeitweise konzentrieren. Vom Zauber einer Neuentdeckung sind wir berauscht, aber auch abgelenkt. Wenn Sie an einer für Sie neuen Stelle ankommen: Bremsen Sie sich, nehmen Sie einen tiefen Atemzug (oder mehrere, falls notwendig) – auf diese Weise sehen Sie die Landschaft differenzierter. Hilfreich ist eine ruhige, meditative Herangehensweise, um in der jeweiligen Umgebung wirklich anzukommen, vor allem an unbekannten Orten. Wenn Sie eine Gegend schon kennen, verspüren Sie keine so große Eile, und oft bedeutet weniger Stress bessere Bilder. Es kann Ihrer Sichtweise nur förderlich sein, sich eingehender mit etwas zu beschäftigen.
Wenn Sie Ihre Fotografie verbessern wollen, sollten Sie kontinuierlich an der Weiterentwicklung Ihrer technischen Fähigkeiten arbeiten. Das betrifft die Belichtung der Aufnahme, die Bildgestaltung, den Umgang mit der Schärfentiefe und die Feinheiten der Bildbearbeitung. Fotografischer Erfolg erfordert aber auch Hingabe, zum Beispiel indem Sie Ihre Abendessenszeit verändern, und langfristiges Bemühen, wozu durchaus auch gehört, dass Sie Ihre Lieblingsplätze wieder und wieder aufsuchen.
Kelp | Carmel Beach, Kalifornien | 2008
Black Oaks, Autumn (Schwarzeichen, Herbst) | El Capitan Meadow, Yosemite Valley, Yosemite National Park, Kalifornien | 1984
LERNEN SIE, LICHTSITUATIONEN ZU ERKENNEN UND EINZUSCHÄTZEN
Wenn man Landschaftsfotografie lehrt, besteht die größte Herausforderung darin, die Schüler dabei zu unterstützen, ihre eigene künstlerische Ausdrucksweise zu finden. Ein Weg, um die eigene Kreativität anzustacheln, ist die Frage: »Was möchte ich mit meinen Fotos sagen?« Es ist wichtig, dass man etwas zu sagen hat, dass man ein Thema oder ein Konzept findet, in dem jene Bilder Platz haben, für die man am meisten Leidenschaft verspürt. Denken Sie an Ihre Lieblingsfotografen – ich nehme an, dass Sie sofort parat haben, was diese mit ihren Arbeiten aussagen wollen.
Allerdings ändern philosophische Plaudereien von mir oder anderen nichts daran, dass man eine solide Technik braucht und die wesentlichen Zutaten einer exzellenten Landschaftsaufnahme verstanden haben sollte. Dazu zählt die Lichtqualität. Für diejenigen unter Ihnen, die sich als Einsteiger begreifen, habe ich Empfehlungen zusammengestellt, die Ihnen vermitteln, worauf es bei den Lichtverhältnissen ankommt. Fortgeschrittene können sich an dieser Stelle gern die Grundlagen ins Gedächtnis zurückrufen.
Vielleicht überlegen wir uns zunächst, auf welche Weise sich Licht auf eine Landschaft auswirken kann.
•Aus welcher Richtung kommt das Licht? Kommt es von der Seite, von gegenüber oder von hinten, über Ihre Schulter? Der Winkel der Sonne hat großen Einfluss: Licht mit einem flachen Einfallswinkel, wie man es früh und spät am Tag vorfindet, erzeugt längere Schatten und betont Strukturen.
•Welche Farbe hat das Licht? Die Farbtemperatur des Lichts, das auf eine Landschaft fällt, ist wichtig für die Stimmung, die ein Bild vermittelt, und für seine Wirkung. Mittagslicht ist meist ziemlich neutral, ganz anders als das viel wärmere Licht eines Sonnenaufgangs oder Sonnenuntergangs. Ist der Himmel klar und blau? Dann wird bläuliches UV-Licht in die Schatten reflektiert.
•Welchen Effekt hat das Licht auf den Kontrast zwischen dunklen und hellen Tönen? Wenn Licht auf eine Landschaft fällt, teilt es den Bildausschnitt, den wir im Sucher sehen, in dunkle und helle Flächen auf. Aus diesen Flächen und ihrer Verteilung im Bildausschnitt ergeben sich Gestaltung und Rhythmus der Aufnahme. Licht und Bildgestaltung in einem Foto sind üblicherweise eng miteinander verwoben: Die Lichtverhältnisse beeinflussen die Komposition – und die Art und Weise der Bildgestaltung hat Einfluss darauf, wie das Licht in einer Landschaftsaufnahme wahrgenommen wird.
•Gibt es vielleicht eine bessere Zeit, um eine bestimmte Szene zu fotografieren? Wie oft kommen wir genau zum richtigen Zeitpunkt an einem tollen Fotospot an? Wenn Sie ein Bild belichten, dann tun Sie das hoffentlich, wenn Ihnen Ihr Gefühl signalisiert, dass das Licht gut ist. Es lohnt sich jedoch, darüber nachzudenken, wann das Licht noch besser sein könnte, vielleicht zu einer anderen Tages- oder Jahreszeit.
Ich habe für dieses Kapitel zwei Beispiele für Lichtbedingungen ausgewählt, die sich beide gleichermaßen gut fürs Fotografieren von Herbstlaub eignen. Das Bild Black Oaks, Autumn auf Seite 14 habe ich im Yosemite Valley gemacht. Es war früh am Morgen, die Sonne war gerade erst über die Felswände gestiegen und beleuchtete die Bäume von hinten, während die Felsen im Schatten lagen. In der Kombination von Gegenlicht und dunklem Hintergrund entsteht ein starker Kontrast, der die Herbstfarben betont.
Die Aufnahme Autumn Foliage, Ellis River auf der rechten Seite entstand bei weichem Licht in den White Mountains von New Hampshire. Die Bedingungen waren hervorragend geeignet, um das farbintensive, kleinteilige Herbstlaub zu fotografieren. Es war windstill, keinerlei Schattenwurf zeigte sich. Das gleichmäßige Licht machte es mir möglich, alle Details aufzunehmen, einschließlich der sehr hellen Anteile in den Birken, ohne die dunklen Bildteile ans Schwarz zu verlieren. Kontrastreiche Aufnahmen wie diese sind mit digitaler Technik weniger ein Problem, als sie es zu Zeiten von Film waren, aber das bedeutet nicht, dass man aufhören könnte, über die Qualität des Lichts nachzudenken.
Licht sehen zu lernen ist ein Prozess, der nie enden wird. Schauen ist eine Lebensaufgabe – sehen Sie gleich noch mal hin!
Autumn Foliage (Herbstlaub) | Ellis River, White Mountains, New Hampshire | 1990
Spring Storm (Frühlingsgewitter) | Yosemite Valley, Yosemite National Park, Kalifornien | 1986
BEGREIFEN SIE SICH ALS SCHÜLER DES LICHTS
Eine qualitativ hochwertige Landschaftsaufnahme lebt ganz entscheidend vom Licht. Es ist eine Sache, zu fotografieren und zu hoffen, dass es funktioniert, selbst wenn Sie sich zu den üblicherweise optimalen Zeiten auf den Weg machen. Es ist eine andere Sache, sich als Schüler des Lichts zu begreifen und lebenslang die Lichtnuancen in der Landschaft zu studieren. Wenn Sie sich die Zeit nehmen, die Lichtbedingungen zu entschlüsseln, die an Ihrem Lieblingsplatz über einen langen Zeitraum herrschen, dann machen Sie genau das, was viele Meister der Landschaftsfotografie gemacht haben: Sie werden zum Experten für diesen Ort.
Um Ihre Beobachtungsfähigkeit bezüglich des Lichts zu verbessern, sollten Sie Ihre Bilder nach jedem Fotoausflug sorgfältig analysieren. Wenn man vor Ort mit den unterschiedlichen Aspekten der Bildgestaltung beschäftigt ist, fällt es schwer, jene subtilen Veränderungen wahrzunehmen, die durch wechselnde Bedingungen entstehen. Deshalb bin ich der Meinung, dass es vielen Fotografen gut tun würde, wenn sie sich mehr Zeit für die Bildbeurteilung nähmen. Je intensiver man die eigenen Aufnahmen betrachtet, umso mehr fällt einem auf, und man kann lernen, was gut funktioniert hat und was nicht.